Flugverlauf der Kollision am Piz Neir mit fünf Todesopfern.
Beim Flug der HB-KLB handelte es sich um einen privaten Flug. Nebst dem erfahrenen Piloten auf dem linken vorderen Sitz (im Folgenden Pilot A genannt) befanden sich drei Passagiere an Bord. Der Passagier auf dem vorderen rechten Sitz war im Besitz einer Privatpilotenlizenz für Flugzeuge (im Folgenden Pilot B genannt) und war, wie auch Pilot A, Mitglied bei der Groupe de Vol à Moteur de Neuchâtel (GVMN). Der Flug sollte vom Flugplatz Neuchâtel (LSGN) zum Flugplatz Samedan (LSZS), von dort weiter zum Flugplatz Locarno (LSZL) und schliesslich gleichentags wieder zurück nach Neuchâtel führen. Beim Flug der HB-3412 handelte es sich um einen privaten Flug eines erfahrenen Streckenflugpiloten ab dem Flugfeld Amlikon (LSPA).
Flugverlauf HB-3412 bis zur Kollision
Am Samstag, 12. Juni 2021 um 12:15 Uhr, startete der Segelflugpilot mit dem einsitzigen Segelflugzeug ASW 27-18, eingetragen als HB-3412, mittels Windenschlepp auf der Piste 27 des Flugfeldes Amlikon (LSPA). Nach Höhengewinn in der Umgebung des Flugfeldes Amlikon flog er via Walensee, Glarnerland, Disentis, Airolo und auf der Südseite des Rhonetals bis zum Matterhorn, wo er um 15:33 Uhr auf einer Flughöhe von rund 3700 m/M wendete. Auf dem Rückflug wählte der Segelflugpilot dieselbe Route bis Airolo und gelangte von dort via Valsertal zum Safiental. Danach flog er auf südöstlichem Kurs zum Piz Platta, wo er kreiste, Höhe gewann und um 17:25:47 Uhr auf einer Höhe von 3450 m/M in Richtung Piz Neir abgleitete. Der Segelflugpilot benutzte während des Fluges Zusatzsauerstoff aus einer mitgeführten Sauerstoffanlage.
Flugverlauf HB-KLB bis zur Kollision
Das viersitzige Motorflugzeug DR 400/140 B, eingetragen als HB-KLB, startete um 15:29 Uhr in Neuchâtel (LSGN) zum Flug nach Samedan (LSZS), wo das Flugzeug nach einer Route via Thunersee, Grimselpass, Hinterrhein und den Julierpass um 16:35 Uhr auf der Piste 03 landete. Während rund 40 Minuten flog das Flugzeug dabei auf Druckhöhen zwischen etwa 10 000 und 13 000 ft, wobei den Insassen kein Zusatzsauerstoff zur Verfügung stand. Die Piloten standen während dieses Flugabschnitts zunächst in Kontakt mit dem Fluginformationszentrum Genf, danach mit dem FIC Zürich, wobei der Sprechfunk mit dem FIC Genf vom Piloten B auf Französisch und derjenige mit dem FIC Zürich vom Piloten A auf Englisch durchgeführt wurde. Der Pilot B machte auf diesem Flugabschnitt mit seiner mitgeführten Kamera zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen.
Während einer kurzen Pause in Samedan wurde vom Piloten A eine Fluganmeldung für den Weiterflug nach Locarno ausgefüllt, auf der unter «Route» zunächst «Julier» vermerkt, dies dann aber durchgestrichen und durch «Maloja» ersetzt wurde. Ausserdem wurde unter «Personen an Bord» die Zahl «03» vermerkt. Anschliessend begaben sich die vier Personen wieder zum Flugzeug und nahmen die identischen Sitzpositionen wie beim Flugabschnitt zuvor ein. Um 17:16 Uhr meldete sich der Pilot A wieder auf der Frequenz des Flugplatzinformationsdienstes für den Weiterflug nach Locarno und erhielt u. a. ein QNH2 von 1025 hPa. Auf die Frage nach der Abflugroute antwortete der Pilot A nach etwas Zögern mit «Maloja». Um 17:19 Uhr startete die HB-KLB auf der Piste 03 und flog in einem kontinuierlichen Steigflug via den linken Gegenanflug (downwind) in Richtung St. Moritz, wo sich der Pilot A um 17:25 Uhr beim AFIS abmeldete. Vier Fotos, die vom Piloten B auf dem rechten vorderen Sitz zwischen etwa 17:24 Uhr und 17:27 Uhr aufgenommen wurden, zeigen, dass das Flugzeug anschliessend der rechten Talseite folgend in Richtung Julierpass flog.
Um 17:27:52 Uhr meldete sich der Pilot A beim FIC Zürich mit der Information, dass sie soeben den Julierpass auf 10 000 ft überquert hätten und via San Bernardino und Bellinzona nach Locarno weiterfliegen wollten. Auf dem Radardisplay des Fluginformationsdienstmitarbeiters war die HB-KLB ab 17:28:02 Uhr als Radaretikette sichtbar. Diese enthielt zu diesem Zeitpunkt lediglich die Information, dass es sich um einen VFR-Verkehr mit Transpondercode 7000 handelte.
Der FISO übermittelte ein QNH von 1021 hPa und forderte auf, als nächsten Wegpunkt San Bernardino zu melden. Der Pilot A bestätigte den Meldepunkt San Bernardino und erklärte, dass er den Anfang der Meldung nicht verstanden habe, worauf der FISO das QNH von 1021 und den Meldepunkt San Bernardino wiederholte. Dies wurde im Anschluss vom Piloten A korrekt zurückgelesen, mit Ende des Funkspruchs um 17:28:42 Uhr.
Kollision und Absturz
Unmittelbar nach Ende dieses Funkspruches, d. h. innerhalb der nächsten maximal fünf Sekunden, kam es rund 350 m westlich des Piz Neir auf einer Höhe von fast 3200 m/M und rund 600 m über Grund zur Kollision zwischen der HB-KLB und der HB-3412. Die HB-3412 befand sich dabei etwas höher als die HB-KLB, so dass die Propellerspitzen der HB-KLB auf der Unterseite der linken Tragfläche der HB-3412 Einschnittspuren hinterliessen. Darüber hinaus kam es mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem Kontakt im Bereich der Heckpartien der beiden Flugzeuge. Die HB-KLB verlor in der Folge Teile, darunter das linke und rechte Teilstück des Höhenleitwerks, und prallte rund 600 m nordwestlich des Kollisionspunktes in einer mit viel Schnee gefüllten Mulde auf dem Boden auf. Die Insassen wurden beim Aufprall tödlich verletzt, das Flugzeug zerstört. Der automatische 406-MHz-Notsender ELT, der in der HB-KLB eingebaut war, wurde beim Aufprall aktiviert, aber aus der Flugzeugstruktur herausgerissen und etliche Meter vom Wrack weggeschleudert; das Antennenkabel wurde dabei abgerissen.
Die HB-3412 verlor schnell an Höhe in Richtung des stark ansteigenden Geländes. Der Pilot warf die Haube des Segelflugzeuges ab, verliess das Cockpit und betätigte den Auslösegriff des Rettungsfallschirms. Er erlitt beim Aufprall auf den Boden tödliche Verletzungen; der Fallschirm wurde offen am Boden vorgefunden. Es gibt keine Hinweise, dass der Rettungsfallschirm nicht funktionstüchtig gewesen wäre. Das Segelflugzeug prallte in der Nähe auf einem steilen, schneebedeckten Hang auf und rutschte etliche Meter ab, bevor es in Rückenlage an einem Felsblock, knapp 100 m nordöstlich des Kollisionspunktes, zum Stillstand kam. Der Schalter des automatischen ELT älterer Bauart, der in der HB-3412 eingebaut war, befand sich in der Stellung «OFF»; entsprechend konnte der ELT keine Notsignale aussenden. Das Höhenleitwerk der HB-3412 konnte nicht aufgefunden werden.
Kollisionswarnsystem und Transponder
Die HB-KLB war mit einem Kollisionswarnsystem5 vom Typ Garrecht TRX-2000 ausgestattet, dessen Anzeigegerät sich im unteren Bereich des Instrumentenpanels, leicht rechts der Mitte befand. Das System vereinte einen ADS-B6/Transponderempfänger mit einem integrierten Flarm-Modul7 in einem Gerät. Von der technischen Auslegung her konnte dieses Gerät somit grundsätzlich vor Luftfahrzeugen warnen, die entweder mit ADS-B out, Transponder oder Flarm ausgestattet waren.
Das Flarm-Modul enthielt jedoch eine nicht aktualisierte Firmware-Version und war daher nicht funktionstüchtig, d. h. das Gerät konnte weder Flarm-Signale von anderen Luftfahrzeugen empfangen, noch selber entsprechende Signale an andere Luftfahrzeuge aussenden. Aufgrund des technischen Designs des Kollisionswarngerätes waren als Folge des funktionsuntüchtigen Flarm-Moduls auch die anderen Funktionalitäten des Systems (ADS-B/Transponder) nicht mehr gegeben. Die Instandhaltung des Flarm-Systems wurde intern durch die GVMN gemacht; es war bekannt, dass eine Aktualisierung der Firmware notwendig gewesen wäre, es war hingegen nicht bekannt, dass das Flarm-System im Falle der Nicht-Aktualisierung komplett funktionsuntüchtig war. Gemäss Angaben der GVMN sei das Flarm-System nie komplett befriedigend gewesen, da keine Aussenantennen installiert waren; weiter sei der Bildschirm nicht gut ablesbar gewesen. Daher sei das Kollisionswarnsystem von den Piloten nicht wirklich benutzt worden; auch hätten gewisse Piloten das System mittels des vorhandenen Schalters deaktiviert. Dieser Schalter wurde nach dem Unfall in der Stellung «OFF» vorgefunden. Weiter wurde nach dem Unfall festgestellt, dass die Lautstärke für die akustischen Alarme des Kollisionswarngerätes auf 0 % eingestellt war. Die HB-KLB war weiter mit einem kombinierten PFD10/MFD11 vom Typ Garmin G500 GDU12 620 ausgestattet. Dieses System bot grundsätzlich die Möglichkeit, auf dem MFD anderen Verkehr darstellen zu lassen, sofern entsprechende Empfänger (ADS-/Transponder, Flarm) angeschlossen waren. Dies war bei der HB-KLB nicht der Fall.
In der HB-KLB war weiter ein Mode-S-Transponder vom Typ Garmin GTX 328 eingebaut, der nicht über eine ADS-B out Funktionalität verfügte. Radarechos der HB-KLB wurden sowohl während des Fluges von Neuchâtel nach Samedan wie auch während des Unfallfluges registriert.13 Die während des Unfallfluges registrierten Radarechos wurden von einer Radar-Bodenstation auf dem Lukmanierpass empfangen. Diese Station konnte Mode-A/C-Signale verarbeiten, aber keine Mode-S-Signale. Grundsätzlich entspricht der Antwort-Mode des Transponders dem Anfrage-Mode der Bodenstation. Entsprechend antwortete der Mode-S-Transponder der HB-KLB auch im vorliegenden Fall auf die Anfrage des Radars nur mit Mode-A/C-Signalen.
HB-3412, Allgemeines
Im Flugzeug war ein automatischer ELT älterer Bauart eingebaut, der nur auf 121.5 und 243 MHz senden konnte, nicht aber auf 406 MHz. Der ELT konnte somit nicht beim BAZL registriert werden.
Kollisionswarnsystem und Transponder
An der HB-3412 hatten im März 2021 umfangreiche Anpassungen an der Avionik stattgefunden, in deren Zug von einem Avionik-Fachbetrieb ein neuer Flugdatenrechner, ein neues Kollisionswarnsystem sowie ein neuer Transponder14 installiert worden waren.
Das Kollisionswarnsystem15 vom Typ PowerFlarm Fusion war im Instrumentenpilz verbaut und vereinte einen ADS-B/Transponderempfänger und ein Flarm-Modul in einem Gerät. Dieses konnte von der technischen Auslegung her somit grundsätzlich vor Luftfahrzeugen warnen, die entweder mit Flarm, ADS-B out oder Mode-S-Transponder16 ausgestattet waren17. Die Anzeige erfolgte auf dem Bildschirm des Flugdatenrechners, der sich zentral im Instrumentenpanel befand, bzw. auf dem Display des Variometers V8 rechts oberhalb davon. Der Mode-S-Transponder vom Typ Air Avionics VT-01, der im vorliegenden Fall auch über eine ADS-B out Funktionalität verfügte, war ebenfalls im Instrumentenpilz verbaut und wurde über eine im Instrumentenpanel integrierte Einheit bedient. Für den gesamten Flug der HB-3412 wurden keine Radarechos bzw. ADS-B Daten registriert.
Aufzeichnungen
HB-KLB
Es liegen keine Datenaufzeichnungen aus der HB-KLB vor. Da das Flarm-System wahrscheinlich nicht eingeschaltet, aber ohnehin nicht funktionstüchtig war, wurde insbesondere auch kein Flugweg aufgezeichnet. Weiter war ein Flugdatenrekorder des Herstellers ISEI20 eingebaut, der verschiedene Parameter, darunter den Flugweg, aufzeichnete. Dieser Rekorder konnte jedoch nicht aufgefunden werden.
HB-3412
Bei der HB-3412 konnten sowohl die Datenaufzeichnungen aus dem installierten Flugdatenrechner vom Typ LX9070 als auch diejenigen aus dem Kollisionswarnsystem PowerFlarm Fusion ausgelesen werden. Die Daten zeigten eine sehr gute Übereinstimmung. Neben der Flugwegaufzeichnung wurden viele weitere Daten registriert, darunter der Umgebungslärmpegel. Die während der letzten aufgezeichneten Minute registrierten Daten aus dem Flugdatenrechner sind in Abbildung 6 dargestellt und zeigen einen markanten, sprunghaften Anstieg des ENL um 17:28:47 Uhr. Um 17:29:02 Uhr wurde der letzte Datenpunkt im Kollisionswarnsystem Power-Flarm Fusion registriert; die GPS21-Höhe betrug 2788 m/M.
Medizinische und pathologische Feststellungen
Allgemeines
Gemäss den Autopsieberichten starben alle beteiligten Piloten aufgrund der schweren, beim Aufprall am Boden erlittenen Verletzungen (Polytrauma) sofort.
Pilot A der HB-KLB
Der Pilot auf dem Pilotensitz vorne links war im Besitz eines gültigen medizinischen Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 2 mit den Auflagen VML22 und SIC23. Die regelmässig durchgeführten Tauglichkeitsuntersuchungen dokumentieren einen Krankheitsverlauf mit einer koronaren Herzkrankheit, die den Piloten fluguntauglich gemacht hatten. Nach erfolgreichen kardiologischen Eingriffen wurde der Pilot nach einem positiven Leistungstest im Jahr 2018 mit Auflagen wieder flugtauglich; zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden noch die oben erwähnten Auflagen VML und SIC. Die beim Piloten A durchgeführte Autopsie zeigte eine Schädigung der Herzmuskelzellen durch einen Sauerstoffmangel, die Stunden vor dem Unfall erfolgt war. Solche Zelluntergänge können die normale Erregungsbildung und -leitung am Herzen stören und damit Rhythmusstörungen auslösen, die wiederum eine Minderdurchblutung des Gehirns, verbunden mit Schwindel, eine Einbusse der psychomotorischen Fähigkeiten, Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle nach sich ziehen können. Eine Kombination aus einer vorbestehenden Herzkrankheit und fehlenden physiologischen Reserven kann zu einer Beeinträchtigung der Flugtauglichkeit bis hin zum Verlust der Handlungsfähigkeit führen.
Technische Aspekte
HB-KLB
Das Flugzeug wies grundsätzlich eine umfassende Ausrüstung in Bezug auf die technische Unterstützung zur Kollisionsvermeidung auf: Das verbaute Kollisionswarnsystem konnte von der technischen Auslegung her ADS-B/Transpondersignale sowie Flarm-Signale empfangen und seinerseits Flarm-Signale aussenden; der Transponder konnte Mode-S-Daten senden, aber kein ADS-B out. Jedoch war das Flarm-Modul des Kollisionswarnsystems infolge der nicht aktualisierten Firmware nicht funktionstüchtig und konnte daher weder Flarm-Signale empfangen noch solche aussenden, unabhängig davon, ob das Kollisionswarnsystem auf dem Unfallflug eingeschaltet war oder nicht Aufgrund des technischen Designs des Kollisionswarngerätes waren als Folge davon auch die anderen Funktionalitäten des Systems (ADS-B/Transponder) nicht mehr gegeben. Somit fehlten wesentliche Sicherheitsnetze, da die HB-KLB damit weder für andere Flarm-Empfänger sichtbar war noch vor anderen Luftfahrzeugen, die mit Flarm oder ADS-B/Transponder ausgerüstet waren, gewarnt werden konnte. In Bezug auf die erforderlichen Updates der Firmware publizierte die Firma Flarm Technology Ltd im September 2020 ein Merkblatt mit einer detaillierten Checkliste für die jährliche Instandhaltung von Flarm-Geräten. Die auch hier vorliegende Problematik, dass Flarm-Kollisionswarngeräte ohne regelmässige Updates der Firmware ihre Funktionstüchtigkeit vollständig verlieren, wurde unter anderem bereits im Rahmen einer Untersuchung der Deutschen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) festgehalten. Zu dieser Thematik stellte die Firma Flarm Technology Ltd in Aussicht, an einer Methode zu arbeiten, die ein Weiterfunktionieren abgelaufener Software ermöglicht. Gemäss Angaben der GVMN hatte das Flarm-System der HB-KLB nie wirklich befriedigt, da es wegen der fehlenden Aussenantennen möglicherweise keine besonders gute Empfangs- und Sendereichweite erzielte und zudem das Display aufgrund seiner Positionierung im Instrumentenpanel und seiner Grösse nicht besonders gut ablesbar war. Solche technisch suboptimalen Einbauten von Kollisionswarnsystemen werden oft auch bei «Retrofits», d. h. nachträglichen Ein- oder Umbauten, beobachtet, wo aus konstruktiven Gründen oder aus Platzmangel, aber auch aus Kostengründen nicht immer die bestmögliche und effektivste Einbauart vorgenommen wird. Im vorliegenden Fall hätte beispielsweise technisch die Möglichkeit bestanden, die gesamte Anzeige von anderem Verkehr auf dem MFD und somit prominent im Blickfeld des Piloten darstellen zu können.
HB-3412
Das Segelflugzeug wies grundsätzlich eine umfassende Ausrüstung in Bezug auf die technische Unterstützung zur Kollisionsvermeidung auf: Das verbaute Kollisionswarnsystem konnte von der technischen Auslegung her ADS-B/Mode-S-Transpondersignale sowie Flarm-Signale empfangen und seinerseits Flarm-Signale aussenden; der Transponder verfügte über eine ADS-B out Funktionalität. Die gesamte Avionik wurde im März 2021 neu installiert und war in Bezug auf Bedienung und Ablesbarkeit optimal.
Jedoch zeigen die fehlenden Radarechos bzw. ADS-B Daten während des gesamten Fluges in mehrheitlich grossen Höhen und daher in Zonen guter Radarabdeckung, dass der Transponder nicht in Betrieb war. Somit fehlte ein wesentliches Sicherheitsnetz, da die HB-3412 damit weder für die Flugsicherung noch für andere Luftfahrzeuge, die über ADS-B/Transponder-basierte Kollisionswarnsysteme verfügten, sichtbar war. Da der Transponder erst relativ kurz vor dem Unfall von einem Avionik-Fachbetrieb neu eingebaut und geprüft worden war, erscheint eine Funktionsuntüchtigkeit sehr unwahrscheinlich und es ist daher davon auszugehen, dass der Transponder nicht eingeschaltet war.
Fazit
Bei diversen früheren Untersuchungen von Kollisionen oder Fastkollisionen wurde festgestellt, dass keine oder untereinander inkompatible Kollisionswarngeräte vorhanden waren, und es wurden entsprechende Sicherheitsempfehlungen ausgesprochen. Im vorliegenden Fall waren in beiden Luftfahrzeugen Systeme und Geräte zur Kollisionsverhinderung vorhanden, und zwar mit Flarm bzw. ADS-/Transponder auch auf parallelen Ebenen. Somit wären die Systeme sogar auf zwei Ebenen kompatibel gewesen, wenn sie denn funktionstüchtig bzw. eingeschaltet gewesen wären. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein eingeschaltetes und funktionstüchtiges Flarm-System an Bord der HB-KLB in beiden Luftfahrzeugen zu zeitgerechten und präzisen Flarm-Warnungen geführt hätte.
Ursachen
Der Unfall, bei dem ein Motorflugzeug und ein Segelflugzeug im Reiseflug miteinander kollidierten und in der Folge abstürzten, ist darauf zurückzuführen, dass die Piloten das jeweils andere Luftfahrzeug nicht rechtzeitig visuell wahrnahmen, wozu funktionsuntüchtige bzw. nicht eingeschaltete bzw. inkompatible technische Hilfsmittel zur Kollisionsvermeidung mitursächlich waren. Quelle und vollständiger Unfallbericht: ‚SUST, Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle‚.