Archiv der Kategorie: Segelflug-Blog

Segelflug-Berichte, Erzählungen, Urlaubsreisen und Abenteuer für kleine und grosse Jungs.

Als ob ein Engel schöbe.

1’000 km geradeaus durch die Alpen.

Am Samstag, den 28. April gelingt ein Flug, auf den ich zusammen gezählt seit zwanzig Jahren hinarbeite. Den Schlüssel zum Gelingen hat Markus von der Crone gefunden, der dieses Ziel ebenfalls gleich lange verfolgt. Es ist die unkonventionelle Idee, die Walliser Nordkreten für den Hangflug zu nutzen. Die Schönheit dieses Fluges liegt dabei in seiner Geometrie: einfach geradeaus.

Blick aus dem Cockpit auf die Walliser Viertausender. 

Es stimmt fast alles.

Den Wetterbericht studieren Roland Hürlimann (das ist der dritte Musketier an diesem Flugtag) und ich seit Tagen. Wählen den idealen Flugtag aus, suchen freien Platz in der Agenda, verwerfen anfangs gewählte Flugtage, um vermeintlich bessere zu finden nur, um auch diese wieder zu verwerfen. Es ist fast nicht auszuhalten. Wir haben eine seltene, über mehrere Tage anhaltende Föhn-Periode. Aber meistens Wind aus der falschen Richtung oder in den unteren Luftschichten viel zu schnelle Speeds. Aber am Samstagmorgen um sechs stehen Markus, Roland und ich dann schliesslich wie schon so oft in den letzten Jahren mehr oder weniger munter vor den Hangartoren in Schänis. Der Südwind bläst jetzt in einer vertrebaren Stärke und Richtung. Auf der Fahrt hierher sind mir aber erhebliche Zweifel gekommen. Erste Anzeichen von Wind habe ich erst in Ziegelbrücke gefunden. Das ganze Glarnerland liegt in ruhiger Luft. Phuh – eigentlich gar kein gutes Zeichen für einen frühen Start. Aber wir glauben trotzdem an unser Vorhaben. Markus hilft mir beim Zusammensetzen meiner ASW-20-B, für die mir mein Partner Heinz Brem heute den Vortritt gelassen hat. Wir haben also grossen Ausgang.

Der Wilde Westen.

Wir wissen aufgrund unserer zahlreichen Versuche, was es für einen langen Streckenflug im Föhn braucht. Wind in der richtigen Stärke, nicht zu wild, und vor allem direkt aus Süden auf die Alpen sollte er auftreffen. Letzteres stimmt heute in der Wetterprognose. Blöderweise baut der Wind aber erst im Laufe des Tages die gewünschte Stärke (max. etwa 60 km/h) auf. Leider macht er das nur im Westen, nicht im Osten, den wir alle im Föhn bevorzugen, weil die Turbulenzen dort erheblich einfacher zu behändigen sind als in den waschmaschinen-ähnlichen Lee-Walzen westlich der Glarner Alpen. Vor allem der auf dem Weg nach Westen unvermeidbare Engelberger Kessel treibt mir schon beim Gedanken an die wilden Rotoren am Surenen-Pass und nördlich des Titlis den Puls hoch. Aber heute wird kein Weg dran vorbei führen. Wenn es ein weiter Flug werden soll, müssen wir nach Westen beginnen, weil es in die andere Richtung erst ab Mittag durch die Alpen bläst. Jänudähalt!  

Kein Stress heute.

Um am Morgen rasch in die Primärwelle der Alpen zu gelangen, schleppe ich deshalb über Mollis, um direkt an den Sernftaler Einstiegspunkten in die Welle zu kommen. Der Plan wäre, danach über das Schächental und den Engelberger Kessel das Berner Oberland zu erreichen. An einen Flug mit 1’000 km glaube ich an diesem Morgen nicht und habe Saanen und den Rofan als Wendepunkte in den Logger geschrieben. Das wären dann 800 km – ist ja auch schön weit! Bei der verfügbaren Tageslicht-Zeit Ende April mache ich mir also für einmal keinen Stress wie bei früheren Gelegenheiten auf anderen langen Flügen im Herbst.

Start im Wasserfall.

Der Abflug gelingt anfangs gar nicht. Ich komme zwar rasch am Schilt über 3’000 Meter, der Startversuch über den Gufel- und den Gulderenstock endet dann aber rasch mit einer Schluss-Höhe von noch 1’700 Metern. Etwas ungemütlich. Aber wenigstens bläst der Wind, auch wenn ich noch nicht sicher weiss, wie. Das finden aber Roland und Markus heraus, die vor mir gestartet sind und am Wiggis und den Ostwänden des Glärnisch entlang zum Klausen streben, während ich noch am Sooler-Achseli die zugeschneiten Alphütten studiere. Ich schliesse mich meinen voraus eilenden Gspänli an und steige über meinem Wohnhaus in Schwanden die Grate hoch. Klappt bestens, nach kurzer Zeit lasse auch ich mich über dem Urnerboden durch die Rotoren drehen. Wie früher schon habe ich über den Jegerstögg auch heute wieder die Sache nicht immer im Griff, aber vorsichtigerweise immer genug Luft unter mir und meistens genug Speed auf dem Fahrtmesser. Das Fliegerchen wirbelt durch die Luft wie ein Fetzen Papier. Manchmal sieht man beim Einfahren in eine Walze nur noch blauen Himmel, weil die rüden Fahrt-Zunahmen so am besten ohne Strukturschäden am Flugzeug aufzufangen sind – nur, um Sekunden später ohne Fahrtanzeige aufrecht in den Gurten zu stehen. Nüdschüü, aber einfach nicht zu umgehen. Ich getraue mich aber deswegen nicht, den Speed richtig nach rechts zu drehen und bleibe mit respektvoller Reserve immer im grünen Fahrtbereich.

Über Leukerbad kreise ich das letzte Mal bis an den Tödi. Und danach bis an den Rofan vor Kufstein gar nicht mehr. 

Markus findet den Schlüssel.

Er schlägt, unkonventionell wie er ist, vor, doch über das Bünder Oberland, den Oberalp und den Furka ins Wallis zu fliegen. Ganz einfach den Luv-Hängen nach. Weil es heute so wenig Feuchtigkeit in der Luft habe und weder die Urner- noch die Walliser Alpen zugestaut sind. Was eine Seltenheit ist. Weder Roland noch ich (bin sowieso viel zu tief dafür) lassen sich vorerst von der ungewöhnlichen Idee ‚anzünden‘ und fahren auf den uns bekannten Lee-Flugrouten nach Westen weiter, während Markus sich am Tödi aus 4’000 Metern in den Wasserfall stürzt und in der Gegend von Disentis buchstäblich auf den Boden trifft. Er meldet später aber gutes Fortkommen auf Flughöhen, die wir aus den Thermikflügen kennen – also eigentlich ziemlich tief für turbulente Südwind-Verhältnisse.

Kein Rhythmus.

Roland und ich lassen uns in Engelberg und dem Berner Oberland durch die Rotorwalzen drehen. Am Titlis knallt mir beim Versuch, auf die Luvseite des Rotors südlich des Gipfels zu kommen, dreimal das Fahrwerk aus dem Flieger. Die ganze Kopfstütze verabschiedet sich aus ihrer Halterung und segelt zusammen mit den Karten, Ausweisen und anderen festgemacht geglaubten Geräten durch das Cockpit. Darum mag ich diese Region im Föhn nicht. Aber sonst bleibt alles dort, wo es muss. Um die Reparaturen kümmere ich mich später, damit ich den Kopf nicht verletze, wickle ich vorläufig einmal das Capot-Tuch hinter mir um die freigelegten Metallhalterungen.

Bis jetzt habe ich noch keinen richtigen Flug-Rythmus finden können, es ist einfach dauernd zu viel los hier drin. Besser wird die Situation erst mit dem Entscheid, südlich (und damit über) statt nördlich der Berner Eisriesen westwärts zu fliegen. An der aus Klettertagen bekannten Kingspitze (Engelhörner) steige ich auf 4’000 Meter hinauf, um Markus Spuren ins Oberwallis folgen zu können. Vorsichtig taste ich mich am Schreckhorn vorbei ins Oberwallis. Verabschiede mich von der gut besuchten Zürich-Information-Frequenz und geniesse die plötzliche Ruhe im Flieger. Von hier weg finde ich endlich meinen Rhythmus. Steige vorsichtig (und eigentlich für einen langen Streckenflug langsam) den Hängen nach immer weiter westwärts. Die gröbsten Turbulenzen sind Vergangenheit. Unser Vorhaben wird allmählich zum Vergnügen.

Im Sorglos-Paket nach Austria.

Markus ist mir etwa 30 km voraus und rauscht in der ASG-29 das Wallis hinunter. Meldet gutes Fortkommen bei vernünftigen Wind-Verhältnissen. Ich habe nun den Vorteil, dass er grössere Flieger-Fallen am Funk meldet und kann ihm wie ein Postauto-Anhänger hintennach fahren. Das kompensiert meinen etwas älteren und kürzeren Flieger und ich kann so ständig an ihm dranbleiben. Bald einmal wenden wir am äussersten Zipfel der Walliser Nordkrete bei Martigny. Bis an die Furka zurück drehe ich nur noch zweimal Kurven. Am Diablerets-Gletscher und über dem Lötschental. Die Wind-Strukturen sind wegen zunehmender Feuchtigkeit jetzt besser erkennbar. Erst am Tödi drehe ich auf dem Weg ostwärts wieder ein paar Hundert Meter auf, weil der Aufwind hier mit über 6 Metern/Sekunde so schön und ruhig ist. Aber danach fege ich nur noch stundenlang den Hängen nach. Die Luft wird ruhiger, die Turbulenzen sind handhabbar, die Hänge tragen zuverlässig wie selten. Ich liebe Österreich! Es ist jetzt wie in einem Formel-1-Cockpit. Mit einem Groundspeed von über 200 km/h fegen wir in die Ostalpen, nie über die Hangkanten steigend. Erst am Rofan vor Kufstein drehe ich die Nase der ASW-20-B wieder einmal südwärts und nehme vor dem grossen Sprung an den Wilden Kaiser ein paar Meter mit.

Österreichische Eleganz.

Am Wilden Kaiser drückt es mir fast die Tränen ins Gesicht. Ich komme auf 1’700 Metern an den Hängen an, habe schon nasse Hände, weil ich hier schon so oft stecken geblieben bin, bevor ich am ersten Ausläufer des Kaisers die Nase des Flugzeuges nach oben ziehe und einfach den Kalk-Gräten entlang aufwärts steige. Die Steigwerte sind einfach ein Traum. Es ist als würde heute an jeder wichtigen Stelle Unterstützung geboten.

Als ob ein Engel schöbe.

Und ab hier beginnt das Vergnügen erst richtig. Die österreichischen Segelflieger-Kollegen wissen gar nicht, was sie an ihrer fein säuberlich aufgestellten Alpenketten-Struktur haben. Kein Vergleich mit den turbulenten Verhältnissen (- mir sind ebä chlä vertrülleter) in der Schweiz. Hier fegt man als Segelflieger einfach dem oberen Drittel der Kreten entlang kreuz und quer durch das ganze Land. Die Aufwinde sind bei Südwinden von ca. 30 km/h stabil, verlässlich, sicher. Vor grösseren Unterbrüchen in den Ketten des Kaisers, der Loferer Steinberge, der Leoganger, des Hochkönigs und Dachsteins und wie die Zacken alle heissen, kann man sich jeweils ein paar Hundert Meter auf’s Konto buchen, ein paar Kreise machen – und weiter geht’s in schwungvollem Walzertakt. Die elegante österreichische Lebensart eben!

Arithmetik im Cockpit.

Markus wendet für mich unerklärlicherweise mitten in diesem Vergnügen schon in St. Johann im Tirol und lässt sich nicht aufhalten, zurück nach Hause zu fliegen. Ich will aber Österreich noch etwas weiter ostwärts geniessen und ziehe mit dem gleichen Rhythmus wie vorher weiter bis zum Hochkönig. Als Wende-Zeit habe ich mir drei Uhr nachmittags gesetzt. Nun lasse ich mir sogar noch eine Viertelstunde Reserve und wende kurz vor Bischofshofen am Hochkönig die Nase der ASW-20-B erstmals wieder Richtung Westen. Langsam aber sicher beschäftigt mich jetzt eine vierstellige Zahl. Mit diesem Wendepunkt müssten es zurück bis nach Schänis 1’000 km werden. Ich kann es kaum fassen. Die Karten liegen heute einmal richtig auf dem Tisch. Eine wohlige Zufriedenheit breitet sich in mir aus und die Anspannung der letzten Stunden löst sich langsam.

Stresslos zurück.

Der Wind schiebt aus der richtigen Richtung. In einer vertretbaren Stärke. Der Zeitplan hat über eine Stunde Reserve drin. Ich muss nur noch 300 km fliegen. Was nachmittags um drei im April mit einer verstärkenden Föhnprognose über den Schweizer Alpen bis weit in die Nacht hinein nicht der Ansatz eines Problemes sein sollte. So ist es dann auch. Ich nehme einen Gang zurück und turne gemütlich am Kaiser auf 2’800 Meter hinauf. Damit kann ich direkt an den Rofan fliegen. Und von da an ganz einfach die Standard-Strecke zurück nach Schänis. Vorsichtig, um ja nichts mehr anbrennen zu lassen, nehme ich am Fernsteinsee mit, was ich kann. Dasselbe am Parseier. Mit 4’000 Metern auf dem Konto beginne ich langsam zu realisieren, was heute hier passiert. Ich geniesse den Flug in die Abendstimmung, lasse das turbulente Montafon für einmal aus einer komoden Welle weit unter mir und tauche dann in die turbulenten Schweizer Alpen. Nicht zu lange. Nur noch, bis mein gescheiter StrePla-Kilometer-Zähler wieder bei Null beginnt. Die 1’000 km sind am Pragelpass vollbracht. Meinen urchigen Jauchzer im Flieger hat zum Glück niemand gehört 🙂

Dankeschön.

Markus vollendet in dieser Zeit ebenfalls seinen 1’000-km-Flug noch bis an die Furka und zurück ins Prättigau. Beim ASG-29-Logger kann er nicht genau ablesen, wie viele ausgewertete Kilometer schon auf dem Konto sind. Deshalb legt er noch ein paar Sicherheits-Kilometer drauf, damit es aber auch ganz sicher klappt… Bei Markus möchte ich mich für seine sehr kameradschaftlichen Funkmeldungen über die angetroffenen Verhältnisse speziell bedanken. Das hat dieses Unterfangen erheblich erleichtert. Und bedanken möchte ich mich auch bei unserem robusten Turbinen-Heizer Kurt Götz und bei Urs Lerch, der beim morgendlichen Start geholfen hat.

Auf ein Neues.

Roland ist es leider weniger gut gegangen. Mit der gewählten Lee-Rotoren-Route auf der Nordseite der Alpen hat er viel Energie und Zeit verbraucht und mag irgendwann nach 800 km nicht mehr. Schade – aber dann versuchen wir es einfach weiter – irgendwann klappt es plötzlich. So wie an diesem nicht ganz erwarteten Super-Tag heute. Ein Traum!

Und davon gäbe es ja noch mehr: im Südwind nach Wien und zurück zum Beispiel. Oder einen wirklich langen Thermik-Flug. Wir bleiben dran.

Detaillierte OLC-Flugdaten.

 

„You are cleared to 6000 Meters… Next report: Oberalp.“

In den vergangenen 20 Jahren habe ich es selten bis gar nie erlebt, dass mich Skyguide ohne Transponder über die Standard-Höhen hinauf hat steigen lassen. Heute war das anders. Erstmals seit Jahren sind wir über dem Kanton Graubünden zwischen Zernez und dem Oberalppass mal wieder auf 6’000 Meter oben gesegelt. Ein königliches Gefühl. Und das Ganze auch noch bei Südföhn. Normalerweise ist da südlich der Glarner Alpen alles zugestaut.

Peter Schmid, der mir dieses Jahr während dieses Fluges auch gleich den (etwas ausführlichen) Jahres-Checkflug abgenommen hat, berichtet für einmal als Gast an dieser Stelle über den herrlichen Wellenflug.

Mit diesem e-Mail am Montag, 9. April haben die Ereignisse ihren Lauf genommen. ‚Ja, aber‘, war die spontane Antwort von Ernst. Kurze telefonische Absprache, wir sind uns einig, der Föhn reicht vermutlich nicht weit genug nach Österreich, für einen Weitschuss. Damit einigen wir uns, Treffpunkt 09:00 in Schänis zum regulären Briefing.

Die Strategie, die Strategie…

Wie so oft, haben wir auch heute eine perfekte Strategie. Diese sieht vor, dass wir uns um 09:00 unseren beinahe neuen Arcus T schnappen. Danach Start in die Föhnwellen und einen tollen, unbeschwerten Föhnflug geniessen. Alles klar soweit. Leider auch wie so oft, erfährt unsere Strategie unangenehme Störungen. Dies beginnen schon damit, dass der Arcus bereits seit 07:00 in der Luft ist. Die lapidaren Kommentare unserer Kollegen, „Ihr müsst früher aufstehen“. Vielen Dank an dieser Stelle, das haben wir gerade noch gebraucht.  Somit müssen wir uns wohl oder übel mit einem Duo Discus X begnügen. Zugegeben, das ist klagen auf sehr hohem Niveau.

Warme Kleider angezogen, Material im Flieger verstaut und um 10:06 zieht uns unsere zuverlässige Fox Juliet in Richtung Ziegelbrücke. Den Flachlandflieger wird’s zwar schütteln, wir entscheiden uns aber trotzdem für eine unsportliche Klinkhöhe von komfortablen 2’500 m. Danach Standardprozedere, Leistchamm, Südseite der Churfirsten. Erste Zweifel machen sich im Cockpit breit. Der Walensee kräuselt, die Churfirsten tragen aber eher schlecht als recht. Mutig fliegen wir vor. Die Theorie ist uns bestens bekannt und eine Strategie haben wir auch. In diesem Fall haben wir sogar beide dieselbe Strategie, was auch schon anders war.

Nächster Halt: Sichelchamm. Selbst der mag heute nur enttäuschen. Die Frühaufsteher im Arcus melden sich vom Gonzen. Kurz gerechnet, es ist jetzt 10:40, gestartet ist die Familie Straub um 7:17 – Frühaufsteher eben – , d.h. 3 Std.23 Min. und doch erst am Gonzen. Wir sehen uns in unserer Analyse des Vortages bestätigt, „der Föhn baut erst im Verlaufe des Tages auf und reicht deshalb nicht für einen Weitschuss“.

Der Falknis ist ein Rein-Fall.

Zumindest bestätigt uns die SX Besatzung, dass der Gonzen von ganz unten weg funktioniert. Diese Information lässt uns an unserer Strategie, nämlich vorzufliegen, festhalten. Mittlerweile können wir bestätigen, der Gonzen hat funktioniert und dies ab 1’400 m. Föhnartig, mit Steigwerten um die 5 m/sec haben wir uns schnell auf Kretenhöhe hochgearbeitet. Feinfühlig wie ein Kardiologe arbeitet Ernst uns auf eine nahezu komfortable Höhe von 2’400 m. Wiederum sind wir uns einig, wir fliegen weiter an den Falknis. Dieser belohnt unsere Abenteuerlust mit einem freien Fall über einige hundert Meter. Weiter an den Vilan. Unser brutaler Absturz verlangsamt sich deutlich. Knapp 900 m unter unserer Abflughöhe am Gonzen finden wir uns auf gut 1’500 m am Vilan. Mit Achten und Kreisen und Achten und noch mehr Kreisen, gelingt es uns etwas Höhe zu gewinnen, diese wird aber auch kurz darauf wieder vernichtet. Während ich mich vorne auf sauberes fliegen am Hang konzentriere meint Ernst ganz trocken: „Heinz (Brem – Anm. der Redaktion) sagt immer, die Höhe, die im Geradeausflug am Hang gewonnen wird, sollte möglichst nicht in der Kurve wieder vernichtet werden.“

Gratis-Parkplatz an Vilan und Gonzen.

Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag! Nach ewig lang erscheinendem, erfolglosen Pickeln, kündigen wir dem Vilan unsere Liebe und fliegen zurück an den Gonzen. Aus 1’300 m geht’s wieder im Lift hoch. Guter Rat ist teuer. Wir fliegen entlang der Alvier-Krete zurück zum Sichelchamm. Immer noch keine Bewegung, zumindest keine positive. Nochmals zurück an den Rettungsanker namens Gonzen. Wieder steigen wir auf Kretenhöhe. Wir einigen uns, dass man den Gonzen unbedingt erhöhen sollte. Irgendeine Konstruktion, welche noch ca. 700-1’000 m in die Höhe reicht. Vielleicht sollte man einen Künstlerwettbewerb ausschreiben. Dem geneigten Lester, der jetzt auf Sauerstoffmangel tippt, versichere ich, daran hat’s nicht gelegen.

Wie weiter aus dieser Misere?

Die Lenti’s im Prättigau sehen verlockend aus. Das höchste der Gefühle liegt aber im Moment auf 2’200 m. Trotzdem fliegen wir los. Und siehe da, über dem Geschiebe-Rechen von Fläsch fällt Ernst in eine hauchdünne Mini-Welle. Diese bringt uns auf gut 2’500 m. Damit sichern wir uns den Weg ins Rhätikon. Trotz haarscharfer Analyse aller verfügbaren Parameter – Windrichtung, Windgeschwindigkeit – das Rhätikon trägt einfach schlecht. Wir können gerade knapp die Höhe halten. Endlich gelingt es uns, an der Sulzfluh auf komfortable 2’700 m zu steigen. Jetzt beginnt’s uns langsam zu gefallen. Weiter geht’s über Madrisa an den Älpeltli-Spitz eingangs Montbiel. Zuverlässig wie eine Schweizer Uhr steigt’s hier richtig gut. In Richtung Silvretta-Gletscher trampeln wir in eine Welle. Um ja keine Luftraumverletzung zu begehen, fragen wir rechtzeitig bei Zürich Info für eine Clearance um höher als 3’900 m in den Luftraum Charlie zu steigen. Da unsere Steuergelder gerade an der Arbeit sind – sprich Militärflieger – kann unserem Ansinnen nicht statt gegeben werden.

Auch die beste Armee muss mal üben.

Also halten wir uns an die 3’900 m Obergrenze und fliegen weiter über den Flüela Richtung Zernez. Jetzt sind die Rotoren deutlich gezeichnet und es fällt leicht, diesen Aufwindbändern zu folgen. Das Vinschgau lockt, allerdings erkennen wir die Föhn Strukturen nicht mehr so genau. Deshalb drehen wir an der Nuna um und fliegen wieder westwärts. Am Flüela steigen wir wieder, Zeit für eine erneute Anfrage für weiteres Steigen. Wieder wird unserem Ansinnen nicht stattgegeben.

Steter Tropfen höhlt den Stein.

Etwas später am Jakobshorn erneute Anfrage, leider auch diesmal abgelehnt. Wir entschliessen uns, der Föhnwurst entlang über Arosa Richtung Chur zu fliegen. Wir fühlen uns wie in einem Jet. Ein herrliches Gefühl, mit 180 km/h und 1.5 m steigen der Wolke entlang zu zischen. Selbst im Schnellen Geradeausflug kommen wir dem Luftraum Charlie immer näher. Wer weiss, vielleicht ist den Armeefliegern mittlerweile der Sprit ausgegangen, sicherheitshalber fragen wir bei Zürich Info nochmals an. Der freundliche Controller fragt uns, auf welche Höhe wir denn zu steigen beabsichtigen.

Step by Step cleared to 6’000.

Werden wir mal nicht überheblich und fragen für bescheidene 4’600 m an. Nach einem kurzen „Stand by“ kommt schon sehr bald die Bewilligung auf 4’600 zu steigen. Dies gelingt uns in der Region zwischen Langwies und Tschiertschen.  Viel zu schnell erreichen wir 4’500 m. Schnell angefragt, ob einer weiteren Bewilligung auf 5’000 m statt gegeben werden kann. Die Bewilligung kommt umgehend. Mittlerweile sind wir in der Region Tschiertschen. Das Steigen nimmt auch bei 4’900 nicht ab, deshalb fragen wir in unserer unverwechselbaren Bescheidenheit für 5’500 m an. Auch dieser Anfrage wird unkompliziert und prompt zugestimmt. Der aufmerksame Leser vermutet es bereits, bei 5’400 m das Spiel nochmals. Wir erhalten eine Clearance bis auf 6’000 m. Welch erhebendes Gefühl. „Uns gehört die Welt. Le roi c’est moi.“ und weitere emotionale Ausdrücke durchfluten das Cockpit. Diesmal könnte es tatsächlich Sauerstoffmangel gewesen sein. 😉 ACHTUNG, dies ist nur ein Witz. Selbstverständlich hat es nicht am Sauerstoff, bzw. an Ermangelung desselben gelegen, sondern an diesem wunderbaren Gefühl auf 6’000 m dahin zu schweben.

Der Rest des Fluges ist schnell erzählt. Wie ein Airliner pfeilen wir auf 6’000 m Richtung Oberalp. Wir versprechen dem Controller hoch und heilig (Letzteres sind wir im Gegensatz zu Ersterem nicht), dass wir nicht in den Alfa 9 einfliegen werden. Ausserhalb der Luftrstrasse wenden wir und nehmen wieder Kurs Ost. Mittlerweile gefriert unser Capot immer mal wieder zu. Ernst fühlt sich wie in einer Eishöhle. Mit der Sonne im Rücken sitzt Ernst im Rücksitz im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Selten habe ich diesen zähen Kerl dermassen jammern hören. Evtl. mit Ausnahme der Skitour 2011. Mein Verdacht, dass ich es mit einer Memme zu tun haben, hat der Blick auf das Thermometer mit einer Anzeige von -27 Grand schnell entkräftet. Ernst, ich entschuldige mich dafür, dass ich, wenn auch nur für einen kurzen Moment, an dir gezweifelt habe.  Über die Silvretta, Bielerhöhe nehmen wir immer noch auf 6’000 m Kurs Richtung Schänis.

Schwieriges Absinken in den äh – Walensee –
‚merci vielmal‘ an die Skyguide-Controller.

Die Frage des Controllers, wo wir gedenken, aus dem Luftraum Charlie auszufliegen, hat unsere mittlerweile gefrorenen Hirnzellen nochmals ordentlich in Schwingung gebracht. „Äh“, – ist übrigens ein Anfang, welcher in der Sache nicht unbedingt vertrauensbildend wirkt – „Äh, we intend to fall below 3’900 m in the area of Walensee“. Controller: „OK, next report when falling below 3’900 m“. Wir müssen uns ordentlich anstrengen, aus unserer Position Bielerhöhe 6’000 m bis zum Walensee auf 3’900 m abzusinken. Höflich verabschieden wir uns von Zürich-Info. Wir wurden heute sehr gut bedient. Auch an dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an die freundlichen Controller von Zürich-Info.

Zum Checkflug gehört selbstverständlich eine einwandfreie Landung. Ernst hat diese Abschlussaufgabe mit Bravour gemeistert. Trotz orkanartigem Föhnsturm hat er den Sierra Golf butterweich auf der Piste 16 aufgesetzt.

Altersturnen.

Während Segelflug insgesamt ein sehr dynamischer Sport ist, fiel unser Aussteigen nach 7 Std. 20 Min. eher in die Kategorie ‚träg‘ und ‚ungelenkig‘. Und übrigens – all jene die sich fragen, ob Ernst den Checkflug bestanden hat, kann ich bestätigen, jawohl, mit Bravour. Auch wenn wir an diesem Tag nicht die meisten Kilometer gefressen haben, so war’s ein herrlicher Flug, der uns wieder einmal die vielen Facetten unseres faszinierenden Sportes aufzeigte.   

Hier noch die Wetter-Informationen zum heutigen Flugtag:

Flugstrecken-Aufzeichnung des GPS-Trackers.

Wind auf 2’600 Meter, um 12.00 mittags

und dann noch die Isobaren dazu.

Westwindwelle über dem Glarnerland.

Einfacher Wellen-Einstieg: beim ‚Gartäbänggli der Leglerhütte‘.

Die heranrückende schwache Front hat heute zu auffrischendem Nordwest-Wind und einer deutlichen Labilisierung der alternden Hochdruck-Luft der letzten Tage geführt. Über den Glarner Alpen und dem schönsten Glarner – dem Tödi – stand eine prächtige Nordwest-Wind-Welle bis auf etwa 4’500 Meter hinauf.

Der Welleneinstieg war durch die feuchte Luft für einmal gut erkennbar. An den Kreten des Kärpf, am Hahnenstöckli und am Übergang vom Richetlipass an die Hausstock-Nordkrete staute sich die anströmende, feuchte Luft. Vom Schilt musste man deshalb bloss dem Relief nach zum Kärpf fliegen und die Nase immer leicht auf der westlichen Luvseite halten. Alle Kreten haben auf 2’300 Metern und darüber schön ruhig getragen. Vor der Leglerhütte war dann der Welleneinstieg zu finden. Ruhig, ohne Turbulenzen, problemlos. Am Milchspüeler-See konnte ich den Hängen entlang flitzen, in stetigem Steigen die Wolkenfetzen überklettern, dann an der zerfurchten und zusehends bergsturzgefährdeten Kärpfkrete entlang über den Gipfel wegkreisen und am Hausstock dasselbe Spiel wiederholen. Stets war das Steigen stabil und im Schnitt bei etwa 1.5 Meter / Sekunde. Diese Sportart ist einfach herrlich, wo kann man schon liegenderweise bergsteigen?

Kein Stress auf 119.22 MHz.

Sogar eine Freigabe habe ich heute auf der sonst ruhigen ZRH-Delta-Frequenz nach ein paar Minuten (man konnte fast schon hören, wie der arme Controller einen langen Gang entlang zum Chefbüro lief, um dort diesen Motor- und Transponder-losen Fall zu schildern) erhalten, um nahe an der Luftstrasse A9 am Ende bis auf 4’500 Meter zu steigen. Die Höhe der Freigabe hat für einmal mit der Höhe der Welle übereingestimmt.

Von oben ist man ja sowieso immer gescheiter, wie ein Wellen-System ausgelegt ist. Diesmal stand sie vom Tödi über den Pizol bis etwa an den Falknis. Irgendwann bin ich dann im Prättigau wieder unter die reichlich vorhandenen Wolken getaucht und via Klosters, Weissfluhjoch zur Lenzerheide und noch bis Andeer geflogen. Der Westwind war hier zunehmend stärker, die Gegenwind-Strecke nach Schänis bin ich vorsichtig angegangen, der Endanflugrechner hat unterwegs dann 30 km/h West ausgerechnet. Das reicht, um die ohnehin nicht gerade reichliche Thermik zu verreissen und ist etwas wenig, um eine klare Wellenstruktur zu schaffen. Die Aufwinde waren an den seltsamsten Orten zu finden, beispielsweise auf der Nordostseite der Krete zwischen Tschiertschen und der Lenzerheide. Vermutlich war’s reiner Hangwind aus dem Rheintal bei Chur.

The flying rabbit?

Der erste Flug nach einem langen Winter ist ja immer ein Test, ob alles noch so funktioniert, wie es soll (inkl. Pilot). Der braucht im Gegensatz zum Flugzeug allerdings mit zunehmendem Alter jedes Frühjahr etwas länger, um sich wieder an das Handwerk der Seglerei zu gewöhnen. Unserem handlichen Flieger haben der neu eingebaute Chüngel (Kaninchenfell in der Lüftung) und die abgedichteten Fahrwerksklappen jedoch nur gut getan – die ASW war noch nie so ruhig in der Luft – der reine Luxus 🙂

Es ist alles bereit, die Saison kann also nun ‚richtig‘ losgehen.

Frühlingsflug mit Sarah

Heute haben wir die Gelegenheit gepackt und haben mit unserem tollsten Flieger, dem Arcus T, in der feucht-labilen Frühlingsluft einen UHU-Flug gemacht (ums Huus ummä). Der Arcus hat uns den bekannten Bündner Skistationen entlang ins Prättigau entführt, dann über Arosa nach Laax und durch’s einheimische Glarnerland im weiten Bogen über die Voralpen nach Zug zurück nach Schänis.

Ist zwar ungenauer als ein Logger, beruhigt meine Familie aber trotzdem: der Spot-Tracker. Damit weiss meine Brigitte immer, wo ich bin 🙂

Starke Frühjahrs-Thermik.

Den besten Aufwind haben sie heute am Vilan und im Schlappintal bei Klosters hinmontiert. Da war entweder das Vario defekt oder es ist wirklich mit 5 m/sec. gestiegen. Also wie auch immer – es war ein herrlicher Erstflug dieses Jahr an Bord eines tollen Flugzeuges und in knackiger Frühlingsluft.

Wie es Sarah (unsere älteste Tochter) ergangen ist, berichtet sie gleich selber:

Erlebnistag ‚Segelfliegen‘

Am vergangenen Samstag fand ein Erlebnistag für Swisscom auf dem Segelflugplatz in Schänis statt. Die Besucher haben dabei Gelegenheit, einmal selber ein Segelflugzeug zu steuern.

Am Rande der Zürcher Flugbeschränkungsgebiete und am Tor zu den Alpen befindet sich eines der grössten Schweizer Segelflug-Zentren, der Segelflugplatz Schänis. Pünktlich um neun Uhr treffen sich die Piloten zum Briefing. Es werden die Sicherheitspunkte nochmals durchgecheckt, die Wetterlage besprochen und die Segelflieger an Piloten und Fluglehrer verteilt. Für Schänis Soaring sind mehr als 30 ehrenamtliche Segelfluglehrer tätig.

Komplettes Programm

Beat Straub, Peter Schmid und Ernst Willi führen die Besucher des Erlebnistages in die Faszination des Segelfliegens ein. Es folgt ein kleiner Theorieteil, danach dürfen die Besucher selber miterleben, was es heisst, vom Winde getragen zu werden. Beat Straub, der seit über zwanzig Jahren im Flugbetrieb mit dabei ist, begeistert die Besucher mit eindrücklichen Bildern des Segelfliegens. „Segelfliegen ist ein faszinierendes Gefühl, welches durch kein anderes ersetzbar ist. Beim Segelfliegen herrscht volle Konzentration und das bis zu zehn Stunden lang. Jeder kleinste Fehler könnte fatale Konsequenzen haben“. Sicherheit und Fliegen sind das A und O des Flugplatzes Schänis. Früh am Morgen werden zuerst alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, bis die ersten Segelflugzeuge durch die Schleppflugzeuge in die Lüfte befördert werden.

Hoch hinaus mit dem Arcus T

Mit dem neuesten Doppelsitzer-Segelflieger, Arcus T fliegt mich mein Vater, Ernst Willi, durch die feucht-labile Frühlingsluft bis ins Prättigau. Von dort nach Arosa weiter zum nächsten bekannten Ski-Ort Laax, über den Vorab-Gletscher zurück ins Glarnerland und mit einem grossen Bogen über die Voralpen nach Zug und retour nach Schänis. Skitourenfahrer, Gleitschirmflieger, Bussarde und die Felswände scheinen den Flieger fast unmittelbar zu berühren. Ernst Willi sucht geschickt den Aufwind unter den Cumuluswölkchen und steigt mit 4 m/s mit eleganten Drehbewegungen himmelaufwärts. „Schaue nicht ins Flugzeug-Innere, orientiere dich am Horizont, dann kann dir nicht schlecht werden“, betont er. Nach zwei Stunden landen wir sorgfältig und präzis wieder auf dem Flugplatz.

Segelfliegen als Lebenseinstellung

Segelfliegen ist für Ernst Willi mehr als nur ein Hobby. Er beschreibt es als seine Lebenseinstellung. Beim Segelfliegen benötige man Konzentration und Genauigkeit. Das Spannende am Segelfliegen sei, dass jedes Mal alles wieder auf Null stehe. Man könne sich nicht auf seine Erfahrung verlassen, sondern müsse sich immer wieder bewusst sein, sich neu auf den nächsten Flug einzustellen.

(Sarah Willi)

Horror in Innsbruck.

Dienstag, 25. Oktober 2011. Dieser Tag zeichnet sich vor allem durch eine erhebliche Abweichung von Prognosen und Erwartungen von der angetroffenen Realität aus. Weder die prognostizierten, stürmischen 40 bis 60 kts. Wind-Speed auf 2’500 Metern bis weit nach Österreich hinein noch die optimistischen langen Hangflüge entlang der Inntal-Rennbahn, dem Kaiser, den Loferer Steinbergen usw. waren auch nur ansatzweise in Reichweite. Unter 2’200 Metern zog grundsätzlich gar kein Wind durchs Land und östlich des Arlbergs auch nicht viel mehr.

Frühstart. Alles klappt.

Das wissen wir aber erst nach dem Flug. Leider noch nicht beim ersten Tageslicht, als wir uns in den am Vorabend komplett vorbereiteten Arcus setzen, um heute 1’000 km unter die Flügel zu nehmen. Aufgeschrieben haben wir die Strecke Niederöblarn-Nassereith-Saalfelden. Bei 10  1/2  Stunden Tageszeit nur machbar, wenn unterwegs gar nichts schief geht. Also allerhand (unnötiger) sportlicher Druck im Zwei-Mann-Cockpit, das ja schon bei normalen Verhältnissen nicht einfach zu managen ist, wenn man sich nicht vorher abspricht, wer was wann macht. Letzteres haben wir – nur, was sich bisher bewährt hatte, sollte heute fatale Folgen haben.

Raketen-Start.

Die Tatsache der von der Prognose abweichenden Verhältnisse habe ich am Parseier ignoriert, als sie erkennbar wird. Bis dahin benötigen wir inklusive Schlepp weniger als eine Stunde. D.h., wir sind kreislos in Schänis immer in Kretenhöhe oder darüber via Prättigau und Montafon sowie das Arlbergtal komfortabel und sehr schnell weggekommen. Die Euphorie steigt, ich stelle mir genau vor, wo und wie hoch wir über die Rennstrecke des Inntales, den Kaiser, die Loferer usw. reiten werden. Erstaunt stellen über Landeck auf der Ostseite des Parseiers stattdessen plötzlich fest, dass wir uns entgegen aller Wetterprognosen in ruhiger Luft und am Rande eines bis Innsbruck reichenden und gut aufgefüllten Kaltluftsees befinden. Am Karwendel ist aber weit in der Ferne Staubewölkung mit Basis auf ca. 2’200 Meter erkennbar. Aufgrund frührerer Erfahrungen fliegen wir deshalb zuversichtlich ab. Früher bin ich an der Innsbrucker Nordkrete immer gut weggekommen… das wird sicher heute sicher auch wieder so sein. Denke ich wenigstens. Und eigentlich will ich meinem jungen CoPi auf dem vorderen Sitz ja auch zeigen, wie man lange Flüge im Föhn macht. Ohne einen Aufwind zu finden, segeln wir ruhig weiter, über Tschirgant, Hohe Munde, Seefeld, umfliegen die CTR Innsbruck bis an den Zirlerberg (westlich) von Innsbruck. Wir lassen die ganze Gleitstrecke mit ausreichend Luft unter den Flügeln ungenutzt, um den Flautenschieber zu starten und der Kaltluft zu entfliehen. Immer in der Hoffnung, dass der Karwendel wie sonst immer auch heute wieder trägt. Bis dahin ist also alles wie im Lehrbuch, völlig ok und problemlos, und wir sind auf 1’150 Metern und auf der Frequenz von Innsbruck TWR, bereit, beim Einflug in die Karwendel-Sektoren nötigenfalls anzumelden. Dann geht’s aber plötzlich zu schnell für mich.

Schlimmer Fehlentscheid. Schlimmes Verhalten.

Wir verlieren in den Walzen und Rotoren am Fuss der Karwendelkette nordwestlich des Flugplatzes Innsbruck viel zu rasch Höhe. Und dann fälle ich überflüssigerweise auch noch einen groben Fehlentscheid. Mein CoPi hat sich eigentlich bereits auf die Landung in Innsbruck eingestellt und damit gerechnet, das Fahrwerk ausfahren zu müssen. Stattdessen mache ich von meinen (vor dem Flug festgelegten) ‚Senior-Rights‘ Gebrauch. Und verlange von ihm deshalb nun, auf eigentlich komfortablen 400 bis 500 Meter über Grund und nahe dem Flugplatz Innsbruck den Flautenschieber anzuwerfen. Was er entgegen seinem eigenen Willen auch sofort und trotz seiner Überraschung über meinen Entscheid gut erledigt. Die Zeit reicht nun auch plötzlich nicht mehr für eine Diskussion, wie wir sie sonst in solchen Situationen immer kurz führen. Der Motorstart klappt obendrein dann nicht so schnell wie erhofft. Wir finden uns schlagartig 300 bis 400 Meter tiefer auf Voltenhöhe Innsbrucks und im Segelflugsektor B, später auch im Sektor A wieder – ohne Clearance, wohlverstanden. Noch bis dahin hätten wir in Innsbruck mit einer regulären Platzvolte problemlos zur Landung ansetzen können. Stattdessen sinken wir rasch weiter und verlieren mit voll laufendem Flautenschieber und einem unerträglichen Geräuschpegel weiter Höhe. Ich bin wie blockiert, erkenne aber wenigstens noch, wie ernst die Lage jetzt geworden ist.

Walzen und Rotoren.

Ich konzentriere mich in der Folge auf dem hinteren Sitz mit 100% meiner verfügbaren Kapazität in der sinkenden Luftmasse nur noch darauf, den schweren Flieger auf Fahrt und in der Luft zu halten. D.h. ich fliege, wie die spätere Analyse zeigt, etwas zu schnell und steige entsprechend kaum. Der herrschende Motorenlärm im Cockpit verunmöglicht die  Kommunikation oder einen Funkkontakt mit dem Turm von Innsbruck bzw. beschränkt ein ‚Gespräch‘ im Cockpit auf Handzeichen, die von vorn nach hinten, aber nicht umgekehrt erkennbar sind. Headsets hat der Flieger im Gegensatz zu unserer eigenstartfähigen ASK-21-Mi keine.

In der Falle.

Nun sitzen wir wirklich in der Falle. In sinkender Luftmasse. Ohne Kommunikations-Möglichkeiten nach innen oder aussen. Von der rasch und bedrohlich näher rückenden Topografie immer mehr an den IFR-Sektor von Innsbruck gedrängt. Ohne zuverlässige Variometer-Anzeige, weil der Motor den Luftstrom an die Messgeräte verwirbelt. Dafür mit einem Höllenkrach im Flieger. Motor einfahren geht auch nicht, weil ich dann wegen des Windmühleneffektes noch rascher sinke und womöglich den Flugplatz nicht mehr erreiche. Dann kämen wir bestimmt in der Zeitung. Ich versuche also, irgendwo (östlich und westlich des Platzes) am Hangfuss eine Zone zu finden, um Höhe zu gewinnen, um wenigstens den Flugplatz Innsbruck wieder erreichen zu können. Inzwischen sind wir auf kriminell tiefe Flughöhe gesunken. Das Variometer zeigt wegen der Verwirblungen des Flautenschiebers keine brauchbaren Werte. Bleibt nur den Höhenmesser als Indikator. Die Optik ist nicht auszuhalten. Der Stress auch nicht.

Westlich des Platzes können wir uns dann beim Zirlerberg nach endlos scheinenden Tiefst-Flug-Minuten endlich aus der misslichen Lage befreien, den Felsen entlang wegsteigen. Auf 1’300 Metern den Motor abstellen und an der Nordkette rasch Höhe gewinnen. Und anstelle nun endlich, wenn auch viel zu spät, mit Innsbruck TWR Kontakt aufzunehmen, habe ich mich einfach nach Osten der Nordkrete entlang davon gemacht. Eine Art fliegerische Fahrerflucht also… Ohne auch nur auf die Idee zu kommen, die Innsbrucker Lotsen könnten uns vermissen / suchen. Mitgespielt hat, das ich irgendwie nicht auf der Frequenz eines internationalen Flugplatzes meinen ‚Fall‘ ausbreiten will. Es ist mir sofort klar, dass mein Verhalten Folgen haben muss. Die Innsbrucker Lotsen werden den Vorfall melden müssen. Für mein Schweigen am Funk kann ich mich aber auch hier nur noch entschuldigen.

Beruhigender Apfelstrudel in Kufstein.

Der Rest ist wesentlich einfacher zu erzählen. Wir segeln entlang der Inntal-Nordkrete über den Rofan an den Wilden Kaiser. Arbeiten die Erfahrung in Innsbruck noch in der Luft erstmals (und danach noch verschiedentlich im Detail) auf. Und treffen am Wilden Kaiser gleich nochmals eine ähnliche Situation an, wenn auch diesmal lockerer, ohne Wind und ohne kontrollierten Luftraum. Einfach ruhige Luft, kaum auffindbares Steigen. Nach längerer Hangfliegerei am Wilden Kaiser haben wir (diesmal gemeinsam) entschieden, in Kufstein eine Ruhepause einzulegen. Einen Kaffee und Apfelstrudel zu geniessen. Und uns das noch vorhandene Benzin im Flautenschieber für den bestimmt schwierigen Heimflug aufzusparen. Der Plan ist nun, ab Kufstein an den Rofan zurückzuschleppen, wo wir letztmals richtiges Steigen hatten und von dort dann in aller Ruhe nach Schänis zurück zu segeln.

Noch nicht zuhause.

Der Rückflug wird trotz des nun etwas stärkeren Südwindes trickreich wie der Hinflug. Die Inntal-Nordkrete trägt problemlos, von den kontrollierten Lufträumen bleiben wir weit weg. Vom Fernpass bis an den Parseier ist kaum Höhe zu holen (ausser am Sentenberg zwischen Imst und Landeck, wo wir diesmal geduldig entscheidende 400 Meter dazunehmen. Der Parseier gibt unter 2’200 Metern im dort sauber bis zum Rand aufgefüllten Kaltluftsee gar nichts mehr her. Eines unserer Gspänli muss hier etwas tiefer als wir auch den ‚Motor‘ ziehen und verliert dabei auch gehörig Höhe, am Ende klappt’s dann aber doch. Wir selber erreichen im Segelflug mit Mühe das oberste Kretendrittel und können dort gut wegsteigen. In dieser Flugphase landen verschiedene Piloten in der Region. Darunter auch welche mit mehr Erfahrung als wir beide zusammen.

Den Rotorensalat im Montafon können wir dank der feuchten Luft und der damit verbundenen Wülchli vernünftig handhaben und und segeln hoch auf über 4’000 Metern in der Zimba- und der Schesaplana-Welle in einer Menge feuchter Luft, die aus dem Rheintal ins Prättigau staut, zurück in die Schweiz. Mit frühzeitigem Kontakt zu ZRH-Info, ohne eine Spur von Luftraum-Verletzung und brav weit unter 3’900 Metern über die Landesgrenze einfliegend.

Fliegerische Konsequenzen:

1. Flug am Perseier früh abbrechen, sobald Kaltluft wie an diesem Tag erkennbar wird.

Nicht weiter nach Osten in die Kaltluft fliegen, in der Hoffnung, am Karwendel wegzukommen. Falls man doch weiterfliegt und in die Kaltluft einsinkt, die ca. 40 Min. Gleitflug nutzen und den Flautenschieber mit mehr als 500 Meter Höhenreserve zum Boden starten. Über einem Landefeld oder Flugplatz (aber lieber ohne CTR darum herum).

2. Nötigenfalls weit vor dem Einflug in eine CTR Kontakt aufnehmen, auch wenn man noch nicht weiss, ob man landen will/muss oder nur eine Durchfluggenehmigung verlangen soll. Konfuse Funksprüche sind das kleinere Problem als eine Untersuchung durch die Behörden.

3. Flautenschieber existieren für mich nicht mehr. Ich sitze in einem Segelflugzeug. Basta.

4. Ich werde versuchen, zusammen mit den Innsbrucker Segelfliegern herauszufinden, wie die Luft sich in den Schichten unterhalb 1’500 Metern an der Nordkrete bewegt und werde hier darüber informieren, wenn ich das herausgefunden habe.

5. Noch klarer regeln, wer in welcher Situation entscheidet und wie wir im Cockpit kommunizieren, wenn es fliegerisch erforderlich ist, klare, rasche Entscheide zu fällen.

6. Wenn immer möglich die Kommunikation sicherstellen, wenn der Motor läuft. Installation eines einfachen Headsets, detaillierte Instruktion der Piloten, wie man dieses Instrument sauber einstellt und bedient (wenn man es falsch braucht, wird es zur zusätzlichen Erschwernis).

Persönliche Konsequenzen:

Die habe ich nach verschiedenen behördlichen Kontakten nach dem Flug mit AustroControl, dem Innsbrucker Tower, den Safety-Verantwortlichen des österreichischen und Schweizer Segelflug-Verbands noch nicht gezogen. Es ist vermutlich Zeit, den Logger zu verkaufen. Immerhin bin ich ohne das Ding mehr als 20 Jahre ohne irgendwelche Vorkommnisse in aller Ruhe kreuz und quer durch Europa geflogen, ohne Druck, ohne Stress. Ohne Logger entfällt der sportliche Ehrgeiz, der bei mir ursächlich zu dieser Art von Entscheiden führt. Bei langen Distanzflügen ist die Trennung von ‚Gas-geben‘ und ‚Bremsen‘ noch schwieriger als sonst, weil sie ohne konsequentes, schnelles Vorfliegen gar nicht machbar sind. Es geht eigentlich nur, wenn man sehr schnell fliegt, man nimmt Tiefpunkte also bewusst in die Planung mit.

Schwierig ist auch die Rolle des Fluglehrers bei dieser Art von Flügen. Der Erwartungs- und Leistungsdruck und die Verantwortung ist im Vergleich zu einem ‚Platz-Adler-Flug‘ natürlich höher. Also entweder ambitionierte Flüge nur noch alleine unternehmen oder bei Starkwind-Verhältnissen nur noch Plauschflüge in der näheren Umgebung vom hinteren Sitz aus begleiten. Das ist alles nicht so einfach, wenn man gerne Fluglehrer ist und sein Wissen gerne weitergibt.

Auf jeden Fall nicht nachmachen.

Das ist der Grund, weshalb ich über diesen höchst unangenehmen Flug auch noch Details ausbreite. Es ist vermeidbar, dass andere Piloten ähnliche Fehler nachmachen. Man gerät schneller als erwartet in Schwierigkeiten. Noch vor einer Woche hätte ich mir nicht vorstellen können, mich in eine derartige Lage zu manövrieren. ‚Also so was Verrücktes werde ich sicher nie machen‘, war in etwa die Grundhaltung. Wer hat nicht auch schon so gedacht?

In der untenstehenden Tabelle habe ich meine privaten Schlüsse und jene für den Flugbetrieb auf einem Blatt zusammengestellt, die für Fluglehrer- und (Passagier-) Piloten-Ausbildung oder für den Benutzer von Flautenschiebern und Eigenstartern unter dem Eindruck dieser Erfahrung wichtig sind.

Formel-1 in den Alpen.

Freitag, 15. Juli 2011. Teil 3 von „RM aus dem Cockpit“.

Speed-Racing

Aufgrund der Wettervorhersagen dürfte es sich am Dienstag, den 12. Juli um den mutmasslich letzten Flugtag der RM handeln. Danach bricht wieder der Monsun über uns herein. Davor wird eine schwache Südwest-Lage für ein richtiges Alpenflug-Rennen sorgen. Mit dieser Ausgangslage von Meteomann Dave Brägger im Kopf, dem wir inzwischen aufgrund seiner präzisen Prognosen der letzten Flugtage fast alles glauben, starten wir als erster Flieger unserer Klasse. Ein Erkundungs-/Konturenflug den Churfirsten entlang bestätigt meine Vermutung. Alle Südwestkreten tragen dynamisch. Haa, das wird ein Spass!

Graduus, graduus, graduus….

Also parkieren wir erst mal in der Wartebox in einem nicht recht zentrierbaren Wolkenfetzen-Ufwindli über Walenstadt, bis das Formel-1-Rennen startet. Wir machen uns wieder früh auf den Weg über die 270 km lange Strecke nach Nauders und Brigels. Die Vorfreude auf ein spannendes Rennen dringt durch alle Ritzen. Wie ein Pfeil rasen wir nach Querung der Startlinie an der Durschlegi (da hat der Marc immer einen anderen geometrischen Winkel im Kopf als ich…) den Hängen der Churfirsten entlang, bauen am Sichelchamm die minimale Querungs-Höhe ins Prättigau auf und machen drüben knapp über der Krete angekommen dasselbe Spiel weiter. Schesaplana, Drusen-und Sulzfluh und die Madrisa ziehen in rascher Folge am linken Flügelspitz vorbei. Nach kaum einer halben Stunde sind wir über Monbiel östlich von Klosters auf 3’000 Metern. Bis hierher ging’s fast kreislos. Wir sind gut im Rennen. Müssen wir auch, ich weiss inzwischen, wie der Frigg durch die Alpen rast. Da müssen wir alles geben. Das Rennfieber steigt.

Wie in den französischen Alpen.

Das nächste Ziel rückt näher: sauber ins Engadin einfädeln. Da werden heute zwei Möglichkeiten offeriert. Direkt auf Kurs, hinter dem Linard durch. Das wird kaum ohne Abwinde zu machen sein. Peter Schmid, der uns im Arcus seit dem Walensee auf den Fersen ist, wählt diese Variante. Anfangs finde ich das auch eine gute Idee. Beim ersten kräftigen Downwash wechsle ich aber meinen gewohnten Schleichweg ins Engadin über die Plattenhörner an den Linard auf die Südostseite bei Sagliains (Verladeterminal), wo uns ein satter Viermeter-Aufwind in Kürze über den Gipfel hinaus trägt. Boahh, ist das schön hier oben! Das fühlt sich ja an wie Südfrankreich. Optimismus macht sich breit. Die erste Wende in Nauders ist in Sichtweite. Und die Nordseite des Engadins ist verziert von einem satten Band von Cumulus-Wolken. Aber: der Peter war schneller! Er zieht links unter uns weg, ca. 10 km voraus. „Das hat man halt davon, wenn man Umwege fliegt…“ meint er am Funk.

Na, dann drücken wir auch ein wenig auf’s Gas! Mit einem Speed zwischen 150 und 200 km/h rasen wir das Unterengadin hinab. Die Wolkenbasis sinkt leicht ab. Damit hätten wir am Linard eigentlich gar nicht so hoch steigen müssen. Aber schön war’s eben schon.

Dummheit wird sofort bestraft.

Im Segelfliegen werden Entscheide unmittelbar in Konsequenzen verwandelt. Auch diesmal. Ich drücke auf’s Tempo, wir umrunden mit unserer Luxushöhe Nauders im Nu. Auf dem Rückweg an die Nordkrete haben wir den Peter im Arcus wieder überholt. Aber zum Preis von etwa 300 Metern geringerer Höhe. Er fliegt vorsichtiger und schaltet offenbar einen Gang zurück.

Mein Plan wäre, auf der Nordseite haarscharf über die Krete einzufädeln, dieser tief entlang nach Westen zu flitzen und weiter westlich, wo Wind und Sonne an einer tieferen Krete zusammen wirken, in den kräftigstmöglichen Aufwind einzufädeln. Da müssten doch 4 Meter zu holen sein. Mit diesem Plan im Kopf fliege ich mehrmals tief im Gelände ziemlich übermütig durch Zwei-Meter-Aufwindgebiete hindurch und drücke auf den Speed. Mir dämmert noch immer nicht in vollem Ausmass, dass im Unter-Engadin der Südwest zu einem starken Bergwind kanalisiert wird. Die Thermik zerreist. Über die Kreten fegt und wie am Grand-Bérard in Südfrankreich (meiner Meinung nach deswegen einer der gefährlichsten Thermikberge) die satten Lee-Aufwind zerhackt.

Schöne Aussichten in Richtung Unterengadin. 

Klare Entscheide sind gefragt.

Dann kommt’s ganz dick. Dort, wo mein phantastischer 4-Meter-Aufwind sein sollte, ist nichts. Stille auf dem Vario. Und im Cockpit. Jaheimatschottlandnuchemal. Das gibt’s doch gar nicht. Mir sausen etwa 17 Themen gleichzeitig durch den Kopf. Unser schöner bisheriger Durchschnitt. Die Thermik-Situation. Der Wind. Die Sonne. Warum ich vorhin nicht eingedreht habe. Dann wären wir jetzt nämlich über den Kreten und hätten wesentlich bessere Optionen in der Hand.

Ich drehe tief über den Kreten nach links und rechts. Nix. Weiter hinaus ins Tal unter eine dicke Wolke. Davon hat’s zwar mehrere, aber ich weiss nicht, woher die genau kommen. Wieder nix. Diese dicken Dinger mag ich sowieso nicht! Jetzt sind zusehends ganz klare Entscheide gefragt. Wir sinken rasch. Peter zieht stolz im Arcus über uns weg nach Westen. Tja. Das war’s dann wohl mit dem schnellen Schnitt. Und inzwischen droht mit der Höhe, die wir noch haben, weit Schlimmeres. Am Ende eiern wir noch mit 2’000 Metern durch das enge Unterengadin.

Hier bringen die Aufwinde noch genau das, was sie auf den ersten Blick versprechen. 

Böser Hänger.

Also doch einen Versuch auf die andere Talseite wagen. Wenn die Nordseite im Lee ist, ist die Südseite im Luv. In einem engen, steilen Tal östlich von Schuls segle ich tief unter der Krete die Geröllhalden entlang. Es steigt zwar (vermutlich nur die eine Hälfe der Spannweite), wir brauchen aber etwas Kräftigeres, wenn wir mit dem schweren Tanker hier rasch wieder aufwärts wollen. Die angepeilte Geröll-Flanke verschwindet in den Wolkenschatten. Da wird die Thermik sofort noch weniger. Wo ist denn hier der „don’t-panic-button“? Also doch wieder hinaus ins Tal. Halt einfach irgendwohin, wo ich mir eine klare Thermik-Quelle vorstellen kann. Weg von diesem undefinierbaren Wolkenzeugs mitten in der Landschaft ohne erkennbaren Bezug zum tieferen Gelände.

und so sieht die GPS-Aufzeichnung des Besuchs im „unteren“ Engadin aus.

Nachmittags noch ins Thermalbad?
Schuls hat ein schönes Thermalbad, Wellness- und Kurhaus. Auch eine schöne Landewiese. Der Puls wird ruhiger. Es beginnt wieder klar zu denken. Wenn der Bergwind hier durchpfeift und die Sonne auf die nördlichen Matten des Engadins knallt, müsste doch jede querstehende Krete und jeder Waldrand Thermik ablösen. Sowas haben wir hier gerade vor der Nase. Bei Ramosch zielen wir auf die Geissgädeli an der Lärchenwald-Kante. Jetzt bewegt sich endlich etwas. Mit einem runden Meter beginnt unser Duo langsam zu steigen. Er versetzt dabei kräftig nach Osten. Aha. Das war’s also. Langsam wird das Ausmass meines übermütigen Fehlentscheides klarer. Kleine Ursache – grosse Wirkung.

Wie in den Theoriebüchern turnen wir nun einer langen Krete entlang aufwärts. Drehen immer wieder ein paar Kreise, um die nächste Geländestufe zu erklimmen. Irgendwann nach ewig langer Zeit sind wir im obersten Teil unter einem langen Hang mit Lawinenverbauungen. Zum Glück ohne Seile. Eng zieht der Duo dem Hang entlang in Achten nach oben. Langsam aber stetig. Irgendwann können wir eindrehen und sind wieder „back in business“. Heissä Sand, war das jetzt eine Übung. Nun aber bloss weg von hier.

Die anderen auch.

Während wir uns vom Schreck erholen, fährt gaaanz weit unten der Adrian Blum in seinem Duo ein. Boah, soweit unten in den Lawinenverbauungen möchte ich lieber nicht mehr sein! Auch der Beat Straub rauscht im Duo noch in unseren Aufwind, er muss noch nach Nauders. Ich bin gottäfroh, wenn wir endlich wieder die Nordseite anfliegen können.

Das klappt dann auch in einem unmöglich engen Aufwind im Piz Buin-Gebiet. Endlich können wir uns nördlich der Plattenhörner ins Prättigau fallen lassen. Und da stehen auf der Luvseite sofort wieder mehr als drei Meter auf dem Vario. Also, geht doch!

Der Snowboarderberg bringt’s.

Marc zentriert am Jakobshorn einen sackengen, aber starken Aufwind, der uns die Möglichkeit öffnet, direkt auf Kurs über das Stätzerhorn und die Lenzerheide an den Flimserstein zu fahren. Die Route über die südliche Talseite scheint uns etwas diffus. Peter Schmid kämpft sich da gerade durch und meldet einen kleineren Durchhänger am Piz Curvèr bei Savognin.

Wir nehmen deshalb in Kauf, dass wir am Flimserstein und Ringelspitz wieder die Kreten hinauf turnen müssen und nehmen uns diesmal etwas mehr Zeit, um in die obere Etage zu kommen. Brigels ist ja mit seiner Lage mitten im Tal und dem Rückweg an den Panixerpass sicher kein Spaziergang. Die Felslandschaft südlich der Sardona erinnert in ihrer Kahlheit an den Pic de Bure. Anfangs ist das Steigen ungenügend, aber sobald wir über die Höger kommen, können wir wieder aufdrehen.

Wie eine Gewehrkugel.

Der Rest läuft nach Plan. Vorsichtig holen wir die Wende mitten im Rheintal und ziehen gerade so schnell den Hängen entlang, dass wir uns sicher in die Schlucht beim Panixer fallen lassen können. Mit 150 Metern Reserve rauschen wir durch das Nadelöhr. Aus dem rechten Augenwinkel erscheint plötzlich – schnell wie eine Gewehrkugel – der Ventus von Frigg Hauser und taucht kopfüber in die Schlucht. Mein lieber Schieber – wir sind ja schon mit mehr als 200 km/h unterwegs! Frigg zischt durch das Sernftal und am Schilt vorbei nach Ziegelbrücke, wir einige Kilometer dahinter mit allem, was der Duo so hergibt. Das macht nun wieder wirklich Spass und wir ziehen mit Volldampf glücklich über die Ziellinie in Schänis, um sofort auf der Föhnpiste zu landen.

Bis auf den Fehlentscheid im Unterengadin lief alles spitzenmässig. Ohne diesen Absitzer, der eine halbe Stunde gekostet hat, wären wir mit einem ähnlich schnellen Speed rundherum gekommen wie der spätere Tages- und Wettbewerbssieger Frigg Hauser. Aber von ihm lassen wir uns gerne schlagen. Erstens, weil ich ihn schon seit Jahrzehnten gut kenne und zweitens, weil er zu den besten Grand-Prix-Piloten überhaupt gehört. Mehr war nicht drin gewesen – aber Spaaaassss hat es gemacht, und das nicht zu knapp!

In der Thermik-Badewanne.

 (Teil 2 von „Die Regionalmeisterschaft in Schänis im Cockpit“)

Kann man da überhaupt segelfliegen?

Süddeutschland ist sicher eine wunderbare Gegend. Vermutlich auch zum Segelfliegen, wenn man dort startet. Von Schänis aus hatte ich in der Vergangenheit überwiegend Schwierigkeiten damit, dahin und vor allem wieder von dort zurück zu kommen. Ich habe immer das Gefühl, im Zürcher Oberland in eine thermische Badewanne eintauchen zu müssen. Bei Singen dann den anderen Rand hinaufkraxeln zu dürfen. Und auf dem Heimweg die Geschichte rückwärts abzuwickeln. Mag ich nicht so, muss ich zugeben. Das beeindruckt natürlich unsere Wettbewerbsleitung nüdäsoo. Sie schickt uns am zweiten Wertungstage nach Tuttlingen in einen grossen AAT-Kreis. Das ist die Kurzfassung einer taktisch schwierigen Flug-Entscheidung, wann man spätestens umdrehen sollte. Auf dem Weg dahin sind ein paar Fallgruben geöffnet für alle, die den Luftraum um Zürich einen Moment lang aus den Augenwinkeln verlieren. Hueräkompliziert, diese TMA’s – am Boden geht’s ja noch, aber wenn man fliegt, wird’s schwierig damit.

Thermik kommt zu spät, hört aber früher auf.

Die Aufgabe wird durch ein nur kurz geöffnetes Meteo-Fenster etwas schwieriger. Wir starten erst nach drei Uhr. Das lässt wenig Spielraum, bis die Thermik einschläft. Mich zieht es also geistig schon beim Wegflug aus dem Zürcher Oberland wie an einem Gummiband gezogen wieder zurück nach Schänis. Aber wie Marc immer sagt: wir sind an einem Wettbewerb, also fliegen wir, solang es geht. Ich bin mit ihm während der Flugaufgaben meistens einer Meinung – ich habe auch den Vorteil von Veto- oder Senior-Rights, die ich nutze. Aber bei der Abflugplanung und den geometrischen Aufgaben beim Überqueren der Startlinie werden wir uns wohl nie einig. Trotzdem stürzen wir uns kopfüber ins Toggenburg. Ein Auge auf dem PDA und den Lufträumen, das zweite auf den anderen Flugzeugen, die um uns herumsurren. Und die anderen beiden suchen Thermik. Und Traubenzucker, wenn wir mal wieder einen Aufwind erwischen.

In der schwachen Thermik zwischen Toggenburg und Rhein.

Der Weg nach Frauenfeld geht ganz ordentlich vonstatten. Wenn man sich mal dran gewöhnt hat, dass hier die Aufwinde viel schwächer sind als in den Alpen. Bald einmal überwinden wir ein grosses blaues, aufwindfreies Band zwischen Frauenfeld und Stein am Rhein und rauschen auf der Nordseite des Rheins in einen kräftigen Aufwind, der den Anschluss an die schönen Wölchli über Süddeutschland bildet. Schon nach kurzer Zeit sind wir mitten in einer Blattere von anderen Segelflugzeugen, die mit uns steigen. Die vor uns liegende Strecke sieht toll aus. Wir drehen den Volumenregler nach rechts und geben Gas. Obwohl das Gelände hier deutlich ansteigt, haben wir wenig Mühe, in den starken Aufwinden rasch vorwärts zu kommen. Teilweise klettern wir mit deutlich mehr als zwei Metern pro Sekunde bis auf 2’000 Meter hinauf. Über einer Autobahnraststätte treffen wir auf Frigg Hauser, der mit seinem voll geladenen Ventus unter einer dicken Wolke aufwärts strebt. Das heisst, wir sind ja gar nicht so schlecht unterwegs…

Die Überreste des open-airs in Frauenfeld.

Geometrie-Aufgabe.

Marc sagt, wo wir hinfliegen. Nach Nordwesten in Richtung Feldberg. Das ist strategisch und geometrisch eine gute Richtung. Unter einer Wolkenstrasse geht es flott und sorglos weiter. Pünktlich nach der halben zur Verfügung stehenden Flugzeit fahren wir über einer Baumschule ein. Die mag ich besonders gern, da sammelt sich immer Warmluft am Boden, die entweicht dann schlagartig nach oben. Da drüber schwebt eine dicke schwarze Thermikwolke. Die zieht aber schlechter als erwartet. Nur mit maximal zwei, statt der erwarteten drei bis vier Meter pro Sekunde. Irgendwie bekomme ich es einfach nicht gebacken, hier schneller zu steigen. Passiert mir unter breit auseinander laufenden Wolken öfters. Da brauche ich mal Hilfe, wie man das richtig macht. Marc hat’s besser im Griff und zentriert über einem Steinbruch sauber bis auf über 2’000 Meter hinauf. Dann also nix wie heim jetzt.

Auweiha.

Wenn man sich umdreht, sieht plötzlich alles etwas anders aus. Im Raum Bodensee ist alles blau. Die letzten schönen Wolken sind in der Region von Singen. Da darf man noch hoch hinauf kreisen, danach ist ausser der fehlenden Thermik auch noch der Luftraum heruntergesetzt. Das wird wohl etwas schwierig. Süferli schleichen wir mit der vorhandenen Höhe in den Raum Frauenfeld. Da kreisen ein paar von uns. Aber eeländtüüf. Nun kommen Marc’s Qualitäten ins Spiel. Er zaubert den Duo mit 20 cm Steigen pro Sekunde geduldig ein paar Hundert Meter nach oben. Soweit wir dürfen oder können. Auf 1’450 Metern ist Feierabend. Das reicht natürlich nie über den Rickenpass. Aber vielleicht in die Nähe davon.

In der untersten Etage auf der Suche nach Landefeldern.

Wir überlegen intensiv, wo wir die nächsten Aufwind herbekommen können, der uns nach Hause tragen könnte. Viel fehlt eigentlich nicht. Es sieht aber schon etwas ungemütlich aus. Tote, stabile, feuchte Luft. Nix Zentrierbares. Bei Kirchberg wohnt ein Studien-Gspänli von mir auf einem Hügel. Exakt über seinem Haus scheint die Luft etwas zu steigen. Wenigstens die Hälfte eines Kreises, wenn wir drüber eindrehen. Aber nach zehn Minuten Kreiserei am Fahrt-Minimum und knapp über dem Waldrand reissen meine Nerven. Es wird mir zu gefährlich, so tief mit dem schweren Doppelsitzer in der halbbatzigen Thermik herumzueiern.

Ein gutes Landefeld bei der Graströchni in Bazenheid haben wir schon länger im Augenwinkel. Da ist ja aber noch ein „offizielles“ bei der Sportanlage Bütschwil. Das Feld ist lang, hat einen freien Anflug und müsste für uns gut ausreichen. Also fliegen wir dahin. Tief. Ohne Aufwind. Es ist nichts zu machen. Wir werden hier zu Boden gehen. Wie der Segler, der vor Bütschwil schon am Boden steht. Und jener bei Kirchberg, der ein Weizenfeld ausgewählt hat. Offenbar ist wirklich nichts mehr zu finden gewesen.

Konzentriert drehen wir ein paar Kreise über dem Landefeld. Sieht gut aus. Legen die Einflugrichtung fest. Werfen das Fahrwerk aus dem Schacht. Drehen in den Downwind, Base und den Final. Verflixt. Da hat es ja eine Kulturgrenze mit einem Eisenzünli drauf! Die sind erst jetzt zu erkennen. Also drehen wir in den rechten, schrägen Teil des Feldes ein. Wir haben ja dank des langen Anfluges genug Zeit. Marc macht eine saubere Hanglandung und zieht den Duo schön die Steigung hinauf. Rasch stehen wir still auf einem kleinen Hügel und vertreten uns erst mal die Füsse.

Flugfeld Bütschwil, die neue Aussenstation von Schänis.

Flugplatz Bütschwil.

Jetzt geht der Zirkus aber erst richtig los. Hinter uns hagelt es Segler vom Himmel. Am Ende stehen wir mit sechs Maschinen beim Hallenbad. Beat Straub erwischt einen Eisenpfosten und der Duo davon eine Blessur an der Flügel-Vorderkante. Urs Isler kann die Eisenpfosten-Reihe in den letzten Sekunden vor dem Aufsetzen noch erkennen und darüber wegziehen, später seitlich davon aufsetzen. Sonst ist alles gut gegangen.

Das Landefeld war mit unsichtbaren Eisenpföstli aber nicht ganz tückenfrei.

Irgendwann suchen wir nach dem Landbesitzer. Im nächstgelegenen Bauernhof finden wir ihn. Er ist ein wirklich netter Mensch, gerade beim abendlichen Kühe melken und nicht aus der Ruhe zu bringen. Seine Frage, ob wir denn nun hier „Segelflug-schulen“, zaubert uns ein breites Lachen ins Gesicht.

Nach einer längeren Rückhol-Übung überfallen wir etwas erschöpft unser Gastro-Team in Schänis. Fridli hat die asiatische Reispfanne an die Wärme gestellt. Wir bekommen also trotz mehrstündiger Verspätung noch das volle kulinarische Programm. Vielen Dank an alle, die wegen uns gewartet haben – und den Köchen für ihr Improvisations-Talent. Uffh, war das ein langer Tag.

Glück und Pech nahe beieinander.

Es hat sich allerdings am Ende noch gelohnt, nicht aufzugeben. Mit einem Hüchli Vorsprung holen wir einen Tagessieg heraus. Hoppla – damit war nicht zu rechnen! Etwas weniger gut geht es dem Peter Schmid in der gemischten Klasse. Er wird heute doppelt bestraft. Einerseits damit, dass er trotz der direkt über unseren Köpfen in Bütschwil aktivierten Heimkehrhilfe im neuen Arcus T zum Rückholer wird. Anderseits hat er beim Wegfliegen einen Moment nicht aufgepasst und bei Frauenfeld knapp eine Ecke des Luftraumes gestreift. Das heisst, er ist nach 40 km aussengelandet. So ein Käse. Damit versiebt er mehrere Hundert Punkte und am Ende auch einen sicheren Spitzenplatz in der RM-Gesamtwertung. (Fortsetzung folgt…)

Die Regionalmeisterschaft Schänis im Cockpit

Mittwoch, 13. Juli 2011. Teil 1 / erster Flugtag.

Grundsätzlich finde ich zentrale Meisterschaften (zu) aufwendig. Zeitlich, mental und wenn sie ausserhalb meiner Region liegen, auch finanziell. Ich mag und kann nicht eine Woche in irgendeiner Wiese der Schweiz oder im Ausland liegen und auf fliegbares Wetter warten, während mir zuhause im Geschäft fast ‚das Hüttchen niederbrennt’.

Schaurige Sache. Die feuchte Luft kocht über den Voralpen.

Die RM in Schänis ist eine Ausnahme. Wenn sie dort stattfindet, mache ich gern mit. Weil da sowieso alle Freunde mitmachen. Weil ich, wenn’s mal nicht fliegbar ist, ins Büro abschleichen kann. Weil ich abends nach Hause kann und meine oelpooler-Internetseite abends oder am frühen Morgen aktualisieren kann. Und weil man so fast aufwandfrei zu einem tollen SGL-Flugzeug kommt.

Dieses Jahr wurde die RM zudem als GliderCup-Wertung mitgezählt. Und vor allem wurde sie von einer Schar junger Mitglieder der SG Lägern organisiert. Die haben das wirklich toll gemacht. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich die nächste Generation in diese Arbeit reinkniet. Verantwortung übernimmt. Anpackt. Und dann dabei auch noch gute Laune verbreitet und sich nicht nur beschwert, was alles fehlt und geändert werden müsste. Deshalb gleich zum voraus: vielen herzlichen Dank an Silvan Gacond, Reto Frei, Marc Angst, Renato Späni, Fridli & Monika Jacober, Dave Brägger, Wolfgang Tieber und alle, die im Hintergrund gearbeitet haben, für die Organisation dieser RM. Das war beste Werbung für unseren Flugplatz und die Stimmung dort. Schön, dass ich diesmal dabei sein konnte.

Wertungstag 1: das Regen-Rennen.

Mein CoPi für die ganze RM ist Marc Angst. Das ist in Schänis einer der Männer für alles, was schwierig aussieht. Spezialgebiet: Lasten von mehr als 100 Tonnen. Marc macht immer alles möglich. Und ist die Hilfsbereitschaft in Person. Er hat den vorderen Sitz in unserem Duo Discus X ‚HB-3416’ gewählt. Das Flugzeug ist in Topzustand und fliegt so ruhig, dass man davon kaum was spürt. Marc versorgt mich nach jedem sauber ausgewundenen Aufwind mit Traubenzucker. Tropical, classic oder Himbeere. Auf jeden Fall Givaudan oder Roche. Macht abends in der Summe aller Aufwinde fast etwas hyperaktiv. Ist aber eine unglaubliche Motivation, den Job sauber zu machen. Ich bemühe mich also im Cockpit wie ein Seehund im Zirkus vor der Fütterung mit den Sardinen.


Kurz nach der Landung in Buttwil. Marc beim Telefon nach Schänis.

Der erste Flugtag ist tropisch. So muss Segelfliegen in Caracas, Kigali oder Manaus sein. Feucht. Heiss. Schauerig. Wir sind kaum als eines der letzten Flugzeuge in der Luft, beginnt es auch schon aus Westen einzutrüben. Also nichts wie los und über die Startlinie. Die erwischen wir gerade noch am südlichen Ende und gleiten vorsichtig auf die Westseite der Linthebene. Wir nehmen einen gehörigen Umweg in Kauf, weil der direkte Kurs über den Pfannenstiel trübe wie Blei aussieht. Schon auf dem Anflug an die Sattelegg wird mir etwas elend im Magen. Aus dem Wägital kommt eine Etage tiefer ein Segler auf uns zu und zieht eine lange Wasserfahne hinter sich her. Es ist eigentlich fast nicht vorstellbar, dass in diesem Treibhaus überhaupt Aufwinde entstehen. Tun sie aber doch. Am Sihlsee treffen wir Urs Isler, Frigg Hauser in seinem herzigen Ventus, Stephan Neyer und QM. Das ist Adrian Blum mit seiner Copilotin im Duo Discus XT. Gemeinsam turnen wir in einem zügigen Aufwind nach oben. Urs irritiert mich anfangs etwas, weil er unten drin auf die andere Seite kreist. Das braucht schon die Hälfte meiner Denkfähigkeit auf. Und die ist ja bekanntlich schon auf 20% reduziert, wenn man das Capot schliesst. Aber sobald er die Thermik sauber erwischt, wechselt er auf die andere Seite und von nun an geht’s geistig doch erheblich entspannter aufwärts.

Nur vorwärts schauen.

Man muss das, was wir hier machen, wollen. Denn aus Westen schauert es nun bereits kräftig in der Region Rossberg. Trotzdem fliegen wir nach Rothenthurm, wo Marc einen unerwartet starken Aufwind auswindet. Begleitet von ‚Leyla’, dem wunderschönen Gitarrenstück von J.J. Cale. Das entspannt etwas. Denn auf Kurs macht’s nun wirklich zu. Umkehren? Nix da. Sagt Marc. Wir sind an einem Wettbewerb und da fliegen wir, solange wir können. Also nehmen wir Buttwil ins Visier. Da hat’s eine überdachte Gartenbeiz. Das ist wesentlich besser als jede Wiese im Reusstal ohne angegliederten Gastrobetrieb. Nachdem wir eine Reihe Schauer durchquert haben, erblicken wir sogar einige Sonnenflecken in der Region nördlich von Buttwil. Vielleicht erreichen wir mit etwas Glück gerade eine sonnige Phase und damit etwas Aufwind. Hoffnung keimt auf. Marc nimmt den Speed heraus und zirkelt sorgfältig um alle Schauer herum in die Region Buttwil.

Thermikende.

Wir klappern den ganzen Hügelkamm ab. Auch die alten Bloodhound-Stationen. Die gehen sonst immer. Auch extrem tief unten. Fast wie der Kühlturm in Gösgen. Aber heute ist sogar die Betonbunker-Stellung in der Revision oder sie streikt. Es ist wirklich und definitiv nichts zu machen. Wenn es nicht steigt, steigt es halt nicht. Während Frigg stolz über uns hinwegzieht, macht sich kurz Resignation im Cockpit breit, wir saufen ab in den Wald, packen das Fahrwerk aus und landen blitzig in Buttwil. Gut, hat der Marc schon lange die Frequenz gerastet. Buttwil ist nämlich ein polyvalenter Flugplatz. Da hat’s Drehflügler aller Art. Dass die überhaupt fliegen…? Motorflieger. Segelflieger. Wir sind schon auf dem tiefstmöglichen Niveau, drehen direkt in den Downwind, da kommt uns auch noch auf der anderen Seite ein Motorflüger auf die Rechnung. Den lassen wir elegant vor uns landen und rutschen knapp über die Baumwipfel auf die lange Rasenwiese. Da sind wir also. Erst mal aussteigen und die Beine vertreten.

Going-in-style. Havannas nach der Landung.

Havannas in Buttwil.

Jetzt geht’s aber Schlag auf Schlag. Kaum haben wir den Deckel wieder geschlossen, landen kurz hintereinander der Urs Isler, Stephan Neyer und Adrian Blum mit CoPilotin. Na, da sind wir ja schon eine Jassrunde. Das Beste kommt aber noch. Stephan packt zur Feier des Tages seine Notration Havannas aus. Die Partagas werden als Sofortmassnahme vernichtet. Während der Rasentraktor unsere schweren Doppelsitzer die ganze lange Wiese wieder hinaufzieht, qualmen wir im Seckeltrab aber trotzdem mit Hochgenuss Stephans Cigarren. So macht eine Aussenlandung ja fast schon Spass.

Der schöne Rasenplatz von Buttwil.

Schauerschlepp.

Bis wir zurück nach Schänis schleppen können, müssen wir ein mehr oder weniger schauerfreies Fenster abwarten. Denn über Zug, wo wir durch wollen, schüttet es immer wieder wie aus Kübeln, sagt unser iPhone-Regenradar. Die Warterei ist etwas kompliziert. Einerseits wäre da eine Gartenbeiz mit einem Jauseplättli. Anderseits dürfen wir das schauerfreie Rückschlepp-Fenster nicht verpassen. Auf dem Startfeld sorgt zudem der aufkommende Rückenwind für Nervosität.

Für den Start muss man also auch noch den geeigneten Moment erwischen. Sonst fliegt man am Ende noch in den Graben.

Irgendwann ist es soweit und wir hängen an einer vorher noch nie gesehenen, polnischen Schlepp-Maschine, tauchen mit dem kräftigsten Zugpferd, das sie hier im Hangar hatten, über das Pistenende in den Waldrand hinab und nach wenigen Sekunden darüber hinweg. Uffhh! Da wartet auch schon die nächste Herausforderung. Es schüttet gehörig in Richtung Schänis. Das wird etwas schwierig, da durchzukommen. Downwash hat ja mit Regen etwas zu tun. Und davon hat’s heute reichlich. Am besten, wir sehen es uns aus der Nähe an.

Pferdekoppel.

Das polnische Maschinchen zieht uns unter einem der kontrollierten Lufträume hindurch in die Region Zug, wo wir zuversichtlich 500 Meter über der minimal nötigen Höhe die Klinke ziehen. Und über den Gottschalkenberg Richtung Biberbrugg gleiten. Gleiten ist etwas übertrieben. Stürzen trifft’s schon besser. Es schüttet ziemlich und wir fallen viel schneller als erwartet. Die Sicherheitshöhe schmilzt. Über Biberbrugg entdecken wir auch den Duo von Armin Hürlimann. Er hat da ein bisher unbekanntes Landefeld gefunden. Irgendwie sieht das von hier oben aus wie eine schräge Pferdekoppel.

Osten ist überall.

Unsere ‚Schadenfreude’ hält nicht lange, da dringt auch bei uns wieder etwas Nervosität von aussen ins Cockpit. Es tropft schon durch’s Instrumentenbrett. Also, das müssen wir noch besser abdichten, wenn wir häufiger im Regen fliegen. Das Vario bekommt es auch mit der Angst zu tun und fällt. Jaheiteresiech – das darf doch wirklich nicht wahr sein! Zwei Aussenlandungen am gleichen Tag! Das mache ich sonst nur mit dem Peter Schmid. Aber wir sind offenbar in eine Zone grossflächiger Katabatik geraten (hat der Federico Blatter jedenfalls immer gesagt) und nähern uns wie von einem starken Magneten angezogen dem Flugplatz Wangen-Lachen. Immerhin reicht die Zeit noch für die Beantwortung verschiedener Grundsatzfragen. Warum man sich so was überhaupt antut zum Beispiel. Wo es zuhause auf der Terrasse jetzt gerade doch so schön wäre.

Zick-zack.

Wie ein Feldhase auf der Flucht schlagen wir bei jeder Zunahme des Sinkens auf dem Vario einen neuen Haken. Bis uns die Ideen dann wirklich ausgehen. Aber damit habe ich über dem Flachland in Südfrankreich bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Immer wenn’s mir zu lange säuft, wechsle ich 45° den Kurs. Egal wohin, einfach nicht tatenlos und geradeaus ins Elend weiterfliegen. Buchstäblich auf der letzten Rille nähern wir uns Reichenburg. So tief und genau wollte ich das gar nicht sehen heute!


Sieht nicht nur ungemütlich aus. Schauer von Zug bis Schänis.

Und es regnet nun auch noch über Schänis wieder stärker. Der Ruedi Seehofer verbreitet am Funk Zweck-Optimismus. Nur im Osten von Schänis gingen gelegentliche Schauer nieder. Sagt er. Wir empfinden das geringfügig anders. Osten ist überall. Es schüttet überall. Marc lässt sich aber auch davon nicht beeindrucken und landet unser Raumschiff souverän wie einen Airliner direkt auf der Piste 16. Herrgottwardasjetztwiedereinschtress…

Fröhlicher Abend.

Wir feiern beim gemeinsamen Essen in der Werkstatt-Beiz unseren kratzerfreien Flugtag. Unser Nachhausekommen. Und den Heinz Brem. Das ist seit ich weiss mein Flugzeugpartner auf der ASW-20-B. Der Heinz hat am nächsten Tag Geburtstag. Und nur darum harren wir hartnäckig solange aus. Nur darum trinken wir soviel Appenzeller Kräuterschnaps. Und nur darum sind wir am Sonntag vor lauter ‚happy-birthday-singen’ alle so heiser. Zum Glück müssen wir des Masoala-Hallen-Wetters wegen nicht fliegen. Wir sind schon unter vorgehaltener Hand in Promille-Klasse umgetauft worden. Aber es war auf jeden Fall ein toller, fröhlicher Abend und ich selber habe  schon lange nicht mehr so gelacht wie bei dieser spontanen Geburtstagsfeier.


Sieht anders aus, als es ist: Frigg’s Ventus hat Plattfuss.

Ahja, fast hätte ich es vergessen. Dr Frigg het putzt. Er ist viel weiter als wir geflogen und gewinnt dieses Schauerrennen. Dahinter geht’s um Millimeter. Der kurze Ausflug zu den Bloodhounds bringt und ein paar Extrameter und den zweiten Rang. Nicht schlecht für den Anfang!

(Fortsetzung folgt).

GliderCup IV/2011: alle sind problemlos herumgekommen.

Monsunende.

Samstag, 2. Juli 2011. Nach den starken Regenfällen der letzten Tag öffnet sich passend zur vierten Auflage des GliderCup nach Westen und den Voralpen entlang ein gutes Flugfenster mit zwar tiefer Basis und 15 km/h Nordwind, aber anhand der Temperatursonde zuverlässigen Steigwerten. Wettbewerbsleiter Urs Isler schreibt getreu dem Motto des GliderCups, auch weniger routinierten PilotInnen einen sicheren Einstieg in den Streckenflug anzubieten, vorsichtig die Aufgabe mit Schüpfheim im Entlebuch und Wangen-Lachen als zweiten Wendepunkt aus.

Vorsichtig gewählte Aufgabe.

Die Aufgabe kann von allen 17 Teilnehmern problemlos und ohne einen einzigen Aufzeichnungs- oder Logger-Fehler umrundet werden, teilweise sogar zweimal. Letzteres zeigt, dass heute weit mehr dringelegen hätte. Aber verbunden mit dem Risiko, den weniger routinierten Streckenfliegern evtl. zuviel zuzumuten und die Flugzeuge über die halbe Schweiz zu verteilen.

Der erste Teil des Fluges lässt mit einer Basis von 1’900 Metern in den Voralpen nicht allzuviel Spielraum über dem Gelände. Weil aber die Aufwinde nahe beisammen, gut erkennbar und zuverlässig sind, kommen alle problemlos nach dem Abflug in Rieden problemlos  über Sattelegg, Einsiedeln, Rothenthurm an Rossberg und Rigi. Weiter nach Westen fliessen die Wolken etwas auseinander, die  Auffwinde sind vor allem im Entlebuch nicht immer einfach zu lokalisieren. Dafür tragen sie ausgezeichnet mit über 2 Metern pro Sekunde, wenn man einen erwischt.

Breitling-Team im Training.

Ein seltenes Erlebnis ist das Segelfliegen mitten über der Stadt Luzern oder direkt in der Pistenverlängerung von Emmen im Norden des Pilatus. Die Lufträume von Emmen und Buochs, welche das üblicherweise verhindern, sind heute inaktiv. Trotzdem sorgt die Breitling-Staffel, die offenbar über Luzern vorbeifliegt oder trainiert, mindestens in einem Cockpit für überraschte Gesichter. Wem ist denn schon eine ganze Staffel Alphajets auf gleicher Höhe entgegengeflogen?

Im Gegensatz zu unserer Arcus-T-Besatzung läuft in den meisten Cockpits der Rückflug fast schon ereignislos ab. Den Voralpen entlang, unterstützt von etwas Nordwind, rauschen die meisten mit guter Durchschnittsgeschwindigkeit über Rigi und Rossberg an den zweiten Wendepunkt und von an an mit hohem Tempo über den Zielpunkt in Rieden wieder nach Hause.

Gewonnen wird der heutige Tag vom Sportchef Roland Hürlimann. Das hat er sich verdient, denn den Siegerschnitt hat er sich bei seinem zweiten Umgang geholt. Der erste war ihm offenbar zu langsam.

Zu Gast bei Oldtimern.

Den kulinarischen Schlussgang machen wir heute zusammen und als Gäste der Oldtimer. Denn die organisieren heute in Schänis ihren jährlichen Flugtag. So ist die Gastwirtschaft in der Werkstatt abends gut gefüllt. Untermalt wird das heutige Fliegerlatein von einem interessanten Film über Gummiseilstarts auf dem Flugplatz Bad Ragaz und vom Churer Joch. Da haben wir es heute doch schon erheblich bequemer, um in die Luft zu kommen 🙂

Die Radiosonde von Mitternacht. Labil bis 2500 Meter.


Die Druckverteilung von Samstag, 2. Juli 2011.


Die Streckenprognose von topmeteo.


und hier noch der Wind auf 1’500 Metern.

Besuchen Sie den Kühlturm – so lange er noch steht.

Sonntag, 29. Mai 2011. Konkurrenzleiter Peter Schmid begründet die Wahl seiner heuten Strecken-Ausschreibung mit zwei Argumenten. Einerseits ist die Strecke nach Olten und Beromünster von verschiedenen Flugplätzen unterlegt und damit sicherheitsmässig ideal. Anderseits sollte man seiner Meinung nach Kühltürme in der Schweiz anfliegen, so lange sie noch dampfen.

Das heutige Rückseitenwetter lässt es zu, dass die meisten Piloten heute fast schon wie in den Frankreich-Ferien zuerst gemütlich Zmittag essen, um nach 13.00 Uhr zu starten und die Aufgabe von 182 km Distanz anzugehen. Die sollte beim heutigen Wetter in zwei bis drei Stunden zu machen sein. Damit ist für die 17 Teilnehmer am heutigen GliderCup-Flugtag keine unnötige Hast gefragt.

Nie unter 140 km/h geradeaus.

Heute sitzt mit Ruedi Gysin ein Gast der SG Zürich vorn im Cockpit ‚meines‘ Duo Discus ‚SV‘. Wir lassen uns vom Turbo-Bravo auf 1’900 Meter ziehen und fliegen ohne Verzögerung gleich durch den Abflug-Zylinder bei Rieden und nehmen sogleich die Aufgabe in Angriff. Wir haben uns für heute natürlich eine tolle Taktik ausgedacht. Er fliegt und ich geniesse die Show und rede einfach wenn nötig drein. Er soll seine geplanten Entscheidungen kommentieren und begründen und auch immer eine zweite Alternative bereit haben, falls die erste einmal danebenginge. Wenn ich einmal bessere Argumente hätte, würden wir diese übernehmen. So der Plan. Das funktioniert gut. Der Vorteil ist, dass so beide etwas dazulernen und gleichzeitig ständig überlegen, was die beste Flugstrecke wäre. Der Nachteil ist, dass relativ viel diskutiert wird, machchmal geht die Fliegerei so schnell, dass man kaum dazu kommt, etwas zu begründen, was man gerade entschieden hat.

Auf Kurs sieht die Wetteroptik bestens aus. Alle paar Kilometer hängen kleine Cumulus-Wülchli. Die Steigwerte darunter sind einwandfrei bei etwa zwei Metern pro Sekunde. Fast wie ein Motorflugzeug fährt Ruedi die Strecke ab, er hält dabei den Speed immer schön über 140 km/h. Dabei achtet er darauf, im obersten Höhenband zu bleiben, damit das Aussenlanderisiko kleinstmöglich bleibt. Trotzdem kommen wir gut voran und geraten beim Thürlersee in einen Teil der Schweizer Meisterschaft, die vor kurzem gestartet ist. Die Segler scheinen randvoll mit Wasser zu sein, jedenfalls steigen jene, die in ‚unseren‘ Aufwind eindrehen, etwas schlechter. Neben diesen Gspänli von der SM sind wir praktisch auf der ganzen Strecke alleine unterwegs. Entweder sind uns alle Piloten aus Schänis vorausgeflogen oder sind später gestartet und damit ein Stück hinter uns.

Das einzige ‚Problem‘ ist der kontrollierte Luftraum.

Das Mittelland zeigt sich heute einmal von seiner besten Seite. Ausreichend hohe Wolkenbasis und kaum Wind, der die Aufwinde versetzen würde. Die für mich ungewohnte Mitelland-Fliegerei hat durchaus ihren Reiz. Es hat meistens ausreichend Luft unter dem Flügel, die Fliegerei ist deutlich entspannter als in den Alpen, wo man eigentlich ständig ‚am Boden‘ herumturnt. Das grösste Problem, mit dem wir im Duo überhaupt zu tun haben, ist das Respektieren der kontrollierten Lufträume. Mit vereinten Kräften und der Moving-Map auf dem PDA klappt das bestens. Der Kühlturm von Gösgen rückt in Reichweite, wir stürzen uns lustvoll auf ihn hinunter. In Erwartung eines tollen Aufwindes.

AKW Gösgen: der beste Aufwind weit und breit.

Die Kunst-Thermik arbeitet einwandfrei. Der Aufwind ist, wie schon oft von anderen Segelfliegern beschrieben, etwa so turbulent wie ein mittlerer Föhnsturm. Wenn man darauf achtet, die Querlage und den Horizont einigermassen zu halten, steigt das Flugzeug aber auch ohne Fahrtanzeige oder Variometer recht gut. Das Vario gibt vor lauter Steigen zeitweise keine Töne mehr von sich, die Fahrtanzeige springt auch mal von 50 auf 200 km/h auf und ab. Öffnet man den Steigekreis etwas, hat man zwar beide Anzeigen wieder, dafür steigt man deutlich schlechter. Deshalb entscheiden wir uns für’s enge Eindrehen und sind im Nu auf 1’900 Meter. Der Heckballast, den wir vor dem Start eingefüllt haben, macht sich bezahlt. Der Duo lässt sich ohne Kraftaufwand ausgeglichen auch im langsamen Geschwindigkeitsbereich sauber fliegen. Sofort machen wir uns auf den Weg zur ersten Wende beim Flugplatz Olten. Ruedi fräst einwandfrei durch den grünen Zylinder und dreht die Nase des Duo Discus bereits wieder nach Südosten, Richtung Beromünster, dem nächsten Wendepunkt.

Wir kommen weiter gut voran, halten uns ans oberste Höhenband und picken aus der reichen Auswahl von Aufwinden die mutmasslich besten heraus. Rasch gleiten wir am Flugplatz Triengen mit seiner verländerten Piste vorbei und halten auf Beromünster zu. Dort steht direkt im Wendepunkt-Zylinder eine schöne Wolke. Praktisch – das nehmen wir doch gerne mit. Bei Hochdorf fragt Ruedi bei Emmen nach einer Durchfluggenehmigung. Die haben dort aber keinen Betrieb. Damit steht der nächste Entscheid an.

Höhrohne oder Goldküste?

Direkt auf Kurs steht ein kleines Wolkenbändchen bis etwa an den Etzel. Sieht eigentlich ganz gut aus. Auch der Einstieg bei Menzingen ins höhere Voralpengebiet würde wohl gelingen. Noch schöner sieht aber die Wolkenlage am Albis und über Meilen aus. Sie lässt uns den Entscheid für den kleinen Umweg über den Zürichsee fällen. Über Hausen drehen wir nochmals hoch, auf der andern Seeseite bei Meilen haben wir aber anfangs Schwierigkeiten, unter dem auseinanderfallenden Cumulus gutes Steigen mit mehr als einem Meter zu finden. Also tauchen wir erstmals heute ins mittlere Höhenband ab und fliegen stur auf Kurs weiter. Bei Stäfa findet auf dem Hügel ein Schwingfest statt. Dort drehen wir hoch über dem Bratwurst-Stand ein und können für heute den letzten nötigen Aufwind zentrieren. Mit über zwei Metern / Sekunde klettern wir auf Endanflughöhe für die Kirche Rieden.

Mit über 200 km auf den letzten Abschnitt.

Im Zürcher Oberland stehen auf Kurs wunderbare, hohe Cumulus-Wolken. Da drunter fräsen wir so rasch wir können, nach Rieden und schiessen nach einem schönen, rassigen Endanflug mit 220 km / h durch den Ziel-Zylinder über dem Dorf. Wir sind exakt zwei Stunden unterwegs gewesen. Das würde dann geschätzt einen Mittelwert von rund 90 km / h für die 182 km ergeben. Mal sehen, wie’s den andern ergangen ist. Zum Auslaufen fliegen wir noch gemütlich an den Rossberg, um dann zeitig zu landen. Am Abend ist der Champions-League-Final Barcelona gegen Manchester. Der ist heute ausnahmsweise einmal wichtiger als das gemeinsame GliderCup-Dinner. Aber nächstes Mal helfen wir dann auch wieder kräftig mit beim Fliegerlatein 🙂

Landschaden.

Wie sich nachträglich herausstellt, geht die Aufgabe nicht für alle GliderCup-Teilnehmer gleich rund über die Bühne. Marc Angst sucht sich eine schöne Wiese zwischen den Flugplätzen Beromünster und Buttwil für einen ungeplanten Besuch aus, der aber soweit schadlos abläuft. Anders Urs Oettli, der in Hausen zwar auf dem Flugplatz die Schweizer Meisterschaft besuchen will, aber vor lauter Aufregung das Rad im Flieger lässt und eine weisse Spur auf den Asphalt zieht 🙁

Der andere Klassiker: Ortler-Matterhorn.

Mittwoch, 25. Mai 2011. Noch morgens um sieben sitze ich grübelnd vor dem PC und zweifle, ob ich nach Hanspeter Geier’s Wetterprognose nicht doch gescheiter ins Büro fahren soll, obwohl ich heute extra um fünf Uhr aufgestanden bin, um meinen täglichen Bürokram und die oelpooler-Internetseite auch heute im Falle meiner Abwesenheit so aussehen zu lassen, als sei ich wie üblich an der Arbeit. Aufgrund der Prognose von ‚topmeteo.eu‘ entscheide ich mich aber doch für’s Fliegen und mache mich auf den Weg nach Schänis, während meine Brigitte heute (wieder einmal) das Geschäft alleine hütet.

Wie sich zeigen sollte, liegt Hanspeter heute ausnahmsweise einmal etwas daneben. Das reale Wetter hat deutlich mehr Feuchtigkeit und stärkeren Wind als er prognostiziert. Es ist dafür labiler als erwartet. Die Front, die auf den Nachmittag im Norden der Schweiz erwartet wird, scheint bis in die Alpen Einfluss zu nehmen. Vor allem der Wind wird mich heute noch mehr als mir lieb ist beschäftigen.

Geometrie-Aufgaben.

Franz Strahm hilft mir in aller Frühe beim Montieren und ich fülle den Flieger mit Wasser, als ob ein Bombentag bevorstünde. Der Abflugpunkt ist mit dem Flugplatz Schänis etwas mutig gewählt, die Wolkenfetzen hängen auf allen Höhen, grundsätzlich sind die untersten aber ziemlich tief. Es geht aber aus geometrischen Gründen nicht anders. Vor allem, weil ich der Auswerterei beim OLC mit dem ‚Start auf dem Schenkel‘ nicht recht traue, bzw. nicht weiss, wie man das am Ende genau deklariert. Die FAI will bei den Wendepunkte Sektoren. Der NSFW Zylinder. Schon das schliesst sich ja gegenseitig eigentlich aus. Wie soll das dann funktionieren, wenn dazwischen auch noch ein Zylinder (oder doch Sektoren) eingeflochten werden? Um dem aus dem Weg zu gehen, start ich eben direkt beim Start-Punkt direkt über dem Flugplatz Schänis. Eigentlich ganz einfach.

Beim Abflug in den Amdener Kessel merke ich dann aber, dass es unter, neben und über den Fetzen ganz ordentlich nach oben zieht. Wie im Lehrbuch kann ich über den Churfirsten etwas Höhe mitnehmen, um knapp ins Prättigau fallen zu können. Dort herrschen bereits etwas klarere Strukturen vor. Die Luft ist weniger feucht, die Basis höher, die Wolken haben etwas mehr Struktur. Der Weiterflug bis ins Engadin ist ein richtiger Genuss, die Luft steigt etwa dort, wo man es erwarten dürfte. Bis an den Ortler werden die Verhältnisse zusehends besser. Teilweise läuft das Variometer bis an den Anschlag und der Höhenmesser muss bei 3’900 Metern mit Gewalt und Weiterfliegen am Steigen in den kontrollierten Luftraum gehindert werden. Die erste Wende kann ich bei Tabland im Südtirol ohne grössere Knöpfe holen. Was auffällt, ist der recht zügige Nordwind, der über den Reschenpass an den Ortler und die Kreten östlich und westlich davon pfeift.

Zuviel Thermik, zuwenig Luftraum.

Den Rückweg gehe ich süferli an und versuche, bei Sulden am Ortler knapp über die Krete zu kommen. Die Vorsicht lohnt sich. Kaum komme ich in auf der ‚richtigen‘ Kreten-Seite in den Nordwind und an die Sonne, schüttelt sich die ASW-20. Das macht sie immer, wenn der Aufwind besonders stark ist. Diesmal klettert der Integrator gleich auf 5.6 Meter in der Sekunde. Hat man nicht alle Tage! Bis nach Cresta/Juf am Septimer geht das etwa so ähnlich weiter. Die Wolkenbasis ist über 4’000 Meter, man darf gar nicht alles mitnehmen, ohne den kontrollierten Luftraum anzukratzen. Die Aufwinde sind rund, gross, zuverlässig – wie man es gern immer hätte.

In den Bach gefallen.

Vom Septimer weg werden sie deutlich schwächer, die Basis liegt tiefer, es hat grössere Wolkenbänder am Himmel, welche das Gelände abschatten. Und der Wind macht sich zusehends bemerkbar, die Kreiserei wird anstrengender. So langsam bekomme ich den Krampf in den Oberschenkeln, weil ich bei jedem Kreis nachzentrieren muss, will ich die Querlage schön halten. Die Anspannung wird nicht kleiner, als ich im Val Canaria einen Fehlentscheid fälle und den schönen Leethermik-Wolken in der Leventina nachfliege. Wie immer, geht das dann richtig schief. Ich falle ‚hinter dem Gotthard‘ den Bach runter. Mit 2’500 Metern und einem etwas ratlosen Gesichtsausdruck kann ich mich gerade noch auf die Luvseite bei Realp im Urserental retten. Vielleicht wäre der mutige Schritt ins Valle Bedretto am Ende doch gescheiter gewesen? Dort hätten Sonne und Wind besser aufeinandergepasst. Stattdessen rette ich mich an einen rundlichen Granit-‚Hang‘ im Schatten. Hier steigt es nach einigen Versuchen ziemlich zuverlässig aber endlos langsam mit maximal 70 cm pro Sekunde. Einen Halbkreis lang drehe ich auch noch zu tief und mit dem Rückenwind zu langsam gegen den vermeintlich schon deutlich tiefer liegenden Hang. Der ist aber eben ziemlich flach und ansteigend und mein schwerer Flieger mit dem Wasser drin plötzlich auch zuwenig wendig. Mir wird kalt und warm. Völlig unterschätzt habe ich diese Lage, das könnte bei mehr Wind ins Auge gehen – was mich sofort wachrüttelt. Viel zu gefährlich, diese Fliegerei. Und so komme ich sowieso überhaupt gar nie nach Zermatt!

Wo ich schon immer mal hinwollte: ins Wittenwasser-Tal.

Wenigstens habe ich nun etwas Zeit zum nachdenken. Weiter zur Furka hin hängt ein hoher Cumulus-Fetzen etwa zehn Stockwerke höher. Der rotiert zwar und zerfällt immer wieder. Aber er bildet sich auch immer wieder von Neuem. Also nichts wie hin. Ich schlittere den Kreten entlang nach Westen. Tief am Boden. Aber in konstantem Steigen. Ob ich das Wasser ablassen soll? Nix da, später werde ich bei diesem Wind sicher noch froh sein drum. So wurschtle ich mich mit Hangachten hoch genug, dass ich irgendwann mitten im engen Tal südöstlich der Furka einen schwachen Aufwind zentrieren kann, der mich wieder auf Höhenwerte trägt, die mit einer drei vorne beginnen. Hier oben sehe ich auch endlich wieder mal sauber über die Kreten ins Wallis. Viel Feuchtigkeit. Überall tief hängende Wolken, wenig Strukturen. Aber hinten im Binntal hängen hoch oben die grossen Blumenkohle. Also sofort dahin! Schlimmstenfalls schleppt mich aus Raron sicher wieder jemand mit einem Propeller vorne dran nach Hause!

Die Sache mit dem Zentrieren.

Logischerweise komme ich nun auch im Binntal wieder nur knapp über den Kreten an, kann aber hier wenigstens sofort brauchbare Thermik zentrieren, die mich mit etwas Geduld wieder auf eine normale Arbeitshöhe hinaufbugsiert. Mit mir klettert eine DG nach oben, deren Pilot das zu meinem Ärger wesentlich besser macht als ich. Dass ich mit meinem schweren Flieger nicht so schnell steige, vergesse ich kurzfristig – oder es tröstet mich über meine Unfähigkeit, unter diesen auseinanderlaufenden Cumulüssern ein gutes Steig-Zentrum zu finden. Das konnte ich nämlich noch gar nie so gut wie die andern.

Der Rest ist wieder pures Vergnügen. Die Strecke ins Mattertal ist verziert von 3/8 hoch hängenden, schönen, runden Cumulus mit einem schwarzen Boden. Darunter steigt mein Fliegerchen auch wieder wunderbar. Die Wende bei Täsch kann ich dank etwas Geduld beim Höhe tanken im ‚Steinbruch‘ (dem sagen sie hier ‚Skigebiet‘) bei Grächen problemlos abholen. Tief ins Mattertal zu fliegen, war noch nie eine gute Idee. Die steilen Felsen sind erstklassige Schüttelbecher mit völlig unzentrierbarer Thermik, die daraus in engen Aufwind-Zonen turbulent emporschiesst. Weiter oben kann man dafür im Westwind sogar den Eisbrüchen der Allalin-Gruppe entlang segeln. Wunderbare Szenerie! Früher bin ich hier noch zu Fuss hochgeschuftet – da ist doch unsere liegende Sportart schon erheblich eleganter und komfortabler. Eigentlich ist diese Fussgängerei sowieso eine furchtbar primitive Art der Fortbewegung.

Im Urserental helfen die Mauersegler aus.

Der Weg nach Hause beginnt mit einer Abflughöhe von 3’900 Metern am Weissmies schon mal prächtig. Hier treffe ich um Viertel vor Fünf auch noch auf eine ASW-22 aus Fayence. Die hat noch einen weiten Weg nach Hause! Mit meiner Höhe gleite ich vom Saaser Tal bis an den Gemsstock bei Andermatt, wo ich auf 3’000 Metern in den weissen Tüchern, die hier plötzlich unter allen Kreten hängen, einfahre. Dem Mario Straub ist es hier auch nicht so besonders gut gegangen, er ist ins Urnerland geflüchtet und bastelt sich auf 1’500 Meter bei Flüelen, tüchtig und hartnäckig wie er ist, im Talwindsystem an einem Hand wieder nach oben auf Anflughöhe zum Pragelpass. ‚Super, Mario‘ – entfährt mir da spontan ein Funk-Spruch.

Im Augenwinkel sehe ich südlich des Oberalp-Passes ein paar Mauersegler umherschiessen, bevor ich über die Krete ins Bündner Oberland fliegen will. Aufgrund von Marios Situation und der etwas strukturierter dreinschauenden Wetteroptik entscheide ich mich für den Heimflug via Oberland, auch wenn der Nordwest gehörige Leefelder produzieren wird. Der Vorteil dieser Variante ist, dass die Fluchtmöglichkeit nach Chur (Bad Ragaz) offen bleibt, wenn sie auch sehr zeitaufwendig wäre. Den besagten Mauerseglern folge ich spontan und reisse die ASW herum. Das Vario beginnt erstaunlich zuverlässig nach oben zu klettern. Unter, neben und über mir kondensiert die Luftfeuchtigkeit überall. Wie in einer grossen Glocke steige ich rasch weiter um die Fetzen herum und komme bis auf 3’400 Meter hinauf. Das würde nun sogar knapp über den Klausen reichen, wenn man überhaupt da noch durchfliegen kann und nicht bereits Schauer niedergehen. Ich bleibe deshalb bei meinem ursprünglichen, optionsreicheren Plan und ziele nach einem langen Gleitflug über der Mitte des Tales bis Sedrun auf einen Leethermik-Cumulus westlich des Val Russeins. Es geht nun wie erwartet wieder mal gehörig den Bach runter. Vier, fünf Meter pro Sekunde über längere Zeit. So geht das dann aber nicht lange weiter und ich stehe irgendwo am Boden.

Noch mehr Turnübungen, aber die Thermik kommt immer von ganz unten.

Ich flüchte knapp über die Granitzacken ins schroffe Val Russein an die Sonne. Und hier müssten mindestens Teile des Westwindes aufprallen und nach oben steigen. Kommt aber drauf an, wie hoch man ist, tief unten kann diese Situation auch dazu führen, dass die Luft parallel zum angestrahlten Hang stark absinkt. Hier scheint irgendwas dazwischen stattzufinden. Der Flieger steigt zwar langsam, aber diese Fliegerei knapp an der Krete löst bei mir fast schon Fieberschübe aus. Also erst mal weg mit dem Wasser. Sofort wird der Steigwert besser, ich komme über die Krete. Das reicht nun immerhin, um hinten im Val Punteglias meinen heiss geliebten Lawinenverbauungs-Aufwind anzufliegen. Der kommt meist zuverlässig aus einem hochliegenden Granit-Feld in einer Geländemulde. Auch heute rettet er mich und greift mir im letzten Moment unter die Flügel. Gaaaannnnz knapp über dem Boden packt er mich und trägt mich kräftig mit über vier Metern pro Sekunde nach oben. Nicht zu glauben! Die Thermik kommt aber immer von ganz unten, hat der Ruedi Stüssi schon früher immer gesagt.

Die eine Hälfte des Aufwindfeldes nahe am Bifertenstock ist bei jedem Kreis deutlich schwächer, ich bekomme es aber wegen der Turbulenzen nicht auf die Reihe, nur noch in der andern Hälfte aufzudrehen, auch wenn ich mit hoher Querlage kreise. Letztlich schiesst mich dieser letzte Aufwind, den ich noch brauchte, weit über die Krete hinauf. Das öffnet den Blick über den Kistenpass ins wolkenverhangene Glarnerland. Es hat zum Glück grosse Lücken in den weissen Wattebäuschen, ich zirkle also problemlos zwischendurch an der Baustelle von Linthal 2015 vorbei – jetzt aber ab nach Hause!

Surfen an den Nordseiten.

Zum ‚Auslaufen‘ gleite ich noch im Westwind den Hängen der Churfirsten und des Falknis entlang nach Osten. Der Nordwind hat vor allem im Rheintal erstaunliche Stärke angenommen. Am Falknis stauen auf der Nordseite die Wolken, laufen weit und schwarz auseinander. Darunter tragen die steilen Hänge der Schesaplana auf der Nordseite mit mehr als einem Meter konstant bis an den Lünersee. Hier hängt mir der Wolkensalat dann aber doch zu tief, ich drehe um und geniesse auf dem Heimweg nach Schänis die fantastischen Farben der untergehenden Sonne. Beat Straub hat sich noch am Arlberg auf 3’000 Meter in der ASG-29 gemeldet. Das müsste eigentlich für den Heimflug nach Schänis knapp reichen. Offenbar hat ihn dann noch der Nordwind irgendwo erwischt, jedenfalls macht er in Walenstadt eine Aussenlandung.

Nach fast acht Stunden Fliegerei lande ich ausgelaugt – aber total zufrieden in Schänis. Diesen tollen Flug wollte ich schon immer einmal machen. Wer kann schon aus eigener Kraft am gleichen Tag zum Ortler und zum schönsten Zacken der Welt (den haben die Zermatter ja eigentlich gar nicht verdient) fliegen?

Hier noch der übliche Link auf die Auf’s und Ab’s des Fluges im Detail.

In der ASK-21-Mi mit 90 km/h pro Stunde über 300 km zum GliderCup-Gewinn.

(Marc Angst / Markus von der Crone.)

Donnerstag, 12. Mai 2011. Die erste Austragung des diesjährigen GliderCup wird von ausgezeichneten Segelflug-Bedingungen geprägt. Markus von der Crone und Marc Angst nutzen den Tag in der eigenstartfähigen ASK-21-Mi der ASSAG zu einem sensationell schnellen Flug um das 300-km-FAI-Dreieck mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 90 km/h. Auch Thomas Stemmler und Stanislav Kral umrunden die Aufgabe ebenfalls mit einer ASK-21.

Was in einer ASK-21 eigentlich an Leistung drinsteckt, wenn der richtige Steuermann am Ruder sitzt, zeigen mehrere Flüge der vergangenen Wochen von einem süddeutschen Flugplatz aus mit diesem Flugzeug. Teilweise wurden damit über 600 km in FAI-konformer Dreieck-Geometrie quer über die Alpen geflogen. Markus und Marc lassen sich offenbar davon inspirieren und wählen (nicht zuletzt des grossen Andrangs auf dem GliderCup wegen) den einzigen heute noch verbleibenden Doppelsitzer, die neue ASK-21-Mi für ihren Flug.

Die Strategie macht’s aus.

Die beiden lassen sich Zeit und tafeln erstmal ausgiebig. Mit jedem Grad zunehmender Temperatur steigt die vorhandene Energie in der Thermik. Trotzdem gilt es, das richtige Zeitfenster für den Flug nicht zu verpassen, denn eine Cirren-Abdeckung dämpft die Einstrahlung. Sie legen sich ausser der Wahl des passendsten Zeitfensters eine klare Strategie für den Flug zurecht. Hoch bleiben, zeitraubendes Ausgraben aus tiefen Positionen vermeiden, nur die besten Aufwinde nutzen, um einen hohen Schnitt zu erzielen. Der Plan funktioniert, die beiden steuern die ASK-21-Mi in 90 km/h um das 300 km lange FAI-Dreick. Und der Index der Maschine macht dann aus diesem Schnitt den verdienten Tagessieg. Herzliche Gratulation – auch an Thomas Stemmler, der die Aufgabe ebenfalls zusammen mit Stanislav Kral bravourös umrundet.

Völlig neue Aufgaben für das OK.

Die Aufgabe ist von Sportchef Roland Hürlimann gut gewählt. Sie wird nämlich von der grossen Mehrheit der TeilnehmerInnen problemlos, ohne Zwischenfälle, Aussenlande-Übungen u.Dgl. abgeflogen. Für den einzigen ‚Ausreisser‘ sorgen Armin Hürlimann und Wibke Apholt mit einem sogenannten Verwandten-Besuch in Buochs. Armin zieht es magnetisch dorthin, seit sein Sohn Mike bei Pilatus die Lehre macht. Die nicht ganz geplante Aussenlandung fernab der Flugaufgabe stellt dann alle vor unerwartete Aufgaben. Denn Copilotin Wibke ist glückliche Mutter des erst wenige Monate jungen Linus. Der wartet bei Papa Peter in Schänis mit grossen Augen und ich meine, auch mit etwas Hunger, auf Mama. Während das OK noch überlegt, ob man den Linus mit Papa nach Buochs fliegen soll oder die Mama mit dem Helikopter nach Schänis holen soll, studiert Armin noch sicherheitshalber die technischen Möglichkeiten des Baus einer improvisierten Abpumpanlage, zusammengebaut aus seiner Sauerstoff-Anlage im Duo X. Ein Rückschlepp an die Ibergeregg löst dann das Problem aber gerade noch rechtzeitig 🙂

Herzliche Gratulation an alle, welche teilweise das erste Mal, einen 300-km-FAI-Flug geschafft haben. Und Danke an alle, die mitorganisiert haben. Speziell an das bewährte Gastgeber-Paar Fridli und Monika für die ausgiebige Tafel am Abend. Nur schon für die Tapenade lohnt es sich, am GliderCup mitzumachen.

Wie man drei Stunden im Pseudo-Föhn auf die Thermik warten kann.

Samstag, 23. April 2011. Unser sportlicher Chef Roland schüttelt ein paar Unentwegte aus ihrer Karfreitags-Ruhe und will am Karsamstag früh starten.

Die Strategie klingt plausibel. Wir starten früh mit dem Südwind, flitzen den Kreten des Prättigau, Paznauntal und den Miemingern entlang und warten dann im Raum Karwendel auf die einsetzende Thermik. So müsste ein weiter Flug möglich sein. Dafür lassen wir uns natürlich immer begeistern und stehen um Viertel vor Sieben schon vor den Anhängern und montieren die Flugzeuge. Der erste Start passiert genau nach Fahrplan um 08.00 Uhr. Soweit hat bisher alles geklappt.

Ruhige Luft wie im Winter.

Der Abflug wird dann eine oberharzige Sache. Die ganzen Kreten bis an die Südostseite des Alvier geben keinerlei Anzeichen dynamischen Aufwindes her. Mit Hängen und Würgen, Achten und Kreisen können wir uns aber im (nicht über) dem nach Südosten ausgerichteten Sattel des Alviers halten. Die kommenden drei Stunden sind geprägt von allerlei unbedarften Versuchen, über Falknis, Vilan, Pfäferser Berg, Gonzen usw. die Abflughöhe für Roland’s Plan aufzubauen. Am längsten brauche ich von allen, die hier heute herumüben, wohl dafür.

Am Ende grabe ich in Mastrils (war mir bisher als thermischer Hotspot absolut unbekannt) auf 1’000 Metern unten etwas Bergwind an einer mit einer Ruine besetzten Kante aus und komme mit viieeelll Geduld und völlig viereckiger Thermik (leider immer noch kein Föhn) wieder auf den St. Margrethen-Berg hinauf und von da an läuft dann alles wie geplant. An der Sassauna hole ich dann auch den Kurt Götte ein, der ganz einfach drei Stunden später in die Thermik gestartet ist und problemlos ins Prättigau gekommen ist. Nächstes Mal schlafe ich dann auch aus.

Komische Mieminger.

Am Rhätikon und in Gaschurn stehen schwache Wellen, die tragen mich auf Abflughöhe über das aus Südosten leicht und ideal angeströmte Paznauntal nach Landeck. Interessanterweise wollen weder der Parseier und noch weniger die Mieminger heute um diese Zeit brauchbare Thermik herstellen. Aber wenn wir schon hier sind, können wir ja auch weiterfliegen. Durch diese trübe Luft wieder zurückzufliegen, ischaunüdamächelig. Auf dem Rückweg wird dann sicher alles viel besser sein. Das wäre also die zweite Strategie gewesen.

Wilder Kaiser mit Sahnehäubchen.

Bis nach Innsbruck gleiten ein paar Schänner Piloten, bis dann wieder richtige Thermik aus den Chrächen des Karwendels hochsteigt. Wenn es welche hat, ist die Thermik hier aber wirklich stark und katapultiert uns bis auf 3’000 Meter. Ich wende am Rofangebirge, weil ich aus den Funksprüchen der Piloten im Raum Landeck höre, dass die Feuchtigkeit aus dem Süden (wegen mangelnden, richtigen Föhns) nach Norden abgeschwemmt wird und die Region abdeckt. Würde die feuchte Luft bis in den Raum Seefeld fliessen, wär’s wohl morgen nichts mit Gitzi und Risotto im Tessin bei meiner Familie.

Markus von der Crone, Markus Gemperle, Renato Späni und der auch hier vorauseilende Sportchef Roland Hürlimann fliegen aber unbeirrt weiter an den Wilden Kaiser und teilweise bis an den Höchkönig! Dort schaut das thermische Wolkenbild zwar aus, wie es sollte. Es braucht aber trotzdem Mut, die 50 km bis dahin abzugleiten und später wieder genug hoch an den Karwendel zurückzufinden. Mein Kompliment!

Die Runsen des Klostertals bringen uns heim.

Den Rückweg gehe ich ab Innsbruck gemütlich an und schaue angesichts der trüben Luftmasse vor mir, dass ich so hoch wie möglich bleibe. Der Arlberg ist komplett zu, man würde nicht glauben, dass man da überhaupt durchgleiten kann. Aber am Funk tönt es auf Anfrage fliegbar. Ab Bludenz soll wieder fleckenweise die Sonne auf den Boden scheinen, man müsse bloss schauen, dass man östlich des Arlbergs noch so hoch wie möglich steigen könne.

Am besten sähe noch das Allgäu aus. Dort stehen Cumulus hoch und teilweise in sauberer Luft. Wisel Bissig wählt, wie ich später im OLC sehe, diesen Weg und kommt gut ins Vorarlberg zurück. Bei uns allen gelingt dies mit entsprechender Vorsicht ebenfalls ohne Zittern. Man würde nicht glauben, dass aus 8/8-Bewölkung auch nach zwei Stunden Abdeckung noch irgendwo Thermik entstehen kann. Jedenfalls produzieren die ‚Geo-Parabolspiegel’ nördlich Bludenz noch immer einen Meter schönen runden Steigens bis auf 3’100 Meter.

Das reicht komfortabel nach Schänis, vor allem, weil die bekannten Linien über Gonzen, Alvier, Churfirsten usw. tragen. Wir kommen alle gut nach Hause und freuen uns am Abend am runden Tisch über die trotz schwieriger Verhältnisse gelungenen Flüge bis weit nach Österreich hinein. Ein strenger, aber lehrreicher Flugtag war’s auf jeden Fall.

Und hier noch der Link auf Flugweg und alle Auf- und Abwinde.

 

Viereckige Thermik am Ortler.

Gegenüber den Vortagen ist der Sonntag, 10. April, für Segelflieger-Bedürfnisse deutlich besser. ‚Labilere‘ Schichtung, etwas weniger ausgeprägter Nordwind und volle Sonneneinstrahlung. Ausser im Süden, da liegt eine feuchte Schicht obendrin. Peter Schmid wünscht sich für heute einen Flug in ein Gebiet, wo wir noch nicht so oft waren. Also versuchen wir ein Dreieck mit den Wenden Prato (beim Ortler) und Domodossola (am Simplon). Programmieren ist inzwischen keine Geschichte mehr, das Vorhaben zu fliegen ist etwas anderes. Wir sind uns zwar einig, dass es heute einfacher wäre, der Rennbahn nach Osten zu folgen, trotzdem überwiegt die Suche nach einem spannenderen Erlebnis.

Keine Thermik-Tricks.

Wir kommen über die Glarner Alpen im Vergleich zu den Vortagen sehr gut weg. Es rüttelt und schüttelt überall ein bisschen. Peter manövriert uns über das Weisstannental und die Südseite des Vilans im Prättigau auf Streckenflughöhe. Diesmal scheinen die Aufwinde dort zu sein, wo sie eigentlich hingehören.

Nach 40 Minuten fahren wir schon in Klosters ein, für diese Strecke haben wir in der letzten Woche im schlechtesten Fall auch schon drei Stunden gebraucht. Auch der Einflug ins Unterengadin über den Übergang bei den Plattenhörnern an die Verladestation Sagliains funktioniert einwandfrei. So stellt man sich heute Segelfliegen vor.

Die Freude währt indessen nur bis an den Ofenpass. Hier fegt wieder der Nordwind durch die Thermik. Das kennen wir ja schon. Ich verzweifle dennoch an meinem Job, hoch genug zu kommen, um Prato sauber zu erreichen und kämpfe mitten in den Tälern mit den turbulenten Aufwindfetzen, die sich nirgends recht zuordnen lassen. Mit viel Geduld und Hangsegeln auf der Südseite (im Schatten) der Täler klappt es dennoch irgendwann und wir sausen am Ende dennoch über Mustair nach Prato.

Bei der ersten Wende abgebrochen.

Aus diesem Tal (Trafoi) kommt der Gustavo Thöni. Das war früher ein Skistar, da lag sogar das Vreni Schneider fast noch in den Windeln. Hier fällen wir den Entscheid, angesichts der trüben Aussichten nach Süden, unsere Flugaufgabe aufzugeben und dorthin zu reisen, wo die Thermik am nettesten aussieht. Wie der OLC am andern Tag aber beweist, wäre es dennoch möglich gewesen, über die Bergamasker Alpen ins Tessin zu gelangen. Unseren Entscheid fällen wir deswegen so, weil der Himmel trüb von Cirren eingefärbt ist, weil keinerlei Anzeichen von Cumulusbildung erkennbar ist und wir erst noch gegen den Nordwind weit über die noch mit Schnee bedeckten Alpentäler nach Norden hätten zurückfliegen müssen. Das Aussenlanderisiko war uns zu hoch, insbesondere, weil wir beide anderntags im Büro sitzen müssen. Mit dem Arcus T wird uns das aber nicht mehr passieren.

Wie auch immer, über das Unterengadin zirkeln wir im Hangflug zurück nach Davos und geniessen den ungetrübten Sonnenschein, stark zunehmende Thermik und sogar die geliebten Cumulus, die sie jetzt an den Himmel gehängt haben.

Peter drückt den Deichsel nach vorn und wir fliegen, getreu unserem Motto, heute nur dort zu fliegen, wo wir sonst nicht so häufig sind, in Richtung Oberstdorf / Sonthofen ins Allgäu. Bis zur letzten Wolke, danach wenden wir und fliegen so schnell es geht, über das Lechtal und Vorarlberg wieder zurück. Peter will nach Hause, die Blase drücke leicht.

Mit dem Fallschirm auf die Toilette.

Letzteres nimmt auf dem Heimweg dann so zu, dass er nach der Landung fluchtartig hinter die Anhänger abtaucht. Und das lang ersehnte Geschäft abschliesst.

Mit diesem Flug, der am Ende sogar aussieht wie ein schönes Dreieck, geht unsere Ferienwoche in Schänis mit einem tollen und spannenden Flug zu Ende. Im HB-3416, dem wunderschönen Duo Discus der SG Lägern, sind wir diese Woche fast schon etwas ‚eingewachsen‘ – Peter allein ist damit sicher um die 30 Stunden herumkutschiert. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die nächste Ausgabe. Mal sehen, was im Frühling 2012 für wettertechnische Überraschungen auf uns warten.

Hier der Link auf alle Auf- und Abwinde.

 

Der Klassiker: Achensee-Ortler.

Schwer durchschaubares Regelwerk.

Freitag, 22. April 2011. Wenn man wie ich im NSFW ein paar Punkte sammeln will, bleibt nichts anderes übrig, als relativ phantasielose Flüge in sauberer geometrischer Gleichseitigkeit ins Gelände zu legen. Am vorteilhaftesten ist es dabei, das bestmögliche Fluggebiet ohne Durchhänger auszuwählen und dann darin wie ein Formel-1-Wagen so schnell wie möglich um die Ecken zu flitzen. Das belohnt die Auswertungs-Software dann mit einem Bonus von 30% für die geometrische Form. Und wenn man auch noch schnell war, rechnet sie einen Superbonus pro Stundenkilometer über einem bestimmten Wert, ich glaube, alles was grösser als 80 km/h ist, wird belohnt. Im besten Fall holt man auf diese Weise wesentlich mehr Punkte, als wenn man beispielsweise einen langen Geradeausflug macht. Dabei sind die Chancen, in thermisch schlechteres Gebiet einfliegen zu müssen, aber ja nicht geringer.

Geometrisches Zeichnen.

Wie auch immer, der Gründonnerstag war so ein Geometrie-Tag. Wie sich am Ende zeigte, waren mit dem Achensee und Prato beim Ortler die Wendepunkte tatsächlich nicht schlecht gewählt. Weiter nach Osten bis Saalfelden / Bischofshofen wäre zwar auch gut gegangen, aber die zusätzlich geflogene Strecke hätte wie beschrieben nicht in die gewünschte geometrische Form gepasst, weil dann der zweite Wendeort irgendwo am Gardasee hätte liegen müssen. Und da war doch erheblich feuchte Luft aus Süden an die Alpen gedrückt worden und die verfügbare Zeit im April ist für solche Weitschüsse dann definitiv zu kurz. Teilweise war diese feuchte Südluft auch über unserem Fluggebiet in den Nordalpen gut sichtbar. Trübe, feuchte, aber ausreichend labile Luft war bereits in die Täler geflossen.

Für einmal ist der ‚Bisen-Mixer‘ abgestellt.

Die 10 km Südwind haben dafür an den richtigen Stellen die Thermik verstärkt. Und hat alle, die in den vergangenen Wochen in diesem sagenhaften April in der dauernden Bisen-Lee-Thermik herumgeflogen sind, von der Schüttlerei mitten über den Tälern erlöst.

Meine ‚fliegende Antiquität’ war am Gründonnerstag mit 40 lt. zusätzlichem Gewicht in den Flächen aber in Hochform. Die ASW-20-B ist mit Wasserballast ein anderes Flugzeug. Es ist auch nach zwanzig Jahren, die wir schon miteinander durch die Luft sausen, das pure Vergnügen, den einzigartig wendigen Segler durch die Gipfel und Grate zu steuern. Bei diesem Flug lag der Anteil Geradeausflug bei 77% – für mich kein schlechter Wert für einen Thermikflug mit einem 15-Meter-Flieger. Im Föhn-/ Hangflug habe ich auch schon 89% zustande bekommen, aber das ist bekanntlich eine andere Fliegerei. Und es war auch ein anderes Flugzeug (ASG-29). Wenn ich da hineinsitzen darf, muss ich den optischen Gleitwinkel einen Viertel nach oben stellen.

Der ‚Autobahn‘ entlang.

Der Flug selber führte allen bekannten Thermiklinien entlang, sozusagen habe ich einfach die Ölspur der ‚Inntal-Autobahn’ etwas verbreitert. Schwierig war eigentlich nur der Übergang aus dem Inntal mit einer eigentlich etwas tiefen Basis um die 3’100 Meter gegen den Südwind ins Vinschgau. Auch dort lag die Wolkenbasis nicht sehr hoch und der Südwind hat die Thermik etwas verschoben. Bei 3’500 Metern war definitiv fertig lustig. Die Wende konnte ich aber trotzdem vor der Ortler-Nordwand knapp über dem Gelände sogar noch im Steigen umrunden. Einen Kilometer weiter südlich wäre der Wendepunkt nicht zu holen gewesen, weil er ‚im’ Ortler gelegen hätte. Knapp aber zielführend gewählt. Mit dem leichten Rückenwind und meinem Wasserbomber war der Rückflug in heimischeres Gelände dann eine kurze Geschichte. Die ASW findet aus dem Münstertal mit 3’500 Metern tatsächlich automatisch und problemlos den Heimweg nach Schänis. Unglaublich, was in dem Segler noch heute für ein Leistungspotenzial drinsteckt.

Fazit:

Toller Flug. Tolle Steigwerte. Zuverlässige Thermik. Rassige Fliegerei. Und ein fantastischer April (ich kann mich an keinen vergleichbaren erinnern).

Hier noch der übliche Link zur Flugstrecke, allen Auf- und Abwinden im Detail.

 

Alles verkehrt herum.

Montag, 11. April 2011. Es gibt Tage, die verbrächte man vermutlich aus segelfliegerischer Optik am sinnvollsten mit einer Flasche Rosé in der rechten, einer feinen Zigarre in der linken Hand und mit einem Fleischplättli vor sich.

Der Samstag, 9. April war wohl ein Flugtag dieser Kategorie. Das Meteobriefing zeigt eine Stuttgarter Sonde, die sogar der Edi Huber trotz seiner jugendlichen achtzig Lenze noch nicht gesehen hat. Mit zwei wackeren Inversionen drin. Und einer für einen Apriltag irrsinnigen Durch-Heiz-Temperatur von öppä 30°C. Obendrauf dafür mit einem starken Nordost-Wind in jenen Höhen, in denen wir zu fliegen wünschen. Da wird von ordentlicher Thermik wohl nicht viel übrig bleiben.

Wir haben es aber trotzdem gewagt. Das sind vermutlich letzte Reste winterlicher Sucht-Entzugs-Therapie. Wieder praktizieren wir unseren für Herbsttage typischen Abflug über die Glarner Alpen. Mit einem vor allem für die ASSAG-Bilanz wundervollen Schlepp auf 2’800 Meter über Niederurnen. Dann schleichen wir über das Sernftal und das hinterste Stück Weisstannental ins Prättigau. Da geht die Schüttlerei in der Leethermik schon los. Mit viieel Querlage und Unterarm-Training beim ständigen Ausgleichen der Fahrt-Differenzen kommen wir ein erstes Mal über den Gipfel der Sassauna. Nur, um eine Runde später ganz unten bei der Seilbahn wieder von vorn zu beginnen. Die Prättigauer Nordkreten produzieren offensichtlich erhebliche und verbreitete Lee-Gebiete. Die Frage ist bloss, wie man daraus wegkommt. Auf die Südseite des Tales und damit in den Schatten zu fliegen, scheint etwas verwegen. Also wurschteln wir uns ein zweites Mal über den Sassauna-Gipfel hinauf und flüchten mit der erkämpften Höhe direkt nach Klosters. Da sind die Gäste vermögender und auch die Aufwinde stärker. Aber höher als 3’000 Meter bekommen wir das Fliegerchen nicht. Darüber fegt der Nordwind durch die Thermik und zerreisst sie in viele kleine Fetzen. Schwer zu finden sind die deswegen.

Alle Aufwinde auf der Südseite der Täler.

Durch starke Abwinde versuchen wir unser Glück über Davos. Da müsste ja der Tal- und der Nordwind zusammen mit der Sonne auf den aperen Südhängen über der Flüelastrasse steigende Luft erzeugen. Das denkt heute auch der Roman Stutz, der mit seiner schönen LS mitten im Tal sein Glück sucht. Auch er kommt wie wir anfangs nicht so recht weg. Das Prättigau wird zusehends länger, dafür unsere Höhe immer geringer.

Dann versuchen wir es halt an der Nordkrete des Gatschiefer. Das ist der Berg direkt südlich vom Älpeltispitz (kennen eigentlich nur die Kloschterser). Aber hier geht’s endlich den Hügel hinauf. So segeln wir ein gehöriges Weilchen auf den Schneefeldern im Schatten des Tales von Monbiel (kennen auch die Schänner). Und erreichen immerhin genug Höhe, um über Gotschna und die Fideriser Heuberge an den St.-Margrethen-Berg zu flüchten und über dem Taminatal wieder einzufädeln. Auch hier tragen die Kreten des Pizols. Alle. Zuverlässig. Bis auf Gipfelhöhe. Aber mit enormen Fahrtschwankungen direkt über den Kreten. Ungemütliche Geschichte. Marc meint treffend, heute wäre er wohl am besten verkehrt herum ins Flugzeug gesessen, dann hätte das gewohnte Bild wieder einigermassen gestimmt.

Alle Vögel kreisen heute im Schatten. Auch wir.

So bschiissed mir üs wiiter über das Calfeisental an den Piz Segnes. Auch hier kreisen alle Vögel (auch wir) an der schattigen Nordseite in engen Achten über den Gipfel. Und weiter geht die Reise über den angeströmten Kreten an den Hausstock. Auch hier dasselbe. Südseite und Sonne zählen heute nicht. Dafür der Nordwind. Der trägt uns bis an den Bifertenstock, wo wir der imposanten ‚Akademiker-Route‘ (kennen nur die Bergsteiger) den Felswänden entlang über den Gipfel hinaus segeln. Wunderbare Sache. Und von da an den Tödi, wo der Marc Angst mit feiner Hand und viel Geduld über dem Röti-Couloir und den Simmlergrat über den schönsten aller Gipfel hinaus turnt. Dafür zeige ich ihm dann den Horse-Shoe. Den kennt fast gar niemer.

Alleine dafür hat sich die Überei im Prättigau nun doch noch gelohnt… Bifertenstock mit der bekannten Akadamiker-Route (Schneerunse).

Trotz aller lausigen Temperatur-Sonden kann man offenbar doch immer irgendwie segelfliegen. Wir runden den Tag mit einem Rundflügli zum Säntis und einem feinen Nachtessen bei unserem Wolfgang ab. Beides ist eine feine Sache.

Hier der Link zu allen Auf- und Abwinden

 

Alle Höhen und Tiefen in einem Segelflug.

Am ersten Donnerstag im April feiern alle Glarner den ‚Sieg über Österreich‚. Nicht einen auf der Skipiste, sondern jenen von 1388. Da haben sie (allerdings mit tatkräftiger Unterstützung eines Haufens kräftiger junger Schwyzer) die Habsburger vertrieben. Dabei muss es schlimm zu- und her gegangen sein. Die österreichischen Ritter sollen haufenweise in ihren schweren Rüstungen auf der Flucht in der Maag (das ist heute die korrigierte Linth) erbärmlich ertrunken sein. Wer das andere Ufer dennoch erreichte, wurde einfach niedergemacht. Schöne Geschichte! Daran denken wir dann eben einmal im Jahr würdig im Rahmen einer Prozession zurück. Was das mit Segelfliegen zu tun hat?

Ganz einfach. Da habe ich jeweils frei. Und geniesse seit ein paar Jahren zusammen mit Peter Schmid ein paar herrliche Segelflug-Frühlingstage in Schänis.

Wie im August.

Dieses Jahr findet da allerdings bereits der Hochsommer statt. Temperaturen und eine Luftschichtung, die man sonst so ab Juli in den Wetterprognosen findet, sind in der ersten April-Woche 2011 tägliche Normalität. Das führt an diesem Tag dazu, dass wir nach einem hochsommerlichen Abflug (wir haben ja immer eine Strategie im Cockpit – machmal auch zwei), landen wir nach zweistündigem Kampf rund und unter dem Vilan am Ende unvermeidlich in Bad Ragaz. Netter Flugplatz. Netter Schlepp-Pilot. Er lässt sein Mittagessen stehen und schleppt uns mit dem herzigen Ragazer Bonsai-Flieger zurück nach Schänis. Geistig ist der Flugtag nun abgehakt, es winken Bier und Wurschtsalat beim Wolfang in der Schänner Flugplatzbeiz.

Ganz unten.

Erstaunt stellen wir nach dem Klinken in Berschis auf 1600 Metern fest, dass der Talwind erstaunlich stark bläst. Das heisst, wir kommen etwas tüüf am Kerenzer an. So, dass wir die Näfelser Schlachtfeier ziemlich genau verfolgen können. Aber: es lüpft. Langsam zwar, aber immer wieder etwas. Meistens jeweils an der Stelle, an der wir gerade nicht fliegen. Und maximal auf 1250 Meter hinauf. Aber irgendwann packen wir eine Blattere und klettern nicht nur auf 1200 Meter, sondern weit darüber hinaus. Bis auf 1400. Peter montiert schon den Sauerstoff, als wir an der Durschlegi in einen wellenartigen Aufwind auf der Mattstock-Westseite einsteigen und plötzlich wieder im Geschäft sind. Nichts ist mit Bier und Wurscht. Fliegen ist gefragt. Auch der zweite Anlauf ins Prättigau scheitert aber. Nicht, dass wir nochmals in Ragaz landen müssen, diesmal drehen wir früher ab und wurschteln uns zurück über die immer turbulenter werdenden Kreten der Churfirsten. Irgendwas ist hier faul.

Ganz oben.

Der Rest ist aber blitzig erzählt. Der Westwind hat erstaunlich zugenommen. Deshalb flitzen wir allen Glarner Kreten entlang bis an den Bifertenstock. Hier geht der Spass erst richtig los. Wir fallen sozusagen in eine starke Westwindwelle, die uns weit über den Tödi hinausträgt. Selbstverständlich mit einer englischen Clearance von Züri-Info für den Einflug in die Luftstrasse A9, die hier anfängt. Auf 4300 Metern brechen wir die Geschichte mangels weiterer Aufwindmöglichkeiten aber ab. Ist auch etwas kalt geworden in der letzten Stunde. Und wir machen dafür einen weiten Bogen um die kontrollierten Lufträume und um die Rigi. Der Duo trägt uns da ab Gipfelhöhe kurvenfrei und sicher wieder zurück nach Schänis, wo schon alle auf uns warten, damit man den Flugplatz endlich für heute schliessen kann.

Herrlich war’s wieder. Man soll nie aufgeben. Das beste kommt wirklich häufig etwas unerwartet und ganz am Ende.

Hier der Link auf alle Auf- und Abwinde:

Domodossola-Klosters von und mit Peter Schmid

Sonntag, 3. April 2011. Als Verantwortliche für die Verkaufsförderung in Schänis gehen wir mit gutem Beispiel voran und stellen unseren Luxus-Doppelsitzer mutig und früh in die Startreihe. Alptherm sagt einen Thermikbeginn um 11.30 Uhr an. Dann starten wir natürlich auch um 11.10 Uhr, damit wir den ganzen Tag nutzen können. Eigentlich wollen wir nach Ovronnaz und Klosters, ängstigen uns aber sofort wieder vor dem eigenen Mut.

Link auf Bilder-Galerie.

Pünktlich um 11.30 Uhr dreht der Peter über dem Gufelstock ein. Anders als gestern ist hier heute auch was zu spüren, das uns aufwärts trägt. Nicht stark, aber immerhin. Es reicht für den Abflug – wieder nach Hochsommer-Manier – über das Weisstannental, knapp über die Krete ins Calfeistental und von da an den Flimserstein, wo wir schon das erste Mal den Flieger tief unten wieder ausgraben müssen.

Mit etwas Geduld schliferemer durch das Vorderrheintal bis nach Sedrun. Hier scheint die Geschichte vorläufig zu Ende zu sein. Im Urserental und im Wallis sieht es trübe aus. Der Cirrendeckel der auf den Abend angekündigten Kaltfront deckt schon alles mit ausreichend Feuchtigkeit zu. An einen Flug ins Wallis ist kaum zu denken. Dann übernehmen wir halt doch den Plan B von Peter, der eigentlich unbedingt in den Süden wollte. Er hat auch heute wieder mal Recht. Also rutschen wir über den Gotthard nach Airolo, obwohl unsere Tessiner Gspänli dort eine Wolkenbasis von gerade einmal 2’800 Metern melden. Nicht gerade berauschend. Dafür feucht. Man sieht nicht besonders weit. Nachdem wir uns über unseren Standort über einem Seitental der Verzasca einigen können, hängen wir noch was dran und fliegen – laufend der absinkenden Basis angepasst, bis an die letzte Krete vor Domodossola. Hier müssen wir aber endgültig umdrehen, über dem Simplon hängen die Fetzen tief. Kein Weiterflug mehr möglich hier.

Peter manövriert uns nach Bellinzona. Am Claro schieben sie jetzt auch schon das Milchglas oben rein und stellen den Scheinwerfer etwas zurück. Entsprechend zähflüssig kommen wir wieder in die oberen Etagen. Im Calancatal erklimmen wir die letzten möglichen Meter und schleichen ins Hinterrheintal. Auch hier will die Thermik nicht mehr so richtig arbeiten. Erneut rutschen wir knapp ins Val Lugnez, um dort über den noch warmen Flächen im Schatten dank einem erstaunlichen Höhengewinn wieder zurück ins Geschäft zu kommen. Die Verlängerung über den Hochwang nach Klosters ist schon fast wieder geschenkt. Der Flieger gleitet aber auch abartig gut!

Die heranrückende Cirren-Abdeckung macht auch jenen Kollegen zu schaffen, die nach Osten geflogen sind. Armin Hürlimann macht einen Besuch beim Zöllner in Hohenems und Beat Gassmann einen in Bad Ragaz. Roland Hürlimann zieht den Turbo am Pfäferserberg, um Dergleichen zu vermeiden.

Ein lehrreicher Flug, spannend, nie zu hoch, nie zu tief. Gerade richtig also.
Alle Auf- und Abwinde auf diesem Flug.

Hochsommer-Verhältnisse im April

2. April 2011. Die Wetter-Situation fühlt sich heute an wie an einem stabilen Herbst-Wander- und Ballonfahrer-Tag. Ich starte ziemlich auf der frühen Seite. Im Schlepp fühlt sich die Luft an wie Wasser im Hallenbad auf drei Metern Tiefe. Total ruhig. Um die Chance für eine Absaufer zu mindern, schleppe ich etwas höher, damit ich in die Glarner Alpen gleiten kann. Absolut richtiger Entscheid. Statt zweimal auf 2’000 Meter schleppen zu müssen, kann ich mich dank meiner Ausgangshöhe einmal an den Gufelstock retten und dort sage und schreibe zwei Stunden im Hangflug parkieren. Bis irgendwann die Geschichte über die Kreten hinauf lupft.

Den Wegflug schaffe ich wie sonst klassisch für Hochsommer-Lagen. Ueber die Sernftaler Alpen ins Prättigau. Von da an sind die Verhältnisse besser. Die Aufwinde sind zwar weit auseinander, wenn es welche hat, sind sie aber eng und kräftig. Das Problem ist heute, dass die Verhältnisse stabil, dafür wegen des Schnees die Thermik in den Alpen zu wenig verbreitet und zuwenig hoch reichend ist. Dann fliegen wir halt heute nicht über, sondern durch die Gipfel.

Weit im Süden hängen hoch droben die Cumuli. Den Mut, über die Schneefelder am Ofenpass ins Vinschgau ca. 50 km weit bis dahin hinabzugleiten, bringe ich im Gegensatz zu Frigg Hauser, der ins Veltlin hinunter sticht und über den Splügen wieder zurückfliegt, jedoch nicht auf und wende am Ofenpass.

Ich schleiche zurück über die völlig ruhige Nordseite des Engadins wieder über’s Sertigtal zurück in das apere Landwassertal und von da an den braunen Flächen nach zusammen mit Roland Hürlimann bis nach Sedrun. Auch da wird der verbreitet liegende Schnee wieder zur Bremse. Wir turnen im Val Punteglias gemeinsam die Lawinenverbauungen hoch, bis es mir über den Kistenpass ins Glarnerland reicht. Roland wählt wegen ein paar fehlenden Metern den Weg aussen herum, kommt aber auch gut nach Hause.

Alle Auf- und Abwinde im Detail.

Toller ‚kontrollieren-ob-alles-geht-Flug‘

Eines der wenigen Dinge, das noch so ist ‚wie früher‘, sind die herrlichen Frühlings-Segelflugtage. Seit Wochen kaum Niederschläge, ausgetrocknete Böden, einfliessende, labile Kaltluft, welche die stabilen Verhältnisse der vergangenen Tage ausräumt – Resultat: herrliche, starke, weitverbreitet gute Aufwindverhältnisse über dem Alpenraum.


Der Freitag, 25. März, war nördlich der Alpen defintiv der beste Flugtag der ganzen Woche. Seit Tagen habe ich die Wetterkarten zerpflückt, um das beste Flugfenster zu bestimmen. Das einzige, das ich falsch gemacht habe: die Verhältnisse zu defensiv eingeschätzt und zum Einfliegen ein flaches Drü-Eggli zwischen dem Paznauntal und Andermatt in den Logger gewurschtelt. Das war mindestens 200 km zuwenig. Man hätte an den Fernsteinsee und nach Domodossola fliegen können. Wolkenbasis teilweise auf fast 4’000 Metern, die Querung der Alpen war problemlos möglich. Markus von der Crone und Hans Bucher bewiesen das mit ihren Ausflügen ins Tessin und zurück. Franz Strahm lotete mit seiner fliegenden Antiquität (noch etwas älter als meine) das Terrain bis an den Achensee aus. Kein schlechter Saisonstart mit über 500 km! Wenn das nun bis August so weitergeht…

Die Details zum Flug sowie die Sonden.

GliderCup-Skiweekend auf dem Stoos. 15./16. Januar 2011

Am Wochenende vom 15./16. Januar organisierten Moni & Marc Angst für alle GliderCup-TeilnehmerInnen und PilotInnen aus Schänis ein tolles Skiweekend auf dem Stoos.

18 sportliche TeilnehmerInnen haben sich an diesem Weekend auf die Pisten in der Zentralschweiz gewagt. Es ging nicht ganz ohne Blessuren ab, die eisigen Pisten sorgten für ein paar kleine Kratzer – für Segelflieger sind Skipisten etwas ungewohnter als Flugplatzpisten.

Einquartiert waren wir in der ‚Metzghütte’ mitten im Skigebiet, kulinarisch verwöhnt hat uns Markus Schramm, die perfekten Gastgeber waren Moni und Marc Angst.

Obwohl die Temperaturen an diesem Weekend im Unterland tagsüber auf ungewohnte 12° und die Nullgrad-Grenze auf 3’400 M.ü.M. anstiegen, reichten die Schneeverhältnisse für eine einwandfreie Skipisten-Präparierung am Klingenstock und Fronalpstock aus – halt Frühlings-Skifahren im Hochwinter…

Auch das Hüttenleben kam nicht zu kurz. Jedenfalls wurde teilweise bis tief in die Nacht gewürfelt, gespielt, ‚gelogen’ (Segelflieger-Würfelspiel) und vor allem gelacht.

Die vom Turnverein Rüti während des ganzen Winters gemietete Alphütte ist perfekt für solche Anlässe eingerichtet – wenn wir dürfen, kommen wir nächstes Wintersaison gerne wieder.

DSCN1904

Wenn Du alleine oder mit Deiner Familie ein nächstes Mal auch mit dabei sein möchtest: einfach dieses Jahr beim GliderCup mitmachen oder Dich bei Marc Angst melden (alle PilotInnen und Freunde von SchänisSoaring sind herzlich willkommen).

Viele Teilnehmer, wenige Flugtage und eine knappe Entscheidung beim GliderCup

Der GliderCup 2010 bei SchänisSoaring wird geprägt von wenigen Flugtagen bei häufig durchzogenem Wetter, von trotzdem zahlreichen TeilnehmerInnen und einer knappen Entscheidung. 

IMG_9193

Einer der GliderCup-Doppelsitzer über dem Wendepunkt Olten. Eines der Ziele ist es, Streckenflug-Neulinge durch einen erfahrenen Fluglehrer sicher in die Wettbewerbs-Fliegerei einzuführen.

_DSC0030

Der zweite Flugtag brachte gutes, aber sehr labiles Flugwetter. Zu fliegen war ein FAI-300-km-Dreieck ‚Durschlegi-Fernsteinsee-Zernez-Durschlegi’. Hier im Bild das von Schauern zugedeckte Unterengadin. Trotzdem gelang es beinahe allen Teilnehmern, mit hohen Schnittgeschwindigkeiten, die spannende Aufgabe sicher zu vollenden.

Konzept bewährt sich.

Die Idee, über die ganze Flugsaison verteilt, mit geringem organisatorischem Aufwand, standardisierten Flugaufgaben und einem von erfahrenen Piloten und Fluglehrern geführten Einstieg in die Wettbewerbsfliegerei im Doppelsitzer angehende Streckenflieger für einen Flug zu motivieren, ist wieder auf positives Echo gestossen. Des schlechten Wetters wegen mussten beide Reservedaten beansprucht werden, um vier Wertungstage zu erreichen. An der Ausgabe 2010 nahmen 26 PilotInnen teil. Das sind fünf TeilnehmerInnen weniger als bei der Vorjahres-Ausgabe. Trotzdem wird der GliderCup 2010 positiv in Erinnerung bleiben. Die Fortsetzung des Anlasses ist sicher.

Grössere Leistungsdichte.

Auffällig ist die Leistungssteigerung der GliderCup-PilotInnen. Die Entscheidungen fielen knapper aus. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten lagen, wenn man fliegen konnte – höher als im Vorjahr. Gewonnen hat zwar wieder derselbe – aber mit nur noch einem Punkt Vorsprung und weniger dank eleganter ‚Inspiration’ als eher mit ‚Transpiration’ (Fleiss). Der Gewinner erflog an einem Flugtag bei lausigstem Wetter als einziger Teilnehmer die Mindest-Distanz und konnte so die Maximal-Punktzahl auf’s Konto buchen, während der Ranglisten-Zweite mit zwei souveränen Tagessiegen haarscharf bis auf einen Punkt in der Schlussrangliste heranrückte.

Logger & Co. im Griff.

Zugenommen haben dank der feinen Nachtessen aus Fridli und Monica Jacober’s Küche nicht nur die TeilnehmerInnen, sondern auch das technische KnowHow aller Beteiligten. Es ist 2010 nicht mehr passiert, dass wegen technischer Fehler, falscher Logger-Programmierung und -Auswertung, verfehlter Startlinien und Wendepunkte Penalty-Punkte kassiert wurden, wie man das an fast jedem zentralen Wettbewerb auch auf höchstem Niveaus beobachtet. Ein Ziel des GliderCups ist es, dieses Wissen breit zu verankern. Diesmal war kein Logger-Care-Team mehr nötig.

Souveräne Flugplanung.

Auffällig ist, wie sich die TeilnehmerInnen um sichere Flugplanung bemühten. Es gab auch 2010 keine ‚echten’ Aussenlandungen. Vorgezogen wurden Flugplätze – und davon jene mit ‚aktivem Glacéstand’. Es braucht ein souveränes Management des persönlichen Ehrgeizes, während eines Wettbewerbsfluges den Lande-Entscheid für einem Flugplatz zu fällen, statt zu fliegen, bis sich das Rad – oder am Ende der ganze Flieger in einer ungeeigneten Landewiese dreht.

Persönliche Grenzen erweitern.

Eines der erfreulichsten Erlebnisse sind zwei FAI-300-km-Flüge (von Ferdi Jud und Urs Oettli). Am dritten Flugtag sausten sie um die Wendepunkte Durschlegi, Fernsteinsee und Zernez. Und das bei schwierigen Bedingungen mit Überentwicklungen im Unterengadin. Beide haben am GliderCup ihre fliegerischen Grenzen erweitern können, ohne etwas zu riskieren – das bleibt das Ziel des GliderCups 2011.

Dazu sind übrigens TeilnehmerInnen anderer Gruppen / Flugplätze herzlich eingeladen. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Aufgaben werden im Internet publiziert. Und abends findet ein gemeinsames, mehrgängiges Nachtessen statt. Mit einer gehörigen Portion ‚Fliegerlatein’ zum Dessert.

Vinon 2010: der letzte war der schönste Flug.

164_6438An diesem Flugtag sind meine Schänner Gspänli bereits mit den Anhängern und der ganzen ‚Wanderbaustelle’ auf der Heimfahrt in die Schweiz, während Hans Reis und ich als letzte verbleibende Schänner Piloten in Vinon nochmals einen tollen Flug zustande bringen.

Für mich ist es die letzte Luftreise ab Vinon in diesem Jahr. Zuhause warten nur noch ein arbeitsreicher Winter und vielleicht ein paar Föhnstürme – die Saison ist heute für mich geistig zu Ende. Der gemütliche Flug führt typischerweise kreuz und quer durch die französischen Alpen, hinauf in den Kessel von Bardonnecchia, in der Ecrins-Welle auf 6’000 M.ü.M., dann hinunter zum See bei St.-André-les-Alpes und nochmals auf die Westseite des Gebietes hinüber an die Grenze des Rhônetals zum Mont Ventoux.

Nichts Besonderes?
Ein wenig spürt man an diesem Tag schon die Herbststimmung. In Vinon ist nur noch ein Teil der Piloten aktiv, eine ganze Reihe ist schon abgereist. Ein friedlicher letzter Flugtag liegt vor uns, als wir um die Mittagszeit in die Flieger steigen.

ASW-20-Heinz-II

Dass wir mit dem Segler stundenlang quer durch die französischen Alpen flitzen, ist ja eigentlich nichts Spezielles – darüber ist alles schon geschrieben worden – da muss man nichts mehr wiederholen. Das Besondere an diesem Flug ist aber die wunderschöne Welle im Südosten der Ecrins. Sie trägt über dem Einstieg (wenn man ihn denn endlich erwischt) an der Crête des Agneaux ruhig mit maximal zwei Metern pro Sekunde Steigen bis auf 6’000 Meter hinauf (und vermutlich noch höher, hätten wir denn eine Freigabe für den kontrollierten Luftraum darüber verlangt).

Messerscharfer Lenticularis.
Die Luftfeuchtigkeit und der schwache Nordwest zeichnen an diesem Tag eine messerscharfe Lenticularis in den blauen Himmel. Vor uns tauchen mit zunehmender Flughöhe die einmaligen, zackigen Viertausender-Gipfel der Ecrins unter der Flugzeugnase weg. Im Nordwesten liegt bereits das Wolkengetürme der nahenden Front. Die Sicht reicht heute aber noch von den Walliser Alpen über den Mont-Blanc bis in die Region des Etang de Berre bei Marseille. Weit in der Ferne lässt sich sogar im blauen Dunst die Camarque und die Sichel des Golfe du Lion bis Montpellier erahnen. Mir kommen bei soviel Schönheit auf 5’500 Meter oben in meinem kleinen Fliegerchen die Tränen. Es ist einfach unglaublich schön, diesen Sport geniessen zu dürfen. Welch ein Privileg! Ich werde es geniessen, solange ich kann – es gibt einfach nichts Besseres.

765-km-Dreieck über den französischen und Schweizer Alpen

Am Samstag, 26. Juni 2010 gelingt ein Flug, von dem ich seit Jahren und kurz davor noch dachte, er sei für mich ausser Reichweite. Möglich wurde er durch die lange Tageszeit Mitte Jahr und den frühen Thermikbeginn. Bereits um 10.15 Uhr hing ich hinter dem Schlepp-Flugzeug. Exakt zehn Stunden später setzte ich in meiner 25jährigen ASW-20-B wieder auf den heimischen Asphalt in Schänis zur Landung an. Dazwischen lag ein Segelflug um die Wendepunkte Le Casset im französischen Ecrins-Massiv sowie den Piz Quattrvals im Unterengadin.

Link zum Fotoalbum.

Frühstart.

An diesem Samstag habe ich ‚Ausgang’. Heinz Brem braucht unsere ASW-20-B das ganze Weekend über nicht und zuhause beschäftigen sich alle anderweitig mit Baden und Einkaufen. Ich werde also sicher nirgends gebraucht. So mache ich mich schon frühmorgens auf nach Schänis, nicht ohne kurz in die Thermikprognosen geblickt zu haben. Die neu entdeckten digitalen Helfer bringen mich heute auf die richtige Fährte. ‚Streckenflug.ch’ kündigt gute Thermikverhältnisse über den Schweizer- und französischen Alpen an. Fast deckungsleich schätzen die österreichischen Meteorologen die Situation ein. Ich programmiere also etwas frech meinen Logger und den PDA mit den erwähnten Wendeorten.

Schon vor dem Briefing aufgefüllt.

Die ASW ist bei bereits ungemütlich warmen Temperaturen schnell montiert, schon vor 09.00 Uhr steht sie mit 40 Litern Zusatz-Wasserballast startbereit auf dem Rollweg. Zeitweise erschrecke ich über den eigenen Mut – spätestens, als Markus von der Crone nach meinen Absichten fragt und offensichtlich staunend die Stirn in Falten legt. Progressiv, wie er ist, will er aber den Versuch ebenfalls wagen. Er hat den Vorteil, beim Briefing eine ASG-29 erwischt zu haben. Der Flieger gleitet gefühlte 20% besser als meiner. Mit dem Wasser sollte sich der Schaden in Grenzen halten. Klar ist, dass ich deutlich schlechter steigen werde als er, allerdings sollte das bei den heute prognostizierten Steigwerten handhabbar bleiben.

Siehst Du den Kärpf am Morgen… dann fliegst Du ohne Sorgen.

Die ersten Thermikanzeichen bilden sich schon um Viertel vor Zehn. Ich will aber mit meinem Wasserbomber keinen unnötigen Absaufer riskieren und stehe erst etwas später startbereit auf der Piste. Der erste Aufwind hält aber, was die entstehenden Cumulus-Fetzen versprechen. Er bringt mich trotz des Zusatzgewichtes rasch auf Abflughöhe über den Panixerpass. Heute kommt auch der Kärpf für einmal ins Spiel. Seine Ostseite produziert an der richtigen Stelle Aufwind, stolz kann ich den Gipfel, auf dem ich wie die Bergsteigergruppe, die von Elm aus auf die Spitze zuklettert, ebenfalls zahllose Male zu Fuss unterwegs war, nach ein paar Kreisen übersteigen.

Im Vorderrheintal hängt die Bewölkung zwar auf etwa 2’700 Metern, dafür grossflächig auf der sonnigen Nordseite verteilt bis nach Disentis hinauf. Erst bei Trun falle ich soweit unter die Kreten, dass ich es vorziehe, Höhe dazuzunehmen. Etwas zaghaft steigt der Flieger anfangs dem Granit-Grat entlang, erst als ich beginne, auf der Ostseite nahe die Felsen zu fliegen, klettern die Steigwerte auf drei Meter pro Sekunde und spülen mich an die Wolken-Unterseite hinauf. Inzwischen fährt Markus unter mir ein und dreht rasch hoch. Gemeinsam fliegen wir im Parallelflug über den Oberalp und kreislos bis an die Furka, immer schön den Kreten entlang. Die ASW hält sich im Vergleich zum grösseren Bruder einwandfrei – solang ich sie geradeaus fliegen lasse. Im Steigen zeigt sich wie erwartet ein deutlicher Unterschied. Trotzdem kann ich dranbleiben. Bis ans Eggishorn fliegen wir gemeinsam, dort trifft Markus etwas früher ein und den Aufwind besser als ich und steigt weg. Er wird auf der Nordseite des Wallis weiter fliegen. Die Wolken hängen da für meine Begriffe etwas unstrukturiert und müde wie nasse, weisse Tücher an den Hängen. Ich nehme über der Bettmeralp und dem Ende des Aletsch-Gletschers an Höhe mit, was ich kann und quere dann auf die Südseite ins Simplon-Tal. Da hängen einzelne Cumuli deutlich höher als die anderen zerfransten Wolkenfetzen. Allerdings ist ihre Herkunft, die Wärmequelle unklar. Bis hierhin ging’s eigentlich ganz gut voran – so früh war ich noch nie im Wallis.

Hangfliegen über dem Simplon.

Der Einstieg in die nächst höhere Etage gestaltet sich wie erwartet nicht einfach. Ich brauche etwas Zeit, um am Osthang der Simplonstrasse – eigentlich schon auf der Südseite der Alpen –  im teilweise turbulenten Hangflug über den Gipfel steigen zu können. Ein kahler, voll in der Sonne stehender, langer Bergrücken hilft mir dann aber weiter. Nach etwa zehn Minuten und mehrfachen Zentrierversuchen schaffe ich es endlich, die Gipfelhöhe zu ersteigen und fliege mit dieser Höhe dann direkt in die Matter-Täler hinein. Weil ich so früh dran bin, sind die Aufwinde etwas ungewohnt auf der Ost-, statt auf der Westseite des Tales. Die Wolken kleben weit unter den Gipfeln, tragen aber immerhin zuverlässig, wenn auch nicht berauschend gut. Überhaupt habe ich in der letzten halben Stunde den Eindruck, kaum in die Höhe zu kommen. Ich habe Schwierigkeiten, die Aufwinde zu treffen und dann im vertrauten Tempo zu steigen, obwohl ich das Flugzeug mit hoher Querlage, voll nach hinten getrimmt und einem voll gezogenen Höhensteuer fliege.

Swimming-Pool auf 2’000 Metern.

Auf einer Felsrippe bei St. Niklaus im Mattertal blinkt mich fröhlich ein blauer Fleck an. Da hat doch tatsächlich ein waghalsiger Walliser über der Waldgrenze bei seinem Ferienhaus einen Swimming-Pool aufgestellt. In völlig exklusiver Lage mit Breitbild-Panorama auf die Mischabel-Gruppe!

Mit allerhand Mühe und mehreren Zentrierversuchen komme ich hoch über dem Schwimmbad endlich über den Grat und fliege Richtung Val d’Anniviers weiter. Mit der Absicht, mitten durch die Walliser Viertausender den Grand-St.-Bernard zu erreichen und letztlich ins Val Tournanche zu gelangen. Markus zieht über mir zielstrebig nach Süden weg Richtung Matterhorn. Er will offenbar bei der Schönbiel-Hütte die hohen Pässe ins Valpelline überqueren. Ich habe mich gegen diese Streckenwahl entschieden, weil diese Übergänge häufig aus Süden mit Feuchtigkeit zugestaut sind. An den hohen Passübergängen nach Italien bin ich mehr als einmal ‚aufgelaufen’ und dann in der hohen Walliser Gletscherwelt in der Region Obergabelhorn zwischen tiefer Wolkenbasis und den hohen Pässen festgeklemmt gewesen. Deshalb will ich mit weniger Risiko etwas nördlicher, weniger in der Gletschwelt, Richtung Grand-St.-Bernard vorwärtsfliegen. Dabei nehme ich allerdings in Kauf, die schlechter eingestrahlten Osthänge der Walliser Seitentäler abfliegen zu müssen.

Knapp über die Gletscher direkt in den Stausee.

Und genau so passiert es dann. Markus fliegt nach einigem Abwarten und mit Geduld direkt ins Valpelline und kommt dort über den voll eingestrahlten Nordhängen rasch Richtung Aosta vorwärts. Derweil kämpfe ich über Zinal mit schwachen Aufwinden und auch etwas mit meinem schweren Flieger, der nicht so recht steigen will. Etwas progressiv schleiche ich mich am Ende die Gletscher hoch, um über dem tiefsten Übergang doch ins Valpelline zu fallen. Tief ziehe ich über die letzte Krete und stürze sozusagen in den Stausee im Valpelline. Hier ist erst mal Hochklettern gefragt. Ich fege wie eine Alpendohle rund um die Kreten in guten Steigen, das über der Krete noch viel besser wird. Ab jetzt ist endlich wieder ein etwas entspannterer Flugstil mit ausreichend Luft unter dem Rumpf angesagt.

Zwar hängen die Wolken im Valle d’Aoste tiefer als auch schon, dafür tragen sie doch zuverlässig und einigermassen kräftig. Über den Südhängen des Grand-St.-Bernard (den Berg kann ich mir nie merken, er heisst aber trotzdem Mont Falère) hole ich mit 3’500 Metern die maximal mögliche Höhe, um in die wilden V-Täler auf der Südseite des Valle d’Aoste einzufliegen. Das Val Savaranche, das Val de Rhême oder das Val Tournanche. Bei früheren Gelegenheiten auf den Flügen ab Vinon habe ich öfters erlebt, dass ich die Aufwinde über den zackigen Granitgraten nicht recht zentrieren konnte. Um heute kein Risiko mit einem zu tiefen Einflug einzugehen, fliege ich einen kleinen Umweg ins Val Tournache. Dort ist der Einstieg etwas einfacher, weil die Nordkreten flacher sind, einige tiefe Sättel aufweisen, über denen man wesentlich einfacher in die Thermik einkreisen kann. Genau so funktioniert es dann auch. Ich komme problemlos an die Wolkenbasis hinauf. Das reicht, um knapp über die Kreten den Pass ins Val d’Isère zu flitzen. Dahinter lockt ein prächtiger Cumulus-Himmel. Hohe Basis, vermutlich fast 4’000 Meter, schwarze Wolkenböden und viel Sonne.

Viel italienische Feuchtigkeit im Modane-Tal.

Markus ist inzwischen davongezogen und meldet sich bereits in der Region Bardonnecchia. Er steigt klar besser und ist mit der ASG-29 eindeutig schneller unterwegs. Das tut aber meiner Freude über den starken Aufwind zuhinterst im Val d’Isère keinen Abbruch. Wie auch früher schon trägt er zwar etwas rumplig, aber zuverlässig bis auf über 4’000 Meter hinauf. Von hier oben ist die Welt bereits etwas runder, zuversichtlich fliege ich ins hinterste Modane-Tal ein. Den Charbonnel lasse ich ausnahmsweise aus. Seine Wolkenbasis ist etwa gleich hoch wie ich im Geradeausflug bereits bin. Unter mir fliesst über den Col du Mont-Cenis wie immer die feuchte Luft aus Oberitalien ins Modane-Tal ein. Die feucht-stabile Luft erschlägt in den tieferen Lagen jegliche Thermikbildung. Nur in den obersten Seitentälern, welche dieser feuchte Teppich wegen der markanten Geländerstufen nicht erreicht, bilden sich starke Aufwinde, die am Charbonnel z.B. bis auf über 4’000 Meter hinauf tragen. Das ist meistens die höchste erreichbare Höhe weitherum. Normalerweise nehme ich hier jeden möglichen Meter mit und fliege damit bis an den Lac de Serre-Ponçon, um dann über den Parcours des combattants ohne überflüssige Kreiserei bis nach Vinon zurückzufliegen.

Heute haben wir aber andere Pläne. Der Wendepunkt im Tal des Galibier erscheint zaghaft auf dem kleinen Bildschirm meines PDA – auch Mäusekino genannt. Bardonnecchia hat leider auch keine zuverlässigen Aufwinde produziert. Die feuchten Tücher hängen überall über den Sonnenhängen, aber sie tragen nicht. Weder am Col d’Etaches, noch bei der Barrage Rochemolles, noch über Bardonnecchia. Die müde Luft aus dem Süden hat von der ganzen Region Besitz ergriffen. Überhaupt wird es feuchter, je weiter ich nach Süden fliege. Die Kollegen aus Vinon dürften es heute schwer haben, hierher zu kommen. Seltsam, dass man von Schänis aus an manchen Tagen leichter nach Plampinet kommt als von Vinon aus.

Nachmittags um Drei geht’s wieder heimwärts.

Das Briançonnais ist etwa zu fünf Achteln mit auseinanderlaufenden Cumulanten zugedeckt, produziert aber dennoch gute Aufwinde, wenn man sie findet. Ich habe wie immer Mühe damit, unter breiten, dicken Wolken das Aufwind-Zentrum zu finden, komme aber mit etwas Geduld doch um den geplanten Wendepunkt bei der Skistation Serre-Chevalier im Galibier-Tal. Und besonders erfreulich: ich habe erst noch meinen Zeitplan einhalten können. Um 15.00 Uhr wollte ich in den französischen Alpen wenden, um die Chance zu wahren, abends rechtzeitig wieder in Schänis zu sein. Nach Süden sieht’s nicht besonders gut aus. Die Feuchtigkeit hängt bis weit unter die Kreten, der Morgon steht ‚im Wasser’. Markus hat kurz zuvor in der Region St.-Crépin gewendet und macht sich auch wieder auf den Heimweg.

Der führt mehr oder weniger auf derselben Route wieder zurück. Mit dem Unterschied, dass ich den Charbonnel-Aufwind diesmal mit einigen Optimierungsversuchen von zuunterst bis zuoberst nutze, um problemlos zwischen den feuchten Fetzen aus dem Süden über den Nivolet-Pass ins Val de Rhèmes zu gelangen.

Nach Cervinia wollte ich eigentlich gar nicht.

Bis ins Valpelline geht’s dann zügig voran. Dort passiert mir dann aber doch noch eine Überraschung. Weil das Matterhorn nicht erkennbar bis zum Sockel in der Feuchtigkeit steht, erkenne ich nicht, was ich da für einen Berg auf dem Weg nach Osten vor mir habe! Lange versuche ich mir einen Reim zu machen, ob es gescheiter ist, auf der Nord- oder der Südseite an diesem sperrigen Teil vorbeizukommen. Ich entscheide mich aufgrund der hohen Übergänge und der vielen Gletscher zum zweiten Mal am heutigen Tag für einen Umweg – diesmal nach Süden. Hinein in die feuchte, aufwindlose Suppe. Erstaunt nehme ich ein paar Minuten später zur Kenntnis, dass ich in den Kessel von Cervinia eingeflogen bin. Der hat den Nachteil, dass er gegen Norden von hohen Pässen abgeschlossen ist und heute keine Aufwinde produziert, die so hoch reichen würden. Zum Glück bin ich im Valpelline in den schwachen Aufwinden so hoch wie möglich gestiegen. Dieses Polster reicht nun gerade, um auf der Leeseite über die Krete an der Testa-Grigia ins Mattertal zu fallen. Dort tragen dafür wieder alle Hänge, das Talwind-System funktioniert.

Die tragen mich bis an den Gornergrat, wo ich auf Höhe der Bergstation wieder in die Aufwinde einfädle. Ich brauche einige Zeit, um die zwar starken, aber engen und unkonstanten Aufwinde zu erwischen. Nach fast einer Viertelstunde bin aber auch ich endlich wieder über 4’000 Meter. Diese Höhe reicht, um direkt ins Saaser Tal an den Weissmies zu wechseln.

Wo ist denn jetzt der Aufwind?

Normalerweise produzieren die Steinwüsten-Kessel auf der Westseite des Weissmies sehr starke Aufwinde. Heute vermutlich auch. Jedenfalls hängen die Gleitschirme in astronomischen Höhen. Da hinauf möchte ich auch – das wäre der elegante Einstieg in einen langen Gleitflug bis ins Vorderrheintal. Das will aber gar nicht klappen. Einen Aufwind erwische ich, der ist mir aber zu wenig, offenbar steigen andere (Gleitschirme) besser aufwärts. Also wechsle ich dorthin. Wie immer geht das auch diesmal schief. Ich treffe die aufsteigenden Luftblasen schlecht bis gar nicht. Also doch wieder zurück, dorthin, wo ich angefangen habe. Einige Minuten eiere ich so am Weissmies hin und her, bis ich trotz der wunderschönen Kulisse um mich herum leicht erzürnt über mich selber, dafür mit voll gezogenem Knüppel und der Trimmung am hinteren Anschlag mit einer irren Querlage endlich eine der Blasen erwische und sie ausdrehe. Sie trägt mich dann wieder auf die erhofften 4’000 Meter hinauf. Uffhh!. So, das reicht, um komfortabel ins abgeschiedene Binntal und weiter an die Furka zu fliegen. Unterwegs treffe ich Reto Frei mit seiner schönen ASW-19 auf einem Ausflug ins Wallis.

In Graubünden läuft alles auseinander.

Über der Furka nehme ich zusammen mit einem anderen Segler nochmals mit, was ich kann, um danach direkt und hoch über den im Urserental liegenden Wolkenfetzen über den Oberalp ins Vorderrheintal zu gelangen. Bis ins Lukmanier-Tal ist dann allerdings wenig bis nichts zu holen. Die Optik auf Kurs sieht nicht berauschend aus. Alle Wolken laufen auseinander, die Gegend bis Klosters scheint abgeschattet. Im Valsertal muss ich mich von meinem Wasserballast trennen. Es macht keinen Sinn, das zusätzliche Gewicht mitzuschleppen. Die Aufwinde sind zu schwach. Ich kann nur ohne Wasserballast überhaupt noch steigen. Das geht dann dafür angesichts der schattigen Optik erstaunlich gut. Über Andeer und Savognin, mitten über dem Tal, wo üblicherweise keine Aufwinde zu finden sind, kann ich tief den Hang über Tiefencastel anfliegen. Der ist noch an der Sonne und produziert eine schöne, fette Wolke. Die winde ich bis zuhinterst aus. Von hier oben fehlt es dann zwar etwas an Übersicht. Was ich sehe, stresst mich dann doch etwas.

Unerreichbare zweite Wende.

Das ganze Unterengadin liegt im Schatten. Ein grosser Schauer geht von Zernez aus über das Prättigau bis nach Arosa nieder. Über meinem zweiten Wendeort, dem Ofenpass, ist alles ‚im Dunkeln’. Trotzdem fliege ich noch an den Quattrvals. Der hat in der oberen Hälfte noch etwas Sonne auf den steilen Hängen. Ich kann tatsächlich ein paar Hundert Meter dazugewinnen. Aber auf 3’400 Metern oben ist endgültig Schluss. Höher geht es heute hier trotz aller Bemühungen nicht mehr. Etwas weiter südlich, über Livigno, scheint fleckenweise noch die Sonne an den Boden – ein Einflug in diese Gegend ist aber mit meiner Höhe ein erhebliches Risiko. Ebenso wie ein Versuch, die distanzmässig eigentlich sehr naheliegende zweite Wende über dem Opfenpass noch zu umfliegen. Für den Hin- und Rückflug würde ich mehr als 500 Höhenmeter benötigen. D.h., am Piz Quattrvals, der immer mehr im Schatten steht, käme ich womöglich nicht mehr hoch. Das jetzt noch sonnige Oberengadin stünde dann sicher auch schon im Schatten der überall niedergehenden Schauer und der schöne Flug wäre in Samedan verfrüht zu Ende.

So entscheide ich mich, meine Höhe zu investieren, um die ausserhalb des Schauers über dem Prättigau stehende Region Arosa und damit Schänis zu erreichen. Das gelingt dann auch. Mit minimaler Höhe rausche ich über die Krete ins Sertigtal, kurz vor der Krete geht es mit mir einen Wasserfall hinunter. Offensichtlich funktioniert das Talwindsystem auf der Nordseite noch, obwohl es rundherum schauert. Das niedergehende Gewitter drückt wahrscheinlich die Luft von sich weg und in die hintersten Täler hinein. Über dem Südende des Sertigtales steige ich so komfortabel inmitten einer grossartigen Szenerie im Hangwind hoch über die Gipfel. Das reicht nun endgültig, um im Direktflug nach Schänis zu gleiten.

Das mache ich dann auch. Die Temperatur wird immer heisser, die Luft immer feuchter. Es ist, als würde ich unter eine Wärmedecke fliegen. Markus ist inzwischen ebenfalls im Endanflug. Er hat in Livigno gewendet und damit eine Distanz von 900 km erflogen. Das ist einer der längsten Thermikflüge, die je ab Schänis geflogen worden sind.

Ein genialer Tag geht mit einem ruhigen Endanflug nach Schänis zu Ende. Für mich war heute nicht mehr drin, ich bin soweit geflogen, wie es das Wetter zugelassen hat. Weder im Westen noch abends im Osten hätte man weiter fliegen können. Ein andermal hoffe ich, dass der Ofenpass abends noch in der Sonne steht und eine kleine Verlängerung bis an den Reschenpass zulässt. Wobei zu sagen ist, dass auch das nicht mal annähernd ausreichen würde, um thermisch ein sauberes 1’000-km-Dreieck ab Schänis fliegen zu können. Diese Distanz dürfte wohl für einen 15-Meter-Flieger unerreichbar bleiben.

Das Emagramm weist zwischen 3’500 und 5’000 Metern einige markante Brüche auf. Das erklärt die teilweise kaum auffindbaren und sich immer wieder in Nichts auflösenden Aufwinde im Wallis. Zeitweise hatte ich im Flugzeug den Eindruck, oben an einem Deckel den Kopf anzustossen.

Rundum zufriedene Gesichter beim GliderCup 2009

Mit dem 2009 lancierten GliderCup bot SchänisSoaring auf die ganze Saison verteilt seinen ausgebildeten PilotInnen ein geführtes Weiterbildungs-Programm. Ziel war es, Streckenflug-Neulingen einen sicheren Einstieg in die Streckenfliegerei jenseits des Platzbereiches Schänis zu bieten, wobei der Spassfaktor nicht zu kurz kommen durfte. Alle sechs Flugtage wurden trotz teilweise schwieriger Wetterbedingungen durchgeführt. Die Bilanz ist nicht nur deshalb erfreulich.

Link auf Foto-Galerie.

Was will der GliderCup?
Ziel des GliderCups ist, mit mehr Spass, weiter und mehr zu fliegen. Gemeinsam in der Luft mehr zu erleben. Lernen, sicher Strecken zu fliegen. Und die elektronischen Planungs- und Dokumentations-Systeme bedienen zu können.

Die Mittel, um diese Ziele zu erreichen, sind ein simples, maximal A4 langes Reglement, eine einfache Punktvergabe, die bis zum Saisonende die Spannung hoch hält. Ein geringer organisatorischer Aufwand für alle Beteiligten wird dank der Verteilung des GliderCups über die ganze Saison und automatischer Auswertung über den OLC und einem vordefinierten Strecken-Katalog erreicht.

Der Kern des GliderCup sind Doppelsitzerflüge mit einem Streckenfuchs, wobei die „Rookies“ vom reichlich vorhandenen Streckenflug-Know-How in Schänis profitieren können. Der Flugtag endete immer mit einem De-Briefing bei einem gemütlichen Abendessen, wobei auch die Kontakte untereinander gepflegt und intensiviert wurden.

Begehrte DoSi-Plätze
Eine Erkenntnis aus der ersten Saison SchänisSoaring GliderCups ist, dass Streckenflug-Neulinge es sehr schätzen, im Doppelsitzer vom Know-How eines erfahrenen Streckenfliegers zu profitieren. Unsere moderne Flotte an Doppelsitzern stand dann auch praktisch an sämtlichen GliderCup-Flugtagen rege im Einsatz. Da wir auch bei durchzogenem Wetter flogen, bestand auch selten Bedarf nach diesen Doppelsitzern seitens der anderen Clubmitglieder. Die Besatzungen wurde dabei nicht immer durch einen Fluglehrer auf dem hinteren Sitz ergänzt, häufig sass auf dem vorderen Platz ein nicht minder kompetenter Streckenflieger, scharf beobachtet vom ‚Stift’ auf dem hinteren Sitz, was dem Lerneffekt keinerlei Abbruch tat.

Auch ‚Rookies’ können gewinnen.
Für Spannung während der Saison sorgte die Punktevergabe. In der Tagesrangliste erhielt der Sieger 10 Punkte, der Zweitplatzierte 8 Punkte und danach reduzierten sich die Punkte um jeweils eins pro Rang. Jeder Pilot mit einem gültigen Flug erhielt in der Tagesrangliste einen Punkt. Für eine im Doppelsitzer erflogene Leistung wurde beiden Piloten die gleiche Anzahl an Ranglistenpunkten gebucht, was am Ende dazu führte, dass der fleissige GliderCup-Pilot Alfred Reist als ‚Rookie’ in der Gesamtrangliste den hervorragenden zweiten Platz einflog.

Keine ‚Näggis’
Insgesamt 31 TeilnehmerInnen flogen während der sechs Flugtage am GliderCup mit. Darunter waren auch Gäste des Nachbarflugplatzes Mollis. Alle TeilnehmerInnen nehmen am Saisonende nicht nur einen ungewohnt grossen Haufen an Flugstunden, Streckenkilometern und Erfahrungen mit nach Hause, sondern auch einen persönlichen, von SchänisSoaring gesponserten Fleece-Pullover. Besonders erfreulich war die Flugdisziplin. Der gesamte GliderCup verlief ohne irgendwelche Zwischenfälle. Wir hatten weder Luftraumverletzungen, noch Materialschaden zu beklagen und auch die einzige Aussenlandung des Cups, auf dem Flugplatz Olten, verlief ereignislos. Die Streckenflugtheorie des Trichterfliegens wurde offensichtlich äusserst effizient in die Praxis umgesetzt…

Bilanz des GliderCup 2009
Das Ziel, Jungflieger in einem geführten und sicheren Rahmen an die Streckenfliegerei zu führen, ist den Verantwortlichen vollumfänglich gelungen. Die Eingaben im OLC belegen, dass die Jungpiloten das Erlernte auch ausserhalb des GliderCup bereits tatkräftig in der Praxis anwenden. Dies bekräftigt die Verantwortlichen, mit dem GliderCup weiter zu fahren und damit der Streckensegelfliegerei in Schänis einen weiteren Schub zu verleihen.

All dies ist zumindest für den Veranstalter ‚SchänisSoaring’ das positivste Signal des GliderCups 2009. Mit einer Wiederholung im kommenden Jahr darf also gerechnet werden. Die Veranstalter würden sich freuen, wenn sich vermehrt auch TeilnehmerInnen von anderen Gruppen mit Flugmaterial und Fluglehrern/erfahrenen Streckenpiloten am GliderCup beteiligen würden. Diese Platform kann sehr einfach dazu genutzt werden, das Fluggebiet der Jungpiloten zu erweitern.

Im Segelflugzeug am ersten Advent 790 km über den Nordalpen

Am 29.11.2009 ist mir mit der neuen ASG-29 von SchänisSoaring ein unglaublicher Flug bei orkanartigem Südwind über der Schweiz und Vorarlberg gelungen. Der Föhn bläst mit Spitzen von 180 km/h, die Hänge sind frühmorgens schon angeblasen. Dank den überragenden Flugeigenschaften der ASG-29 gelingt während der kürzesten Tage des Jahres ein nahezu kreisloser Hangflug über Hunderte von Kilometern, auch wenn ein erheblicher Teil der Flugstrecke noch in der Kaltluft liegt und zwischen Arlberg und Innsbruck nur die Kretenspitzen leicht angeblasen sind. Die tollen Aufnahmen hier stammen alle von Roland Henz.

Das Montafon aus Norden gesehen. Die Flügelspitze zeigt eine der Wellen-Einstiegspunkte. Eine Schlüsselstelle für die Schweizer Föhn-Streckenflieger. Hier muss man, aus Osten kommend, gegen den ‚Wasserfall‘ kämpfend, die Luvseite der Montafon-Welle oder den Hangwind im Prättigau erreichen. Die Montafon-Welle (das schwarze Monster am oberen Bildrand) geht sehr stark und weit über 6’000 Meter hinauf. Und netterweise ist hier ein Wellenfenster eingerichtet, für das man sogar Freigaben bekommt.

Die mentale Vorbereitung hat das Resultat ermöglicht. Ich bin eigentlich die Strecke abgeflogen wie ein Roboter, bin den Flug vorgängig unzählige Male im Kopf durchgegangen, habe mir die möglichen Schlüsselstellen im Detail überlegt. Bin konsequent vorwärtsgeflogen, auch wenn das Wetter Gründe für erhebliche Zweifel geliefert hat. Das hat sich diesmal ausbezahlt. Ausser einem Fehler zu Beginn des Fluges ist alles gelaufen wie vorher geistig zurechtgelegt. Beim Hinweg habe ich mit einem Welleneinstieg im Rheintal und Montafon zu Beginn den Grundstein für die aufwindfreie Überquerung des Kaltluftsees zwischen Arlberg und Karwendel gelegt. Auf dem Heimweg bin ich wie ‚Tarzan an der Liane’ von angeströmtem Felsvorsprung zu Felsvorsprung gehüpft – im untersten möglichen Höhenband bei 130 km/h Gegenwind immer nur so hoch steigend, dass ich es von Kufstein bis Landeck jeweils sicher bis zum nächsten sicheren Hangaufwind im parallel angeströmten Hangwind schaffe, ohne in die tiefen Höhenbänder abzugleiten und dort die Bergwindsysteme überhaupt nicht mehr im Griff zu haben. Der Flug ist eine Erfahrung, die mir den Weg für neue Expeditionen weiter in den Osten Österreichs öffnet.

Ruppiger Start.

Der Start läuft im Kaltluftsee der Linthebene wie erwartet – überrascht bin ich von der Heftigkeit der Böen im Schlepp. Alles fliegt das erste Mal durcheinander. Von hinten drückt das Flughandbuch gegen die Kopfstütze und gegen meinen Nacken. Die Cockpit-Scheiben beschlagen trotz geöffneter Lüftung. Die Getränkeflasche blockiert meinen linken Arm – daran wird sich die kommenden acht Stunden nichts ändern. Der PDA löst sich mitsamt Saugnapf-Halterung vom Cockpitglas und segelt durch’s Cockpit. Ich schleppe nach der Erledigung erster Reparaturen unsportlich hoch und ziehe auf 2’100 Meter westlich Ziegelbrücke die Klinke. Der arme Schlepp-Pilot Paul Kläger stürzt sich mit dem Robin zurück in die Turbulenzen, während ich am Südhang des Federispitzes in den Handwind eindrehe und sofort ein paar Hundert Meter an Höhe gewinne. Bei früheren Gelegenheiten habe ich mich stundenlang im müden Hangwind im untersten Bereich des Berges herumgeplagt. Um das zu vermeiden, klinke ich seither deutlich höher. Die nun gewonnene Höhe nutze ich, um direkt an den Churfirsten an die Krete zu gleiten. Besser gesagt, darunter. Bis um die vorstehende Kante des Leistchamm-Gipfels herum geht es nur ‚den Bach runter’. Auf ungemütlichen 1’700 Meter angelangt, greift aber ein zuverlässiger Hangwind unter die Flügel der ASG-29 und hebt mich im Geradeausflug kräftig in die Höhe. Beim Vorfliegen am Alvier-Plateau geht es dermassen rasch nach oben, dass ich kaum Zeit finde, festzustellen, wieviel das Flugzeug überhaupt steigt. Die Instrumente sind am Anschlag. Das Zander-Variometer zeigt sowieso gar nicht, bzw. alles an. Sämtliche digitalen Felder sind ausgefüllt, ich sehe nur einen Zahlenhaufen voller ‚Achten’. Auch die Höhe ist so nicht ablesbar: 8’888 Meter. Im Grunde eine unbrauchbare Geschichte. Das Akkustikvario meldet immerhin jeweils ‚viel Sinken’ oder ‚viel Steigen’, eigentlich reicht das ja. Den Zander-Bordrechner kann ich sowieso nicht bedienen. Nicht in ruhiger Thermik und noch weniger in den Föhnböen von heute.

Der Fehler des Tages.

Während ich die ersten Eindrücke verarbeite und langsam Ordnung im Cockpit und im Kopf bekomme, klettert die ASG-29 in der ersten starken Leewelle des Tages auf über 4’000 Meter hinauf. Von hier aus sieht die Optik in meinem Ziel-Fluggebiet durchzogen aus. An der Schesaplana staut sich eine weit ausgebreitete Wolkendecke bis hinauf nach Landquart. Sieht wenig einladend aus. Die Basis dürfte 2’000 Meter unter meiner aktuellen Höhe liegen. Darum herum fliegen ist also aufwendig. Verlockender sieht der Norden der Schesaplana aus. In der Ferne, in der Region des Itonskopf, lockt eine hohe Lenticularis. Die Montafon-Welle. Eigentlich müsste ich von hier aus doch direkt dort hineingleiten können… Damit wäre ich schnell und hoch und könnte mir den turbulenten Abstieg an die Hänge des Rhätikon ersparen. Gedacht, getan. Minuten später bin ich nördlich der Schesaplana mitten im Niagara-Fall. Jedenfalls fühlt sich die Fliegerei jetzt so an. Na, das wird sich schon wieder einrenken, denke ich. Es geht aber unvermindert gewaltig den Bach runter. Meine komfortable Höhe schmilzt wie das Geld auf dem Familienkonto. Die Optik verschlechtert sich rasant, die Berge wachsen neben mir in den Himmel. Ich versuche anfangs, über den Kamm auf die Luvseite zu gelangen, weil hier plötzlich eine Lücke in der Staubewölkung sichtbar wird. Aber es ist zwecklos, der Wasserfall ist um Faktoren stärker. Ich fliehe zurück ins Lee und versuche, zum Tal hinaus zu fliegen. Schwierig, nur schon die Fahrt zu halten. Zwischendurch schlägt die extreme Turbulenz das Fahrwerk aus dem Flugzeug und reisst gleichzeitig die aerodynamischen Bremsen aus den Schächten. Das habe ich so noch nicht erlebt. Und es hört nicht auf. Ich bekomme sofort sehr warm. Die Cockpit-Scheibe beginnt zu beschlagen. Der PDA macht sich wieder selbständig. Mir wird von der Schüttlerei fast schlecht, obwohl ich alle Sinne und beide Hände brauche, um den Segler in Fahrtrichtung zu halten. Inzwischen bin ich unter die Kreten zwischen Malbun und Zimbaspitze gefallen. Da hilft nur noch die Flucht zum Tal hinaus. Vorsichtig halte ich die Fahrt im grünen Bereich, obwohl die Böen um 80 km/h zu- und abnehmen und es unmöglich ist, eine bestimmte Geschwindigkeit zu halten. Alles fliegt durchs Cockpit, den Schädel habe ich inzwischen trotz festgezurrter Gurte zum 25. Mal ans Capot geknallt. Macht keinen Spass. Auch über Bludenz ist noch nicht Schluss. Die Rotoren walzen mitten durch das enge Tal. Ich sichte die Aussenlandefelder von Ludesch und rette mich auf noch 1’600 Metern an die ersten tiefen Hänge der Nordkrete bei Bludenz. Inzwischen wäre auch die Landewiese von Ausserbraz in Reichweite. Allerdings ist nicht ersichtlich, woher am Boden der Wind wirbelt. Also landen will ich ja eigentlich auch gar nicht. Die Lage beruhigt sich psychologisch etwas, als ich mit zwei jungen Adlern an den Hängen und Vorsprüngen die Höhe halten kann und langsam zu steigen beginne. Die Luft ist etwas zuverlässiger und ‚ruhiger’ als gerade eben. Ich überlege, wie ich hier wieder in die oberen Etagen komme. Aufgrund der Topografie müsste der nahe gelegene Itonskopf aus Südosten vom Bergwind angeströmt sein. Kaum reicht die Höhe optisch, um dahin gegen den Wind zu gleiten, mache ich mich auf den Weg, um erneut in der diffusen und nicht zentrierbaren Schüttlerei nördlich Schruns tief unten die Hänge zu polieren. Ich kämpfe erneut gegen aufkommende Übelkeit. Wenigstens ist hier des flachen Hanges wegen immer mehr als ausreichend Abstand zum Gelände gegeben. Wieder zeigen mir junge Adler (dieselben wie vorher?) nach anfangs erfolglosen Versuchen, zu steigen, den Weg. Ganz im Südosten des Itonskopf kann ich endlich etwas Höhe gewinnen und später beim Vorfliegen nach Schruns in die Rotoren und später in eine starke Leewelle einsteigen, die mich in Kürze wieder auf fast 5’000 Meter hinauf schiesst. So. Das wäre erstmal geschafft. Ich könnte mich kneifen und ärgere mich gewaltig. Jahrelang bin ich über das Rhätikon in die starke Montafon-Welle geflogen. Diesmal bin ich den vermeintlich einfacheren und bequemeren Weg gegangen. Und beinahe am Boden gestanden. Glücklicherweise kenne ich hier die Landefelder auswendig. Ich hätte keine Chance gehabt, irgendwas nachzuschlagen. Es ging zu schnell den Bach hinunter. Die Fallgeschwindigkeit muss während Minuten mehr als zehn Meter pro Sekunden gewesen sein. Ich habe hinter der Schesaplana auf einen Schlag rund 2’000 Meter vernichtet.

Von der Montafon-Welle kreislos 200 km weit zum Wilden Kaiser.

In der Montafon-Welle steige ich so hoch, dass ich ohne ‚Knicke’ im Höhenprofil unter den kontrollierten Luftraum abgleiten kann, der bei Landeck beginnt. Langsam aber sicher rutsche ich wieder in wärmere Luftschichten. Auch in ruhigere. Im Inntal liegt noch Kaltluft. Über den Kreten bläst vielleicht maximal 20 km/h Süd, erkennbar an dürren Kondensen hinter den Gipfeln. Meine Höhe und die Flugeigenschaften der ASG-29 lassen wenig Stress aufkommen – ich gleite und gleite nach Osten und hoffe, dass ich an den ideal angeströmten Kreten des Karwendels und später am Wilden Kaiser anhängen kann und dass mich die Flügel weit nach Osten tragen. In der Zwischenzeit bis zu meiner Rückkehr sollte der Kaltluftsee im Inntal durch das näherrückende Tiefdruckgebiet und den Südwest auf seiner Vorderseite ausgeräumt worden sein. Das wäre in groben Zügen mein Flugplan, nach hinten abgesichert von der Idee, um spätestens 12.00 Uhr zu wenden, um mit einer Stunde ‚Bastlerei-Reserve’ morgen so sicher wie möglich nicht in einer Aussenlandewiese, sondern wieder in meinem Büro sitzen zu können.

Dort, wo der Südwind problemlos die Alpen queren kann, wie etwa am Brenner, liegen feuchte Ausbreitungen bis weit nach Süden an den Kreten auf. Das war schon an der Schesaplana der Fall. Steigen kann ich darunter allerdings lange Zeit gar nicht. Erst bei der Seilbahnstation ‚Seegrube’ beginnt die südlichste Karwendel-Krete bei Innsbruck zu tragen. Und wie sie das tut. Zuversicht macht sich breit. Ich steige im Geradeausflug trotz eines Speeds von 150 km/h noch immer. Bis zum Rofan gewinne ich so ein paar Hundert Meter dazu – genug, um direkt nach Kufstein abzugleiten, ohne markant nach unten durchzufallen. Von den gefährlichen Höhenbändern ganz unten habe ich im Moment noch eine Überdosis zu verarbeiten. Über dem Wilden Kaiser hängen ein paar Oldtimer hoch oben wie Lampions im schwachen Süd. Also, geht doch! Ich hänge tief unter der Krete am markanten Kalkgebirge an und werde freundlich von einem regelmässigen, ruhigen Hangwind empfangen. Hah, so macht es richtig Spass! Mit zwei bis drei Metern pro Sekunde (ich kann das Vario noch immer nicht entziffern) rausche ich in kurzer Zeit im milden, von Cirren gedämpften Winterlicht über den Wilden Kaiser.

Kaltluftseen…

Jetzt zieht mich erst recht ein Magnet nach Osten. Endlich bin ich in der mir bisher völlig unbekannten Gegend angekommen und geniesse den Geradeausflug den Kreten entlang. Unter mir gleitet St. Johann im Tirol mit zwei Seglern an der Startbahn unter dem rechten Flügel nach hinten aus dem Blickfeld. Vor mir rücken tiefere Hügelketten und – ein unabsehbar weit nach Osten reichender Kaltluftsee mit dickem Nebel in den Tälern ins Blickfeld! Ah ja? Was bedeutet denn das schon wieder? Vorsichtig nehme ich die Fahrt einen Gang zurück und nehme an steigender Luft mit, was kommt, mache sogar Kreise, auch wenn es nur geringes Steigen ist. So bleibe ich vorerst im oberen Drittel der Kreten der Loferer Steinberge und der Leoganger. Mein Wendepunkt, den ich am Schreibtisch unter ‚St. Johann’ ausgewählt habe, ist plötzlich weit nach Osten verschoben!? Auf meinem PDA sind noch etliche Kilometer zu fliegen, dabei bin ich doch schon seit zehn Minuten am Flugplatz gleichen Namens vorbeigerauscht. Ich mache mir aufgrund der Zeitreserve keine Gedanken, gleite im leichten Sinken die Kreten entlang und nähere mich immer mehr (m)einem Wendekreis-Zylinder. Inzwischen bin ich nur noch auf etwa 1’700 M.ü.M., über meiner linken Schulter reicht der Berg inzwischen sehr hoch hinauf, unter meinem rechten Flügel breitet sich dafür eine geschlossene Nebeldecke mit ein paar Löchern aus. Na, zurück nach St. Johann kann ich vorläufig noch ohne grossen Höhenverlust. Saalfelden kommt ins Blickfeld. Diese Region kenne ich wieder von wenigen Thermikflügen. Hier könnte man sogar landen, wenn man den Boden sehen würde. Ganz im Norden ist ein Loch in der weissen Fläche mit einer langen Wiese. Also durchhalten! Der erste Versuch, die Wende zu holen, wird mir zu riskant, ich fliege etwas nach Westen zurück, um mehr Höhe zu gewinnen. Zaghaft, aber zuverlässig beginnt die ASG-29 am Hang zu steigen. Der Flieger ist eine Wucht. Auch mit geringstem Steigen kommt man damit wieder weg. Und handlich ist er auch, die Hangfliegerei macht Spass – wenn ich nicht soweit zurück fliegen müsste, würde ich hier gerne noch mehr Höhe dazugewinnen. So steige ich nur bis auf Kretenhöhe, um die Wende ‚St. Johann’ holen zu können, die in Wirklichkeit ‚Saalfelden’ heisst. Das gelingt diesmal einwandfrei mitten über der weissen Watte im Tal, auch die Rückkehr an den ‚Hang’ funktioniert einwandfrei. Es ist inzwischen Mittag. Mein Zeitplan geht bisher trotz des Tauchers im Vorarlberg und meinem ‚verschobenen’ Wendepunkt auf. Nun habe ich ganze vier Stunden bis zu meiner zweiten Wende in Altdorf und dann noch eine Stunde Zeit und vor allem Licht bis zur Landung in Schänis. Müsste eigentlich zu machen sein. Entspannt ziehe ich die Nase der ASG nach Westen und mache mich auf den Heimweg.

Parallel angeströmtes Inntal.

Ab dem Inntal werde ich den Wind voll auf die Nase haben. Eine schlauer Plan ist gefragt, wie ich von Kufstein nach Innsbruck komme, ohne der Gefahr einer Aussenlandung ausgesetzt zu sein. Ich habe mir schon in den Vortagen darüber Gedanken gemacht und versuche, von Erkenntnissen früherer Flüge hierher zu profitieren. Am Wilden Kaiser turne ich so hoch, wie es die Zeit und das schwache Steigen sinnvoll erscheinen lassen. Dann nehme ich direkt den Rofan ins Visier, der am Ende einer langen Krete, die aus Erfahrung parallel angeströmt ist, steht und kaum Aufwind liefern wird. Dazwischen ist tatsächlich kurz vor dem Rofan nur eine Stelle ausfindig zu machen, in der turbulentes Steigen auszudrehen wäre. Ich nehme 150 Meer mit und gleite rasch wieder vorwärts, obwohl ich nicht berauschend hoch fliege. Laufend kalkuliere ich, wohin meine Höhe reicht, wenn’s brenzlig würde. Ich kann sogar in der ruhigeren Luft wieder meinen PDA bedienen, der beim Rechnen hilft. In eine Wiese möchte ich wenn immer möglich nicht landen. Dank der ASG-29 erreiche ich ohne grössere Schweissausbrüche den Rofan noch auf 1’700 Metern. Diese Krete ist aus dem Zillertal wie aus einer Düse aus Süden angeströmt. Entsprechend stark trägt der Hangwind. Mit Überfahrt drehe ich in respektvollem Abstand an den Hang und ziehe die Überfahrt weg, setze die Klappen und lasse mich in zwei, drei Wenden gegen den Wind über den Gipfel hinauf blasen. Hammermässige Sache! So fliegen sonst nur die Engel. Zwei Herden mit weit über 20 Gemsen weiden weit auseinander an wenigen aperen Stellen auf der Südseite des Rofan, sie lassen sich aber vom grossen weissen Vogel über ihnen nicht aus der Ruhe bringen.

Wie Tarzan an der Liane.

Mein Plan geht bisher nicht schlecht auf. Überall, wo der Südwestwind hindernisfrei auf die Nordkrete des Inntals aufschlägt, turne ich an den exponierten Felsvorsprüngen im Hangwind ein paar Hundert Meter hoch, um mich gleich wieder in den anstürmenden Südwest zur nächsten vorstehenden Rippe zu stürzen. Dort wiederholt sich das Spiel. So halte ich mich, zwar etwas aufwendig, aber sicher im obersten Teil der Kreten. Hier hat man als Pilot wenigstens das Gefühl, die wirblige Fliegerei im Griff zu haben, weil man den Wind eher abschätzen kann als im untersten Band mit starken, kaum einzuordnenden Verwirblungen, welche die Topografie auslöst.

So lege ich die ganze Strecke von Kufstein bis zum Fernpass zurück, ohne je über die Krete steigen zu können. Entweder beherrscht dort oben die feuchte Staubewölkung das Bild oder es geht gar nicht höher, der Wind produziert dort nur noch unzentrierbare Verwirblungen. An der hohen Munde muss ich mich wieder etwas gar tief unten ausgraben, vor allem steigt die Luft an der Südwestseite des markenten Berges überraschenderweise nicht, wie ich es mir aufgrund der bisherigen Windrichtugen vorgestellt hätte. Da war auch am Morgen auf dem Hinweg nichts zu machen. So fliege ich auf die Ostseite zurück, wo ich beim Durchfliegen schwaches Steigen festgestellt habe. Und richtig: mit etwas Geduld erreiche ich im nach Osten an die Hohe Munde ‚umgelenkten’ Südwind aus dem Wipptal wieder die Tops und gleite vorsichtig entlang zum Fernpass. Dort meldet mir das sonst heute kaum aktive FLARM ein anderes Flugzeug. Es ist eine DG-600, mit der ich zusammen ein paar Höhenmeter gewinne.

Am nächsten Tag wird sich herausstellen, dass der Pilot des Flugzeuges eine Menge tolle Fotos von seinem Flug, der dieselbe Region wie meiner abdeckte, geschossen hat und ins Internet gestellt hat. Es handelt sich um den Stuttgarter Roland Henz, der beim ersten Tageslicht in Unterwössen gestartet ist und sich nun in die Gegenrichtung auf den Heimweg macht.

Bloss nicht zu tief fallen.

Vorsichtig taste ich mich die Gipfel des Mieminger Gebirges entlang nach Westen. Bei früheren Gelegenheiten habe ich zwischen Imst und dem Parseier eigentlich immer zaubern müssen, weil ich zu tief ins Inntal eingetaucht bin. Heute möchte ich mir Dergleichen ersparen und versuche, an den vorstehenden Kreten ein paar Meter zu gewinnen. Fast zwecklose Sache. Turbulent bis zur Unkontrollierbarkeit. Speziell ist jeweils auch der Vorflug zur nächsten Quer-Krete, vor allem, wenn man zu wenig nah am Talrand fliegt. Mehrmals knalle ich trotz voll angezogener Gurte gegen das Capotglas, im Cockpit fliegt wieder alles durcheinander. Besonders nervig ist meine Getränkeflasche, die ich kaum unter Kontrolle habe. Auch das Bordbuch fällt mir immer wieder in den Nacken, bis ich es in einer Akrobatikübung endlich mit beiden Händen zu fassen bekomme und nach hinten in die ‚Hutablage’ schieben kann. Auch die Kälte macht sich bemerkbar, obwohl ich gar nie hoch geflogen bin. Meine Fusssohlen-Heizung spendet zwar jede Stunde während ein paar Minuten etwas Linderung, es fühlt sich aber trotzdem an, als stünde ich in einem Eiswürfel auf dem Grill.

Trotz aller Unannehmlichkeiten erreiche ich sicher die Ausläufer des Parseiers. Hier herrscht immer ein erhebliches Rotoren-Chaos zwischen Inn-, Paznaun- und Arlbergtal. Entsprechend geduldig muss man sich nach oben kämpfen, um die Leewelle zu erreichen. Ich will das allerdings gar nicht, denn von Süden her drücken Schneeschauer ins Tal – die Gefahr, über den Wolken der näher rückenden Front gefangen zu werden, ist mir zu gross. Ich will nur ein paar Höhenmeter dazulegen, um ins Montafon zu queren.

Ohne Federlesen in die Rotoren des Montafon.

Die haben es dann wieder in sich. Der Wind dreht auf, je näher ich an die Kaltfront fliege. An Kreisen ist nicht zu denken, ich gleite einfach den Kreten entlang über den Arlberg und versuche, die Schüttlerei zu ignorieren. Ziel ist es, gerade so schnell zu fliegen, dass ich beim Itonskopf wieder die Montafon-Welle erreiche. Das klappt, allerdings komme ich wegen des heftigen Gegenwindes zu tief an. Hier müssen es mehr als 100 km/h sein. Weit über mir steht eine endlos lange, dicke, schwarze Wolke, vermutlich die Unterseite eines Lenticularis-Monsters. Ich peile die vordersten Kondensen an und versuche, im Gewirbel drunter Höhe zu gewinnen. Schwierig, wenn man nicht mit aberwitziger Querlage kurbeln will. Das bringt meines Erachtes sowieso zu wenig. Ich versuche lieber, an der richtigen Stelle der Rotoren (zuvorderst, dort, wo sie laufend frisch entstehen) in der Luft ‚stehen zu bleiben’ und in schwachen Achten hin und her zu gleiten, bis es um mich herum ruhig wird und die laminare Strömung erreicht ist. Je tiefer man unter den Rotoren einfliegt, umso schwieriger ist diese Methode, deshalb ist auch im Föhn Geduld ein guter Gehilfe. Mit ein paar Minuten Üben erwische ich aber die Welle und mit unglaublicher Kraft schiesst sich mich wieder auf über 4’000 Meter hinauf. Früh beginne ich, auf Fahrt bis an den gelben Bereich zu drücken, um zu vermeiden, dass ich in Kürze auf 6’000 Metern oben lande. Das nützt nämlich auch nichts, wenn man nachher in den kontrollierten Schweizer Luftraum eintauchen muss, der wesentlich tiefer beginnt. Ausserdem habe ich nur wenig Sauerstoff in der Flasche und die Inbetriebnahme ist mir in den Turbulenzen zu aufwendig. Ich komme schon so nicht dazu, mal was in Ruhe zu mir zu nehmen. Auch das muss offenbar besser geplant werden. Vor allem meine Trinkerei geht so überhaupt nicht. Ich brauche einen Wassersack mit langem Trinkschlauch, den ich am Mikrophon vor dem Mund sicher fixieren kann, während der Getränkesack in der Hutablage liegt und Platz im engen Cockpit spart. In diesem Flugzeug nehme ich jeweils nicht Platz, ich ‚ziehe es an’ wie eine bequeme Jacke.

Brutale Turbulenzen zuhause.

Ich kann das Steigen zwischen 4’500 und 5’000 Metern einigermassen stabilisieren, ohne mit der Fahrt in den gelben Bereich zu geraten. Der Groundspeed ist auch so noch eindrücklich hoch… Jedenfalls fliege ich trotz meines morgendlichen Horrorsturzes wieder nördlich der Schesaplana durch nach Westen. Erstens, weil sie inzwischen von Süden her vollständig zugestaut ist und zweitens, weil ich auf jeden Fall das Rheintal erreichen werde, auch wenn ich wieder vom Himmel fallen sollte wie am Morgen. Das passiert erwartungsgemäss zwischen Malbun und dem Rhein. Ich verbrate etwa 1’500 Höhenmeter, was mir aber bei einer Ausgangshöhe von über 5’000 Metern egal ist. Ich will sowieso im Schweizer Luftraum ausserhalb des kontrollierten Bereiches bleiben. So steuere ich über Flums direkt das Klöntal an. Von Süden her drücken die Schauer über die Glarner Alpen, zwischen Schwanden und dem Tödi scheint alles zu. Der Klausenpass dürfte unpassierbar sein, ausser man fliegt im untersten Band durch – genau das will ich vermeiden. Dort sind die Turbulenzen brutal. Im Frühling fand ich an meiner ASW-20-B nach einem Rotor am Klausenpass mehrere zehn Zentimeter lange Risse bei den Bremsschächten im Lack. Damals hatte ich den Eindruck, mein Flieger werde in der Luft gefaltet. Heute ist es im Klöntal ebenso schwierig, Kurs und Fahrt zu halten. Besonders hinter dem Glärnisch rüttelt es kaum vorstellbar. Ich versuche trotzdem stur, das Muotathal zu erreichen. Falls dort eine Welle stünde, wäre es vielleicht trotz der übergreifenden Staubewölkung noch möglich, aus grosser Höhe und gegen den Sturm Altdorf, meinen letzten Wendeort, zu erreichen. Zeit dafür wäre vorhanden. Aber ob der Sturm mein Vorhaben nicht vereitelt? Nachdem ich über Muotathal wieder in Minuten mehr als 1’000 Meter durchgelassen habe, reicht es mir. Ich wende – halt ohne Wende – und flüchte so rasch wie es mein grüner Fahrtmesserbogen in diesen Turbulenzen erlaubt, wieder nach Osten. Mir wird klar, warum die anderen Schänner Segelflieger nicht mehr in der Luft sind und längst den sicheren Boden des Flugplatzrestaurants dem wackligen Sitzplatz hier oben vorgezogen haben.

Abgleiten unmöglich, ohne auf 4’000 Meter zu steigen.

Auf derselben Strecke wie am frühen Morgen hänge ich mich in grossem Abstand vor die Churfirsten. Inzwischen zeichnet die feuchtere Luft die Wellen prima aus. Es ist beinahe unmöglich, in diesem Wellensalat unten zu bleiben. Eigentlich möchte ich demnächst landen, nur noch nach Klosters hinauf, um meine Höhe abzugleiten. Nichtsda. Die Wellen über dem Alvierplateu schiessen mich wieder auf über 4’000 Meter hinauf. Jetzt wird’s aber wirklich frisch. Ich beginne zu klappern. Nicht mit den Zähnen, mit dem ganzen Körper. Kein Wunder, nach sieben Stunden Flugzeit in erheblichen Minustemperaturen. In den Oberschenkeln melden sich Krämpfe. Höchste Zeit für einen wohlverdienten Glühwein!

Über dem Rheintal erwische ich, ohne zu wollen, die Welle nochmals in voller Stärke. Als ob sie sich für den unhöflichen Umgang am frühen Morgen bei mir revanchieren möchte. Man merke: die Schesaplana ist nur von Süden her zu umfliegen! Ich steige und steige, obwohl ich in der ruhigen Luft mit 200 km/h durch die Gegend flitze. In den Tälern brennen bereits die Lichter der Autos und Tankstellen. Es sind die kürzesten Tage, die ich hier völlig ungewohnt im Segelflugzeug statt wie sonst üblich auf einer Skitour geniessen kann. Und erst noch mit einer für mich gewaltigen Strecke. Am Ende wird sich zeigen, dass es beinahe 800 km gewesen sind. Der Hammer! Im Monbiel wende ich mitten über der zuziehenden Wolkendecke und richte die Nase der ASG-29 für heute das letzte Mal nach Westen – in Richtung Schänis.

Im letzten Licht.

Im letzten vernünftigen Tageslicht erreiche ich die Linthebene. Hier ist bereits oder noch immer die Kaltluft die beherrschende Luftmasse. Während auf 1’000 Meter der Südwind fegt, zeigt am Boden der Windsack nach Süden. Komplizierte Geschichte, in der Grenzschicht das Flugzeug vernünftig in der Luft zu halten. Nach längerem Abwägen entscheide ich mich für die Landerichtung 34 und setze die ASG-29 sanft kurz vor fünf Uhr auf den Asphalt von Schänis.

Armin Hürlimann und Adrian Lutz haben auf mich gewartet und helfen mir im letzten Tageslicht, meine neue aviatische Liebe, die ASG-29, zu demontieren und im Hänger zu verstauen. Nachher flüchte ich mich zusammen mit meinen Helfern rasch ins gemütliche Flugplatzbeitzli, möglichst nahe an die Heizung, um meine gefrorenen Glieder wieder abzutauen.

Mein Kopf ist voller Eindrücke. Es war einer meiner lehrreichsten Flüge. Mit einem brutalen Fehler zu Beginn, den ich allerdings gut korrigieren konnte. Danach ist alles so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Und ich bin schon gespannt, wie es mir bei der nächsten Gelegenheit ergehen wird. Föhn ist erfahrungsgemäss sehr vielseitig. Keiner der Flüge scheint wie der andere zu sein. Was wohl nächstes Mal für Überraschungen auf mich warten?

Wichtige organisatorische Lehren aus diesem Flugtag

Waren es beim letzten Flug in der morgendlichen, vermeintlichen Hektik die automatischen Wölbklappen, die falsch angeschlossen waren, ist es diesmal das Abklebeband beim Flügel-Rumpf-Übergang gewesen. Ich habe es schlicht vergessen, diese Klebeband-Serie anzubringen, nachdem ich mitten in den Vorbereitungen den Flieger an den Start schieben musste, um rechtzeitig wegzukommen. Das hat vermutlich etwa 10% der Flugleistung der ASG-29 vernichtet. Was für eine Verschwendung. Ich habe mich vor dem Start wieder drängeln lassen, habe bei der Montage eines Doppelsitzers geholfen, statt zwei Minuten in aller Ruhe meine noch unerledigten Tätigkeit abzuarbeiten und halt mal jemanden warten zu lassen. Was ist es das nächste Mal? Diese Rücksichtnahme könnte tödlich sein.

Um auf Rekordflüge konsequent und richtig vorbereitet zu sein, muss ich am Morgen nur noch ins Flugzeug sitzen können. Details der Vorbereitung, die erledigt werden können, müssen perfekt erledigt sein, bevor der Flugtag beginnt. Das heisst: Flugzeug am Vorabend montieren. Alles im Cockpit verstauen. Fuss-Sohlen-Heizung montieren. Die warmen Flieger-Kleider bereitlegen. Alles abkleben. Alle elektronischen Hilfsgeräte programmiert und montiert. Am Flugtag müssen nur noch die Batterien angeschlossen werden, der Pilot soll sich warm anziehen und starten.

Fliegerische Lehren:

Beim fliegerischen Teil ist mir an diesem Tag zu Beginn ein grober Fehler passiert. Ich bin wegen tiefliegender Staubewölkung an der Schesaplana im Norden dieses typischen Wellenberges durchgeflogen. In der einfältigen Hoffnung, auf meiner eben gewonnenen, komfortablen Höhe direkt in die Montafon-Leewelle queren zu können. Was nicht gelungen ist. Das habe ich mit einem freien Fall von 2’000 Metern in nur fünf Minuten teuer bezahlt. Damit habe ich mich in Gefahr begeben. Nur dank einer raschentschlossenen Flucht durch die Täler des Vorarlbergs an die Nordkrete bei Bludenz habe ich mich aus dem Tumbler retten können. Also: nie mehr unter 5’000 Metern im Norden der Schesaplana durchfliegen. Immer bis St. Antönien, dann direkt nach Schruns und dort in die Montafon-Welle einsteigen. Dafür im Rheintal nicht mehr so hoch steigen, weil es eh nichts nützt, bzw. dann halt weit bis in die Bündner Herrschaft vorfliegen.

Im Cockpit hat es zuwenig Platz für eine 1.5-kg-Petflaschen-Bombe, die im Extremfall unkontrolliert durch’s Cockpit fliegt. Ich werde künftig mit einem weichen Trinksack und mit einem Trinkschlauch fliegen. Die Lesebrille müsste eigentlich an der Nase angeklebt werden. Man hat weder Zeit noch eine Hand frei, um die Lesehilfe auf die Nase zu bekommen, die Turbulenzen sind zu stark. Auch die Bedienung eines PDA im Föhn ist ausgeschlossen. Es gelingt nicht, einen Stift zielgenau auf die gewünschte Steuer-Schaltflächen zu plazieren, das Flugzeug bewegt sich zu stark. Das bedeutet auch, dass zur mentalen Vorbereitung des Fluges das Auswendig-Lernen der Landefelder auf der Strecke dazugehört. Denn Blättern in einem herumfliegenden Buch oder den PDA benützen ist ausgeschlossen. Dazu reicht weder die Zeit noch hat man wegen der Turbulenzen die Möglichkeit, danach zu suchen. Das heisst auch, alle heutigen Suchsysteme in den Landebüchern sind zu unsicher und eigentlich unbrauchbar, weil man in der grössten Not keinen raschen Zugriff auf die überlebensnotwenigen Informationen hat.

Die Fliegerei im Lee eines hohen Berges sollte man vermeiden. Die wildesten Rotoren in 30 Jahren Segelfliegen sind hinter der Eigernordwand, dem Titlis, dem Glärnisch-Massiv, der Schesaplana oder im Arlbergtal versteckt gewesen. Die angenehmsten Hang- und Wellenverhältnissen dafür in vergleichsweise offener Topographie wie z.B. am Rofan, am Wilden Kaiser, am Hochkönig usw. Diese Regionen haben eines gemeinsam: freie Bahn für den Südwind bis zur ersten hohen Krete. Meistens ist ein Nord-Südtal Ursache der freien Bahn (Düseneffekt), häufig niedrige Voralpen-Hügel wie z.B. zwischen Pinzgau und Inntal, wo keine Krete für Verwirblungen sorgt. Eine Lehre ist auch, die nächsten Unternehmungen weiter nach Osten zu planen, soweit die Zeitplanung das erlaubt. Der Spass beginnt am wilden Kaiser eigentlich erst, er hört nicht dort auf, wie ich oft geglaubt habe – nur weil es soweit weg von zuhause ist, bzw. die potenzielle Rückreise auf der Strasse sehr lange wäre.

Link auf die Foto-Galerie von Roland Henz aus Unterwössen, der an diesem Tag auf gleichen Streckenabschnitten unterwegs war.


Kommentar / Analyse eines Piloten aus Unterwössen
(Jan Lyczywek), der am gleichen Tag unterwegs war.

Föhn am 29.11.2009 – Schlüsselstelle Hohe Munde

Der Vergleich der Flüge von Roland (DG 600), Rainer und Jan (DG 1000), Stefan und Stefan (Duo Discus) und Ernst Willi (ASG 29) ist an dieser Stelle besonders interessant. Alle vier Piloten hatten an dieser Stelle dasselbe Problem; es führte aber zu vier völlig unterschiedlichen Ergebnissen.

Roland, Rainer & Jan und Stefan & Stefan flogen an der Reither Spitze in fast genau gleicher Höhe von jeweils 2500 Meter ab, Ernst Willi 100 Meter tiefer. Entsprechend ähnlich sind die Ankunftshöhen:

 
Abflughöhe Reither Spitze
Ankunftszeit Hohe Munde
Ankunftshöhe Hohe Munde
Höhenverlust für die Querung
Roland
2’500
09:54:40
2’222
278
Rainer & Jan
2’500
10:26:06
2’152
348
Stefan & Stefan
2’500
11:11:45
2’115
385
Ernst
2’400
13:12:06
2’067
333

Alle vier fliegen zunächst in den Südwesthang der Hohen Munde ein. Nach einer Minute ist allen vieren klar, daß dieser Teil des Hangs nicht viel gebracht hat:

 
Ankunftshöhe Hohe Munde
Höhe nach 1 Minute
Höhenverlust erste Minute
Roland
2’222
2’116
106
Rainer & Jan
2’152
2’103
49
Stefan & Stefan
2’115
2’070
45
Ernst
2’067
2’029
38

Dass der Hang nicht wie erwartet ging, führt zu vier unterschiedlichen Entscheidungen:

Roland (rot) fliegt konsequent weiter. Auch einen deutlichen Heber an der Stelle, an der Rainer und Jan später hochachtern, durchfliegt er geradeaus, wohl in der Annahme, daß dies schon der Einstieg in ein kontinuierliches Hangwindband vor den Miemingern ist. Er muß jedoch nach einigem Höhenverlust weiter westlich vor den Miemingern in durchschnittlich 0,55 m/s mühsam hochachten.

Rainer und Jan (grün) sind bei ihrem Anflug eine halbe Stunde später durch eine Funkmeldung von Roland gewarnt und nutzen jenen ersten Heber über dem Sattel zwischen Munde und Miemingern zum Hangachten. Ein Höhengewinn von 280 Meter in sieben Minuten, entsprechend 0,65 m/s im Mittel, erlaubt den Weiterflug nach Westen an die Mieminger, die nahe der Kämme mit jedem Höhenmeter besser gehen.

Stefan und Stefan (türkis) drehen relativ früh ab, um ebenfalls nach Westen an die nächste Nase der Mieminger zu wechseln. Die Entscheidung ist absolut plausibel, da sie zusätzliche Umwege erspart, erweist sich aber als doppeltes Pech: geradeaus noch ein kurzes Stück weiterzufliegen, hätte evtl. die Chance geboten, ebenfalls in den Hangwind über dem Sattel einzusteigen. Der Wechsel an die nächste Ecke der Mieminger kostet ein wenig zuviel Höhe; unter 2000 m gelingt der Einstieg in den Hangwind nicht mehr und dann sinkt der Duo in den Kaltluftsee, der im Tal für Windstille sorgt. Auf diesem Bild ist der Kaltluftsee anhand des ganz leichten Dunstes im Tal sichtbar – wenn man vorher weiß, daß es ihn gibt.

Die beste Lösung für das Hohe-Munde-Problem findet Ernst Willi (lila): nachdem die Südwestflanke nicht geht, dreht er um und fliegt zurück auf die nach Südosten gerichtete Nase der Hohen Munde. Hier steht der Wind offenbar viel besser an; Ernst gewinnt über 500 Meter in fünfeinhalb Minuten, entsprechend 1,55 m/s im Mittel.

Das Bild zeigt den zügigen Höhengewinn von Ernst Willi (lila) auf der Südostnase der Hohen Munde und die vergleichsweise mühsamen Hangachten von Rainer & Jan (grün) im Sattel westlich der Munde.

Sturmflug

Föhnflug am 2. April 2009

Was mir vor einem Streckenflug-Vorhaben kurz vor dem Verlassen der sicheren Umgebung zuhause so alles durch den Kopf geht! Bevor ich in den Wagen steige, werfe ich noch einen kurzen Blick ins Kinderzimmer. Deborah, mit zehn Jahren unsere Kleinste, schläft noch selig den Schlaf der Unschuldigen. Ihr friedliches Gesicht mahnt zur Vorsicht: ‚Ich brauche Dich noch und erwarte, dass Du am Abend wieder gesund und munter hier stehst’…scheint sie mir wortlos mit auf den Weg zu geben.

Link zur Dia-Show ‚Sturmflug‘. Fotos: Marc Angst.

Lauter Bettflüchtige.

Auf dem Flugplatz treffe ich um sieben Uhr morgens eine fleissige Gruppe von Segelflug-Enthusiasten, als ob der Segelflug nächstens verboten würde. René Lüscher, unser Obmann mit seinem Gspänli Roland Hürlimann, den Sportchef der SG Lägern, gehen vorbildlich voran. Markus von der Crone, der Finanzchef des Schweizer Wetters, ist auch schon an der Arbeit an einer der beiden neuen ASG-29 unserer Segelfluggruppe; Armin Hürlimann als Schänner Föhn-Urgestein räumt mit seinem CoPi Urs Oettli den Hangar und ‚seinen’ Janus aus. Beat Gassmann ist so früh aufgestanden wie sein Flugzeugpartner Renato Späni, der sich heute mit einem ebenso jugendlichen Copi im neuen Duo X auf den Weg macht. Fehlt nur noch Jürg Haas in der Aufzählung. Er macht seine ASW 27 starklar.

Sportlicher Vorsprung

Beim Start lassen wir Schänner am Sonntag jeweils aus Rücksicht auf die katholische Mehrheit in der Linthebene sowie aus sportlichem Respekt gegenüber unseren Kollegen aus Hausen am Albis einen gebührenden Vorsprung und starten erst nach neun Uhr mit zwei bis drei Stunden Rückstand (kommt von Rücksicht). Das bedeutet, dass wir erst mal alle zusammen gemütlich in der Flugplatz-Beiz frühstücken. Um neun Uhr spickt mich dann der unverwüstliche Paul Kläger mit ebensolchem Turbo-Bravo in Kürze auf 2’300 Meter hinauf. Schon in der ersten Kurve tropft es mir auf die Haube, die Optik nach Westen ist trübe. Verschiedene Schauer gehen in der Linthebene nieder. In der Flugplatz-Gastwirtschaft werden sie die Tischtücher heute wieder früh einräumen müssen. Man muss das, was wir hier machen, wirklich wollen, denke ich mir diesen Morgen zum wiederholten Male.

Ich schleppe etwas unsportlich hoch hinauf und gleite dann mit meinem Höhenpolster direkt an die Churfirsten. Die nächste Kurve mache ich eigentlich erst in Klosters. Bis dahin tragen nämlich alle Kreten wunderbar, es braucht keine echten Kreise, gelegentliches Hochziehen der Flugzeug-Nase bis kurz vor’s Abreissen reicht vorderhand. Im Raum Vorarlberg ist die Wetteroptik ungemütlich düster. Da wollte ich aber eigentlich hin. Kaum erkennbare Rotorfetzen und Thermik ist bei dieser Wolkendichte nicht vorstellbar. Dass es trotzdem an den Hängen getragen hätte, zeigt die OLC-Flugauswertung am andern Abend. Aus Österreich flitzen unsere Kollegen um diese Zeit schon um alle Grate durch Westösterreich.

Keine Experimente.

Ich entscheide mich das erste Mal heute gegen Experimente, wende in Monbiel und mache mich auf den heller scheinenden Weg nach Westen, obwohl ich Jojo-Flüge mit zu vielen Wendepunkten nicht mag. Der feuchte Südwind zeigt die Wellen-Einstiege deutlicher als üblich. So fällt es leicht, im Prättigau vom Hang in die Welle zu steigen und sie dann bis Grindelwald nicht mehr zu verlassen. Unterbrochen wird dieser Geradeausflug nur von einer ATC-Clearance für die Luftstrasse A9 am Klausen und von ziemlich ungemütlichen Turbulenzen. Zeitweise habe ich in den Glarner und Urner Alpen auf 4’000 Metern den Eindruck, mein Flieger werde zusammengefaltet. Bei einem der Hausener Kollegen muss der Notsender wegen der Schüttlerei in der Luft losgegangen sein. Jedenfalls steht das so am Montag in der Zeitung mit den grossen Buchstaben und vielen Bildern. Mittels Suchhelikopter kann der Notsender aber problemlos auf dem Flugplatz Hausen geortet werden…

Brettljause.

An der Kingspitze drehe ich die Nase unserer schon etwas betagten, aber noch immer agilen ASW-20-B nach Osten und lasse mich im Geradeausflug wieder zurück durch die Rotoren schütteln. Nördlich des Titlis bläst mich ein Rotor dermassen nach oben, dass der Föhn im Flugzeug buchstäblich laut vernehmlich durch die Ritzen pfeift und mir im Steigflug die Ruderwirkung verloren geht, obwohl ich mit mehr als 120 km/h fliege. Hier fliegt es ja gar nicht mehr richtig! Ab dem Pizol beruhigt sich dann die Lage deutlich. Zeit, in der gemütlichen Schesaplana-Welle über dem Brandnertal in Ruhe eine Vorarlberger Brettljause einzunehmen. Bis ich das brasilianisches Gedärm von meiner Schweizer Nationalwurst geschält habe und gleichzeitig den Sauerstoffschlauch um Nase und Ohren gewickelt habe, falle ich allerdings fast aus der Welle.

Kann man unter 1’500 Metern fliegen?

Die hier gewonnene Höhe reicht, um in mehreren hintereinander liegenden Wellensystemen über den Arlberg, Landeck bis an die ‚Hohe Munde’ zu gleiten. Ab hier verlasse ich nur ungern das wegen seiner gemütlichen Fliegerei und der gigantischen Optik fast süchtig machende Wellenfliegen über 4’000 Metern und sinke eine Etage tiefer, um kreislos, dafür wieder erheblich holpriger den Hängen des Karwendels entlang bis über den Rofan hinaus zu rauschen. Herrlich, wie man dabei mit Rückenwind vorwärtskommt. Bei Kramsach (zwischen Achensee und Kufstein) entscheide ich mich erneut gegen Experimente und fliege nicht weiter an den Wilden Kaiser. Hier ist das Inntal wegen seiner Ausrichtung parallel angeströmt, der Südwind kanalisiert und entwickelt kaum gescheite Hangaufwinde. Das führt fast unvermeidlich zu einem Tiefpunkt im Raum Elmau / St. Johann. Erneut hält mich dieser Gedanke und die trübe Optik von einem Weiterflug ab. Ein andermal, wenn ich am kommenden Tag keine Termine im Geschäft habe, werde ich weiterfliegen. Unsere österreichischen Gspänli beweisen nämlich einwandfrei, dass man auch unter 1’500 Meter segelfliegen könnte, obwohl wir in Schänis öfters den Eindruck haben, das sei unmöglich oder bestimmt unseriös.

Bloss nicht kreisen.

Zurück geht’s im Eiltempo gegen den Wind den Kreten entlang. Die Hänge sind gut vom Südwestwind angestrahlt, bis nach Imst ist Kreisen wenig sinnvoll, sofern man sich im oberen Drittel der Kreten aufhält. Gewonnene Höhe liesse sich mit Kreisen oder andauerndem Aufziehen ineffizienter in Distanz umsetzen als wenn man direkt in der Südströmung über der Hänge braust. Dazu ist oben der Gegenwind stärker und bremst unnötig.

Nachdenken im Hangflug – doch noch kreisen.

Der Einstieg in das parallel vom Südwest angeströmte Tal zwischen Imst und dem Parseier gelingt mir leider wieder einmal nicht ganz ohne Zittern. Ich habe im Raum Imst zuwenig Geduld mit der etwas unübersichtlichen Rotoren-Auslegeordnung und gerate deutlich unter die Kreten. Eine davon rettet mich dann doch auf 1’900 Metern unten mit einem sanften, ruhigen Heber und lässt mir bei 0.5 Meter Steigen etwas Zeit zum nachdenken. Nach ein paar Achten am Hang geht mir aber erneut die Geduld aus. Ein paar Hundert Meter weiter nimmt das Steigen am Hang deutlich zu und trägt mich mit einem ruhigen, starken Aufwind rasch nach oben. Diesmal habe ich Geduld und steige am Ende vom Hang direkt in eine dünne Welle. Die verlasse ich erst auf 4’500 Metern nach Westen, allerdings inzwischen über den Wolken und nur noch mit etwa zwei Achteln Bodensicht. Auch nicht gerade gemütlich, zwischen all den Wolkenbändern.

Monsterwelle nördlich der Schesaplana

Die Höhe reicht aber problemlos, um im Arlbergtal zwischen den Wolken ein Aufwindband zu finden und komfortabel ins Vorarlberg zu entwischen. Dort steht über der Schesaplana ein Ungetüm von einer Wolke, wie ich es erst einmal an der Lure gesehen habe. Drüber geht ganz sicher nicht. Drunter ist wohl der Wasserfall. Als umfliege ich das Monster im Norden. Diesmal habe ich Glück und erwische das nächste Wellensystem, das an feinen Rotorfetzen als Linie vom Itonskopf über den Gonzen bis nach Schwyz hinüber erkennbar ist. Der Einstieg ist bei der Zimbaspitze. Zeit für die zweite Brettljause. Bis alles weggeputzt ist, bin ich im gemütlichen Geradeausflug bis zum Walensee vorgestossen. Ab hier geht die Schüttlerei in den Rotoren wieder los. Sie hält mich davon ab, weiter als nach Schwyz in den Westen zu fliegen.

Rotoren. Rotoren. Rotoren.

Die Bewölkung nimmt hier bis auf völlige Abdeckung zu, die Rotoren geben alles, um mich wie einen Papierflieger auf und ab zu werfen. Um die noch immer respektable Höhe loszuwerden, gleite ich zurück bis nach Landquart und lande nach knapp acht Stunden Flugzeit um 17.00 Uhr in Schänis.

Die in diesem Jojo-Flug zurückgelegte Distanz beträgt 845 km, die Durchschnitt-Geschwindigkeit liegt dank der langen Geradeausflüge im Hangwind und in den Wellen bei 112 km/h. Nächstes Mal müsste eine vierstellige Zahl Kilometer auf dem Tachometer stehen, wenn die Verhältnisse wieder ähnlich sind. Nimmt man die zwei katholischen Stunden am Morgen und jene drei am Abend dazu, welche ich diesmal nicht verwendet habe, sind mehr als 1’000 km sicher auch für mich möglich. Sofern ich irgendwann dran glauben lerne, dass man auch unter 1’500 Meter fliegen kann…

‚Je décolle avec un planeur sur la vingt-huite…’

August 2006. Südfrankreich zeichnet sich nicht nur durch exzellente Küche, das Filmfestival einer Küstenstadt oder als matchentscheidendes Tour-de-France-Etappenziel auf einem gleichermassen windigen wie kahlen Berggipfel aus. Es ist auch die Gegend, wo sich Picasso von seinen Musen küssen liess und des Winters die Trüffelschweine durch die sanften, endlosen Hügel des Lubéron ziehen.

Link zur Dia-Show Vinon 2006.

Der Blick aus 4’000 M.ü.M. aus dem Cockpit des Duo-Discus bei der Barrage Rochemolles ins Vallée Modane und zum Mont Blanc.

Von Februar bis Oktober täglich fliegen…

Südfrankreich geniesst auch bei den vom Wetter wenig verwöhnten Segelfliegern nördlich des Alpenbogens einen besonderen Ruf. Das Land südlich des Col de la Croix Haute unterscheidet sich wesentlich von unserer Gegend: man kann mit etwas Geschick von Februar bis Oktober immer segelfliegen. Drei weitere Merkmale machen diese Region zu einer segelfliegerisch besonders gesegneten Ecke der Nordhemisphäre. Das Mikroklima im allgemeinen, der Mistral und die segelfliegerische Erschliessung der Region im besondern. Im erwähnten Zeitraum reicht die Sonneneinstrahlung aus, um hervorragende und über weite Teile des Gebietes homogen verteilte Aufwinde zu produzieren. Für besondere Bedingungen ist der kalte, starke und durch Mark und Bein dringende Nordwind namens Mistral zuständig. Wellenflüge in grossen Höhen und über weite Distanzen sind ihm und jenen nervenstarken PilotInnen zu verdanken, welche sich in den bissigen Windstrom stürzen.

Besterschlossenes Segelfluggebiet der Welt…

Einmal in der Luft, profitiert man von einer einmaligen Segelflug-Infrastruktur. Die Landemöglichkeiten sind in Südfrankreich auf über ein Dutzend Segelflug-Zentren verteilt. Meistens sind Schleppflug-Kapazitäten vorhanden. Es reicht, seine Mitglieder-Nummer im Aero-Club de France zu wissen, die Verrechnung der benötigten Schleppminuten erfolgt selbst nach einer Aussenlandung zentral über die Abrechnung des Startplatzes. Die verschiedenen Zentren sind administrativ verbunden.

Caravans habitables…

Anfangs August 2006 wagt sich eine ganze Expedition aus Schänis nach Südfrankreich. Ausgestattet mit den aktuellen Luftraum-Anpassungen, Frequenzen, Lande- und Aussenlandeplatz-Informationen, richten wir uns auf dem trockenen Flugplatz Vinon, seinen ‚caravans habitables’ oder im benachbarten, noch ‚habitableren’ Hotel Olivier häuslich ein. Einige von uns sind mit den Spezialitäten Vinons von früheren Aufenthalten her vertraut, andere sind neu hier. Jene werden auf dem von der SG Lägern netterweise zur Verfügung gestellten Duo Discus von mir während der ganzen Woche durch die Gegend gescheucht, während die andern selbständig mit eigenen Flugzeugen oder mit einem ebenfalls aus Schänis mitgebrachten Gruppen-Ventus oder Discus in eigener Regie die Gegend erkunden.

Fester Tagesablauf

Üblicherweise beginnt der Tag in Vinon mit einer Visite der schönen Bäckerin in der Häuserzeile beim malerischen Platanenplatz mitten im Dorf. Jeweils einer von uns opfert sich, um dort die frischen ‚Baguettes traditionelles’ einzukaufen, welche für das gemeinsame Frühstück vor dem Château roulant von Fridli und Ernst nötig sind. Inzwischen ist dort bereits der Kaffee gebrüht, entsprechender Duft zieht um das Wohnwagen-Museum, es werden grössere Mengen Eier mit Speck zubereitet sowie heimische Käsesorten und verschiedene Confitures aufgetischt. Logisch, dass bei diesem morgendlichen Ritual die fliegerischen Möglichkeiten des Tages erstmals seziert werden.

Multikultitreffen in der Blechbude: ‚Briefing au hangar début’…

Wir teilen uns danach die Arbeit, einige waschen ab, die andern montieren gemeinsam im Nu alles, was fliegt. Teamwork ist wichtig. Danach bildet das Briefing den nächsten Fixpunkt im Tagesablauf. Alles, was in der Gegend (noch) aufrecht gehen und fliegen kann, trifft sich hier. Régis oder Mickey informieren über das theoretisch stattfindende Wetter, darüber, was gestern gut oder schlecht gemacht wurde und weisen auf die Besonderheiten des heutigen Tages hin. Besonders letzteres kann sich bei speziellen Bedingungen bei Gewittern oder Mistral nützlich erweisen. Alles ist hier etwas extremer als zuhause. Die Temperaturen, die Windstärken oder die Grösse des Flugplatzes. Das Briefing ist entsprechend gut besucht. Hans Reis übersetzt am Ende alles in eine uns verständliche Sprache. Die Erfahreneren geben Tipps, wohin man heute fliegen soll. Sitzplätze verteilen ist kein Problem. Jeder von uns ist im Laufe des Aufenthaltes über 30 Stunden in der Luft. Das Wetter ist nett zu uns. Während der Rest Europas im Regen versinkt, können wir praktisch täglich fliegen – sofern man das will.

Thermikbäume und Plastikschlangen.

Die Zeit vor dem Start wird in Vinon verschiedenartig genutzt. Wir beobachten ist eine gewisse Hektik, welche mit dem fliegerischen Ausnahmezustand hier einhergeht. Lange (Boden-) Distanzen, Hitze, Trockenheit und Wind sind nicht jedermanns Sache, die Hirntätigkeit wird bei über 30° sowieso spürbar beeinträchtigt. Organisation ist die halbe Miete. Wir überlegen uns auf dem weitläufigen Fluggelände jeden Schritt und geniessen dank vermiedener ‚Leerfahrten’ entspannt unter dem ‚arbre thérmique’ die letzten Minuten vor dem Start, während alle um uns herumschwirren.

Der ‚arbre thermique’ ist ein praktisches Gewächs. Entdeckt wurde er von Schänner Segelfliegern. Er ist etwa vier Meter hoch, eigentlich die einzige grüne Pflanze weitherum. Sie funktioniert ganz einfach. Man sitzt entspannt darunter und unterhält sich mit seinen Copains über Aktienkurse, Segelschiffe, Hauskäufe oder andere dramatische Lebensabschnitte. Dabei wartet man, bis der Baum seine Blätter bewegt. Macht er das wegen erster Ablösungen länger als eine Minute, wird es spannend. Ist dann der Abstand zwischen zwei ‚Raschlern’ kürzer als zwei Minuten, sollte man starten. Dann sind die Aufwinde in Vinon, einem ansonsten‚thermisch toten Gebiet’, wie es einzelne Schweizer Meister im Segelflug in einer depressiven Phase schon bezeichneten, über zwei Meter pro Sekunde stark. Das reicht natürlich den meisten, um oben zu bleiben. Ausser man mag es sportlich und klinkt 50 m über der Hangkante, um ein paar Minuten später nach dem ersten verpassten Aufwind die grosszügigen Aussenlandefelder zwischen Vinon und Greoux auszuprobieren. Dass man dort sogar an einem ausgezeichneten Segelflugtag unter 3/8 Cumulus mit Basis von 2’500 Meter landen kann, wird der Martin Haller unter Zeugen bestätigen. Offizielle Strafe für derartiges Verhalten ist das öffentliche Leertrinken einer auf 40° angewärmten Dose Guinness-Beer. Brr.

Minirock und Minibandes…

Die lange Plastikschlange, welche sich am Start vor den beiden ‚minibandes’ (Startstreifen) bildet, ist kein Grund zur Sorge. Fünf Schleppflugzeuge plazieren rund 100 Flugzeuge in kürzester Zeit über den nahen ‚Forêt de Vinon’ im Grund genommen eine Ansammlung mannshoher, lockerer Gebüsche (arbres thermiques?), welche sich etwa 100 Meter über den Talgrund erheben. Der Aufenthalt im segelfliegerischen Wartesaal wird durch die äussere Erscheinung der Schlepp-PilotInnen Vinons zusätzlich erleichtert. Manche von uns bleiben auffallend oft freiwillig am Boden. Dieses Infrastruktur-‚Enhancement’ sollte SchänisSoaring bei der nächsten Evaluation neuer Saison-SchleppilotInnen berücksichtigen. Was nicht heisst, dass unsere gestandenen Schleppiloten unattraktiv wären… Aber ein knapper Minirock und das unvergleichlich zart gehauchte ‚Je décolle avec un planeur sur la vingt-huite…’ verfeinern natürlich Optik und Akustik eines Segelflugtages ganz gehörig – um nicht von einer ‚Vernebelung der Sinne’ zu reden.

Segelflug-Vollpackung…

Nach erfolgreichem Start fädeln wir je nach Wetterlage über dem Plateau Valensole, dem Durancetal oder südlich des Lubéron (Mistral) ein. Anfangs ist häufig akkurates segelfliegerisches Handwerk und etwas Geduld gefragt, um eine gehörige Arbeitshöhe aufzubauen und sicher in die Voralpen einfädeln zu können. Täglich erkunden wir eine neue Ecke des Gebietes, Flüge ins Modane-Tal, zum Col de la Croix Haute, an den Monte Viso und in die Ecrins gehören zum täglichen Programm. Alle Vinon-‚Neulinge’ geniessen bei Ernst Willi eine komplette Gebietseinweisung. Mal geht es rechts rum durch die gesamte Geografie, anderntags links rum – Hauptsache, jeder ist überall einmal gewesen. An zwei Tagen stehen Mistral-Einweisungen auf dem Programm. Ich mache dabei auch mal zwei Starts pro Tag, um den Interessierten die Einstiegsmöglichkeiten in die Wellensysteme zwischen Lure und Pic de Bure zu zeigen.

Meteo-Ausnahmezustand…

Das gesamte segelfliegerische Programm kommt während unserer Ferien vor. Bei einem Flug in den Raum Gap werden 1’500 Meter nie überstiegen, ein andermal flieht die ganze Schänner Expedition vor einer nahenden Gewitterfront. Vier Piloten entscheiden sich dafür, in der Luft zu bleiben und müssen nach mehrstündigen Warteschlaufen am Ende sicherheitshalber in St. Auban zu Boden, während die andere Hälfte noch vor dem Gewitter in Vinon landet. Dabei ist zu erwähnen, dass nur dank raschem Eingreifen und viel Teamwork Schäden vermieden werden. Während Ernst seinen ‚5’ dank Fridlis Hilfe noch trocken in den Hänger bringt, hat ein Pilot aus Buttwil kein Glück (vor allem keine Helfer). Die heftige Böenwalze des Gewitters wirft seine für wenige Minuten allein gelassene Pégase auf den Rücken und zerbricht sie. Von der Schänner Expedition sind abends allerdings alle trocken und ohne ein ‚Chribeli im Chassis’ wieder glücklich in Vinon au lac vereint.

Soupe du poisson…

Zu den täglichen Höhepunkten gehört der abendliche Erfahrungsaustausch in der lokalen Gastronomie. Schon die Fahrt zum Restaurant ist ein Erlebnis. Frankreichs AutomobilistInnen scheinen mehrheitlich suizidgefährdet zu sein – kein normaler Mensch würde sich so schnell in so alten Klapperkisten über die ruppigen provençalischen Strassen bewegen. Darüber hinaus sind die Sonnenuntergänge beinahe so farbenprächtig wie im Süden Afrikas. Die kulinarischen Erlebnisse (Fischsuppe) werden nur noch durch die ‚Aussenwerbung’ eines ‚Escort-Services’ an strategisch wichtigen Stellen (T-Shirts der Bedienung) übertroffen. Das reicht zusammen mit der französisch gehaltenen Speisekarte, den erwähnten SchleppilotInnen und den Segelflug-Erlebnissen aus, um unsere Sinne vollends zu vernebeln. Dem lokalen Weinangebot mag dies im Gegensatz dazu trotz unserer mitgebrachten Weinfachleute nicht immer gelingen. Die ausländischen Winzer aus Italien oder Übersee haben während der letzten Jahre einheimische Produkte hinter sich gelassen.

Unserer guten Stimmung tut dies keinen Abbruch. Nach zehn erlebnisreichen und unvergesslichen Tagen in einem der nächstgelegenen Segelflug-Paradiese machen wir uns mit einem breiten Grinsen im Gesicht zufrieden auf den hindernis- und baustellenreichen Heimweg in die Schweiz. Es geht das Gerücht, dass mancher Teilnehmer während der segelflug-abstinenten Wintertage mitten in der Nacht an seinem Computer überrascht wurde. Es heisst, jene blaue CD mit über 500 Photos und einer eigens angefertigten Slideshow tröste während Monaten über die Sorgen des Alltages hinweg. Gewarnt wird vor unerwünschten Nebenwirkungen. Sie mache süchtig…

Einstieg zum ‚Parcours des combattants‘: die Felsrippen des Montagne de coupe.

Teilnehmer

Heinz Brem, Martin Haller, Albert Götz, Walter Götz, Fridli Jacober,  Martin Karrer, Hans Reis, Peter Schmid, Beat Straub, Max Weber, Karl Wickli, Ernst Willi.

Benutzte Aufwinde (Zahl in Klammer = Meter pro Sekunde):

Osten der Region: Greoux, Abfalldeponie, (1.5). Valensole, Südkante alter Flugplatz (1.8). Stausee südlich Puimoisson (2.0). Puimoisson, westliches Flugplatzende (1.2). Plateau vor der Serre de Montdenier, Stonehenge-Steinkreise (2.8). Coupe (2.0). Parcours (2.0). Mont Guillaume (3.0). Tête de Lucy (3.0). Tête d’Amont (3.5). Crête des agenaux (3.5). Crête de peyrolles (2.0). Barrage Rochemolles (1.5). Col d’Etache (1.5). Pic de Rochebrune (3.0), Prachaval (0.0 !). Grand Bérard (3.5). Chapeau Gendarme (3.5).

Westen der Region: Lubéron, Lac des roteurs (4.5). Mourre nègre (3.5). Forcalquier, Sternwarte (2.5). Lure, Steinbruch südlich Lure-Gipfel (2.0). Vallée du Jabron (4.5), Col de Tourettes, Nähe Rosans, (2.5). Montagne de St.Genis, Montrond (2.5). Céuse (2.5). Tête de Jarret, zwischen Veynes und Pic de Bure (2.5). Pic de Bure (3.0). Pic de Chabrières, Skigebiet westlich Guillaume (1.5). Val Gaudemars (1.5). Mont Colombis (2.0). Gache (1.5). Vaumuse (2.5). Crête de Liman (2.5). Blayeul (2.5). Cousson (1.8). Beynes (1.5).

Maximale Höhe: 4’500 Meter, Barrage Rochemolles.

Ungewöhnliche Fliegerferien im ‚Relais des Routiers des airs’, August 2003

Wegen einer fast zwei Monate andauernden Hitzeperiode mit täglichen Temperaturen von über 30° C wäre die lange Autofahrt nach Südfrankreich dieses Jahr eigentlich nicht wirklich nötig gewesen. Bereits während fast des gesamten Monats Juli gelingen ab Schänis täglich Flüge von mehr als 750 km. Der erste Wendepunkt wird dabei meistens ins Wallis oder das grenznahe französische Alpengebiet gelegt, während als zweiter Wendepunkt eine Ortschaft in Tirol/Österreich umrundet wird. Verlängerungen ergeben mehrmals Spitzenstrecken von über 900 km. Es ist ein ungewöhnlicher, heisser Sommer, der uns traumhafte Steigwerte von bis zu 6.5 m/Sek. sowie Basishöhen von nahezu 5’000 M.ü.M. über dem Hauptalpenkamm beschert und uns lange in Erinnerung bleiben wird. Es dürfte der beste Segelflugsommer der letzten 20 Jahre gewesen sein.

Unglaubliche Basishöhen in den Alpen im Sommer 2003:

Vorher und nachher habe ich das Matterhorn (bei Thermikflügen) nie mehr aus dieser Perspektive gesehen. Das unglaubliche Foto ist von Dr. Hans Reis und Martin Haller auf ihrem gemeinsamen Flug von Vinon nach Schänis (und zurück) gemacht worden.

Das Plateau Valensole glüht

Die Tatsache, dass in Vinon jeweils zuerst die Inversion durchgeheizt werden muss, ist dieses Jahr im Vergleich zum Startort Schänis ein ungewohnter Nachteil. Während in anderen Jahren die Nachrichten mit Meldungen von Überschwemmungen auf der Alpennordseite voll waren, sind wir meistens in Vinon trotzdem im guten Wetter südlich der Alpen täglich lange Strecken geflogen. Dieses Jahr treffen wir andere Bedingungen an. Vor 12.30 Uhr sind trotz enormer Hitze vernünftigerweise keine Starts oder vorsichtige Abflüge über das Plateau Valensole möglich, während die Kameraden in Schänis bereits ab 10.00 Uhr über den Glarner Alpen Steigwerte von mehr als 2 m/Sek. und Basishöhen von 3’500 M.ü.M. melden. Häufig hören wir die Kameraden aus Schänis bereits in den Barre des Ecrins auf der Alpenfrequenz am Funk, während wir noch bei 40° C im Cockpit schwitzenderweise die Serre de Montdenier hinaufkriechen. Hat man die Voralpen allerdings einmal erklommen, wird man östlich des oberen Durancetals häufig mit 5.0 m/Sek. bis auf über 4’000 M.ü.M. belohnt, was dann ein schnelles Vorankommen bis ins Oberwallis in kurzer Zeit ermöglicht.

Sturmlandung in den Hangar

Die ersten beiden Flugtage, der 6. und 7. August, sind geprägt von explosiver, feuchtheisser Luft über dem Südosten Frankreichs. Mein erster Aklimatisierungsflug führt mich in der ASW-20-B bis ans Nordende des Nationalparks des Vercors, wobei ich der schlechten Sicht wegen teilweise kaum mehr weiss, wo ich genau bin. Erstaunlich ist, dass ich mich trotz GPS und guten Gebietskenntnissen nicht mehr zurechtfinde. Die Gegend um ‚Die’ ist aus 3’000 M.ü.M. kaum mehr im Detail auseinanderzuhalten, speziell, wenn es rund ums Flugzeug blitzt und donnert und die Schauer verbreitet niedergehen. Beim Flug ostwärts in die Region des Col de la Croix Haute berühre ich mit dem Oberarm einmal kurz den Mikrophon-Schwanenhals und erhalte gleich durch’s Fliegerkombi einen schwachen Stromschlag, wonach ich mich schleunigst aus den Niederschlägen an die Sonne zurückschleiche, um weiteren Viehhüter-Stromstössen zu entgehen. Vermutlich würden die Flugzeug-Instrumente empfindlicher als mein Oberarm auf solche Misshandlungen reagieren.

Den zweiten Flug erlebe ich aus dem Rücksitz des Janus C HB-1899. Vorn kämpft Martin Haller während des Schlepps anfangs mit den Tücken der Wölbklappen, sobald wir uns auf negative Klappenstellungen geeinigt haben, ist der ungemütliche Tanz aber rasch unter Kontrolle. Während des ganzen Fluges folgen und nutzen wir konsequent die verbleibenden Sonnenlicht-Resten, welche die wie schon am Vortag feuchtlabilen Luftmassen übrig lassen. Die Strecke führt bis auf die Höhe von Grenoble. Auf den Weiterflug nordostwärts ins Massif de la Chartreuse verzichten wir der schlechteren Wetteroptik wegen und fliegen südlich der Chaîne de Belledonne in die Region südlich der Alpe d’Huez, wo wir ebenfalls wieder im Regen landen. Der Flugweg führt uns dann weiter zwischen den in die Höhe schiessenden Gewitterwolken südwärts zum Pic de Bure und über Gap und Chateau Arnoux zurück nach Vinon. Ein langer Gleitflug in ruhiger Luft scheint durch eine ebensolche Landung zu Ende zu gehen, als wir westlich von Vinon einen erneuten, aktiven Schauer bemerken, ohne dessen Zugrichtung feststellen zu können. In kurzer Zeit gewinnen wir über der Böenwalze vor dem Gewitter im Geradeausflug Richtung Vinon 500 Meter an Höhe. Jetzt sind klare Entscheide gefragt: Sollen wir unverzüglich landen, um vor dem Regen am Boden zu sein oder wäre es besser, in der Luft das Ende der Schauer abzuwarten? Eine Rückfrage per Funk ergibt rasch einen klaren Befund. Der Cheffluglehrer von Vinon, Tom, empfiehlt uns unmissverständlich, ‚immediatement’ zu landen und stellt uns dafür auch den neu geteerten Hartbelag der Piste 28 Süd in Aussicht. Kaum ist der letzte Funkspruch im Äther verklungen, stellen wir den Janus mit voller Bremsleistung auf den Kopf und setzen nach einer Starkwindlandung punktgenau am Pistenanfang auf. Vinon zeichnet sich dieses Jahr durch eine aussergewöhnliche Gastfreundschaft aus. Das beste Beispiel dafür liefert die ‚Bergung’ des Janus nach dieser Gewitterlandung. Statt uns vom sicheren Hangar aus gemütlich beim Wegschieben des schweren Doppelsitzers zu beobachten, stürmt gleich ein gutes Dutzend französischer Helfer herbei, um uns mitsamt dem Flugzeug unverzüglich unter das sichere Hangardach zu schieben, ohne uns Zeit zum aussteigen zu lassen. Das letzte Hangartor fällt gerade metallisch ins Schloss, als wir das Flugzeug unter Dach verlassen, da fallen die ersten schweren Tropfen eines veritablen Wolkenbruchs. Wir wären ohne die spontane Hilfe unserer Freunde im braunen Vinon-Schlamm mitsamt dem Gruppen-Janus förmlich untergegangen. Den würdigen Abschluss dieser aussergewöhnlichen Landung im Hangar liefert ein kleiner Apéro im Aufenthaltsraum, bis sich der grösste Pulverdampf des nahrhaften Gewitters verzogen hat. Während wir versonnen mit einer Bierbüchse in der Hand den Regentropfen zusehen, landet als letztes Flugzeug für heute die Stemme ‚FS’ auf der Piste 10. Ein sehenswertes Schauspiel. Meterhoch spritzt der Schlamm rund um’s Flugzeug. Anderntags beobachten wir die beiden Piloten, wie sie mit dem Gartenschlauch bewaffnet, die gröbsten Spuren vom Flugzeug abzuwaschen versuchen. Wir füllten dann einfach ebenfalls anderntags der Einfachheit halber die leeren Vorräte in Kühlschrank wieder auf, um dort den gröbsten Schaden gutzumachen.

Dom von oben

Der folgende Flugtag ist der erste einer Serie aussergewöhnlicher Thermiktage, die sich durch flächendeckend gute Aufwindverhältnisse und Basishöhen auszeichnen. Das geflügelte Segelfliegerwort, wonach selber schuld sei, wer bei weniger als 3 m/Sek. kreise, verliert etwas von seiner Arroganz und wird auch für Durchschnittspiloten nachvollziehbar, wenn er die Nase seines Fliegers in den blauen Himmel zieht und beim Eindrehen eine kaum enden wollende Beschleunigung erlebt, bei der das Variometer dann bei 5 m/Sek. oder ab und zu auch mehr stehen bleibt.

Erneut ist der Start nicht einfach und wir kämpfen in brütender Hitze kollektiv mit vollen Wassertanks und schweren Flugzeugen in den ersten schwachen Aufwinden über Greoux, Valensole und Puimoisson gegen das Absaufen. Im Cockpit steigt direkt proportional zur schlechten Laune die Temperatur. Der Schweiss läuft mir während der ersten 90 Minuten buchstäblich nur noch über das Gesicht und das Fliegerkombi wird nasser und nasser. Wie schön wäre es doch jetzt im Swimming-Pool! Die Cockpit-Temperatur bewegt sich im Bereich von 50° C. Der erste Liter Zitronenwasser wird in kurzer Zeit vertilgt, damit die Konzentration nicht der Apathie Platz macht. Die Gefahr eines Zusammenstosses in der Pulkfliegerei ist allgegenwärtig, nicht alle Kollegen pilotieren gleich rücksichtsvoll und vorsichtig. Wenigstens halten sich heute alle an die allgemeine Drehrichtung! Mit etwas Mut und Glück mogle ich mich auch heute wieder nach Norden davon und kann einen Aufwind alleine oder mit wenigen Gschpänli bis auf ca. 1’400 M.ü.M. ausfliegen, was mir die Voralpen entscheidend näher bringt. Insgesamt gelingen alle Abflüge mit etwas Zeitverzögerung ohne wirkliches Aussenlanderisiko oder Rückflugmöglichkeit auf einen der Flugplätze. Eile mit Weile ist mit Sicherheit das bessere Motto als blindwütiges Drauflos- oder Hinterherfliegen. Das Glück der Gambler wechselt öfters die Seite – wer gerade ganz oben war, findet sich im nächsten Aufwind unverhofft ganz unten und umgekehrt.

Thermik ÜBER dem Matterhorn

Im Unterschied zu früheren Jahren benutze ich auch heute den Parcours des Combattants nicht und steige in einem der starken Aufwind über den Voralpen bis spätestens zu den Trois Evéchés auf nahezu 3’000 M.ü.M., was einen direkten Flugweg ins hohe Relief ermöglicht. Die Vorteile sind augenfällig: eine entspannende Operationshöhe, eine bessere Verteilung der Flugzeuge in der Region und damit ein geringeres Risiko gefährlicher Begegnungen. Nicht zuletzt darauf führe ich zurück, dass ich während aller Flüge mehrheitlich alleine auf weiter Flur operieren kann und die andauernden ‚Near-misses’ vorheriger Jahre entfallen. Wie Airliner zischen wir mit wenigen starken Aufwinden ins nördliche Durancetal und finden über den bekannten Aufwindgebieten flächendeckend starkes Steigen. Um ca. 15.00 Uhr überquere ich das Becken von Bardonnecchia, überfliege höher als 4’000 M.ü.M. den Col d’Etaches zum Charbonnel, wo mich eine erfreuliche Wetteroptik erwartet. Von hier aus fliegen Martin Haller und ich zusammen nach Nordosten weiter, wobei die Sprunggeschwindigkeit über dem Val de Rhèmes ins Aostatal und weiter ins Valpelline auf unglaubliche 200 km/h ansteigt, was mir bisher noch gar nie passiert ist… Kaum erstaunlich, können wir um 17.15 Uhr zu dritt über dem Matterhorn einige Kreise ziehen. Obendrauf ist tatsächlich ein kleiner Cumulus, der das ermöglicht. Wir wenden um 17.45 Uhr über der Mischabelgruppe und nehmen den langen Rückweg nach Südfrankreich unter die Flügel.

Charbonnel bis zum Bauch im Wasser

Ist die Wetteroptik vor wenigen Minuten mit Blickrichtung Osten noch wunderbar kompakt gewesen, so zerfällt plötzlich alles mit dem Wechsel der Blickrichtung nach Westen. Obwohl mir bewusst ist, das dies mit dem direkten Sonnenlicht und weniger mit der objektiven Aufwindstärke zu tun hat, bleiben plötzlich die vorher noch so starken Aufwinde scheinbar weg, bis wir schliesslich über dem Val d’Anniviers und später im Valpelline wieder mit mehr als 3 m/Sek. verwöhnt werden. ‚Ende Jahr höre ich mit Segelfliegen auf’ – schiesst mir durch den Kopf – ‚die Bedingungen können nach diesen Flügen ja nur noch schlechter werden und wir werden alle frustriert im Cockpit sitzen’. Es hilft nichts: man muss solche Momente einfach geniessen, wenn man sie erleben kann.

Martin Haller kämpft mit dem unhandlicheren Janus tapfer mit und wir überqueren das Val d’Aoste erneut gemeinsam, um über der Grivola wieder in die Thermik einzufädeln. Inzwischen stellen wir fest, dass das Vallée Modane seit längerer Zeit im Schatten liegt. Verflixt, damit ist die Schlüsselstelle ausser Betrieb! Die verlässlichen Aufwindquellen, die mir sonst den Heimweg in den Raum Briançon ermöglichen, dürften von Minute zu Minute schwächer werden oder bereits verschwunden sein. Ich beginne, auf’s Tempo zu drücken, mogle mich mit meinem wendigen Einsitzer in den letzten Sonnenstrahlen von Gipfel zu Gipfel zum Nivolet-Pass, während Martin bei jedem Einkreisen mit dem schweren, unhandlichen Doppelsitzer etwas tiefer anfangen muss und den Höhenverlust bis nach Bonneval, bzw. zum Charbonnel, auf ca. 300 Meter kumuliert. Der sonst sehr zuverlässige und gerade deswegen von mir so geschätzte Charbonnel ‚steht diesmal bis zum Bauch im Wasser’ und spendet nur noch in der Gipfelregion von der Schulter weg Aufwind – und den nicht zu stark. Max Weber, der über dem Gipfel während beinahe einer Stunde auf uns gewartet hat, dürfte inzwischen fast zum Cockpit hinausgefallen sein, harrt aber trotzdem tapfer aus. Für Martin Haller stehen allerdings inzwischen die Aktien miserabel. Unter der Charbonnel-Schulter, im Schatten, findet er nur noch Abwind und muss sich in Richtung Sollières flüchten, wo er trotz heftiger Gegenwehr über den restlichen Sonnenflecken im Süden des Tales schliesslich aussenlanden muss.

Obwohl der Entscheid unangenehm ist, fliegen wir alleine über den Col d’Etaches weiter und nutzen im Le Rosier den letzten vernünftigen Aufwind, um mindestens den Morgon und damit den Parcours des Combattants erreichen zu können. Von Martin hören wir inzwischen gar nichts mehr am Funkgerät. Erst nach der Landung in Vinon klingelt erlösend das Handy und er meldet fröhlich ein blessurenfreies ‚tombé du ciel’ mit leichtem Rückenwind auf der abfallenden Piste, die glücklicherweise über einen Kilometer lange ist.

Der Endanflug von Max und mir beinhaltet am Ende noch ca. 45 Minuten Reserve, bis die Thermik endgültig aus ist. Wir klettern über dem westlichen Durancetal nochmals bis an die Basis, um danach direkt Vinon anfliegen zu können. Die Basishöhe ermöglicht dies im Gegensatz zu früheren Flügen problemlos. Am Ende verlängern wir im Raum Château Arnoux den Flug mit einem letzten starken Aufwind nochmals. Das Gewissen plagt mich: wir hätten durchaus länger auf Martin warten können, es hätte für uns allemal auch eine gute Stunde später noch nach Hause gereicht. Die Frage, ob wir ihm etwas genutzt hätten, bleibt allerdings damit auch nicht beantwortet.

Mont Blanc

Der kommende Flugtag bringt uns einen ‚normalen’ Flugtag, an dem Hans Reis und ich ‚nur’ bis zum Col d’Iseran und nach Tignes gelangen, weil der Weiterflug nach Nordosten mit allzutiefer Basis und unkonsistenten Untergrenzen über der Region des Col de Nivolet zugesperrt bleibt. Der Start um ca. 13.00 Uhr in Vinon und der erneut nicht ganz einfache Abflug in die Voralpen sind Gründe, weshalb wir es angesichts einer im Nordosten das Gebiet streifenden kleinen Front mit labilisierenden und feuchteren Luftmassen als in den Vortagen wegen vorziehen, frühzeitig den Flug abzubrechen und nach Vinon zurückzukehren. Den Abend beschliessen wir wie in den letzten Tagen öfters im neu eröffneten Fisch-Restaurant von Vinon. Die Stimmung unter den Freunden ist gut, es wird ein fröhlicher Abend, demenstprechend spät kommen wir ins Bett und damit nur zu wenig Schlaf.

Verschwörung

Während des Startprozederes am kommenden Tag beginnt bei meinen Hinterleuten in der Startreihe in der glühenden Hitze über dem Asphalt von Vinon offenbar spontan eine kleine Verschwörung. Das Wort von ‚nach Schänis fliegen’ macht plötzlich leise die Runde und steckt wie ein Virus alle auf der Stelle an. Die Wetteroptik mit aufbauendem Hochdruck, trockeneren Luftmassen und doch leicht labilerer Schichtung sieht vielversprechend aus und in allen von uns steckt der heimliche Wunsch, einmal die Strecke zum Heimatflugplatz in der Schweiz nicht auf der Strasse zurücklegen zu können. Auch in meinem Kopf ist der Virus eingepflanzt, ich beschliesse aber, mich so spät wie möglich zu entscheiden, ob ich geradeaus nach Nordosten Schänis anfliegen werde oder den an sich schwierigeren Rückweg in die Provence unter die Flügel nehme. Wir fädeln wie gewohnt in den letzten Tagen in die Voralpen ein und freuen uns um ca. 15.00 Uhr in der Region Briançon über die ersten wirklich starken Aufwinde. Das Vorankommen ins Modane-Tal ist eine Freude, selten habe ich eine so hohe Wolkenbasis angetroffen. Es läuft wie geschmiert und um ca. 16.00 Uhr befinden sich ‚GC’ mit Hans Reis und Martin Haller an Bord des Gruppen-Janus HB-1899 und ich in meiner vertrauten ASW-20-B über dem Col de Nivolet. Nach Norden sieht die Wetteroptik bombastisch aus. In Richtung Mont Blanc reihen sich die Cumulus in grosser Höhe aneinander. Nach Nordosten, über das Vallée d’Aoste und das Valpelline, ist die Luft trockener. Einzelne, sehr hohe, flache Cumulus zieren den Himmel. Wo sich der Horizont in der blauen Unschärfe verliert, kann ich gar keine Bewölkung mehr erkennen. Meine beiden Freunde sind offenbar von ihrer Verschwörung getrieben, geben Vollgas und rauschen wild entschlossen ab Richtung Valpelline.

Mir fällt der Entscheid wesentlich schwerer. Das ‚blaue Loch’, das sich bis an die Furka abzeichnet, macht mir gar keine Freude. Nach einigen Minuten des Überlegens siegt der Zauderer in mir und ich ergreife trotz nagender Zweifel, eine einmalige Chance zu verspielen, doch lieber die Chance, ein anderes, altes Flugziel von mir unter die Flügel zu bekommen – den Mont Blanc. Während Hans und Martin zuversichtliche Funkkommentare aus der Region Zermatt in den Aether absetzen, kann ich tatsächlich über die Grand Jorasses und das Mer de Glace die Aiguille du Midi überfliegen und setze beeindruckt von der schieren Grösse dieses riesigen Schnee- und Felshaufens zur Umrundung des höchsten Gipfels Europas an.

Wilder Tanz am Peuterrey-Grat

Auf der Westseite ist offenbar wenige Minuten vorher eine Steinlawine ins Tal gedonnert. Eine grosse, graue Staubwolke füllt das Tal, das den Mont Blanc nach Westen verlässt. Diese Felsabbrücke sind ein Phänomen, das wir während dieser Fliegerferien bereits am Matterhorn zweimal bemerkt haben. In Zermatt war gleich das ganze Tal der Schönbiel-Hütte mit einer grauen Staubwolke gefüllt. Den Gipfel kann ich rund 300 Meter unter der Krete umfliegen – höher geht’s heute auch hier nicht mehr. Auf der Südwestseite gerate ich in allerhand Turbulenzen, versuche noch, über dem Peuterrey-Grat einen engen, wilden Aufwind auszuwerten, gebe aber bald einmal auf, obwohl die Kreiserei über den steilen Schluchten an der Aiguille Noire de Peuterrey spannend ist. Über den Petit St.-Bernard erreiche ich in kurzer Zeit wieder die vertraute Gegend von Val d’Isère. Die Aufwinde sind etwas weniger stark, weniger zuverlässig, weniger eindeutig, die Wolken fransen langsam aus – immerhin ist dies für diese Tages- und Jahreszeit noch immer ein bemerkenswerter Flug.

Alles schon Routine?

Der Rest des Fluges ist inzwischen schon bald Routine – so arrogant dies hier auch tönt. Ich nehme noch zwei Aufwinde mit, einen in der Region von Briançon an der Crête de Peyrolles und einen nördlich Gap am Guillaume, um dann anders als in früheren Jahren, den Weg nach Vinon der hohen Arbeitshöhe wegen direkt unter die Flügel zu nehmen. Es ist kaum zu glauben, aber selbst an meinem bestens bekannten Segler entdecke ich noch eine neue Dimension. Die Maschine gleitet und gleitet selbst bei einem Speed von über 150 km/h noch eine Ecke weiter, als ich es mir vorgestellt habe.

Den zwar reizvollen aber in diesen Höhen mehr oder weniger sinnlosen Heimweg über den Parcours des Combattants wähle ich während dieses Fliegerurlaubs eigentlich nie und fliege immer direkt auf Kompass-Kurs in die graublaue Dunstsuppe in Richtung Durance-Tal vor. Auch ins hintere Ubaye-Tal komme ich dieses Jahr höchstens einmal bis zum Grand Bérard und zum Col de Vars. Zu schnell ist der direkte Weg, zu stark die Aufwinde direkt am Durance-Tal, zu verlockend ist die hohe Wolkenbasis über dem Prachaval und dem Col d’Izoard, als dass ich mich zum Monte Viso verfliege. Die höchsten Alpengipfel im Wallis locken zu sehr – an die wunderschöne Aiguille de Chambeyron und den Parc National de Queyras kommen wir in all den folgenden Jahren mit vermutlich viel schlechteren Bedingungen ja noch bis zur Genüge…

Hans und Martin sind kurz vor sieben Uhr abends in Schänis gelandet und melden sich per Telefon, dass alles bestens gelaufen ist. Der Weg war tatsächlich der fehlenden Thermikanzeigen wegen nicht ganz problemlos, die bekannten Aufwindgebieten über dem Matter- und Binntal machen aber ein rasches Vorfliegen über die Furka trotzdem möglich. Der Rest des Weges über das Urnerland scheint auch ohne grössere Hindernisse zu bewältigen gewesen zu sein. Jedenfalls klingen beide sehr fröhlich aus dem Handy, sind stolz auf ihre tolle Leistung und freuen sich des guten Wetterberichtes für den Folgetag wegen zuversichtlich auf den Rückflug nach Südfrankreich.

Vinon-Schänis: später, harziger Abflug

Obwohl ich am Folgetag keineswegs mit der Absicht in meine ASW-20-B sitze, es meinen Kameraden gleichzutun und ebenfalls den Versuch zu wagen, einmal nach Schänis und anderntags zurückzufliegen, muss mich der Virus doch heimlich angesteckt haben. Irgendwie rumort die Idee doch im Hinterkopf herum, auch wenn anfangs keinerlei Aussicht auf einen wirklich weiten Flug besteht – zu schwierig ist heute der Start.

Wie verschiedene Male vorher, ist der Abflug nach 13.00 Uhr auch heute eine ausgeprägte Zitterpartie. Öfters ist in diesem Fliegerurlaub eine Aussenlandung nur durch sehr vorsichtiges, sprich langsames Vorwärtsfliegen über das Plateau Valensole zu vermeiden. Auch heute ‚eile ich mit Weile’ stetig gen Norden. Irgendwann gelingt dann aber in der Region nördlich des Flugplatzes von Puimoisson doch das Einfädeln in einen stärkeren Aufwind. Bis dahin habe ich mich mehr oder weniger alleine über die durchgeglühten Felder der grössten Lavendelplantage vorwärtsgemogelt. Daniel Bosshart mit seinem grossen Vogel ist ebenfalls irgendwo über dem Plateau, ich sehe ihn aber erst in Moustiers – sehr tief um Überleben kämpfen. Der in den letzten Tagen zuverlässige Aufwindspender westlich des Städtchens Puimoisson macht heute Pause, dafür geht in den kleinen, runden Hügeln vor der Serre de Montdenier ‚die Post ab’. Zusammen mit Daniel Bossart, der auf 1’200 M.ü.M. mit seiner ASW-22 scheinbar festsitzt und der unten in ‚meinen’ Aufwind einsteigt, klettern wir auf über 2’000 M.ü.M. hinaus. Nun sieht die Sache doch wieder ganz anders aus! Dieser Aufwind war mit seinen knapp 3 m/Sek. vielversprechend. Meine graues Fliegerkombi – übrigens bereits die zweite Garnitur, ist komplett durchgeschwitzt. Wenn ich heute tatsächlich noch hoch hinauf komme, werde ich kalt bekommen!

Ich lasse erneut den klassischen Weg über den Parcours des combattants links liegen. Der Montagne de coupe und die Region östlich davon scheinen bereits in einem explodierenden CB zu stecken, jedenfalls gehen die ersten schweren Schauer deutlich sichtbar als weisse Vorhänge über die ausgetrocknete Landschaft nieder. Die Tendenz zu Ausbreitungen nimmt meines Erachtens deutlich zu. ‚So rasch es geht, nach Norden’ ist wohl das sicherste Rezept in dieser Situation. Ich entwische der ersten richtigen kalten Dusche gerade noch, indem ich in den Vorgipfeln der Trois Evéchées inmitten der ersten Schauer noch an der Sonne mit guten Steigwerten Höhe gewinne, um endgültig im Ubaye-Tal ans gleissende Licht der Provence und an die starken Aufwinde heranzukommen, die mit einer Wolkenbasis von deutlich über 3’000 M.ü.M. klar markiert sind. Hier höre ich auch das erste Mal die Piloten aus Schänis am Funk. Martin Bühlmann ist mit ‚8T’ in der Gegend von Briançon und wendet über der Barre des Ecrins. Dass er mein Begleiter auf dem Flug nach Schänis werden wird, weiss ich noch nicht, als ich die Flugzeugnase auf den Mont Guillaume richte. Die Westseite des Durance-Tals bietet eine hervorragende Wetteroptik. Weil ich in den vergangenen Tagen öfters über den Col d’Izoard geflogen bin, wähle ich diesmal die Westseite.

Unglaublicher Aufwind an der Tête de Lucy

Die hat diesmal eine angenehme Überraschung für mich bereit. Die Gipfelkreten nördlich des Guillaume sind seit Stunden voll in der Sonne gewesen. Ich fliege sie mit einem langen Gleitflug direkt an, so dass ich ohne Hangfliegerei einkreisen kann. Ich hole tief Luft, als das Vario zu singen beginnt. Die Nase der ASW zeigt in den blauen Himmel, der Flieger steigt und steigt und steigt. Nach endlos scheinenden Sekunden lege ich den Flügel in eine enge Kurve. Das digitale Variometer steht mit 5.7 m/Sek. am Anschlag, wenige Minuten später finde ich mich auf über 4’000 M.ü.M. wieder. Die Optik hat sich völlig verändert, die Gipfel sind unter mir förmlich weggeschrumpft. Die Distanz zum nächsten mutmasslichen Aufwind an der Crête des Agneaux ist leicht überwindbar. Jetzt gilt es, Tempo zu machen, wenn ich trotz des späten Starts und des schwierigen Abfluges noch ins Wallis fliegen will, um mindestens das Matterhorn nochmals zu sehen. Die letzten Minuten haben mich in Trance versetzt. Wie im Traum gleite ich nach Nordosten, den schönsten Wolken nach.

Berauschende Wetteroptik nach Nordosten

Der Blick in die Flugrichtung nach Nordosten jagt mir einen Schauer über den Rücken. So habe ich das Modane-Tal noch überhaupt nie gesehen. Der Charbonnel ist selbst von hier aus klar erkennbar, auch noch überragt von einer Reihe von Cumulus-Wolken mit einer Basishöhe von deutlich über 4’000 M.ü.M., mit schwarzen, dunklen Böden. Einfach unglaublich. Üblicherweise sieht man hier niemals so klare Strukturen, die Wolken hängen oft tief an den Kreten über dem Col du Mont Cenis, wer weiter nach Bonneval fliegt, muss an die Kraft des Charbonnels glauben. So wie heute sollte Segelfliegen eigentlich immer sein, bloss wäre das dann wohl auch irgendwann langweilig…

Ich wähle den direkten Anflug an die Ostseite nach Bardonnecchia, um über der Barrage Rochemolles nochmals Höhe zu tanken und dann in Bonneval oder Val d’Isère nochmals meine Flughöhe zu ‚sanieren’, um weiter nach Nordosten weiterzukommen. Der Flug an den Grand Paradis wird zum reinen Vergnügen. Wie von einem Automaten gesteuert, drehe ich in die Aufwinde ein, zuverlässig kommen immer dieselben unverändert guten Steigwerte auf das Display, die Wolken-Basis ist problemlos hoch, die Perspektive über dem Val Savaranche und weiter im Osten, im Valpelline, ist deutlich besser als am Vortag, wo hier alles in wunderschönem Blau versunken ist. Ich kann mein Glück kaum fassen, einen derart tollen Flug zu erleben, alle Arten von Gefühlen rasen durch meine Körper. Was für ein Privileg, hier wie ein Vogel quer durch Europa sausen zur dürfen!

Der vorher erwähnte Virus bricht schlagartig aus, als ich über dem Val de Rhêmes einen ausgezeichneten Aufwind bis an die Wolkenbasis erwische. Der Blick auf die Uhr und ein Funkspruch mit Martin Bühlmann, der seine SZD-55 aus Polen im Valpelline in besten Bedingungen nach Osten vorantreibt, machen alles in Sekunden klar: heute fliege ich nach Schänis und realisiere damit einen Traum, an den ich selber kaum je wirklich geglaubt habe! Heute packe ich’s! Entschlossen fliege ich den Talsprung nördlich Aostas an, die Nadel des Fahrtmessers steht nie unter 160 km/h. Beim ersten Flug in die Mischabel-Gruppe waren die Sprunggeschwindigkeiten während einer längeren Flugphase in dieser Region sogar noch höher, bei unglaublichen 200 km/h.

Noch nie in den ganzen zwanzig Jahren, in denen ich segelfliege, habe ich derart hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten realisieren können wie in diesem Sommer gleich mehrmals hintereinander.

Ich habe etwas Zeitreserve und gehe die Sache deshalb heute nicht ganz so wild an. Richtig spannend wird der Flug nach problemlosem Queren des Valpelline und des Matterhorns im Mattertal, wo ich auf 3’200 M.ü.M. in der Hoffung auf einen guten Aufwind einfahre.

Kniffliger Endanflug

Die letzten Lift’s waren nicht mehr von der fast brachialen Gewalt jener aus dem Valpelline oder dem Durance-Tal. Die Tageszeit und der Sonnenstand im August müsste sich ja irgendwann im Laufe des späteren Nachmittags auch thermisch bemerkbar machen. Vorsichtig drehe ich über der Schönbielhütte in einen nur zaghaft funktionierenden Aufwind. Im Hinterkopf rumort zwar der ‚Rothorn’-Aufwind herum, ich möchte aber hier an dieser Schlüsselstelle nichts anbrennen lassen. Oft bin ich zu forsch vorgeflogen, um dann mit Hangfliegen tief unter der Krete den ganzen Zeitgewinn wieder zu verspielen. Das soll mir hier nicht passieren. Ich will hier im Wallis die Maximalhöhe gewinnen, um dann im Binntal oder an der Furka oder im Bedretto-Tal die Endanflughöhe für Schänis aufbauen zu können. Und mit zielloser Aufwindsuche geht das bestimmt nicht. Meine Geduld wird dann doch noch belohnt. Ab ca. 3’600 Meter gewinnt der Aufwind an Stärke und spült mich mit mehr als 3 M./Sek. auf 4’300 M.ü.M. hinauf. Das reicht dann auf jeden Fall, um an der Mischabelgruppe, direkt über den höchsten Gipfeln des Dom wie geplant auf 4’600 M. hinauf zu klettern. Mein Endanflugrechner meldet hier bereits genügend Höhe, um Schänis zu erreichen, was allerdings angesichts der hohen Pässe dazwischen kaum realistisch sein wird. Die Furka zu überspringen, ist auf jeden Fall ‚im Fass’, aber ob’s dann mit einem möglicherweise aufwindlosen Flug durch die Urner Alpen noch über den Klausen reicht, möchte ich lieber nicht eins zu eins austesten, auch wenn die Elektronik dies sicher sehr präzise berechnen kann.

Die ASW hat noch eine Dimension, die ich noch nicht kenne…

Die Wolken beginnen langsam zu zerfallen und sich teilweise aufzulösen, was um 17.30 Uhr anfangs August natürlich ihr gutes Recht ist. Martin Bühlmann erlebt offensichtlich im Bleniotal rund um Olivone die Tief- und Höhepunkte des Segelfliegens innert derselben halben Stunde, indem er sich aus aussichtslos scheinender Situation doch wieder befreit und den Flug noch nach Splügen verlängern kann. All diese Eindrücke lassen mich insgesamt vorsichtig weiterfliegen. Im Binntal nehme ich noch ein paar Meter mit, begleitet von zwei Flugzeugen aus Vinon, die auf dem Rückweg sind – etwas spät für meine Begriffe – bis mir bewusst wird, dass wir vor wenigen Tagen um dieselbe Zeit in der gleichen Gegend ebenfalls noch unterwegs waren und den Heimweg ohne Schwierigkeiten zustande brachten.

Ein längerer Gleitflug an die Furka endet mit einem kuriosen Treffen mit einem jungen Adler. Der junge Kerl freut sich offenbar ebenso an der Fliegerei wie wir und turnt wild durch die Luft. Im Aufwind reisst er seine Flügel auf, wenn er beschleunigend in den Sturzflug übergeht, legt er seine Flügel knapp an seinen Körper. Mit seinem wilden Spiel zeigt er mir den Aufwind, der mich dann sorglos nach Schänis bringt. Zuhinterst am Nufenen-Pass kann ich mit mehr als 2.5 m/Sek. nochmals ein paar Hundert Meter dazugewinnen, am Ende auch noch begleitet von einer DG-400, die mit mir zusammen in sehr engen Kreisen in die Höhe steigt, überwacht von unserem gefiederten Kollegen. Beide verschwinden beim Abflug in die Urner Alpen plötzlich aus meinem Gesichtsfeld. Der Adler wird sich anderswo vergnügt haben, die DG dürfte aus Münster oder Ambri gewesen sein.

Über Andermatt rufe ich zuhause an. Brigitte staunt nicht schlecht über die Neuigkeit, dass ich mitten in meinem Südfrankreich-Urlaub zuhause übernachte, sie wird mich aber in Schänis abholen.

Die Provence ist plötzlich auf die Alpennordseite gewandert

Der Anflug über die Urner Alpen ins Klausenpass-Gebiet erinnert mit stark an die Endanflüge, die ich sonst in die Provence hinein mache. Die Gipfel sind bis in hohe Regionen hinauf schneefrei, was das Gestein in seiner ganzen Farbenpracht zeigt. Die flache Sonne verzaubert die Berge mit einem unwirklichen Licht, die Aufwinde – allerdings meist nahe an den Felsen – sind unvermindert stark, der Anflug ins Voralpengebiet führt ebenfalls über trockene Wiesen und Felder. Eine auch für mich etwas überraschende Erkenntnis – aber der optische Eindruck ist tatsächlich verwandt mit jenem, der entsteht, wenn man aus dem Ubaye-Tal über den Parcours des combattants hinaus in die Ebene des Plateau Valensole fliegt. Bloss die Sonne steht auf der falschen Seite – aber was etwas Phantasie so alles ausmachen kann…

Etwas ungewohnt für einen Segelflieger-Urlaub in Südfrankreich beschliesse ich diesen Flugtag zuhause im mir heute extrem kalt scheinenden Swimmingpool, um anderntags wieder um 06.00 bereits im Molliser Büro meine Internet-Seite zu aktualisieren. Nach knapp zwei Stunden haben sich meine MitarbeiterInnen an den Chef mit Migros-Tasche als Reisegepäck und die kurzen Hosen gewöhnt und Petra Müller chauffiert mich wieder auf den Flugplatz Schänis, wo ich den Rückflug in Angriff nehme.

Modernes Bergsteigen am Weissmies

Nach dem Schlepp auf die Südwestseite des Murgtals klettere ich über den glatten Felsen mit ordentlichen Steigwerten die ersten paar Hundert Meter in die Höhe. Am Foopass wiederholt sich das Spiel, dann aber bereits mit besseren Steigwerten und einer Operationshöhe von über 3’000 M.ü.M., was natürlich ein leichtes Fortkommen direkt über den Kistenpass erlaubt. Am Bifertenstock klettere ich den Bänderweg hoch, im Val Russein nehme ich die Maximalhöhe mit, um gleich an den Lukmanier zu wechseln. Am Ritomsee steht der erste aussergewöhnlich starke Aufwind, der mich an den Nufenen transportiert. Dort gewinne ich ein paar Meter an der Passstrasse, um im Binntal dann wieder richtig in die Thermik einfädeln zu können. Von hier weg fliege ich den Weissmies an, quere eine LS-4, die auf Westkurs meinen Kurs schneidet und tauche tief an den Grat, der nach Saas Fee hinunterführt. In wenigen Minuten klettere ich dem Felsgrat auf der Westseite entlang weit über den Gipfel hinaus. Die Bergsteiger auf dem Weissmies werden sich am Kopfe kratzen, wenn sie mich dabei beobachtet haben, wie leicht man heutzutage bergsteigen kann.

Der Weiterflug läuft dann wieder ab wie in einem Traum, von dem man sich wünscht, er ende nie. Am Matterhorn schwebe ich lockeren Fusses vorbei, um ganz am Ende des Valpellines beim kleinen Seelein in die Felsen hineinzutauchen. Nach einigen Minuten Suchens entdecke ich doch noch den Grund für den hohen Cumulus über mir. Ein Aufwind von sagenhaften 6.7 m/Sek. lässt mich im Cockpit jauchzen. Einen stärkeren habe ich noch überhaupt nie gefunden, sieht man von den dynamischen Rotorwolken-Steigwerten einmal ab.

Nach zwei Stunden am Mont Blanc

Die Wetteroptik nach Westen sieht hervorragend aus. Ein kleiner Umweg über den Mont Blanc liegt locker drin. Eigentlich hätte ich vor meinem Weg nach Südwesten durchaus vorher noch nach Österreich oder zumindest ins Engadin fliegen sollen, um die Möglichkeiten dieses aussergewöhnlichen Tages richtig zu nutzen – aber ich wollte eine Transportübung vermeiden, die entsteht, wenn man irgendwo aussenlandet, das Material in Südfrankreich, das Flugzeug im Engadin und den Piloten in der SBB irgendwo dazwischen platziert. So umrunde ich kurz vor halb zwei bereits den Gipfel des höchsten Berges Europas. Auf der Westseite beobachte ich erneut eine Steinlawine, welche mit ihrem Staub das ganze Tal ausfüllt, bevor ich die Flugzeugnase südwärts Richtung Val d’Isère richte.

Im Süden kocht die Luft wieder. Sie ist deutlich feuchter als nördlich des Modane-Tales. So muss es die letzten Tage wohl immer gewesen sein, was erklärt, warum die Piloten von Schänis aus nach ihrem frühen Start um 10.00 Uhr bereits in St. Crépin ihre Kreise zogen, während wir mit der erst aufbauenden Thermik um 13.00 Uhr noch in den südlichen Voralpen kämpften. Ich bin glücklich, dass ich trotz der improvisierten Hilfsmittel in Schänis mein Flugzeug noch mit 40 Litern Wasser gefüllt habe. Es wäre zu schade gewesen, die ASW heute ohne zu fliegen.

Back to paradise

Der Rückweg nach Vinon gestaltet sich natürlich mehr als einfach. Ich war auch noch nie so früh am Nachmittag in Bonneval. Normalerweise erreichen wir das Hochtal erst am späteren Nachmittag. Die Aufwinde sind auch heute ausgesprochen stark, zuverlässig und hochreichend, so dass ich hoch über dem Guillaume mitten im Nachmittag Kurs auf Vinon nehmen kann. Nach einem endlosen Gleitflug aus den Hochalpen kann ich eingangs Val d’Asse einer grossen, schönen Cumulus-Wolke doch nicht widerstehen und drehe auf 1’000 M.ü.M. in einen Fünfmeter-Aufwind ein, den ich aber dann doch auf halber Höhe verlasse, um den Flug nicht weiter zu strecken. Was ich in den letzten beiden Flugtagen erlebt habe, ist nicht mehr zu toppen. Auch wenn ich die sonnendurchglühte Provence, den Luberon, die Lure, den Lac de Ste. Croix noch so unvergleichlich finde. Nach einer langen Schlaufe über die Ebene von Brignoles tauche ich ein in die Hitze der Provence. Einige weite Kreise über der Durance warte ich, bis der letzte Tropfen Wasser aus den Flügeln gerauscht ist, drehe ein in den Downwind, lande kurz auf der stoppeligen, dürren Graspiste und klettere knapp vor 17.00 Uhr überglücklich, aber etwas hakelig aus meinem Flugzeug.

Es riecht nach Lavendel.
Wer will denn noch in den Himmel – wir sind ja schon im Paradies.

Die Protagonisten

Im neu getauften Château des routiers des airs sind dieses Jahr Max Weber und ich einquartiert und teilen uns den schlichten Komfort des in die Jahre gekommenen Wohnwagens. Im deutlich bescheideneren Blockhaus logiert Martin Haller, wenn er überhaupt in Vinon ist und sich nicht gerade nach Sollières oder Schänis verfliegt. Möglicherweise hat seine nicht zu bändigende Lust an der Flucht auf andere Landestellen doch etwas mit der Kargheit seiner Unterkunft zu tun? Ein paar ‚Relais’ weiter hausen wie seit Urzeiten die Familie Wickli und Hans Reis, während die sportlichen Brüder Albert und Walter Götz in einem der ‚Reihenhäuser’ von Thomas Badum nächtigen. Wir harmonieren ausgezeichnet, während der ganzen Ferienzeit kommen wir ohne laute Worte aus und geniessen alle die sorglose Zeit unter der dieses Jahr besonders heissen provençalischen Sonne.

Vinon – Matterhorn – Vinon

Die Segelflug-Ferien von Mitte bis Ende August 1993 bilden damals den Höhepunkt meiner bisherigen Segelflug-Unternehmungen. Täglich legen wir dank homogenen Wetters über den Hautes-Alpes de Provence, der Dauphiné und der Haute-Savoye mehr als 400 km zurück und bleiben mindestens sechs Stunden in der Luft.

IMG_0164

Den Höhepunkt des neuntägigen Aufenthaltes mit acht Flügen und 50 Flugstunden im Land des Lavendels bildet aber neben den ausgedehnten Ausflügen an den Monte Viso, Mont-Blanc, Barre des Ecrins und meinem ersten akzeptierten FAI-500er der Flug ans Matterhorn. 1993 gelang es mir zweimal, den Gipfel dieses berühmtesten Berges zu umrunden, einmal ab Schänis und einmal ab Vinon.

Pünktlich wie vorausgesagt beginnt die Thermik mit den gewohnten, immer schneller und stärker erscheinenden Ablösungen direkt in unserem Warteraum unter dem Bäumchen beim Hangar. Wir haben heute Grosses im Sinn und die Schweizerkreuze leuchten hintereinander von den Heckflossen der Segler in der Startreihe. Es ist heiss, beinahe 35° C. In den Tragflächen meiner ASW-20 schwappen 40 l Wasser. Markus von der Crone, Beat Gassmann, Martin Bühlmann und ich wollen so weit nach Norden, wie die Flügel tragen. Norden heisst heute Matterhorn.

Ueber dem Plateau de Valensole zieht sich unser Feld bereits in die Länge. Markus und Martin gewinnen mit Tom Badum zusammen schneller Distanz als Beat und ich. Trotzdem sausen auch wir nach knapp einer Stunde beim Cheval Blanc vorbei. Immerhin 80 km/h. Kein schlechter Anfang. Die Aufwinde greifen in der uns in dieser Woche liebgewordenen Intensität unter die Flügel und heben uns in grossflächigen Kreisen mit 4 m/sec. in die Höhe. Ein unvergleichlicher Flug beginnt sich abzuzeichnen, als über dem nördlichen Teil des Parcours des Combatants die Cu’s zu kondensieren beginnen. Wie im Schnellzug-Fenster flitzt die Landschaft beim Lac de Serre-Poncon unter uns vorbei.

Der Flug wird beim Eindrehen am Guillaume zum Rausch, als ich in wenigen Minuten in einem 5.5 m-Lift mehr als 1’200 Höhenmeter hochklettere. Nur wenig später überquere ich die Passstrasse zwischen Briancon und dem Col du Gali­bier und nehme Kurs auf die Tête de Siguret. Vor der Ueberquerung des Modane-Tales quetsche ich den Aufwind bis zum letzten Meter aus und fliege in 4’100 m ab nach Norden. Tom hat im Val de Rhêmes bereits fotografiert und ist auf dem Weg zu seiner zweiten Wende Moustiers. Alle Stimmen aus der Region Briancon – Bardonecchia – Modane tönen zuversichtlich. Beat hält prächtig mit, wir tauschen die Steigwerte in kurzen, präzisen Meldungen aus. Er fliegt weiter östlich, ausser Sichtweite, tastet sich gerade durch die thermisch miserable Landschaft bei Bonneval.

Napoleon-Schotter

Inzwischen habe ich an die Nordkreten des Modane-Tales angehängt und fliege praktisch kreislos über den Col d’Iseran nach Val d’Isère hinüber. Gott im Himmel, ist das eine verlassene Gegend hier! Die Strassen hat wohl Napoleon gebaut. Seither haben die Franzosen nur noch den Schotter nachgefüllt…

Zuhinterst im Tal von Val d’Isère hangle ich mich nahe an den Felswänden durch ein Couloir bis auf 4’000 m hinauf. Damit kann ich gerade die Berggipfel überfliegen. Ich blicke das erste Mal in meinem Leben in die drei Parallel-Täler, die von dieser Hochebene nördlich nach Aosta hinunterführen. Das V-Tal ist hier erfunden worden. Federico Blatter erscheint geistert mit seinen Nordföhn-Flügen durch meine Gedanken. Hier hat er jeweils gewendet, nachdem er am morgen Obervellach im Mölltal umrundete. Verrückt! Gigantische Bergtäler, wildromantische Passwege, praktisch keine menschliche Behausung prägen das Bild. Ueber den spitzen Kreten nach Norden hängen die schönsten Cu’s, die ich mir vorstellen kann.

http://www.flieger.news/wp-content/uploads/1993/08/IMG_0112.jpg

Management bei Känguruh

Die Zahnbürste, der Pass, das Portemonnaie mit den Credit Cards sind eingepackt. Begleitet von einem mir bisher unbekannten, unbändigen Willen, Strecke zu fliegen. Ich sehe das Matterhorn weit entfernt am Horizont vor mir! Zeitlich liegen wir nicht schlecht, wir sind nach Fahrplan unterwegs. Bis hierhin wollte ich mich vortasten und entscheiden, ob ich gemütlich nach Vinon zurückkehre oder das Wagnis eingehe, mir völlig unbekanntes Gelände zu erfliegen. Ich brauche nicht lange für meinen Entscheid. Wenn es mir gelingt, bis ins Valpelline vorzustossen, kann ich heute segelfliegerisch den gesamten Alpenbogen von Zeltweg bis Marseille aneinanderhängen. Das höchstes Segelflugziel scheint in Griffnähe zu rücken. Ein Schauer jagt über meinen Rücken, als ich meine ASW über den Pass ins Val de Rhême fallen lasse. Nach 30 km mache ich über einem etwas tiefer liegenden Bergsattel den ersten Kreis und drehe unter einer Wolke mit sattem, dunklem Boden in den Aufwind ein.

Es ist nicht zu fassen! Auf mehr als 4’300 m erst kann ich nach 1’200 erklommenen Höhenmetern die Kreiserei abbrechen und westlich Aostas eine Krete anfliegen, die zum Grand-Saint-Bernard hinauf­führt. Da erwartet mich wieder dasselbe Vergnügen! Ich kann meine Begeisterung kaum unterdrücken und habe Mühe, Beat sachlich Position, Höhe und Steigwert durchzugeben.

Der Aufwind des Tages

Den Höhepunkt bildet dann aber der Taleingang ins Valpelline, nördlich des Flugplatzes Aosta. Ein weiterer 30-km-Sprung hat mich in wenigen Minuten hierhergeführt. Auf 2’800 m komme ich über der Krete an und ziehe meine ASW aus voller Fahrt sanft hoch. Ueber mir erscheint ein dicker Cumulus. „Cinque“ steigt und steigt und steigt. Sanft senke ich den Flügel und beginne zu zentrieren. Ich erschauere erneut. Das Vario muss ich auf die 10-m-Skala umstellen, um Beat den Steigwert durchgeben zu können! „Beat komm sofort hierher, alles andere ist Zeitverschwendung… ich steige mit 5.8, nein, 6.5, jetzt rundherum 7.0 m/sec!!!“ schreie ich ins Mikrophon. Das Capot zerspringt fast unter meinem Urjauchzer, den ich nicht mehr zurückhalten kann. Nördlich von mir glitzern die Walliser Vier­tausender, das Matterhorn lockt am Ende des Valpelline. Ich steige in wenigen Minuten auf unglaubliche 4’450 m. Martin und Markus lehnen sich bereits zurück, unsere Wege kreuzen sich, beide sind auf dem Heimweg. Es ist noch nicht vier Uhr durch. Ich setze mir eine Deadline auf 16.30 Uhr. Dann werde ich umkehren, egal wo ich gerade bin. Damit müsste ich sogar nach Hause kommen. Aber das ist noch ganz weit weg…

Beat ist nur ca. zehn Minuten hinter mir. Ich gleite die Kreten des Valpelline bis zum Ostende des glitzernden Stausees hoch und versuche beim Uebergang nach Cervinia etwas Höhe zu gewinnen, um das Matterhorn von der Schweizer Seite aus ansehen zu können. Am Zmuttgrat breche ich genau um halb fünf die Uebung ab, ich kann nicht mehr höher steigen als 4’500 m.

Formel-Eins-Rennen am Grand-Paradis

Im Eilzugstempo gleite ich zusammen mit einem französischen Janus und einem Ventus – beide scheinen aus Vinon zu sein – den gleichen Weg zurück an den Superaufwind am Taleingang des Valpelline. Er hievt uns alle drei wie Blätter im Wind auf Maximalhöhe. Beat ist jetzt am Matterhorn und wendet ebenfalls. Ich hänge mich den beiden Frenchies an und fliege überhaupt nur noch geradeaus. Zuerst bis zum Grand Paradis, wo wir nochmals auftanken bis zur Maximalhöhe von 4’300 m. Die Sonne wird flacher. Die Aufwinde aus den isolierten Bergtälern sind noch immer stark, beginnen aber nachzulassen. Ich folge den Franzosen im Formationsflug rund um die 4’000er-Gipfel des Grand Paradis. Ein faszinierendes Rennen knapp über Grund oder direkt an den Hängen beginnt. Kein Kreis wird verschwendet, raumgreifend gleiten wir geradeaus bis zur „meiner“ Passhöhe nach Val d’Isère hinüber.

Mir wird das ewige Geradeausfliegen bald unheimlich. Ich beginne, gedanklich wieder meine eigenen Wege zu gehen, zumal die beiden Kameraden leicht nach Osten abdrehen und ins hinterste Maurienne-Tal einfliegen. Die direkteste Linie führt zurück über den Col d’Iseran, über Modane zum Lac de Mont-Cenis und von da nach Bardonecchia. Nur ist der kürzeste Weg nicht immer der schnellste… 30 Minuten später hätte ich einiges dafür gegeben, den beiden einfach blind gefolgt zu sein, statt meinen eigenen Weg zu suchen, aber nachher ist man immer gescheiter.

Bergwandern am Grand Roc Noir

Im hintersten Teil des Val d’Isère versuche ich von Gipfel zu Gipfel erfolglos, Höhe zu machen. Ich kriege die turbulenten Aufwinde einfach nicht in den Griff. Müdigkeit macht sich bei mir bemerkbar. Beat ist im Val de Rhême. Bis ich begreife, was hier mit der Luft passiert, finde ich mich 200 m über dem Col d’Iseran am Hangsegeln und überlegen. Die Trikolore auf dem Pass zeigt knatternd nach Süden. Also das ist es!!! Die Ortschaft Val d’Isère liegt ähnlich wie Andermatt hinter einem tiefen, schmalen Taleinschnitt, der wie eine Düse die Luft beschleunigt und an die südlichen Talhänge bläst. Vorhin bin ich im Lee herumgeturnt. Jetzt entschliesse ich mich schweren Herzens, das Wasser abzulassen. Bei Steigwerten um einen halben Meter lohnen sich die höheren Flächenbelastungen nicht. Ich will nur noch soweit wie möglich nach Süden kommen. Ich hangle mich an den flachen Berghängen immer über den Kreten bleibend, vorsichtig immer weiter nach Westen. Wie ein schwebender Velofahrer. Meine Theorie geht auf, ich kann mehr als 400 m steigen und immer weiter westwärts den Gipfeln entlangfliegen, südlich von mir erscheint bereits Bonneval vor dem Flügel. Beat hat grosse Mühe und flieht tief über den Iseran und an den Südhang des Modanetals. Vielleicht kommt er dort im Talwind wieder weg.

Gegen die Uhr

Mir stellt sich jetzt der Grand Roc Noir in den Weg. Ich muss mich für das Modanetal oder die Vanoise entscheiden. Da ich in der zweiten Gegend zu ungenau weiss, wohin die Täler genau führen, entschliesse ich mich für einen Sturz nach Süden durchs Lee, in der festen Hoffnung, im Talwind und in der Abendsonne beim Grand Roc Noir an der Westseite wieder hochzukommen. Mit viel Nerven, Herzklopfen und nassen Händen gelingt die Turnübung im Lee soweit, dass ich an die Südseite des Modanetales wechseln kann und dort erst noch knapp unterhalb der Krete ankomme. Im Hangwind östlich der Aiguille de Scolette nutze ich das schwache Steigen konsequent und ruhig aus und schiele bereits über den Col d’Etache in Richtung Bardonecchia. Wenn ich mich jetzt noch etwas beeile und hier nochmals wegkomme, schaffe ich es mindestens noch bis St.Crépin, überlege ich. Tief unter mir kreist der Discus von Beat und Reini Rychener mit seiner DG-400 in den Tannenwipfeln. Reini lässt sehr sportlich seinen Motor drin und versucht, gemeinsam mit Beat nochmals wegzukommen. Es sieht sehr spannend und nervenaufreibend aus, aber die beiden scheinen hochzukommen.

Geradeaus, geradeaus…

Ich gleite knapp über den Kreten ins Tal von Bardonecchia und steige dort nochmals auf ca. 3’700 m hinauf. Anschliessend gleite ich hinüber Richtung Plampinet. Die Namen werden bereits wieder etwas geläufiger für mich, meine Zuversicht beginnt zu steigen. Beat hat uns verlassen und ist in Sollières aussengelandet, um sich noch bis St.Crépin zurückschleppen zu lassen. Schade, es wäre zu schön gewesen, mit ihm gemeinsam das Plateau Valensole im Sonnenuntergang zu überfliegen. Aber so kann er morgen wenigstens wieder fliegen, statt den Discus auf der Strasse sinnlos herumzutransportieren.

170 km kreisloser Endanflug

Mir geht es schon wieder besser. In Plampinet mache ich nochmals ein paar Kreise und gleite mit ca. 140 km/h weiter an die Tête du Peyron zwischen Briancon und St.Crépin. Mit etwas Glück schaffe ich es doch noch nach Hause! Ich kann es kaum fassen, obwohl die Sonne flacher als flach scheint und die Täler kaum noch Licht kriegen, wirft es mich hier nochmals hoch bis auf 3’900 m. Damit müsste ich ja bis an den Parcours kommen. Wenn der schön trägt, reicht es vielleicht? Ich mache am Funk eine kleine Meinungsumfrage. Tom meldet sich und gibt mir knappe, klare Anweisungen. Ich soll direkt zum Morgon fliegen und ihn dort um halb acht treffen. Auf Kretenhöhe. Alles andere wäre Zeitverschwendung, meint er. Ich gebe mir alle Mühe, pünktlich und tief genug da zu sein…

Martin ist ebenfalls noch in der Gegend. Die letzte Stunde verlief unwahrscheinlich schnell und hektisch. Trotz aller Schwierigkeiten und trotz schwacher Steigwerte bin ich erstaunlich schnell vorangekommen und habe dank der konsequenten Geradeausfliegerei eine Riesenstrecke zurückgelegt. Vielleicht war die Methode meiner beiden Begleiter vom Grand Paradis doch ganz gut. Mit Kreisen verliert man bei diesen Bedingungen wirklich nur Zeit und Höhe. In Bodennähe oder Kretennähe geradeausfliegen bringt hier am meisten. Es benötigt aber auch eine gewisse Angewöhnungszeit.

126_2652

Schnellzug am Parcours

Pünktlich und 150 m zu hoch treffe ich Tom am vereinbarten Ort. Aus dem Lautsprecher kommen seine knappen Anweisungen: „Fliege 20 m hinter mir, genau gleich hoch, gleich schnell. Nicht höher, nicht tiefer. Häng Dich an meine Heckflosse und bleibe dran. Auf keinen Fall abhängen lassen…“ Genau das mache ich nun. Ein himmlisches Vergnügen beginnt. Ich entspanne mich und geniesse die folgende Stunde wie im Kino. Jetzt bin ich sicher, nach Hause zu kommen, der Parcours trägt wunderbar. Im Formationsflug, immer mit ca. 120 bis 140 km/h fliegen Tom, Martin und ich im Konturenflug bis zum Coupe. Wir sind noch immer auf 2’200 m Höhe, gleich hoch wie beim Einstieg in diesen Express-Zug am Morgon. Jetzt fächern wir uns auf und suchen die tragenden Linien. Dummerweise habe ich seit dem Iseran kein Wasser mehr drin, diese letzte Phase des Fluges wäre noch schöner und optimaler zu fliegen gewesen.

Die letzten 20 Minuten rasen wir alle drei mit knapp 200 km/h über der Kante des Plateau Valensole entlang nach Vinon zurück. Wir verschenken keinen Meter Höhe. Mit Höchstgeschwindigkeit erreichen wir die den nördlichen Einflugpunkt und ziehen alle drei hintereinander hoch. Nach der Landung bleibe ich einen Augenblick sitzen und versuche, die Stimmung in mir aufzusaugen und diesen grossen Moment festzuhalten. Es gibt derzeit keinen glücklicheren Menschen als mich! Der heutige Tag wird mir mein ganzes Leben lang in Erinnerung bleiben. Es war ganz einfach unbeschreiblich schön!

In passender Atmosphäre – im Dörfchen Ginasservice – geht unter den Platanen spät in der Nacht ein herrliches, fröhliches Fest aller Vinon-Piloten und Begleiter/innen zu Ende. Jeder hat viel zu erzählen. Die Begeisterung schlägt beim Erzählen immer wieder durch. Alle sind wir uns einig. Wir werden nach Vinon zurückkommen. Immer und immer wieder…