Wie man drei Stunden im Pseudo-Föhn auf die Thermik warten kann.

Samstag, 23. April 2011. Unser sportlicher Chef Roland schüttelt ein paar Unentwegte aus ihrer Karfreitags-Ruhe und will am Karsamstag früh starten.

Die Strategie klingt plausibel. Wir starten früh mit dem Südwind, flitzen den Kreten des Prättigau, Paznauntal und den Miemingern entlang und warten dann im Raum Karwendel auf die einsetzende Thermik. So müsste ein weiter Flug möglich sein. Dafür lassen wir uns natürlich immer begeistern und stehen um Viertel vor Sieben schon vor den Anhängern und montieren die Flugzeuge. Der erste Start passiert genau nach Fahrplan um 08.00 Uhr. Soweit hat bisher alles geklappt.

Ruhige Luft wie im Winter.

Der Abflug wird dann eine oberharzige Sache. Die ganzen Kreten bis an die Südostseite des Alvier geben keinerlei Anzeichen dynamischen Aufwindes her. Mit Hängen und Würgen, Achten und Kreisen können wir uns aber im (nicht über) dem nach Südosten ausgerichteten Sattel des Alviers halten. Die kommenden drei Stunden sind geprägt von allerlei unbedarften Versuchen, über Falknis, Vilan, Pfäferser Berg, Gonzen usw. die Abflughöhe für Roland’s Plan aufzubauen. Am längsten brauche ich von allen, die hier heute herumüben, wohl dafür.

Am Ende grabe ich in Mastrils (war mir bisher als thermischer Hotspot absolut unbekannt) auf 1’000 Metern unten etwas Bergwind an einer mit einer Ruine besetzten Kante aus und komme mit viieeelll Geduld und völlig viereckiger Thermik (leider immer noch kein Föhn) wieder auf den St. Margrethen-Berg hinauf und von da an läuft dann alles wie geplant. An der Sassauna hole ich dann auch den Kurt Götte ein, der ganz einfach drei Stunden später in die Thermik gestartet ist und problemlos ins Prättigau gekommen ist. Nächstes Mal schlafe ich dann auch aus.

Komische Mieminger.

Am Rhätikon und in Gaschurn stehen schwache Wellen, die tragen mich auf Abflughöhe über das aus Südosten leicht und ideal angeströmte Paznauntal nach Landeck. Interessanterweise wollen weder der Parseier und noch weniger die Mieminger heute um diese Zeit brauchbare Thermik herstellen. Aber wenn wir schon hier sind, können wir ja auch weiterfliegen. Durch diese trübe Luft wieder zurückzufliegen, ischaunüdamächelig. Auf dem Rückweg wird dann sicher alles viel besser sein. Das wäre also die zweite Strategie gewesen.

Wilder Kaiser mit Sahnehäubchen.

Bis nach Innsbruck gleiten ein paar Schänner Piloten, bis dann wieder richtige Thermik aus den Chrächen des Karwendels hochsteigt. Wenn es welche hat, ist die Thermik hier aber wirklich stark und katapultiert uns bis auf 3’000 Meter. Ich wende am Rofangebirge, weil ich aus den Funksprüchen der Piloten im Raum Landeck höre, dass die Feuchtigkeit aus dem Süden (wegen mangelnden, richtigen Föhns) nach Norden abgeschwemmt wird und die Region abdeckt. Würde die feuchte Luft bis in den Raum Seefeld fliessen, wär’s wohl morgen nichts mit Gitzi und Risotto im Tessin bei meiner Familie.

Markus von der Crone, Markus Gemperle, Renato Späni und der auch hier vorauseilende Sportchef Roland Hürlimann fliegen aber unbeirrt weiter an den Wilden Kaiser und teilweise bis an den Höchkönig! Dort schaut das thermische Wolkenbild zwar aus, wie es sollte. Es braucht aber trotzdem Mut, die 50 km bis dahin abzugleiten und später wieder genug hoch an den Karwendel zurückzufinden. Mein Kompliment!

Die Runsen des Klostertals bringen uns heim.

Den Rückweg gehe ich ab Innsbruck gemütlich an und schaue angesichts der trüben Luftmasse vor mir, dass ich so hoch wie möglich bleibe. Der Arlberg ist komplett zu, man würde nicht glauben, dass man da überhaupt durchgleiten kann. Aber am Funk tönt es auf Anfrage fliegbar. Ab Bludenz soll wieder fleckenweise die Sonne auf den Boden scheinen, man müsse bloss schauen, dass man östlich des Arlbergs noch so hoch wie möglich steigen könne.

Am besten sähe noch das Allgäu aus. Dort stehen Cumulus hoch und teilweise in sauberer Luft. Wisel Bissig wählt, wie ich später im OLC sehe, diesen Weg und kommt gut ins Vorarlberg zurück. Bei uns allen gelingt dies mit entsprechender Vorsicht ebenfalls ohne Zittern. Man würde nicht glauben, dass aus 8/8-Bewölkung auch nach zwei Stunden Abdeckung noch irgendwo Thermik entstehen kann. Jedenfalls produzieren die ‚Geo-Parabolspiegel’ nördlich Bludenz noch immer einen Meter schönen runden Steigens bis auf 3’100 Meter.

Das reicht komfortabel nach Schänis, vor allem, weil die bekannten Linien über Gonzen, Alvier, Churfirsten usw. tragen. Wir kommen alle gut nach Hause und freuen uns am Abend am runden Tisch über die trotz schwieriger Verhältnisse gelungenen Flüge bis weit nach Österreich hinein. Ein strenger, aber lehrreicher Flugtag war’s auf jeden Fall.

Und hier noch der Link auf Flugweg und alle Auf- und Abwinde.

 

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