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Ungewöhnliche Unwetter-Saison für die Hagelflieger

Seit 1980 fliegt Georg Vogl für die Rosenheimer Hagelflieger. Da bedeutet es schon etwas, wenn er in seiner Funktion als Einsatzleiter sagt, so eine Saison habe er noch nie erlebt. Ausgerechnet im August, normalerweise der Monat mit dem höchsten Hagelrisiko, war kein einziger Einsatz erforderlich. Insgesamt, so bilanzierte Vogl auf der Jahreshauptversammlung des Hagelforschungsvereins, gab es lediglich zehn Einsatztage, an denen die beiden Maschinen knapp 31 Stunden in der Luft waren.

Weniger als zehn Einsatztage gab es für die Rosenheimer Hagelflieger noch nie. Ein wesentlicher Grund sind die verfügbaren Wetterdaten und ihre Bewertung. „Die Entscheidungsfindung durch den Wetterdienst ist genauer, daher gibt es weniger Flüge“, sagte Georg Vogl. Trotzdem gelang es an zwei Tagen nicht, Hagel zu verhindern. Mit Hilfe von Regenradarbildern erklärte Vogl im Detail, warum am Pfingstsonntag sowie am Montag, den 27. Juni Hagelkörner mit einem Durchmesser von bis zu fünf Zentimetern den Boden erreichten. Am Pfingstsonntag war die Wolkenbasis so niedrig, dass die Berggipfel im nördlichen Tiroler Inntal vollständig verhüllt waren. Für die Hagelpiloten, die auf Sicht fliegen, war es nicht möglich, die Gewitterzellen an den richtigen Stellen zu impfen, weil das Risiko eines Aufpralls gegen einen Berg zu groß war.

Am 27. Juni hatte sich in den Gewitterzellen der höchsten Stufe in über zehn Kilometer Höhe bereits Eis gebildet, bevor sie im Schutzgebiet der Rosenheimer Hagelflieger ankamen. Hinzu kam, dass die Hagelpiloten in dem dreistündigen Einsatz kaum brauchbare Aufwinde vorfanden, welche das Silberjodid in die Wolken hätten transportieren können. Zudem sorgte flächendeckender leichter Regen dafür, dass die Impfung nahezu wirkungslos blieb. Wegen Dunkelheit musste der Einsatz schließlich abgebrochen werden. Nur drei Tage später, am 30. Juni, gelang es den Hagelfliegern, genügend Silberjodid in einer Gewitterzelle einzubringen. Laut Vogl gab es lediglich drei Meldungen zu Graupel. „So stellt man sich das als Hagelflieger vor.“

Über die aktuellen Entwicklungen zum Forschungsprojekt RO-BERTA informierte Professor Peter Zentgraf von der Hochschule Rosenheim die Mitgliederversammlung. Inzwischen sind beide Flugzeuge mit einem sogenannten Hagel-Navi ausgestattet. Das heißt, sie werden auch während des Fluges mit detaillierten Wetterradarbildern versorgt. Als nächstes ist geplant, die RO-BERTA App so aufzubereiten, dass beide Flugzeuge im Einsatz verfolgt werden können. Derzeit ist nur ein Einsatzflug live in einer Animation zu sehen. Zudem testen Professor Zentgraf und sein Team die Möglichkeit, einen Live-Stream von den Einsatzflügen zur Verfügung stellen zu können. Ein erster Versuch bei schönem Wetter verlief erfolgreich. Die RO-BERTA App gibt es sowohl für Android-Systeme als auch für IOS-Systeme.

Abschließender Referent war Frank Kasparek aus Stuttgart. Er betreibt sieben Flugzeuge zur Hagelabwehr, von denen vier von Versicherungsgesellschaften finanziert werden. Nach seinen Angaben beurteilen die Versicherungen das Kosten-Chancen-Verhältnis als sehr gut. Das Engagement in die Hagelflieger sei für die Versicherungen eine Investition in die Prävention, so Kasparek. Er regte an, auch in Rosenheim mit einer regionalen Versicherung zu reden.

Die Mitgliederversammlung des Hagelforschungsvereins Rosenheim war von Josef Bodmaier geleitet worden, der den erkrankten Vorsitzenden, den stellvertretenden Landrat Sepp Huber, vertrat. Bei den Neuwahlen bestätigte die Mitgliederversammlung im Wesentlichen die bestehende Vorstandschaft. Ihr gehören Landrat Otto Lederer, der stellvertretende Landrat Sepp Huber, Josef Bodmaier, Johann Hacklinger, Johann Bauer, Professor Peter Zentgraf, Thomas Paukert und August Voit an. Neu im Gremium ist Vogtareuths Bürgermeister Rudolf Leitmannstetter. Das langjährige Vorstandmitglied Hans Stöttner war im Herbst gestorben.

Für die langjährige Partnerin des Hagelforschungsvereins, die „Meine Volksbank Raiffeisenbank eG“ mit Sitz in Rosenheim sprach Sebastian Friesinger. Die Hagelflieger seien seit Jahren ein wichtiges Thema und die Volks- und Raiffeisenbank stünde voll dahinter, sagte er in seinem Grußwort. Seit mehr als 20 Jahren sind Rosenheims Hagelflieger bei Bedarf auch im benachbarten Tirol im Einsatz. Für den Hagelabwehr- und Forschungsverein Tirol bedankte sich deren Obmann Walter J. Mayr für die Unterstützung, die für ihn nach wie vor keine Selbstverständlichkeit ist. Die Piloten waren heuer an vier Tagen grenzüberschreitend tätig.

Der Verein erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Überschuss von gut 38.000 Euro. Das Geld fließt in die Rücklagen und dient der Mitfinanzierung eines neuen Flugzeugs sowie der weiteren Forschungsarbeit. Mit rund 7.500 Mitgliedern ist der Hagelforschungsverein Rosenheim der größte Verein in der Region. Quelle: ‚OVB online.de‚.

Bitte einmal Wolken impfen

Georg Vogl hat als Pilot der Hagelabwehr in der Luft schon viel erlebt – auch ausfallende Motoren und eine Notlandung. Er fliegt dennoch weiterhin mitten in die Gewitterfront. Warum er und seine Kollegen sich das antun. Zum vereinbarten Treffen kommt Georg Vogl natürlich mit Käthi angeflogen, fünf Minuten überpünktlich setzt die Partenavia-Maschine auf der Landebahn in Vogtareuth nördlich von Rosenheim auf. Wären Passagiere an Bord, sie hätten bei der sanften Landung wahrscheinlich geklatscht – sieben Sitze bietet der Propellerflieger – aber an Bord ist Vogl in der Regel alleine. Vielleicht liegt es an den Orten, die er mit Käthi ansteuert: immer die Stellen, wo andere Flugzeuge lieber einen Bogen drumherum fliegen, immer direkt in die unterste Schicht von Gewitter- und Unwetterwolken.

Vogl ist Pilot und Leiter der Rosenheimer Hagelabwehr, er erzählt von einem seiner letzten Einsätze: „Da waren die Turbulenzen so stark, dass der Flieger überall hingeflogen ist, nur nicht dahin, wo man hingelenkt hat.“ Trotzdem sei jener Samstag ein ganz normaler, ein „typischer“ Einsatz gewesen. Vogl hat schon viel gefährlichere Situationen in der Luft erlebt, oder besser: überlebt. Seit Anfang der 1980er Jahre fliegt Vogl schon für die Hagelabwehr, mehr als 2000 Einsatzstunden habe er in der Luft verbracht, sagt er. Vor vielen Jahren kreiste er mit einer einmotorigen Maschine, einer Vorgängerin der jetzigen Flugzeuge, über dem Ebersberger Forst. Während eines Übungsflugs fiel plötzlich der Motor aus. Bei einer einmotorigen Maschine – noch dazu in den Unwetterwinden. „Das war das einzige Mal, dass ich einen Notfall ausgerufen habe“, sagt Vogl mit jener Ruhe in der Stimme, die man wahrscheinlich in so einer Situation braucht.

Der Fluglotse, mit dem er auf seinen Notfall-Funk hin gesprochen habe, sperrte erst mal großzügig den Luftraum. „Da habe ich gemerkt, wie fit die Lotsen wirklich sind.“ Er bugsierte das antriebslose Flugzeug zum Flughafen München-Riem. „Mit dem letzten Rest der Batterie hab ich dann das Fahrwerk rausgelassen.“ Vogl landete sicher. Als es dann darum ging, neue Flugzeuge für die Hagelabwehr anzuschaffen, „gab es dann den Spruch: Wir lassen den Fallschirm weg und nehmen dafür einen zweiten Motor.“ Bei Käthi dreht sich links und rechts der Kabine je ein Propeller. Falls doch mal was sein sollte, vertraut Vogl auf die geringe Wahrscheinlichkeit, dass beide Motoren und damit auch Propeller gleichzeitig defekt sind: „Der rechte Motor weiß schließlich nicht, dass der linke ausgefallen ist.“

Die beiden Propellermaschinen der Hagelabwehr – neben Käthi steht noch Hannelore in der Vogtareuther Garage – fliegen in der Saison um die 25 Mal ins Gewitter. Sie waren zum Beispiel bei den starken Unwettern Ende Juni über Ebersberg im Einsatz. Damals hagelte es stellenweise und es prasselten bis zu 35 Liter pro Quadratmeter in einer Viertelstunde hinab. Da kann dann auch Vogl nicht mehr viel machen. Denn den Niederschlag selbst verhindert die Hagelabwehr nicht. Im besten Falle prasseln aber keine Hagelkörner, sondern nur Regentropfen auf die Maisfelder und Autodächer.

Die Spuren der Hageleinschläge sieht man auch an den Flugzeugen. An der vorderen Seite der Tragfläche ist Käthis Festgummi zerbeult, Hannelores Schnauze hat auch schon was abbekommen. Zum Glück seien sie „gutmütige Flugzeuge“, die einiges verzeihen, sagt Vogl. Das müssen sie auch, wenn man bedenkt, wo Vogl seine Flugzeuge hinsteuert. Direkt hinein in die Gewitterfront.

Um zu verstehen, warum die Piloten sich das und ihren Flugzeugen antun, hilft ein kleiner Exkurs in die Meteorologie. „Bei jeder Wolke wird die Feuchtigkeit von unten in die Höhe gezogen“, sagt Vogl. Dafür muss es unten warm sein, die Thermik transportiert dann die Luft mitsamt Wassertröpfchen nach oben. Bei Hagelwolken besonders stark, bis zu 13 Kilometer trägt der Aufwind die Wolkentropfen in die Höhe. „Da können Sie auch einen Ziegelstein fallen lassen und der fliegt nach oben“, sagt Vogl halb ernst, halb im Scherz. Je höher es die Luft trägt, desto kälter wird es. Kalte Luft kann nicht so viel Feuchtigkeit binden wie warme Luft. Es entstehen Wolken. Geht man noch höher, gefriert manches Wassertröpfchen, an die Spitzen der Eiskristalle hängen sich die nicht gefrorenen Wolkentröpfchen dran, vier Millionen davon bilden einen normalgroßen Regentropfen. Ist der Aufwind stark genug, treibt es die Tropfen auch in Höhen, wo sie gefrieren: Es entstehen Hagelkörner.

Aber selbst die stärksten Aufwinde reichen irgendwann nicht mehr aus, um die größer und größer gewordenen Hagelkörner und Regentropfen in der Höhe zu halten. Die Gravitation zieht die Eis-Wasser-Tropfen nach unten. Auf diesem Weg zum Boden entscheidet sich, ob Eis oder Wasser im Garten ankommt. Denn oft schmelzen die Eiskörner beim Fallen noch. Nur wenn sie dafür zu groß sind, kommen unten Hagelkörner an. Und da setzt die Hagelabwehr an. Ziel ist es, den Wassertropfen möglichst viele Partikel in der Wolke bereitzustellen, so dass sie sich auf Tropfen verteilen können. Die einzelnen Eiskörner bleiben auf diese Weise so klein, dass sie beim Fallen schmelzen. Aber: „Die Menge Wasser bleibt gleich“, erklärt Vogl. Wahrscheinlich ist das wie bei einem Zehn-Liter-Bierfass: Ob es für die Feier ausreicht, hängt von der Gästezahl ab, auf die es sich verteilt.

Das Kernstück der Hagelabwehr hängt wenig aufsehenerregend an den Enden der Tragflächen. Auf den ersten Blick ist es nur ein etwa anderthalb Meter langes, silbernes Rohr. In der Mitte des Rohres ist ein Tank für etwa 15 Liter, darin: Silberjodid. Eine Mischung aus Aceton, das mit sechs Prozent Silber versetzt wurde. Im Flug verbrennt das Gemisch mit Temperaturen von bis zu 1200 Grad. Am Ende des Rohrs kommt der Rauch raus, wie beim Auspuff. Damit die Rauchpartikel dort ankommen, wo die Wolkentröpfchen zu Regen und Hagel werden, muss Vogl direkt zur Wolkenbasis fliegen. Etwa 500 bis 2500 Meter über dem Boden. Der Rauch steigt also mit der Feuchtigkeit auf. Die Wolke bekommt so „künstliche Kondensationskeime“, erklärt Vogl. Die „Wolken impfen“, nennen sie das. Quelle: ‚Süddeutsche Zeitung‘.

Notlandung nach Hagelschlag

Am Sonntag, 15. August musste eine einmotorige Cessna auf dem Flug von Nürnberg in die Schweiz bei Ludwigsburg eine Notlandung durchführen. Das teilt die Polizei mit. Die beiden Schweizer Staatsangehörigen, der 64-jährige Pilot und sein 32-jähriger Sohn, blieben dabei unverletzt. Durch den Hagelschaden und die Notlandung entstand an der Cessna Totalschaden in Höhe von rund 110.000 Euro. Quelle: ‚Schwäbische‚.

Dürftige Beweislage für Hagelflieger-Wirksamkeit

Nichts fürchten Landwirte mehr als Hagel. Das Impfen der Wolken mit Chemikalien soll sie vor schweren Schäden schützen. Doch ob die Methode wirklich wirkt, ist stark umstritten. Ebenfalls seit der Antike versucht der Mensch, aufziehende Gewitter zu bekämpfen. Nur die Methoden haben sich geändert: Früher versuchte man, das Ungetüm mit Gebeten, Glockengeläut und anderem Lärm zu verjagen, seit einigen Jahrzehnten nun sind sogar Raketen und kleine Motorflieger im Einsatz gegen dunkle Wolkentürme. Hagelabwehr nennt sich dieser Versuch der Wetterbeeinflussung, und es breitet sich in Süddeutschland immer weiter aus – jetzt gibt es auch eine Hagelabwehr in Südbaden. Die Mission besteht darin, das Entstehen schwerer Hagelkörner in Gewitterwolken zu verhindern. Mit Hagelfliegern sollen Gewitter geimpft werden, so der Fachjargon. Quelle: ‚Badische Zeitung‚.