Lost in Italy – Tag 1

Autor Kai Lindenberg

Sonntag, 20. August 2006Schon seit einigen Tagen haben wir Mistral-Lage, Nordwind über einem mehr oder weniger breiten Teil der Westalpen. Mal wieder zeigt sich der August mit vielen Möglichkeiten, die Alpen vom Talgrund bis zur Sonne, von Westen bis Osten und vom Süden bis in den Norden im Flug ohne Motor zu erkunden.“Heute Nachmittag frischt der Nordwind auf…“ so hören wir es von Klaus Ohlmann. „Nördlich vom Susa-Tal kann mit Wellen gerechnet werden und ansonsten brauchbare Thermik“, so etwa ist der Bericht für heute.

Das klingt doch nicht schlecht. Also ab in die Luft, den Tag genießen. Zuerst in den Süden, der Gewohnheit wegen, dann die Gegend um Briançon inspizieren und nachsehen, wo es wellt.
Der südliche Startplatz von Serres la Batie mit dem weißen Pic de Bure im Hintergrund (Quelle: H. Rupp)

Südlich von St. Andrė – östlich des Parcours – wird es blau und nur Piloten, die es auch sind, ignorieren das. Also in den Norden. Horst Rupp, Gerd Spiegelberg und Gerd Heidebrecht sind schon auf Nordkurs und ich habe auch gerade meine LS8-15m (oder kurz: Lucy) auf Nord eingedreht. Das obere Verdon-Tal lässt sich mit etwas Mühe nehmen. Bei Barçelonnette angekommen, zeigt sich: Die Basis steigt nach Norden an. Am Col de Vars steigt sie weiter… sehr geschickt macht sie das, so lockt sie uns immer weiter in den Norden, die anderen drei immer ein paar Kilometer vor mir. Wie Brotkrumen im Wald geht es den Wolken hinterher bis in den obersten Teil des Modane-Tals hinter den Ort Bonneval an den Col du Carro. Hier parken schon eine Weile Horst Rupp und Gerd Spiegelberg. Im Moment als ich ankomme, verschwinden sie nach oben in einer Welle.

Gerd Heidebrecht, schon auf der Aosta-Seite, meldet wenig später den Einstieg in die Welle ein Tal weiter westlich. Ich, entzückt von so vielen Wellen und guten Cumuli im Bereich von Aosta, nehme mir vor, etwas Zeit gut zu machen (die anderen sind schließlich schon in 5000 m und weiter auf Nordkurs), thermisch zum Matterhorn zu fliegen, dann thermisch zurück an den Einstiegspunkt von Gerd und dort in die wohlgepflegte Welle einzusteigen, die mich vielleicht am Abend noch nach Aubenasson am Rande des Rhône-Tals trägt.

Es klappt alles prima. Am Grand Nomenon (Grivola) trägt mich schwache Welle auf die Nordseite – die Basis ist hier auf 3500 m – und schnell bin ich 15 km südlich des Matterhorns. Der Rest der Strecke sieht mir zu zeitraubend aus.

Der Rückflug klappt auch ganz gut, allerdings haben sich die Wolken irgendwie verändert. Was soll’s – dann halt mit einem kleinen Umweg zum Einstiegspunkt wieder auf die Südseite des Aosta-Tales und Welle suchen.

Konzept gemacht und umgesetzt, komme ich bald am Welleneinstiegspunkt im Val de Rhêmes an. Etwas suchen und ab in die Welle… na gut, ein wenig mehr suchen und dann halt noch ein wenig mehr…

Bin ich im falschen Quertal? Könnte sein. Nichts wie raus hier und eines weiter nach Osten ins Val Savarenche. Der Hang geht 🙂 Höhe machen, vorfliegen und ab dafür nach ganz oben. Beim Vorfliegen habe ich wohl danebengegriffen. Naja, dann halt nochmal an den Hang und vorfliegen. Und… und… und…

Flugplatz Aosta (Quelle: Karl & Konrad aus Pegnitz)

Ich muss es einsehen: Die Welle ist weg. 3500 m Basis, der Weg über Val d‘ Isère ist wettertechnisch nicht machbar. Das sieht nicht gut aus. Da hilft nur, das Notprogramm einzuleiten, schließlich ist nun schon halb sieben durch. Nach einiger Sucherei Richtung Mont Blanc dann – mitten im Kessel – 2m/s Steigen im Schnitt – Strike, geschafft, das kann noch klappen. Schnell bin ich auf 3500 m, aber da ist dann auch Schluss. Nun ist es schon wieder eine Stunde später, der Wellenzug ist abgefahren.

Um noch Leute anzutreffen, lande ich gegen Acht in Aosta. Das Hotel am Flugplatz kenne ich schon. Inzwischen kann man dort auch essen und Flugbetrieb ist für den nächsten Tag sichergestellt. Na immerhin, so kann man doch auch mal eine Nacht verbringen.

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