Streckenflug im Duo-Discus HB-3411 mit Elia Reidy und Roland Bieri am 20.August 2023, gestartet in Bern, via Wallis, Aletschglestscher, Matterhorn und Aostatal bis zum Lac Mt. Cenis und wieder zurück. Herrliche Bilder zum Mitgleiten im Aufwind mit Gänsegeiern. Quelle: ‚youtube.com‚.
Sonntag, 20. August 2006Schon seit einigen Tagen haben wir Mistral-Lage, Nordwind über einem mehr oder weniger breiten Teil der Westalpen. Mal wieder zeigt sich der August mit vielen Möglichkeiten, die Alpen vom Talgrund bis zur Sonne, von Westen bis Osten und vom Süden bis in den Norden im Flug ohne Motor zu erkunden.“Heute Nachmittag frischt der Nordwind auf…“ so hören wir es von Klaus Ohlmann. „Nördlich vom Susa-Tal kann mit Wellen gerechnet werden und ansonsten brauchbare Thermik“, so etwa ist der Bericht für heute.
Das klingt doch nicht schlecht. Also ab in die Luft, den Tag genießen. Zuerst in den Süden, der Gewohnheit wegen, dann die Gegend um Briançon inspizieren und nachsehen, wo es wellt.
Der südliche Startplatz von Serres la Batie mit dem weißen Pic de Bure im Hintergrund (Quelle: H. Rupp)
Südlich von St. Andrė – östlich des Parcours – wird es blau und nur Piloten, die es auch sind, ignorieren das. Also in den Norden. Horst Rupp, Gerd Spiegelberg und Gerd Heidebrecht sind schon auf Nordkurs und ich habe auch gerade meine LS8-15m (oder kurz: Lucy) auf Nord eingedreht. Das obere Verdon-Tal lässt sich mit etwas Mühe nehmen. Bei Barçelonnette angekommen, zeigt sich: Die Basis steigt nach Norden an. Am Col de Vars steigt sie weiter… sehr geschickt macht sie das, so lockt sie uns immer weiter in den Norden, die anderen drei immer ein paar Kilometer vor mir. Wie Brotkrumen im Wald geht es den Wolken hinterher bis in den obersten Teil des Modane-Tals hinter den Ort Bonneval an den Col du Carro. Hier parken schon eine Weile Horst Rupp und Gerd Spiegelberg. Im Moment als ich ankomme, verschwinden sie nach oben in einer Welle.
Gerd Heidebrecht, schon auf der Aosta-Seite, meldet wenig später den Einstieg in die Welle ein Tal weiter westlich. Ich, entzückt von so vielen Wellen und guten Cumuli im Bereich von Aosta, nehme mir vor, etwas Zeit gut zu machen (die anderen sind schließlich schon in 5000 m und weiter auf Nordkurs), thermisch zum Matterhorn zu fliegen, dann thermisch zurück an den Einstiegspunkt von Gerd und dort in die wohlgepflegte Welle einzusteigen, die mich vielleicht am Abend noch nach Aubenasson am Rande des Rhône-Tals trägt.
Es klappt alles prima. Am Grand Nomenon (Grivola) trägt mich schwache Welle auf die Nordseite – die Basis ist hier auf 3500 m – und schnell bin ich 15 km südlich des Matterhorns. Der Rest der Strecke sieht mir zu zeitraubend aus.
Der Rückflug klappt auch ganz gut, allerdings haben sich die Wolken irgendwie verändert. Was soll’s – dann halt mit einem kleinen Umweg zum Einstiegspunkt wieder auf die Südseite des Aosta-Tales und Welle suchen.
Konzept gemacht und umgesetzt, komme ich bald am Welleneinstiegspunkt im Val de Rhêmes an. Etwas suchen und ab in die Welle… na gut, ein wenig mehr suchen und dann halt noch ein wenig mehr…
Bin ich im falschen Quertal? Könnte sein. Nichts wie raus hier und eines weiter nach Osten ins Val Savarenche. Der Hang geht 🙂 Höhe machen, vorfliegen und ab dafür nach ganz oben. Beim Vorfliegen habe ich wohl danebengegriffen. Naja, dann halt nochmal an den Hang und vorfliegen. Und… und… und…
Flugplatz Aosta (Quelle: Karl & Konrad aus Pegnitz)
Ich muss es einsehen: Die Welle ist weg. 3500 m Basis, der Weg über Val d‘ Isère ist wettertechnisch nicht machbar. Das sieht nicht gut aus. Da hilft nur, das Notprogramm einzuleiten, schließlich ist nun schon halb sieben durch. Nach einiger Sucherei Richtung Mont Blanc dann – mitten im Kessel – 2m/s Steigen im Schnitt – Strike, geschafft, das kann noch klappen. Schnell bin ich auf 3500 m, aber da ist dann auch Schluss. Nun ist es schon wieder eine Stunde später, der Wellenzug ist abgefahren.
Um noch Leute anzutreffen, lande ich gegen Acht in Aosta. Das Hotel am Flugplatz kenne ich schon. Inzwischen kann man dort auch essen und Flugbetrieb ist für den nächsten Tag sichergestellt. Na immerhin, so kann man doch auch mal eine Nacht verbringen.
Der erste Termin des Alpenfluglehrgangs wurde leider aufgrund einer langen Schlechtwetterfront in Süddeutschland kurzfristig abgesagt. Zum neuen Termin vom 22.07.2023 bis 29.07.2023 haben sich dann dennoch vier Flugzeuge der Akafliegs aus Berlin, Darmstadt, Karlsruhe und unsere Wenigkeit in Königsdorf getroffen. Als die Speerspitze aus Braunschweig in Königsdorf am Freitag Abend eingetroffen ist konnten die Hallen der Münchner Akaflieger auf eigene Faust erkundet und das leckere Bier verkostet werden bevor wir herzlichst empfangen wurden. Bis zum Samstag morgen sind alle weiteren Akaflieger eingetroffen, sodass die ersten Eingewöhnungsfluge bis auf die schwäbische Alb durchgeführt werden konnten.
Am Sonntag sollte es dann das erste Mal ins Hochgebirge gehen. Während Marvin beim Trainer mitflog saßen Lars und Lotte in unserem Duo. Das Wetter zeigte uns klar den Ostweg Richtung Österreich. Bis zum Hochkönig (ca. 150km von Königsdorf) hat unser Team super harmoniert, es sind wunderschöne Bilder entstanden und wir haben viel gelernt. Der Duo beendete diesen schönen Flug dann frühzeitig auf der 50 Schilling Wiese in Österreich.
Leider war uns der Wettergott nicht gnädig, sodass die nächsten Tage aus theoretischen Grundlagen, Fluganalyse und Erfahrungsaustauschen bestand. Erst am Abreisetag versprach der Wetterbericht wieder fliegbares Wetter, sodass ein Hangflug bis an die Zugspitze erfolgen sollte. Nach einem langen Schlepp und viel Kurbeln in schwachem Steigen wurde klar, dass sich das Wetter bei uns doch viel schlechter entwickelt hat als angekündigt, sodass der Flug auf dem Nachbarflugplatz beendet werden musste. Trotzdem bedanken wir uns ganz herzlich bei der Akaflieg München als Ausrichter und Organisator der Lehrgangs, den Trainern und den anderen Akafliegern für eine sehr schöne und lehrreiche Woche. Wir kommen sehr gern bei besserem Wetter wieder 🙂 Quelle: ‚Akaflieg Braunschweig‚.
Es ist schon Mitte August, die Thermik an dem Tag grösstenteils schwach, die Basis recht tief. Aber es hat gerade genug Südwind, dass die Hänge tragen und so Teile der Strecke im Hangflug überbrückt werden können. Beim Rückweg sogar so konstant, dass die 100 km vom Furkapass bis zum Weissfluhjoch ohne einen einzigen Kreis gehen 🙂 Quelle: ‚Dominik Mauchle / Youtube‚.
Martin Knops berichtet auf flieger.news regelmässig über die Erfahrungen mit seinem Traumflugzeug Jonkers JS 1.
Der Aletschgletscher mit dem Konkordiaplatz (Zusammenfluss der Gletscher).
Autor Martin Knops
Noch ein wunderbarer Alpenflug
Von den Eindrücken eines einzigen Fluges kann ich wochenlang, monatelang zehren. Wenn nötig sogar über den ganzen Winter, wenn Skifahren und andere Aktivitäten die Lücke mehr schlecht als recht füllen.
Ein einziger Flug füllt den Akku für lange Zeit. Aber mehr ist nie Zuviel und gerade in den Alpen geht es meist Schlag auf Schlag. So war ich nach dem atemberaubenden Ritt durch Massif Central und Hochalpen gerade aus dem Cockpit gestiegen, hatte das Flugzeug vertäut, ein wenig gegessen und eine Mütze Schlaf genommen, da saß ich schon wieder in der JS1 und wurde in den Himmel über Serres gezogen; zusätzlich motiviert durch die Aussicht, dass dies wohl der letzte Flug des Urlaubs, vielleicht der ganzen Saison werden würde.
Traumziel aller in Südfrankreich fliegenden Piloten: der Rhônegletscher, die Quelle der Rhône.
Am Nachmittag sollten von Westen dichte Cirren aufziehen, Vorboten des schlechten Wetters der nächsten Tage. Doch vorher versprach es nochmals ein schöner Thermiktag zu werden. Wenn auch mit Überentwicklung und eingelagerten Schauern über den Ecrins und der Vanoise.
Mein Plan war, über den Vercors und die westlichen Ausläufer der Ecrins zum Mont Blanc zu fliegen und von dort das Rhonetal hinauf zum Furkapass vorzustoßen. Das musste dieses Jahr einfach nochmal sein, auch wenn klar war, dass der Rückweg zwischen Schauern im Osten und aufziehender Abschirmung im Westen schwierig werden würde.
Mit weiteren Details des Rückfluges wollte ich mich zunächst nicht beschäftigen. Kommt Zeit, kommt Rat und zur Not… gibt es da ja noch den Jet.
In über 20 Jahren Alpensegelflug bin ich nur einmal aussengelandet und habe nie einen Motor vermisst. Aber ja: Dieses Jahr hätten 2 von 3 Flügen ohne Motor anders ausgesehen. Ich wäre nicht ins Zentralmassiv geflogen und ich hätte am 3. Tag nicht dem Furka „Hallo“ gesagt – der Jet eröffnet neue Horizonte, hilft, den inneren Schweinehund zu überwinden!
So ging es nach dem Ausklinken und einigen Kreisen frohen Mutes Richtung Norden. Statt das mäßige Steigen bis zur Wolkenuntergrenze auszuschöpfen, blieb ich zunächst bewusst unter Hangkante und surfte die sonnenbeschienenen Ostflanken entlang. Dies macht wirklich Spaß und ist zudem recht eindrucksvoll: in den Bergen, nicht über den Bergen.
An der Ostkante des Mont Augille im „Trièves“.
Erst am Mont Aiguille, einem wunderschönen, der Ostkante des dem Parc National du Vercors vorgelagerten Monolithen, schraubte ich mich auf 2700 m und gewann so genug Höhe für die Talquerung Richtung Ecrins. Diesen Weg hatte ich bislang selten gewählt, weil er sich meteorologisch nicht oft anbietet. Leider, denn die Landschaft, die man hier durchfliegt, ist fantastisch, einfach wunderschön und abwechslungsreich. Ich sog die zahlreichen Eindrücke im Vorbeiflug bewusst auf und griff auch wiederholt zur Handykamera. Ich hoffe, die Fotos vermitteln näherungsweise die Anmut dieser Landschaft!
Blick vom Pic des Eustaches / Chaîne de Belledonne (südöstlich von Grenoble Le Versoud) zum Massif des Bauges bei Challes-les-Eaux.
Je weiter ich mich von meinem Startort Serres entfernte, desto vertrauter wurde mir die Gegend kurioserweise. Mont Blanc, Matterhorn, Rhônetal, Furka: diesen Teil der Alpen hatte ich mir in den letzten Jahren Stück für Stück erflogen und mittlerweile fühle ich mich hier so wohl wie im heimischen Sauerland.
Die Gletschwelt des Südwallis. Rechts in der Mitte erkennt man die Silhouette des Matterhorns.
Ich genoss jede Minute dieses zunächst völlig entspannten Fluges zwischen den höchsten Bergen Europas. Das Wetter wurde zunehmend besser und so ging es zügig am Mattertal vorbei auf die Nordseite des Rhonetals und auf dem Hauptgrad Richtung Furka. Alles lief wie am Schnürchen und das änderte sich zunächst auch nicht auf dem Rückweg.
Eines der schönsten Täler der Schweiz, das Goms, zeigt sich thermisch von der besten Seite.
Querab des Mont Blanc wurde allerdings klar, dass es schwierig werden würde, nach Serres zurückzukommen. Über der weitläufigen Vanoise ließ sich kein einziger Sonnenstrahl mehr ausmachen. Hier ging es schon mal nicht durch. Im Westen zog bereits deutlich die angekündigte Abschirmung auf. Die Einstrahlung war bereits massiv eingeschränkt. Dennoch lag hier die einzig sinnvolle Option: Gas rausnehmen, Nase Richtung Südwest, die leidlich angeströmten Westhänge entlang fliegen und auf die eine oder andere Thermikablösung setzen.
Auf dem Rückweg franst das bisher gute Segelflugwetter aus.
Das klappte zunächst auch ganz gut, aber ein richtiger Aufwind ließ sich nicht mehr finden. Aufgeben gilt aber nicht! Landeoptionen gab es genug, zunächst Chambery, dann Grenoble. Ein einziger vernünftiger Bart fehlte noch für den sicheren Gleitflug nach Serres. Aber der wollte sich entlang der Bergkette nordöstlich von Grenoble einfach nicht finden lassen. Jetzt musste eine Entscheidung her: Talquerung nach Westen in die Chartreuse, wo eine eher sterbend aussehende Cumulus-Wolke „lockte“ oder „geradeaus“ unter die einzige, eigentlich noch gut aussehende Wolke weit südlich Grenoble. Letztere Wolke würde ich knapp erreichen. Würde sie nicht „ziehen“, gäbe es keinen weiteren Weg nach vorne, stattdessen nur den zurück zum Flugplatz Grenoble. Die Chartreuse bot dagegen mehrere Optionen, sollte es „die eine“ Wolke nicht tun, gäbe es noch eine 2. und letztlich den Einflug in den Vercors.
Nicht einfach, wie alle „echten“ Entscheidungen. Und doch: hätte es nicht noch einen weiteren Gedanken im Hinterkopf gegeben, hätte ich alle meine Karten auf die (noch) gut aussehende Wolke gesetzt – und wäre nach Hause gekommen, wie ich im Nachhinein im Internet sehen konnte 😖 (ein anderer Flieger hat fast zu gleicher Zeit diesen Weg gewählt).
Vom rechten Pfad abgebracht hat mich, dass ich noch nie zuvor in der Chartreuse war und noch nie zuvor aus dieser Lage den Rückweg westlich des Vercors gewählt hatte. Auch dieser weiße Fleck auf der Landkarte wollte erobert werden: also hinein ins Verderben – Grrr.
Um die Kirche im Dorf zu lassen: Das Verderben bestand letztlich im Zünden des Motors in sicherer Anflughöhe auf Grenoble. Nach zehn Minuten und knapp 1000 zusätzlichen Metern befand ich mich im Endanflug auf Serres und dank einer Wolkenstrasse, die sich trotz der Abschirmung noch gebildet hatte, konnte ich den Flug sogar noch etwas ausdehnen. Genau für solche Situationen habe ich den Motor schließlich. Und doch: ich gräme mich selbst nach Monaten noch. Es wäre möglich gewesen, ohne Jet nach Hause zu kommen und ich habe es nicht geschafft. Diese Gedanken mag mancher Leser kleinkariert finden. Ich bin aber froh, dass ich immer noch so ticke. Nur mit dieser Einstellung wird man besser. Und genossen habe ich den Flug trotzdem. Sehr sogar 😀.
Martin Knops berichtet auf flieger.news regelmässig über die Erfahrungen mit seinem Traumflugzeug Jonkers JS 1.
Im Tal von Chamonix: Blick auf die Aiguille du Midi und die Grandes Jorasses im Hintergrund.
Autor Martin Knops
Was für eine Saison! Ganz persönlich, aber auch allgemein. In den 35 Jahren meines bisherigen Fliegerlebens gab es wohl noch kein Jahr, in dem in Deutschland an so vielen Tagen 1000er geflogen worden sind.
Und ich war an keinem dieser Tage zur Stelle – falscher Ort, keine Zeit (meist), verpennt oder gerade auf einem Wettbewerb – dazu später mehr. Auch in meinem Urlaub in den französischen Alpen habe ich es so schlecht wie noch nie erwischt: nur drei von sieben Tagen waren fliegbar.
Grund sich zu grämen? Mitnichten! Auch ich habe fantastische Flüge gemacht – spektakuläre sogar! Und nebenbei bin ich nach 14 Jahren Abstinenz erfolgreich wieder ins Wettbewerbsgeschehen eingestiegen. „Erfolgreich“ ist sogar leicht untertrieben: Mit einem zweiten Platz im Jenacup gegen und vor Koryphäen wie Bruno Gantenbrink und Alexander Müller hätte ich im Leben nicht gerechnet – einfach wunderbar!
Zäumen wir das Pferd ausnahmsweise mal von hinten auf und beginnen mit den drei tollen Tagen in Serres. Eigentlich sollte es wie üblich eine volle Flugwoche werden. Aber der Wettergott hatte diesmal etwas dagegen.
Angekommen am Freitag, 12.August 2022, begann es am Samstag vielversprechend: homogene Bedingungen bis weit in den Norden (in Deutschland wurden an dem Tag mal wieder 1000 km geflogen), aber weitgehend blau, im Südosten dafür Gefahr von Schauern und niedrige Basis.
Nicht alle teilten meine Euphorie, hatten sie doch 14 Tage grandiosen Wetters in den Knochen, ein Tag besser als der andere. Und jetzt Blauthermik… die verbrachte man doch besser am Pool als in der Luft.
Inmitten der Gletscherwelt des Wallis (Blick von Norden auf den Mont Blanc de Cheillon)
Mich dagegen schreckt Blauthermik im Gebirge überhaupt nicht. Leicht übertreibend behaupte ich sogar, dass Wolken im Gebirge nur stören – als Störfaktor im ansonsten perfekten Zusammenspiel von Wind, Sonne und Orographie.
Dabei schätze natürlich auch ich eine möglichst detaillierte und verlässliche Prognose von Arbeitshöhen und Thermikgüte. Damit lässt sich das Risiko unangenehmer Überraschungen beim Flug ins Blaue effektiv reduzieren. Herausgekommen ist an diesem Samstag ein wunderbarer Flug über mehr als 700 km zunächst nach Norden durch die Ecrins, westlich vorbei am Mont Blanc und zurück durch die Gletscherwelt des Wallis. Dort nur mit der Hilfe von Sonne und Wind hindurch zu fliegen, ist immer wieder so beeindruckend, die Landschaft so imposant und majestätisch!
Selbst in über 3000m Höhe fühlt man sich hier ganz klein, muss man den Kopf in den Nacken legen, um im Vorbeiflug einen Blick auf den fast 2000m höheren Gipfel zu erhaschen. Hier gibt es tatsächlich noch das sprichwörtliche ewige Eis, hier schweifen die Blicke über die wohl ausgedehnteste Gletscher-, Eis- und Felslandschaft, die die Alpen zu bieten haben.
Am weitläufigen Mont Blanc Massif bewundere und bestaune ich immer wieder die tollkühn konstruierten Seilbahnen, die die unwirtlichsten Ecken erschließen. Unglaublich, welch winzige Vorsprünge und Felsnadeln hier als Untergrund für Pfeiler, Stützen und Stationen dienen. Mit welchem Einsatz, sicher auch Einsatz von Menschenleben sind diese Bauwerke wohl einst errichtet worden. Kein Vergleich mit den eher profanen Seilbahnen, die ich aus den von mir typischerweise besuchten Skigebieten kenne.
Die Bergwelt zwischen Mt Blanc im Westen, Aostatal im Süden, Mattertal im Osten und Rhônetal im Norden glänzt dagegen durch ihre Unberührtheit. Nur vereinzelte Stauseen zeugen hier von menschlicher Zivilisation. Ansonsten schweift der Blick über viele viele Kilometer von Gipfel zu Gipfel, von Gletscher zu Gletscher, von Schneefeld zu Schneefeld. Kein Dorf, kein Skigebiet, keine Seilbahn. Dafür ein Viertausender neben dem nächsten – Wow!
Ich sauge das alles in mich auf und genieße! Ein wunderbarer erster Flugtag!
Das „Dach Europas“, der Mont Blanc
Irgendwann wird die Flugzeugnase doch gen Süden gedreht und ich entschwinde dem Wallis Richtung Vannoise. Unter bewusster Umgehung des Vogelschutzgebiets am Gran Paradiso geht es jetzt zügig auf fast schon ausgetretenen Pfaden zurück in heimatliche Gefilde. Modanetal, Bardonecchia, Brianconnais; hier kann ich mich schon fast schlafwandlerisch bewegen. Und doch macht es immer noch und immer wieder ungeheuren Spaß hier zu fliegen – und das Wetter sorgt immer wieder für Überraschungseffekte und lehrt einen Neues.
Heute läuft es und ich werde fast übermütig. Dreihundert Kilometer mit nur 5 Kreisen, einfach fantastisch! (Hier der Link zum Flugweg 😀).
Geradeaus, immer weiter geradeaus geht es nach Süden bis zum Lac de Castellane und von dort wieder nach Norden bis an die Nordspitze der Écrins, immer noch ohne Kreis zurück nach Serres.
Das hat echtes Suchtpotenzial: atemberaubend, berauschend. „Klein Martin, der König der Berge“ – ein wenig fing ich an mich so zu fühlen – und erschrak! Hier droht es, gefährlich zu werden. Niemals darf man den Respekt vor den Bergen verlieren, niemals darf man überheblich, gar leichtsinnig werden, immer muss man das Bewusstsein für die Gefahren wach halten!
Diese Gedanken vermochten es natürlich nicht, meine Freude über diesen wunderbaren ersten Flugtag zu trüben. So toll! Ich war einfach glücklich, schlicht und einfach – glücklich! Allein für diesen einen Flug hatte sich die weite Anreise schon gelohnt!
In dieser Artikelserie berichtet Martin Knops auf flieger.news regelmässig über seine Erfahrungen beim und nach dem Kauf seines Traumflugzeuges Jonkers JS 1 sowie über seine erste Saison.
Übungsflüge lassen sich perfekt nutzen, um neue Routen auszuprobieren. Grundsätzlich sind die Abflugrouten vom Serres sehr vielfältig. Hier gibt es viel zu entdecken und zu erkunden. Zwei Varianten, die ich mir selbst erarbeitet habe und die auch für die Piloten der umliegenden Flugplätze Aspres, La Motte, Sisteron, Gap und St. Auban interessant sind, möchte ich hier kurz vorstellen. Die erste führt zur „Rennstrecke“, zum Parcours. Dieser ist bei gutem Wetter das Ziel auch der weniger erfahrenen Piloten. Wenn sich das Brisen-System etabliert hat, kann man dort über 50 km ohne Höhenverlust Geradeausfliegen. Aber wie hinkommen und wo einsteigen?
Mein favorisierter Weg führt über Crête de Selle und Malaup zum Grande Gautière östlich des Flugplatzes La Motte. Erreicht man hier 2’100 m Höhe, kann man das Tal der Sasse nach Südosten überqueren und über den Grat nach Süden in den Talkessel östlich des Pic de Morgon springen. Ziel erreicht! In diesen Kessel hat den ganzen Vormittag die Sonne eingestrahlt, hat senkrecht auf die Hänge gebrutzelt. Hier geht es mit großer Sicherheit hoch und zwar richtig! Hat man vorher mit schwachem Steigen um die Höhe zur Gratquerung gekämpft, so geht es nun im Fahrstuhl in den Orbit! Hoch genug, um problemlos nach Osten an die Rennstrecke zu queren. Dabei befindet man sich die ganze Zeit in sicherer Anflughöhe auf den Flugplatz Seyne. Sollte die Höhe nicht zur Querung in den Talkessel reichen, so hält man sich etwas nördlich und fliegt die nach Süden und Südosten ausgerichteten Hänge ab, bis man -möglicherweise erst westlich vom Seyne und deutlich unter Hangkante – den alternativen Aufwind findet, der dann den Sprung an den Parcours erlaubt.
Wem das jetzt zu viele Orts- und Bergnamen waren… Nein, man muss nicht jeden Stein beim Namen kennen, bevor man in den Alpen fliegt, und ehrlich gesagt, gehöre ich selbst zu jenen, die sich geradezu peinlich schlecht Namen merken können – einschließlich Bergnamen. Ein paar wenige markante Landschaftsmerkmale sollte man sich aber doch einprägen und dann vor Ort dazulernen. Das erleichtert die Kommunikation ungemein: „Wo bist du?“ – Schweigen – „Wo bist du?“ – Schweigen. Dann: „55 km vom Flugplatz weg. Östlich.“ So funktioniert das nicht. Umgekehrt kenne ich auch Piloten, die jeden Hügel beim Vornamen kennen und auf die Frage nach der Position mit eben diesen Namen um sich schmeißen. Auch in diesem Fall weiß hinterher niemand, wo der Kollege ist oder war.
Das „Dach Europas“, der Mont Blanc
Die zweite Abflugvariante führt nach Norden mit dem Fernziel Mont Blanc und ist eine Alternative zum Standardweg über Piolit und Guillaume an den Prachaval, den Hausberg bei St. Crépin. Auf diesem Standardweg umfliegt man östlich die Écrins mit ihren Viertausendern und hohen Pässen. Man nimmt aber auch einen großen Umweg in Kauf. Dies schmerzt… und außerdem habe ich gleich doppelt schlechte Erinnerungen an diesem Weg. Streift der Piolit einen nach dem langen Anflug vom Pic de Bure ab, so hat man prinzipiell zwei Optionen: Ins flache Gelände Richtung Gap abdrehen und später einen neuen Versuch starten oder der Bergkette weiter nach Osten folgen Richtung Tête de Lucy, Guillaume und letztlich St Crépin Flugplatz, den man üblicherweise sicher erreicht. Auf dieser Strecke gibt es eigentlich vielfältige Möglichkeiten, Thermik zu finden – falls die typische Brise sich einstellt und die nach Süden und Südosten ausgerichteten Hänge hinaufweht. Falls man aber nur denkt, dass sie sich eingestellt hat, während in Wahrheit ein westlicher Gradient-Wind parallel zu den Hängen weht, dann geht es auf dem Weiterflug nach Osten kontinuierlich bergab. Dies endete für mich einmal in der Platzrunde von St. Crépin, wo ich eine Stunde lang kämpfte, um letztlich doch wieder hochzukommen und weiter ins Briançonnais vorzufliegen.
Das zweite Mal endete mein Ausflug auf dem UL-Landeplatz am Lac de Serre Ponçon – wenigstens konnte ich dort baden, bevor die Rückholer mich einsammelten… Trotz des erfrischenden Bades im herrlichen Bergsee bevorzuge ich seit diesem Erlebnis alternative Routen in den Norden 😀. Fast schon selbst ein Standardweg ist der Flug über den Pas de la Cavale, mit knapp 2700 m der niedrigste Pass über die Écrins. Vom Pic de Bure geht es hierfür zunächst den Höhenzug am Col du Noyer entlang. Dort findet man meist einen Aufwind, so dass man problemlos auf der anderen Talseite am Cuchon in die Écrins
einsteigen kann. Von hier geht es weiter die Gräte entlang Richtung Pas de la Cavale. Die Sorge, diesen nicht überspringen zu können und den weiten Rückflug nach Gap antreten zu müssen, hält wohl viele Piloten davon ab, diesen Weg zu wählen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass der Überflug fast immer im ersten Anlauf gelingt. Und falls nicht, so muss man keinesfalls den Rückzug antreten, sondern eine weitere Schleife entlang der sonnenbeschienenen Hänge liefert die fehlende Höhe. Hat man den Pas de la Cavale überquert, so öffnet sich das Briançonnais mit all seinen Optionen. Ein direkter Weiterflug zum Tête d‘Amont südwestlich der Stadt Briançon oder zum Tête de Peyron auf der östlichen Talseite sind die naheliegendsten Varianten.
Was ich hier eigentlich bewerben möchte, ist der Flug durch die westlichen Écrins. Vom Cuchon geht es schnurstracks nach Norden und über Les Deux Alpes weiter in die Savoyer Alpen. Diese Route wird aus mir unerfindlichen Gründen äußerst selten geflogen. Dabei ist sie landschaftlich wunderschön und der absolut direkteste Weg zum Mont Blanc.
In dieser Artikelserie berichtet Martin Knops auf flieger.news regelmässig über seine Erfahrungen beim und nach dem Kauf seines Traumflugzeuges Jonkers JS 1 sowie über seine erste Saison.
Die doppelte Alpentraverse war unbestritten mein persönliches Highlight einer insgesamt tollen ersten Saison mit der JS1. Im Vorfeld des Kaufs hatte ich formuliert, dass ich „fliegerisch nochmal einen richtigen Schritt machen“ wollte. 1’000 km, große Flüge quer durch die Alpen: genau diese Dinge hatte ich dabei im Hinterkopf. Aber dass es so schnell gelingen würde, all dies umzusetzen, hatte ich nicht zu träumen gewagt.
Lag es alles am neuen Flieger? Ja und Nein… 1’000 km wäre ich mit der LS6 sicher nicht geflogen, die Alpentraverse dagegen wäre auch mit einem 15-m-Flieger gelungen. Überhaupt sind Spaß und Freude – und sogar sportlicher Erfolg im Segelflug nicht davon abhängig, dass man sich ein Flugzeug wie die JS1 leisten kann. Mit der LS6 habe ich über zehn Jahre ganz wunderbare Flüge gemacht und einige der tollsten Erlebnisse, an die ich auch nach Jahrzehnten noch zurückdenke, verbinde ich mit Flugzeugen wie Ka8, Ka6, Astir und ASW15; alles Fluggeräte für kleines oder sogar sehr kleines Budget.
Entscheidend ist, dass der Kauf des neuen Flugzeugs für mich ein ungeheurer Motivations-Schub war, der ganz neue Energien freigesetzt hat. Segelfliegen war schon immer mein liebstes Hobby und wurde auch von anderen sportlichen Leidenschaften wie Skifahren und Golfen nie verdrängt. Aber nach dem Erwerb der JS1 habe ich angefangen, mich intensiver mit Streckenplanung und allen anderen Aspekten zu beschäftigen, die es für „Rekordflüge“ (und seien es nur persönliche Rekorde) zu berücksichtigen gilt: Wetter, Luftraum, Studium von Streckenalternativen, Analyse von Flügen anderer… Es braucht auch Disziplin. Man muss die Chance ergreifen WOLLEN, den entscheidenden Tag rechtzeitig in der Wettervorhersage erkennen, sich bemühen, diesen Tag freizuschaufeln (was gerade bei mir oft nicht geht), dann alles weitere organisieren, die eigentliche Flugplanung vorbereitet in der Schublade haben, pünktlich am Flugplatz sein… wer eine Stunde zu spät startet, hat die Chance auf einen 1000er schon verspielt… es sind viele Puzzleteile, die zusammengefügt werden müssen. Und dann braucht man vielleicht auch noch das richtige Flugzeug.
Ich habe mir die Mühe gemacht, bestmöglich „auszurechnen“, was am 31. Mai (als ich die 1’000 km flog) für mich in der LS6 drin gewesen wäre. Ich war mit der JS1 nie tief, so dass ich auch mit der LS6 nie das Problem gehabt hätte, Thermik-Anschluss zu finden. Aus den Gleitzahlen, die ich mit LS6 und JS1 statistisch fliege, habe ich mir ausgerechnet, wieviel zusätzliche Meter ich mit der LS6 über den Tag hätte erkurbeln müssen (ca. 6’000!); aus dem durchschnittlich an dem Tag gekurbelten mittleren Steigen ergibt sich dann die Zeit, die ich zusätzlich kurbelnd verbracht hätte (eine knappe Stunde).
Aus diesen Rechnungen ergibt sich, dass ich mit der LS6 mindestens 850, vielleicht auch 900 km geflogen wäre. Mit Abstand mehr als ich je vorher erreicht hatte!
Ein weiterer Treiber für den Wechsel auf die JS1 war der Wunsch, eine Heimkehrhilfe zu haben, verbunden mit der Erwartung, dann raumgreifender zu fliegen, auch bei zweifelhaften Wetterlagen und auch in den „Tagesrandzeiten“, früh morgens und spät abends. Gebraucht habe ich den Jet über das Jahr nur bei drei Flügen, inklusive des Stunts Anfang März, der auf einer Wiese im Sauerland endete, da die Turbine nicht zündete. Trotzdem ist die „Rechnung“ aus meiner Sicht voll aufgegangen. Gerade im Frühjahr hätte ich mindestens zwei weitere Flüge ohne die Rückversicherung des Jetantriebs so nicht gemacht. Einfach, weil mir die Wahrscheinlichkeit einer Außenlandung zu hoch gewesen wäre.
Bleibt noch ein Blick auf die JS1 an sich, „stand-alone“ und im Vergleich zu Alternativen am Markt. Fangen wir mal mit dem Preis bzw. den „Kosten-/Nutzen-“, „Kosten-/Spaß-“, „Kosten-/ Leistungs“-Verhältnissen an. Wie so oft im Leben ist hier alles relativ. Die JS1 ist etwa fünfmal so teuer wie eine LS6. Hat man damit fünfmal so viel Spaß? Natürlich und zum Glück nicht! Hat man damit mehr Spaß? Ich finde schon 😀. Aber wie oben schon erläutert, kann man auch mit viel günstigerem Gerät das Segelfliegen in all seiner Faszination voll genießen. Und das ist gut so!
Hat man sich einmal entschlossen (und die Möglichkeiten), „so viel Geld“ für ein Flugzeug auszugeben, hat man immer noch die Qual der Wahl. Neu oder gebraucht? Doppelsitzer oder Einsitzer? Eigenstartfähig oder nicht? Welche Spannweite? Und schließlich: welcher Typ genau?
Neuflugzeuge haben zwei entscheidende Nachteile: erstens ewig lange Lieferzeiten von aktuell bis zu vier Jahren und zweitens: Sie sind noch teurer!
Doppelsitzer oder Einsitzer: Geschmacksache
Eigenstartfähig oder nicht: Man ahnt es sicher schon: wenn man eigenständig in die Luft kommen möchte, wird es noch teurer – und zwar nicht nur in der Anschaffung, sondern ganz wesentlich auch im Unterhalt. Zumindest die Anschaffungskosten hält man in Grenzen, wenn man auf einen Flieger der aktuellen Generation verzichtet und damit geringfügige Leistungseinbußen in Kauf nimmt. Allerdings: während der Flieger selbst fast unendlich lange hält, gibt das für die Motoren leider nicht. Und außerdem haben die vielfach verwendeten Zweitakt-Motoren einen großen Nachteil: Vibrationen! Das mögen auch einige Instrumente und andere Teile nicht. Unter dem Strich muss man also genau hinsehen, bevor man die Unterschrift unter den Kaufvertrag eines gebrauchten Eigenstarters setzt.
Und es gibt noch einen weiteren Nachteil dieser Bauart: Insbesondere mit „nur“ 18 m Spannweite haben Eigenstarter eine deutlich erhöhte minimale Flächenbelastung und damit einhergehend schlechtere Leistungen bei schwachem Wetter. Dies interessiert vor allem Wettbewerbspiloten, denn Meisterschaften werden oft an schwachen Tagen entschieden.
Unter dem Strich sollte man einen Eigenstarter wählen, wenn man maximal autark sein will. Solange ich an meinem Heimatflugplatz auch unter der Woche problemlos in die Luft komme, brauche ich keinen. Und dann ist -zumindest für mich- ein Flieger mit Heimkehrhilfe die bessere Wahl.
Welche Spannweite? Jetzt wird es kompliziert 😀.
Ganz früher gab nur zwei Wettbewerbsklassen: 15 m und die Offene. In der offenen Klasse war konstruktiv alles erlaubt, die 15 m Klasse war, nomen est omen, auf 15 m Spannweite beschränkt. Folgerichtig gab es auch nur zwei deutsche Meister und zwei Weltmeister. Je einen in der „kleinen“ und einen in der „großen“ Klasse. Schön übersichtlich. Anfang der 1970er Jahre gab es einen Disput über weitere Einschränkungen in der kleinen Klasse. Man wollte die Kosten begrenzen und diskutierte lebhaft, ob Einziehfahrwerk und Wölbklappen und derlei Dinge zukünftig erlaubt sein sollten oder nicht. Im Ergebnis machte man aus einer Klasse zwei. Neben der Standardklasse mit festem Profil und anfangs verbotenem Wasserballast war die FAI-15-m-Rennklasse geboren. In ihr war alles erlaubt. Nur die Spannweite blieb begrenzt. Diese Entwicklung freute die Hersteller und auch einige Wettbewerbspiloten. Nun gab es eine Möglichkeit mehr, Lorbeerkränze und Medaillen zu gewinnen.
Noch ein paar Jahre und mehrere Entwicklungsschübe weiter fragte man sich, was man denn mit den vielen gut erhaltenen, aber schon nach wenigen Jahren nicht mehr konkurrenzfähigen Flugzeugen der Standardklasse machen sollte. Flugs wurde die Clubklasse kreiert, in der die Heerschar dieser Flieger weiter an Wettbewerben teilnehmen konnte. Man fliegt in dieser Klasse „mit Index“, das heißt, dass Piloten mit einem besseren Flugzeug Strafpunkte bekommen. Dies führt mitunter zur kuriosen Situation, dass man mit einem leistungsschwächeren Flugzeug besser bedient ist.
Die Einführung der Clubklasse erfreute eigentlich alle. Die Flugzeuge blieben wertstabil und jetzt gab es schon vier Deutsche Meister gleichzeitig.
Wer denkt, nun sei es aber langsam genug mit der Einführung neuer Klassen – weit gefehlt! Zwischenzeitlich fanden immer mehr Segelflieger Spaß am doppelsitzigen Fliegen und es wurden auch leistungsfähige Doppelsitzer entwickelt. Eine tolle Sache! Leider passten diese aber in keine Wettbewerbsklasse. Also… Da waren es fünf Deutsche Meister.
Dann beobachtete man mit Sorge, dass die neuen Flugzeuge immer teurer wurden. Man wollte „die Industrie“ animieren, kostengünstige Einfachflugzeuge zu entwickeln – und schuf eine entsprechende Wettbewerbsklasse, die „Weltklasse“. Leider übersah man dabei völlig, dass es längst ein reichhaltiges Angebot günstiger Flugzeuge gab – gebraucht zwar, aber top in Schuss und unverwüstlich. Und die Clubklasse, in der diese Flieger eingesetzt werden können, gab es auch längst.
Last but not least – ich komme zum Ende- zeichnete sich in den 90er Jahren unumkehrbar der Trend zu motorisierten Segelflugzeugen ab. Fünfzehn Meter Spannweite waren aber zu wenig, um das zusätzliche Gewicht sinnvoll zu tragen. Die Offene Klasse hatte zwischenzeitlich Superorchideen mit bis zu 30 m Spannweite hervorgebracht. Mit überragenden Gleitleistungen, aber auch horrend teuer und unhandlich, am Boden wie in der Luft.
Was lag also näher, als eine neue Klasse zu schaffen: die 18m Klasse! Diese wurde tatsächlich ein großer Erfolg, brachte sie doch Flugzeuge hervor, die deutlich bessere Leistungen hatten als die 15-m-Flieger und die gleichzeitig viel handlicher waren als die großen Boliden der Offenen Klasse.
Wer richtig mitgezählt hat, kommt jetzt auf sieben Klassen, also sieben Meister im Segelflug. Lediglich die Weltklasse ist als Totgeburt zwischenzeitlich eingeschlafen. Da waren es nur noch sechs. Sechs Weltmeister, sechs Europameister, sechs Deutsche Meister. Das ist nicht vermittelbar. Wer ist denn nun der beste Segelflieger? Man weiß es nicht… mittlerweile gibt es übrigens auch massive Probleme, Ausrichter für all diese Wettbewerbe zu finden. Und sogar Piloten werden knapp. Leider wächst die Schar der Segelflieger weltweit nämlich nicht.
Mein „radikaler“ Vorschlag: Einstellen der Standardklasse und Rennklasse, alle Flieger mit 15 m in den Topf der Clubklasse einsortieren und mit insgesamt „nur“ noch vier Klassen weiter machen: Club, 18 m, Offen und Doppelsitzer. Das sollte niemandem zu sehr weh tun, auch den Herstellern nicht, die eh keine neuen 15-m-Flugzeuge mehr entwickeln und verkaufen.
Eine Entwicklung, die ausnahmsweise nicht zu einer neuen Wettbewerbsklasse geführt hat, habe ich noch gar nicht beleuchtet: Der Trend zu kleineren Flugzeugen in der Offenen Klasse. Dieser Trend hat zwei Quellen und mehrere Gründe. Zum Verständnis muss ich nochmal etwas ausholen: Die erste Generation von 18-m-Motorseglern basierte auf 15-m-Konstruktionen. Durch Ansteckohren wurde die erhöhte Spannweite ermöglicht und die Struktur der Tragflächen wurde verstärkt, um die erhöhten Lasten aufzunehmen. Bei der zweiten Generation, die vom ersten Strich an auf 18 m optimiert wurde, gingen die Hersteller dann zwei unterschiedliche Wege. Entweder sie boten eine 15m Option mit an, um mit dem gleichen Flieger auch in der Rennklasse antreten zu können, oder sie boten die Option, die Spannweite weiter zu vergrößern. Letzteren Weg ging erstmals Schleicher mit dem Eigenstarter ASH31, der es wahlweise auf 18 oder 21m Spannweite bringt.
Es zeigte sich, dass die ASH31 zumindest bei guten Bedingungen mit den Langohren der offenen Klasse mithalten kann. Bei echtem Hammerwetter, wenn sehr schnell vorgeflogen wird, ist sie sogar überlegen. Diese Erkenntnis animierte die Konkurrenz, kleinere Offene-Klasse-Flugzeuge neu zu konstruieren. Quintus und Antares 23 sind die Ergebnisse. Beide haben sich allerdings nicht wirklich durchgesetzt.
Anders die JS1 (voilà!), die zunächst mit 18 m und dann mit 21m Spannweite auf den Markt kam und die schnell DAS Flugzeug in der Offenen Klasse wurde und diese nach landläufiger Einschätzung „wiederbelebte“. Waren doch die Platzhirsche ASW22 und Nimbus4 in die Jahre gekommen und im Neugeschäft komplett von den handlichen und doch leistungsstarken 18m Fliegern verdrängt worden.
Heute gibt es wieder echte Konkurrenz in der Offenen Klasse und die Hersteller verfolgen interessanterweise unterschiedliche Philosophien: Während Binder mit der EB29 weiter auf maximale Spannweite setzt, ist man bei Jonker überzeugt, dass das Optimum für die Offene Klasse bei 24 m Spannweite liegt und legt die kommende JS5 entsprechend aus. Schleicher wiederum glaubt, mit nur 20 m Spannweite und extrem schlankem Flügel das Optimum zu treffen. Es wird spannend werden! Vorläufig dominieren aber EB29 und JS1, wobei die EB29 bei den meisten Bedingungen wohl leicht überlegen ist.
Mit diesem Exkurs habe ich die Frage nach der Spannweite noch nicht beantwortet. Aber als Leser hat man sich indirekt vielleicht doch eine eigene Meinung bilden können.
Wer auf einen Motor verzichten kann, findet auf dem Markt eine riesige Auswahl gebrauchter 15-m-Flieger. Wenn es ein Motor sein soll, dann ist man direkt bei 18 m. Und für diejenigen, die sich nicht vor dem täglichen Rüstaufwand und der Unhandlichkeit scheuen, bieten ältere Offene-Klasse-Flieger viel Leistung und Freude für relativ wenig Geld.
Und dann gibt es noch die JS1: für mich das beste Segelflugzeug der Welt 😀. Gegenüber der „direkten Konkurrenz“ im gleichen Preissegment bietet sie den Vorteil, sowohl mit 18 m als auch mit 21 m Spannweite geflogen werden zu können und damit sowohl in der 18-m-Klasse wie auch in der Offenen Klasse voll konkurrenzfähig zu sein. Interessanterweise ist die JS1 zusammen mit dem Ventus3 im „Grand-Prix-Format“, wenn mit vorgegebener Flächenbelastung geflogen wird, sogar das überlegene Flugzeug in der 18-m-Klasse; besser als AS33 und JS3.
Die 21 Meter sind für mich ein echter Joker. In dieser Konfiguration hat die JS1 ein deutlich spürbares und auch wirklich ausfliegbares Leistungsplus gegenüber allen Konkurrenten mit „nur“ 18 m. Sie steigt noch besser und im Vorflug hat man auch bei hohen Geschwindigkeiten ein deutlich geringeres Sinken und damit überlegene Gleitleistungen.
„Erkauft“ wird dieses Leistungsplus durch höhere Seitenruderkräfte und eine gewisse Trägheit um die Hochachse. Dies ist – wenn man es denn überhaupt als solchen empfindet – der einzige Nachteil der JS1 – und wenn es einen stört, kann man immer noch mit 18m fliegen. Ich selbst habe mich mittlerweile vollkommen an diese Abstimmung gewöhnt und empfinde sie nicht mehr als Nachteil. Um die Längsachse ist die JS1 im Übrigen auch in der 21-m-Konfiguration wunderbar leichtgängig, thermikfühlig und wendig.
Das Jettriebwerk ist aus meiner Sicht ein echter Fortschritt gegenüber klassischen „Turbos“. Ausgefahren verursacht der Jet praktisch keinen zusätzlichen Widerstand. Damit gibt es keinen zusätzlichen Höhenverlust bis zum Anspringen des Triebwerks. Das bedeutet, dass man sich effektiv später für das Zünden des Triebwerks entscheiden kann und im Falle des Nicht-Zündens zudem ein Sicherheitsplus hat, da die JS1 mit voller Gleitleistung als Segelflugzeug weiter ihre Bahnen zieht. Läuft der Jet, bleibt es im Cockpit leise und vibrationsfrei. Zudem ist das Vorfliegen mit 140 km/h mit bis zu 1,5 m/s Steigen sehr angenehm. Sparsam ist der Jet nicht gerade, aber das ist aus meiner Sicht weder praktisch (Reichweite und auch das „Systemgewicht“ passen, da der Jet so leicht ist) noch ökologisch ein Problem. Schließlich soll der das Triebwerk ja nicht oft laufen. Wir haben 2021 bei 115 Flugstunden 40 Liter Diesel verbraucht.
À-propos Ökologie: Elektro-Motorsegler sind schwer im Kommen und das Angebot wird immer vielfältiger. Gebraucht gibt es allerdings nur die Antares und einige wenige Flieger mit FES-Antrieb. Alle anderen Muster sind zu frisch am Markt. Elektro-Motorsegler sind toll, aber auch nicht ohne Nachteile. Zu nennen ist hier vor allem das hohe Gewicht – das macht beim Aufrüsten keinen Spaß und wird bei schwachem Wetter zum Problem. Verlegt man die Batterien aus den Tragflächen in den Rumpf, wie Jonker das bei der JS3 macht, handelt man sich echte Zuladungs- und Schwerpunkt-Probleme ein. Nicht einfach.
Größter Pluspunkt des Elektroantriebs ist aus meiner Sicht keinesfalls die Ökobilanz. Hier lässt sich trefflich streiten, ob diese bei einem letztlich selten genutzten Freizeitspielzeug über die Lebensdauer vorteilhaft ist. Unbestreitbare Vorteile sind dagegen einfache Bedienung (bietet der Jet auch), einfache Wartung (bietet der Jet auch), Vibrationsfreiheit (bietet der Jet auch), Eigenstartfähigkeit (bei den meisten Systemen, bietet der Jet nicht) und Lärmarmut (bietet der Jet nur im Cockpit). Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich Markt und Technik hier entwickeln!
Nochmal kurz zurück zum Vergleich der JS1 mit Alternativen: Auch die JS2 als Nachfolger mit gleichen Tragflächen und neuem Rumpf wird die JS1 nicht alt aussehen lassen. Vielmehr bleibt die JS1 für alle, die keinen Eigenstarter brauchen, das leicht bessere Flugzeug: 720 kg statt 690 kg maximales Abfluggewicht, 11 kg statt weit über 20 kg schwere Aussenflügel, Wassertanks in den Aussenflügeln. Das sind in Summe Vorteile, die die Wertstabilität der nur 26 EASA-zugelassenen JS1 für viele Jahre gewährleisten sollten. Es gibt einfach nichts Besseres 😀.
Fortsetzung folgt. Nächstes Mal stelle ich typische Abflug-Routen in die Alpen ab Serres vor.
In dieser Artikelserie berichtet Martin Knops auf flieger.news regelmässig über seine Erfahrungen beim und nach dem Kauf seines Traumflugzeuges Jonkers JS 1 sowie über seine erste Saison.
Nach der Landung in Isny gab es anerkennende Glückwünsche der wenigen Eingeweihten und ein freundliches „Hallo“ aller anderen Vereinskameraden. Erst langsam sprach sich herum, woher ich kam, und die Reaktion reichte von Erstaunen bis Unglauben. Man kann sich sicher vorstellen, wie euphorisiert und begeistert ich nach einem traumhaften Flug in traumhaftem Wetter aus dem Cockpit stieg. Typischerweise tauscht man sich nach so einem Tag am Lagerfeuer mit anderen Piloten aus, die Ähnliches erlebt hatten, schnackt über die besten Aufwinde des Tages, die Knackpunkte der Flüge, Geschwindigkeitsrekorde und Beinahe-Außenlandungen. Genau das hatte ich auch an diesem Abend erwartet. In Isny war die Stimmung aber seltsam anders. Es gab niemanden, mit dem ich mich derart austauschen konnte, da niemand an diesem wunderbaren Tag weiter als 50 km vom Flugplatz Isny weggeflogen war. Und das, obwohl durchaus viele gute und ambitionierte Piloten mit der Aussicht auf schöne Streckenflüge in den Alpen mit ins Fliegerlager nach Isny gefahren waren. Diese Konstellation machte meinen Flug in den Augen vieler sicher noch unglaublicher, es war aber vor allem eine irgendwie bizarre, auch ein wenig traurige Situation. Wie konnte das sein? Was war passiert?
Zwischenstopp in Isny
Die Erklärung ist so einfach wie bitter: Isny liegt knapp 30 km nördlich des Alpenrands und 30 km östlich des Bodensees. Während in den Alpen (und auch auf der schwäbischen Alb 60 km nördlich Isny) die Thermik brüllte, rührte sich in Isny in der vom Bodensee eingesickerten Luftmasse kein Lüftchen, gab es dort kaum den Hauch von Thermik. Erst am Nachmittag konnten einige Piloten in schwachen Aufwinden genug Höhe gewinnen, um bis Sonthofen zu fliegen und wurden dort mit dem nächsten Problem konfrontiert: mit fortschreitender Tageszeit wird in den Alpen bodennah immer mehr Luft in Richtung Alpenhauptkamm gesaugt, wo ein lokales Hitzetief entsteht. Dies unterbindet zunehmend die Thermik am Alpenrand, während es in den Alpen selbst fantastische Aufwinde gibt.
Bittere Bilanz: niemand hatte es an diesem traumhaften Tag von Isny aus in die Alpen geschafft! Damit war auch klar, dass am nächsten Morgen für mich der Einstieg in die Alpen der größte Knackpunkt des geplanten Rückflugs nach Serres werden würde. „Das kannst Du vergessen, hier kommst Du nie weg“ schallte es mir von einigen entgegen. Schöne Aussichten. Das hatte ich so nicht erwartet und kurzzeitig zweifelte ich am Gelingen meiner Pläne. Dabei gab es eigentlich keine Alternative zum Rückflug nach Serres. Auto und Anhänger standen 500 km Luftlinie entfernt. 500 km quer durch die Alpen bzw. viel mehr Kilometer um die Alpen herum. Wenn ich jemanden fände, der mich nach Serres fahren würde, – ich hatte vorab niemanden gefragt – dann würde es zwei volle Tage dauern, bis ich mit Anhänger zurück in Isny wäre. Und eine vernünftige Bahnverbindung gab es erst recht nicht. Nein: Es musste einfach klappen – und zum Glück habe ich Optimismus und Selbstvertrauen auch schnell zurückgewonnen. Ich würde mich bis Sonthofen schleppen lassen und von dort würde am Vormittag, lange bevor der Alpenhauptkamm zu sehr absaugt, der Einstieg gelingen!
Nachdem ich mir das so zurechtgelegt hatte und auch der F-Schlepper für den nächsten Morgen organisiert war, konnte ich das Abendessen und ein Bier in geselliger Runde genießen.
Einen Schlafplatz musste ich noch finden. Das zweite Bett im Wohnmobil meines Schwiegervaters war unerwarteterweise noch von meiner Schwiegermutter besetzt, die länger als geplant im idyllischen Isny geblieben war. So zog ich mit Luftmatratze und Schlafsack (alles im Flugzeug mitgebracht) ins Vereinsheim – und von dort weiter in die blitzblank gefegte Flugzeugwerkstatt, da das Vereinsheim selbst zur Schlafenszeit plötzlich von der videospielenden Jugend belegt war. Kein Problem dachte ich. Die Werkstatt war sauber, kühl, leise, mückenfrei. Was willst Du mehr! Ok, den zunächst gewählten Schlafplatz musste ich nochmal wechseln, da er im Sensorfeld des Bewegungsmelders der Beleuchtung lag – unpraktisch. Als ich endlich eingeschlafen war, wurde ich schon bald wieder wach. Das Ventil der Luftmatratze hatte sich geöffnet und direkt auf dem Steinboden schläft es sich schlecht. Dieses Spiel wiederholte sich leider noch zweimal bevor ich auf die Idee kam, die Luftmatratze umzudrehen. Mit dem Ventil Richtung Boden hielt die Luft für den Rest der Nacht. Nun stellte sich allerdings heraus, dass es in dem Raum noch einen zweiten Bewegungsmelder gab. Warum der erst jetzt ansprach, wird auf immer ein Rätsel bleiben. Ich war zu erschöpft, um mir nochmal einen neuen Schlafplatz zu suchen und versuchte es mit „ruhig liegenbleiben und nicht bewegen“ – mäßig erfolgreich. Als ich endlich schlief dauerte es nicht lange, bis ich laute Stimmen aus dem Bad nebenan hörte. Es gab tatsächlich Frühaufsteher, die schon um 5 Uhr den Tag begrüßten!
Nach dieser Nacht war ich leicht gerädert. Aber eine ausgiebige Dusche, ein starker Kaffee und ein ebenso starker Wille bewirken Wunder!
Während des ausführlichen Frühstücks in der angenehm Wärme spendenden Augustsonne musste ich länger mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) telefonieren. Natürlich hatte die diensthabende Mitarbeiterin andere Vorstellungen von einem ordentlichen Flugplan als der Kollege am Vortag und folgerichtig hatte sie meinen ersten Entwurf in der Luft zerrissen. Es war zum Mäusemelken.
Das nächste Malheur ließ nicht lange auf sich warten: Für den Heckkuller der JS1 war im Cockpit leider kein Platz und so musste ich den Schwanz anheben, um den Flieger aus der Parkbucht auszurangieren und in die richtige Position für den anschließenden Schlepp zur Startstelle zu drehen. Bei dieser Aktion war leider nur ein Flächenende besetzt – Personalmangel allerorten heutzutage 😀. Plötzlich gab es ein unschönes Geräusch… das Winglet der rechten Fläche hatte die Bespannung am Falken aufgeschlitzt und dabei selbst ein paar Kratzer abbekommen. Der Tag fing richtig gut an!
Endlich am Start hieß es erstmal Warten; erst auf den F-Schlepppiloten, dann auf auf einen Freiflieger. Sorry Luca, dass ich dann schon vor deiner dritten Landung selbst gestartet bin! Ich wurde einfach langsam ungeduldig. Über Isny rührte sich zwar wie erwartet kein Lüftchen, aber in den Alpen zeigten sich schon seit mindestens einer Stunde wunderbare Thermikwolken. Langsam sollte ich in die Luft kommen, auch wenn es außer mir scheinbar niemanden aus Isny Richtung Berge zog.
Wie geplant ließ ich mich durch die tote Luft bis kurz hinter Sonthofen auf 2’200 m MSL schleppen, immerhin 1’500 m über Flugplatzniveau. Einen solchen Rockefeller-Schlepp hatte ich noch nie zuvor gemacht, aber ich denke, jeder Euro war gut investiert 😀.
Meine Idee war, auf der Ostseite des Nebelhorns Anschluss an die hochreichende Thermik zu finden. Die Basis der vereinzelten Culumus-Wolken lockte aus geschätzten 3’000 m Höhe.
Ich glitt also auf die Rückseite des Nebelhorns und kreiste direkt neben dem Gipfelkreuz ein, als perfektes Fotomotiv für die zahlreichen Bergwanderer 😀. Leider entwickelte sich der kurzzeitige Vario-Ausschlag nicht zum erhofft starken Aufwind, und anstatt den Blicken der Ausflügler zügig nach oben zu entschwinden, flog ich den ganzen Grat mehrfach ohne nennenswerten Höhengewinn ab, machte hier einen Kreis und flog dort eine Acht.
So schnell wollte ich meinen Plan nicht aufgeben, vor dem Einflug in das zerklüftete Relief der Allgäuer Alpen bis an die Basis zu steigen. Letztlich musste ich aber nach etlichen vergeblichen Suchschleifen einsehen, dass ich hier nur Zeit vergeudete und tauchte schließlich Richtung Südosten hinter einem Almsattel ab und verschwand auf diesem Weg ohne weiteren Höhengewinn aus dem Blickfeld der zahlreichen Beobachter.
Ganz so bequem wie gedacht funktionierte der Einstieg in die Alpen also schon mal nicht. Immerhin konnte ich beim Weiterflug entlang der sonnenbeschienenen Bergflanken die Höhe halten. Ich war überzeugt, auf diesem Weg früher oder später in einen kräftigen Aufwind zu stolpern und schließlich wurde meine Geduld am Ramstallkopf belohnt. Hier stieg ich zum ersten Mal aus dem Gelände heraus und erreichte wenig später an der Rotnase (so heißt der Berg tatsächlich 😀) endlich die Basis. Damit war der Einstieg, um den ich mir im Vorfeld so viele Gedanken gemacht hatte, endgültig geschafft.
Nun ging es zügig über Wetterspitze und das Stanzertal nach Kappl im Paznauntal. Hier kletterte ich auf über 3’400 m, und von diesem Sprungbrett konnte ich direkt ins Unterengadin springen. Nun war ich wieder voll im Flow und es begann zu rennen, ganz ähnlich wie am Vortag.
Anstatt bis St. Moritz im Engadin zu bleiben, bog ich bereits am Piz Vadret, kurz hinter Zernez nach Westen ab. Es sah auch in dieser Richtung gut aus! Allerdings war die Basis insgesamt deutlich niedriger als am Mittwoch und so wurde jeder Grat zunächst zu einer Barriere, die es zu überspringen galt. Alternative Flugwege und Schlüsselberge dieses Streckenabschnitts war ich im Vorfeld wieder und wieder durchgegangen und so fühlte ich mich gar nicht in unbekanntem Gelände, obwohl ich zum ersten Mal hier unterwegs war.
Ich befand mich jetzt auf der „Königsdorfer Route“ während -wie ich mittlerweile weiß – „die Ohlstädter“ typischerweise das Engadin ganz hinauf fliegen, sogar über den Malojapass nach Italien springen und dann durch das Tessin queren.
Es gibt also immer Alternativen. Dass sich diese „lokalen“ Favoriten herausgebildet haben, ist auf den ersten Blick erstaunlich, eigentlich aber natürlich. Einer macht es vor, es klappt. Er selbst probiert es bei nächster Gelegenheit genauso – hatte ja auch beim ersten Mal funktioniert. Nun ist es schon „der Weg“. Die anderen Flieger am Platz schauen es sich ab „and here we are“: alle Ohlstädter fliegen so und alle Königsdorfer eben anders.
Ich ließ das Lenzer Horn rechts liegen und flog direkt den Piz Mitgel an. Von hier ging es weiter ins Hinterrheintal. Obwohl meine ganze Aufmerksamkeit dem weiteren Flugweg und dem Finden des nächsten Aufwinds galt, genoss ich bewusst die herrliche Landschaft und schoss einige Fotos.
Blick nach Westen zum Rheinwaldhorn. Ein wenig höher hätte die Basis schon sein können.
Der westliche Talabschluss des Hinterrheins baute sich nun als unüberwindbare Wand vor mir auf. Mir musste es gelingen, an der nördlichen Bergkette bis an die Wolkenfetzen heranzusteigen. Nur dann könnte ich am Gipfel des Rheinwaldhorns vorbei schlüpfen und direkt auf Kurs weiterfliegen. Tatsächlich gelang es, in schwachem Steigen ausreichend Höhe zu gewinnen und knapp über den Grat zu springen. Ich hatte nun den Flugplatz Münster im oberen Rhônetal als Zwischenziel einprogrammiert und flog ab hier fast auf der gleichen Spur wie am Vortag: an Ambri vorbei, über den Gotthardpass hinweg. Langsam rückte der Furkapass in Reichweite, allerdings sah ich ihn – wie eben schon den Gotthardpass- eher von der Seite als von oben. Hätte die Basis nicht einfach wenige hundert Meter höher sein können? Das war mir leider nicht vergönnt, aber irgendwie fand sich ein Weg zwischen den Felsen hindurch und plötzlich lag das Rhônetal offen vor mir.
Seen am Grimselpass. Gefühlt schon fast heimatliche Gefilde
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich war zwar noch 300 km von Serres entfernt und hatte damit sogar den größeren Teil der Strecke noch vor mir. Aber ab hier kannte ich mich aus, ich fühlte mich hier fast schon zu Hause. Zudem war es erst Viertel nach Zwei, unglaublich früh am Tag eigentlich. Was sollte jetzt noch schief gehen? Dachte ich… und entschied mich wieder für die nördliche Talseite. Jetzt stieg es immerhin auf 3’500 m. Nicht allzu üppig für die bald anstehende Querung ins Mattertal, aber reichen sollte es wohl.
Ich wollte unbedingt vermeiden, wie zwei Tage zuvor tief bei Zermatt um Anschluss kämpfen zu müssen und hatte mir entsprechend Gedanken um die optimale Querung des Rhônetals gemacht – und dann ging doch alles schief. Man glaubt es kaum, aber ich habe tatsächlich das Saastal mit dem Mattertal verwechselt und entsprechend die Weisshorngruppe mit dem Dom. So ein Mist! Als ich meinen Fehler bemerkte, hatte ich bereits eine schöne Wolke und den dazugehörigen Aufwind links liegen lassen, weil er vermeintlich am östlichen Eingang des Saastals und damit weit ab vom Kurs stand. Außerdem hatte ich mir eine völlig unnötige Querung des Mattertals eingefangen und fand mich genau da wieder, wo ich nie wieder hinwollte: tief am Fuß des Doms. Noch ein paar hundert Meter tiefer als 48 Stunden vorher.
Ich haderte wirklich mit mir, als ich auf Höhe der Europahütte ein paar Suchkreise flog und dann eine Scharte weiter zur Kinhütte wechselte. Zum zweiten Mal an diesem Tag versuchte ich, im direkten Blickfeld zahlreicher Bergwanderer, auf Augenhöhe mit Ihnen und fast zum Anfassen nah, Höhe zu gewinnen.
Fühlte ich mich dabei am Nebelhorn noch wie ein Adler, der majestätisch seine Kreise zieht, so war meine Gefühlslage nun eine völlig andere. Fast glaubte ich die Gespräche der Alpinisten im Cockpit zu hören: „Was macht der denn da? Soll das so sein?“ – „Das sieht nicht gut aus! Er gewinnt gar keine Höhe.“ – „Hoffentlich touchiert er nicht gleich einen Felsen!“ -„Dann wäre hier aber was los!“
Es dauerte geschlagene zehn Minuten, bis ich mich aus der Umklammerung der Scharte lösen konnte und endlich Höhe gewann. Zehn endlose Minuten, die sich mindestens wie eine halbe Stunde anfühlten. Glücklicherweise entwickelte sich aus dem zähen Nullschieber letztlich doch noch ein brauchbarer Bart, in dem ich auf fast 4’000 m klettern konnte. Ein letzter Blick nach unten – hier hatte ich gerade noch Achten fliegend an den Felsen gekratzt – dann richtete ich den Flieger auf und nahm direkt Kurs auf den Theodulpass, den fast 3’300 m hohen Übergang nach Italien zwischen Breithorn und Matterhorn. Kurz vorher nochmals etwas Höhe gewinnen – und dann hatte ich es mit Überfahrt über den Grat geschafft.
Zurück im Mattertal
Nun hatte ich etwas Muße, um den Vorbeiflug am Matterhorn zu genießen – zum Vierten und letzten Mal in diesem Urlaub. Ciao und hoffentlich bis zum nächsten Jahr!
Das Sperrgebiet um Aosta umflog ich – den Ärger von Dienstag brauchte ich nicht nochmal. Flugplan hin oder her. Der weitere Heimflug über die bekannte Route durch Vanoise, Maurienne und Briançonais verlief maximal entspannt und unspektakulär. Beim Blick nach Westen und Osten dämmerte mir allerdings, was für ein Wetterglück ich hatte. Zwischen Grenoble und Lyon sowie an der Grenze zum Turiner Becken standen schwere Gewitter, aber die Schneise dazwischen war extra für mich offengelassen worden – wenn Engel reisen 😀.
Bereits um zwanzig vor sechs rolle ich in Serres aus und werde von Thomas Reuß freudig begrüßt samt Finisher-Foto im Cockpit. Ein unglaubliches Erlebnis liegt gerade hinter mir.
Ein glücklicher Heimkehrer
Ich war einfach glücklich und hatte doch noch gar nicht verarbeitet, was da eben passiert war. Ein halbes Jahr später beim Schreiben dieser Zeilen bin ich immer noch restlos begeistert! Noch weiß ich nicht, ob die doppelte Alpentraverse für mich ein einmaliges Abenteuer bleibt oder nur der Auftakt zu einer Reihe spektakulärer Wandersegelflüge sein wird. Appetit auf mehr hat es auf jeden Fall gemacht!
Fortsetzung folgt. Im nächsten Bericht schaue ich mir den Segelflugzeug-Markt etwas genauer an.
In dieser Artikelserie berichtet Martin Knops auf flieger.news regelmässig über seine Erfahrungen beim und nach dem Kauf seines Traumflugzeuges Jonkers JS 1 sowie über seine erste Saison.
Nach einer erholsamen Nacht sollte es am Mittwoch endlich losgehen Richtung Isny. Spätestens nach der Erfahrung des Vortages war klar, dass ich für dieses Vorhaben nun auf jeden Fall einen Flugplan aufgeben würde. Auf dem Weg ins Allgäu gab es nur recht wenige Flugplätze und das waren dann eher Flughäfen. Wenn man dort landen musste, sollte man formal besser «sauber» sein.
Selbsterklärend ist die Aufgabe eines solchen Flugplanes leider nicht, zumindest nicht, wenn man es zum ersten Mal macht. Danke nochmal, «Brezn», für die Hilfe und Geduld mit mir!
Wofür gibt es das Ganze überhaupt? Vordergründig aus Flugsicherheits-Gründen. Wenn ein Flieger überfällig und unauffindbar ist, wird die Sicherheitskette gestartet. Über den Flugplan und den darin enthaltenen Zeitplan weiß man ungefähr, wo man suchen muss.
Nun gibt es aber mittlerweile wesentlich bessere Trackingsysteme und außerdem ist ein grenzüberschreitender Flug genauso gefährlich oder ungefährlich wie ein Inlandsflug, für den es keinen Flugplan braucht. Es geht also offenkundig eher um die Themen Lufthoheit und Grenzkontrolle. Die Staaten möchten auch im vereinten Europa immer noch gerne wissen, wer denn da in den eigenen Luftraum vordringt und was Derjenige vorhat.
Obwohl die Flugplanpflicht für grenzüberschreitende Flüge also nach meiner Lesart nicht wirklich der Flugsicherheit dient, ist es ganz wichtig, dass man einen einmal aufgegebenen und im Flug scharfgeschalteten Flugplan nach der Landung auch wieder schließt. Ansonsten wird nämlich wirklich die Rettungskette gestartet.
Der aktualisierte Wetterbericht bestätigte zum Glück auch am Mittwochmorgen, was sich schon seit Tagen angedeutet hatte. Es sah gut aus! Und um es vorwegzunehmen: es sah nicht nur gut aus, es war gut! So gut, dass einige im folgenden Flugbericht möglicherweise die spektakulären Elemente vermissen werden. Zumindest auf dem Hinflug nach Isny am Mittwoch (11.8.21) gab es keinen einzigen Hänger, keinen einzigen Tiefpunkt, keinen Moment, an dem der Erfolg des Vorhabens auf der Kippe stand. Es lief einfach! Anfangs hatte ich sogar noch Gesellschaft auf dem Flug, was ich sehr genossen habe. Mit anderen zusammen, bestenfalls im Team zu fliegen, macht einfach noch mehr Spaß!
Wie am Vortag ging es zunächst über den Pic de Bure und den Pas de La Cavalle und von dort auf direktem Weg über das Susatal in die Maurienne und die Vanoise. Auf dem Weg zur Grivola musterte ich aus sicherer Höhe nochmals genau die Felsen und Steine, an denen ich keine 20 Stunden zuvor in Ameisenkniehöhe um das Nachhausekommen gekämpft hatte. Diesmal lief alles glatt und an der Grivola selbst konnten wir sogar aus einem kräftigen Bart in den starken Aufwind einer vorgelagerten Welle wechseln. Wie im Fahrstuhl ging es hier auf über 5’000 m. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Hier wollte es mir jemand wirklich ganz einfach machen und nicht den kleinsten Spielraum für einen Rückzieher lassen.
In der Welle an der Grivola.
Zusammen mit Thomas in der LS5 und Gerd Spiegelberg in seiner Antares ging es von hier über dem Konvektionsniveau bis in die Schweiz. Am Dom machten Gerd und ich ein paar Kreise und querten von dort aus direkt auf die Nordseite des Rhônetals, von wo eine perfekte Wolkenoptik lockte. Thomas war zwischenzeitlich etwas zurück geblieben, während Gerd und ich im gestreckten Galopp am Aletschgletscher vorbei das Rhônetal hinaufjagten. Punkt 15:00 Uhr war der Furkapass erreicht, deutlich vor dem Zeitplan.
Wie üblich fiel die Basis östlich des Rhônetals ab und lag etwa gleichauf mit den höchsten Gipfeln. Das reicht und war sogar deutlich besser als befürchtet. Für den folgenden Streckenabschnitt zwischen Rhônetal und Engadin gibt es verschiedene Routenvarianten, aber keinen Königsweg. Vielmehr gilt es, das kleinere Übel zu wählen und bestmöglich die 100 km zwischen Furka und Oberengadin zu überbrücken. Die nördlichste Route führt über die Nordseite des Andermatter Beckens und weiter die nördliche Bergkette des Vorderrheingrabens entlang. Beim Blick auf die Reliefkarte bietet sich diese Route dem unbedarften Betrachter an. Ein fast durchgängiger Höhenzug, nach Süden ausgerichtet und damit am frühen Nachmittag optimal sonnenbeschienen, dazu gute Außenlande-Möglichkeiten um Andermatt und am östlichen Vorderrhein. Dennoch raten die Experten von diesem Flugweg eher ab. Das Andermatter Becken gilt allgemein als thermisch wenig ergiebig und der Vorderrheingraben auch als enttäuschend. Mutmaßlich, weil hier typischerweise „schlechte“ Luft vom Bodensee einsickert.
Eine mittlere Route führt die Südseite des Andermatter Beckens und des Vorderrhein-Grabens entlang. Hier verlaufen die Bergrippen von Nord nach Süd, sind die Hänge also nach Osten und Westen ausgerichtet. Man muss somit auf dem Weg nach Osten immer wieder die Bergrücken queren, was bei der üblicherweise niedrigen Arbeitshöhe mühsam ist.
Last but not least gibt es noch eine südliche Route. Am Nordrand des Tessins, mit Blick auf den Lago Maggiore und später den Comersee geht es auf der Nordseite der Leventina über Gotthard- und Lukmanierpass nach Osten. Nachteil dieser Streckenwahl ist insbesondere im Sommer das mögliche Eindringen feuchtwarmer Luft aus Italien. Solange man hoch genug bleibt, hat man aber immer die Möglichkeit, nach Norden auf die mittlere Route zu springen und hat damit eine Vielzahl von Optionen.
Bereits im Vorfeld hatte ich die südliche Variante zu meinem Favoriten auserkoren. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass ich all das hier kurz referierte Wissen über die Routenalternativen zwischen Rhônetal und Engadin „aus dem Internet“ und nicht aus eigener Erfahrung gewonnen habe. Ich selbst flog gerade zum allerersten Mal hier!
Konkret habe ich mein Wissen aus den detaillierten Berichten von Bert Schmelzer, Benjamin Bachmaier und Mathias Schunk bei Late Night Soaring. Danke hierfür an Bert und alle Beteiligten!
Wir wählten also die südliche Route an Ambri vorbei zum Gotthardpass, wo ich den letzten Bart mit Gerd zusammen kurbelte. Für ihn wurde es nun doch Zeit zur Umkehr und leider ließ er sich nicht überzeugen, spontan mit nach Isny zu fliegen. Der Abschnitt, auf dem ich mich jetzt befand, gilt als der Knackpunkt des gesamten Vorhabens. War der Einflug ins Engadin einmal geschafft, so wären die letzten 180 km ein Kinderspiel – so meine Rechnung. Aber die 100 km zwischen Furka und Samedan hatten es in sich. Entsprechend hatte ich meinen Flugstil nun umgestellt. Gas raus und oben bleiben, bloß keine Option verlieren durch zu schnelles Vorfliegen oder Stehenlassen eines vermeintlich zu schwachen Aufwinds.
Dank dieses verhaltenen Flugstils ging es ohne Stressmomente und erstaunlicherweise trotzdem zügig voran. Über das eindrucksvolle Hochtal am Rheinwaldhorn führte mich die Wolkenoptik direkt zum Lukmanierpass und weiter über den Julierpass nach St. Moritz. Wow! Was für ein Panorama!
Blick ins Engadin
Wie erhofft und erwartet lag die Basis hier 500 m höher, und so hatte ich in einem schönen Aufwind kreisend erstmal genug Zeit, um die Szenerie zu genießen, Fotos zu schiessen und mir über das weitere Vorgehen klar zu werden. Ich war bis hierhin wesentlich schneller vorangekommen als ich zu hoffen gewagt hatte. Wenn ich jetzt direkt Kurs auf Isny nehmen würde, könnte ich dort noch Kaffee und Kuchen bekommen. Aber das war natürlich nicht mein Ziel 😀.
Stattdessen lockte im Osten das Ortler-Massiv und vom Ofenpass führte eine wunderbare Wolkenstraße direkt dorthin. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Praktisch ohne Kreis jagte ich bis zum östlichen Ende des Ortler-Massivs und wieder zurück zum Ofenpass. Viertel nach fünf war es nun. Immer noch früh am Tag, aber jetzt sollte es genug sein und ich nahm endlich Isny ins Visier. Vom Ofenpass waren es noch gut 110 km und ich war fast 3’000 m über Platz. Endanflughöhe! So ganz traute ich dem Braten aber nicht. Ging es doch noch mehr als 70 km durch das mir hier unbekannte Hochgebirge – und das hat so seine Tücken. Der Endanflugrechner berechnet nämlich zunächst einfach aus der Entfernung zum Ziel, der
Ortler im Vinschgau
Polare des Flugzeugs und der Gegen- oder Rückenwindkomponente die Ankunftshöhe. Schön und gut. Was ist aber, wenn zwischen eigener Position und Ziel ein Berg steht? Einen Tunnel, durch den man hindurchschlüpfen könnte, gibt es vielleicht bei James Bond oder die Kingsmen, aber auch nur dort.
Neuere Streckenflugrechner lösen dieses Problem und geben zusätzlich an, wie hoch man über den kritischen Pass kommt. Aber auch das ist nur die halbe Miete. Wenn man irgendwo versehentlich „falsch abbiegt“, kann man sich Immer noch in einer Sackgasse wiederfinden bzw. muss einen Umweg fliegen, den der Endanflugrechner nicht berücksichtigt hatte. Zu diesen Effekten kommt noch hinzu, dass es gerade im Gebirge auch große Abwindfelder geben kann, die die schönste Endanflugberechnung schnell zur Makulatur machen.
So legte ich den virtuellen Schalter wieder um und flog im Modus „hoch bleiben“ vorsichtig weiter. Über dem Fimbatal kurz vor Ischgl erkurbelte ich noch ein paar zusätzliche Meter und genoss den Ausblick, der sich von hier bot: zurück ins Engadin, zurück zum Ortler, aber auch weit nach Westen, ins Inntal nach Osten. Einfach grandios! Zwischendurch ging der Blick auch mal nach unten, statt in die Ferne. Das Skigebiet unter mir kenne ich wie meine Westentasche; toll und eindrucksvoll, es mal aus dieser neuen Perspektive zu studieren.
Nach diesem kurzen touristischen Zwischenstopp richtete ich die Nase auf mein heutiges Ziel aus. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: ich hatte es geschafft! Und konnte den weiteren Flug vorbei am Arlberg und quer durch die Allgäuer Alpen völlig entspannt genießen. Dies ist eine wunderbare Gegend und meine Augen schweiften durch die von der Abendsonne wunderbar in Szene gesetzte Berglandschaft.
Arlberg
Kurz nach 18:00 Uhr war Isny erreicht. Fast 700 km quer durch die Alpen lagen hinter mir. So viele Eindrücke, so tolle Landschaften. Es war ein wahr gewordener Traum und die Realisierung schien mir fast unwirklich einfach, problemlos, selbstverständlich.
Erst im Queranflug bemerkte ich, dass das Fahrwerk noch eingefahren war. Das wäre es jetzt noch gewesen! Zum Glück habe ich den Fauxpas gerade noch rechtzeitig erkannt und korrigiert. Und bis eben hat es keiner gewusst :-).
Fortsetzung folgt mit dem Weg zurück quer durch die Alpen nach Serres.
In dieser Artikelserie berichtet Martin Knops auf flieger.news regelmässig über seine Erfahrungen beim und nach dem Kauf seines Traumflugzeuges Jonkers JS 1 sowie über seine erste Saison.
Oder war da sogar noch viel mehr drin als „nur“ zur Furka zu fliegen? Schon lange träumte ich vom Wandersegelflug in den Alpen. Anstatt abends wieder nach Serres zurückzukommen, wollte ich möglichst weit in die Ostalpen fliegen und am nächsten oder übernächsten Tag wieder zurück.
Das waren aber lange Zeit Hirngespinste. Wie sollte ich das schaffen? Wie sollte das funktionieren, wo ich doch selbst propagierte, dass man sich ein Terrain wie die Alpen Stück für Stück erarbeiten muss. Bislang kannte ich die Welt nur bis zum nördlichen Ausgang des Mattertals. Der größte Teil der Alpen war für mich damit immer noch «Terra incognita».
Doch Rettung nahte aus einer völlig unerwarteten Ecke. Wir alle haben während der Covidkrise gelernt, die Möglichkeiten der online-Vernetzung wesentlich intensiver als Kommunikations-Mittel zu nutzen. So kam im Spätherbst 2020 auch eine Truppe aus Königsdorf um Matthias Schunk und Benjamin Bachmaier auf die Idee, das winterliche Alpenflug-Briefing des Vereins als Zoom-Meeting durchzuführen und für alle Interessierten zu öffnen. Was für eine grandiose Idee! „Late Night Soaring“ war geboren und entwickelte sich rasant schnell. Im zweiwöchentlichen Rhythmus teilen die Cracks des Alpensegelflugs die Essenz ihrer jahrzehntelangen Erfahrung, berichten von den optimalen Routen, lokalen Hotspots, Aussenlandemöglichkeiten und Gefahren, teilen alle Tipps und Tricks. Für mich war und ist dies eine unglaublich bereichernde Fundgrube. Was ich mir sonst in vielen Jahren selbst hätte erarbeiten müssen, konnte ich jetzt in Stunden aufsaugen und verinnerlichen. Jede Session ein Puzzlestück, das sich mit den anderen Elementen zusehends zu einem Gesamt-Kunstwerk formte.
Natürlich kann ein derartiges virtuelles Training niemals die eigene praktische Erfahrung ersetzen. Hier muss man sehr vorsichtig sein! Ganz so grün hinter den Ohren war ich mit meinen vielen hundert Stunden Flugerfahrung in den Westalpen aber auch nicht mehr. Und so reifte über den Winter der Plan für den – für mich und meine Maßstäbe – ganz großen Coup: Während meines nächsten Fliegerurlaubs in Serres im August 2021 wollte ich versuchen, aus der Haute Provence über Savoyen, Matterhorn und Furka, Gotthard, Engadin, Paznauntal und Arlberg vorbei an Nebelhorn und Oberstdorf nach Isny im Allgäu zu fliegen – und – die aufmerksamen Leser werden es ahnen – am nächsten Tag zurück!
Gut vorbereitet fühlte ich mich irgendwann und doch weihte ich kaum jemanden in meine Planungen ein. Viel zu unsicher schien mir die Realisierung. Schließlich hatte ich nur ein Zeitfenster von einer Woche und die Wetterlagen, die über mehrere Tage ausreichend homogene Bedingungen entlang des ganzen Alpenbogens gewährleisten, sind rar gesät. Kurz vor meiner Abreise nach Südfrankreich wurde ich dann aber deutlich optimistischer. Die Mittelfrist-Vorhersagen legten nahe, dass sich in der zweiten Hälfte meiner „Serres-Woche“ ein Fenster öffnen könnte… und so verfolgte ich die Wetterberichte noch aufmerksamer als sonst und bat im morgendlichen Briefing immer mal wieder, die Alpenkarte auf zu zoomen und auch die Prognosen für die Nord- und Ostalpen zu besprechen. Das war schon verdächtig und bald ließ sich nicht mehr verheimlichen, was ich da vorhatte.
Zunächst wollte ich mich aber wieder an das Fliegen in den Bergen gewöhnen. Ich brauche doch immer ein bis zwei Tage, bevor ich mich auch tief am Hang wieder pudelwohl fühle. Diesmal kam das immer noch neue Flugzeug als Faktor hinzu. Sicheres Fliegen im Gebirge setzt voraus, dass man das eigene Flugzeug intuitiv beherrscht, dass man mit ihm verwachsen ist, weiß, wie und mit welcher Verzögerung es auf Ruderausschläge reagiert. Viele hundert Stunden Gebirgsflugerfahrung auf einem anderen Muster zu haben, kann in bestimmten Situationen sogar problematisch sein. So ertappte ich mich gleich zweimal dabei, dass ich beim Achtern und Kreisen am Fels unterbewusst eben doch mit der überragenden Wendigkeit der LS6 „rechnete“ und dann den Steinen ungewollt nahe kam – immer noch sicher dank eingeplanter Reserven, aber doch ein Adrenalinstoß, auf den ich gerne verzichtet hätte.
Am Dienstag sollte das Wetter erstmals einen Flug bis zum Furkapass ermöglichen. Noch weiter im Osten drohten allerdings großräumig Gewitter – nicht gerade ideal für die Realisierung meines Plans. Mittwoch und Donnerstag versprachen dagegen, homogen fliegbar zu werden, mit nur vereinzelten Gewittern am Donnerstag-Nachmittag in den französischen Ecrins. Nicht schön, aber hier kannte ich mich aus und ein Umfliegen wäre im Zweifelsfall sicherlich möglich.
Mittwoch sollte es also losgehen… langsam wurde es ernst und ich wusste nicht, ob ich nervös oder einfach nur voll freudiger Erwartung war. So oder so wollte ich den Dienstag nutzen, um mich ins unbekannte Terrain jenseits des Mattertals vorzutasten und damit zumindest einen weiteren Teilabschnitt des Weges nach Isny zu erkunden. Nach dem Start um kurz vor 12:00 ging es zügig über Pic de Bure und den Pas de la Cavale, Briançon, Bardonnecchia und das Modanetal in die Vanoise, über das Aostatal, durch das Valpelline weiter zum Matterhorn, das noch vor 14:30 erreicht war. Es lief wie am Schnürchen.
Pic de Bure
Am Dom, mit über 4’500 m der höchste Berg im Mattertal, ging es auf über 4’000 m hinauf und mit dieser Höhe entlang des Alpenhauptkammes, der in dieser Gegend die Grenze zwischen der Schweiz und Italien markiert, nach Osten. Hier herrschte ein starker Westwind, die Wolken waren deutlich niedriger und rotorhaft zerfasert. Nach Norden öffnete sich der Blick zum Aletschgletscher auf der gegenüberliegenden Seite des Rhonetals, auf Jungfrau und Mönch dahinter – atemberaubend!
Auch die Aletsch-Arena, das Skigebiet um Riederalp, Bettmeralp und Fiescheralp lagen mit ihren nun saftig grünen Pisten in meinem Blickfeld. Hier war ich mit meiner Familie noch im April die Hänge hinuntergewedelt und hatte nebenbei und etwas verstohlen auch den Flugweg durchs Rhonetal ausgekundschaftet. Meine Aufmerksamkeit galt nun eher der Strecke voraus. Fordernd genug! Und doch hatte ich auch noch genug Muße für die Schönheit der Hochgebirgslandschaft – und technische Kuriositäten wie Windenergieanlagen in über 2500 m Höhe. Unfassbar!
Aber in dieser Höhe gibt es Stauseen, gibt es Turbinen zur Stromerzeugung, gibt es Hochspannungsleitungen als Verbindung zur Zivilisation. Wind über den Pass gibt es auch fast immer. Was liegt also näher, als hier ein paar Windenergieanlagen zu bauen? Dass der Wind meist von schräg unten statt von vorne weht, dass die Luftdichte gering, die Turbulenz dafür aber umso größer ist, dass Vereisung alltäglich und die Logistik wahnwitzig sind… alles Herausforderungen und keine Hindernisse… kopfschüttelnd und fasziniert zugleich saß ich im Cockpit und schoss ein paar Fotos, während ich in der turbulenten Thermik um zusätzliche Höhenmeter kämpfte.
Wer genau hinschaut erkennt die Windenergieanlagen – mitten im Hochgebirge
Keine 30 min nach dem Vorbeiflug am Matterhorn und nach mehr als 300 km Strecke durch atemberaubende Szenerie erreichte ich um 15:00 Uhr den Furkapass. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an dieser Landschaft, an Gletschern, Pässen und Hochtälern. Und doch war es Zeit, zu wenden und sich wieder gen Heimat zu orientieren. Im Moment der Umkehr ging der Blick nochmal noch Osten Richtung Horizont, versuchte ich zwischen den tiefhängenden Wolken den weiteren Weg ins Engadin auszumachen. Hier wollte ich morgen wieder vorbeikommen, bis hierhin würde ich mich dann schon auskennen – etwas wenigstens. Und dann läge die gleiche Strecke noch einmal vor mir. Weitere 300 km, sicherlich schwieriger, alles unbekannte Landschaft, vorbereitet nur durch Karten, Videos, Google-Earth.
Ich fühlte mich ein wenig wie bei einer Mount-Everest-Expedition. Hier am Furkapass hatte ich gerade das Höhenlager aufgeschlagen. Nun sollte es zurück ins Basislager gehen, zurück nach Serres, von wo aus am Folgetag der Angriff auf den Gipfel starten würde; mit dem Höhenlager Furkapass als wichtigem Zwischenziel.
Der Rückflug vom Furkapass „ins Basislager“ Serres gestaltete sich trotz kräftigen Gegenwindes zunächst ähnlich problemlos wie der Hinflug. Zurück im Mattertal gab es allerdings die erste negative Überraschung. Ich flog die sonnenbeschienene Ostflanke des mächtigen Dom-Massivs ab und war mir sicher, hier irgendwo auf einen kräftigen Aufwind zu stoßen.
Niente, nichts oder zumindest nichts, was ein Einkreisen gelohnt hätte. Immer tiefer glitt ich das Bergmassiv mit seinen ausladenden Querrippen hinab. Sehr beeindruckend, wenn man fast 2’000 Meter Fels, Schnee und Eis über sich hat, aber andererseits auch noch mehr als 1’000 m über dem Talgrund fliegt.
Sehr beeindruckend, aber genießen konnte ich den Augenblick kaum. Zu sehr kreisten meine Gedanken um die Fragen „Wohin? Wo könnte es hoch gehen? Doch umdrehen?“
Schließlich wechselte ich auf die westliche Talseite. Hier sind auf Höhe von Zermatt die Bergrücken weniger schroff, nicht vergletschert. Hier hatte ich schon in der Vergangenheit gute Aufwinde gefunden. Und auch diesmal wurden meine Hoffnungen nicht enttäuscht, musste die letzte Option, kleinlaut umzudrehen und aus dem Mattertal wieder nach Norden auszufliegen, nicht gezogen werden. Stattdessen ging es nach einigen Suchkreisen zügig aus dem Keller zurück ins Obergeschoss. Meine Anspannung wich schlagartig und schon einen der ersten Kreise im Steigen nutzte ich für ein recht beeindruckendes Foto des Matterhorns: von so weit unten wollte ich es aus einem Segelflugzeug nie wieder sehen! Da ahnte ich noch nicht, dass ich mich nur zwei Tage später in ganz ähnlicher Lage wiederfinden würde. Als hätte ich doch Spaß daran, das Mattertal im Tiefflug zu erkunden.
Matterhorn von Norden
Nun ging es aber erstmal weiter, vorbei am Monte Rosa und dem kleinen Matterhorn über den Pass nach Italien und durch den Valpelline Richtung Aosta. Alles in komfortabler Höhe und so ahnte ich nicht, dass der zweite Tiefpunkt meines Fluges nicht weit war.
Um zu erklären, wie es zu diesem Absetzer kommen konnte, muss ich etwas weiter ausholen: Am Flughafen Aosta sind Fallschirmspringer beheimatet und so gibt es um den Flugplatz eine kleine Sperrzone, die bei Bedarf aktiviert wird, um die Springer zu schützen. Es ist tatsächlich schon passiert, dass ein Springer im freien Fall eine Tragfläche durchschlagen hat. So eine temporäre Sperrzone macht also Sinn.
Dummerweise führt der direkte Weg aus dem Valpelline in die Vanoise genau über den Flugplatz Aosta und somit durch diese Sperrzone. Einen Umweg wollte ich nicht fliegen und so fragte ich unschuldig auf der Flugplatzfrequenz, ob Fallschirmsprungbetrieb stattfände oder nicht. Statt der erwarteten kurzen Antwort folgte der längste und aufreibendste Funkverkehr meiner Karriere… Ich merkte sofort, dass ich den Lotsen regelrecht aufgeschreckt hatte. Er wollte nicht nur genau wissen, wo ich war, wie hoch ich war und wohin genau ich wollte, sondern auch wo ich herkam, wie ich heiße, und und und. Immerhin erkannte ich schnell, warum der Lotse so nervös war, kreuzte doch auf exakt meiner Höhe ein größerer Learjet meinen Flugweg mit Ziel Mont Blanc; offensichtlich ein Sightseeing-Flug.
Hatte ich etwas falsch gemacht? Eigentlich nicht, ausser… ich befand mich auf einem grenzüberschreitenden Flug. Aus Frankreich durch Italien in die Schweiz und wieder zurück. Für einen solchen Flug muss man einen Flugplan aufgeben, was ich nicht getan hatte. Kein Segelflieger dieser Welt gibt einen Flugplan auf, wenn er plant, wieder auf dem Startplatz zu landen. Und auch die Luftaufsichtsbehörden wollen nicht täglich hunderte Flugpläne von Segelfliegern bekommen und administrieren.
Bei der Nachbesprechung in Serres haben mich viele ungläubig angeschaut. Wie könne man nur so blauäugig sein und Aosta anfunken. Das kann nur Ärger geben… Diese Einstellung macht mich fast wütend, zumindest trotzig! Und tatsächlich kam nichts hinterher, kein Bußgeld wegen fehlendem Flugplan oder Ähnliches.
Den Einstieg in die Vanoise hatte mir die Aktion aber auf jeden Fall verdorben. Während ich in einem ruppigen Bart an der Grivola um genau diesen Einstieg kämpfte, schlug ich mich im Funk noch immer mit dem Lotsen von Aosta herum. Das lenkte nicht nur ab und nervte, vielmehr verspürte ich auch den starken Drang, möglichst schnell möglichst weit weg zu kommen und buchstäblich hinter den sieben Bergen zu verschwinden. Das tat ich dann auch und stieg hierfür flugs aus dem widerspenstigen Aufwind aus. Ab in den «Funkschatten».
Allerdings ist es nie und nirgendwo eine gute Idee, tief ins ansteigende Gelände zu fliegen. Der Talgrund kam immer näher, die Bergflanken links von mir wurden immer höher und der Pass voraus am südlichen Talabschluss schlicht unüberwindbar. So ein Mist!
Ich entschied mich, das Tal zu queren und in das Hochtal Richtung Col de Nivolet einzufliegen. Hier würde der Osthang durch den kräftigen Westwind frei angeblasen werden – es konnte dort nur hoch gehen. Frohgemut bog ich um die Ecke und landete in fünf Meter pro Sekunde Fallen! Hier stimmte etwas nicht! Offensichtlich lag ich mit meinem Windmodell massiv daneben! Also flugs umdrehen und zurück zu der Querrippe, an der ich zuletzt durch schwaches Steigen geflogen war. Hier war jetzt echte Bodenakrobatik angesagt.
In solchen Momenten muss man alle Gedanken an den weiteren Flugweg nach Hause weit von sich schieben. Genauso wenig darf man darüber grübeln, was einen in diese bescheidene Lage gebracht hat. Alle Konzentration gilt dem Hier und Jetzt, dem sauberen Achten fliegen am Hang, dem bestmöglichen Ausnutzen des mageren Aufwinds. Und tatsächlich: die Mühe wurde belohnt. Kaum 20 min später schaue ich wieder zu den Gipfeln hinab anstatt herauf, wird der Flugweg jenseits des eben noch unüberwindlichen Passes geplant. Von hier sind es noch knapp 150 km nach Hause, aber aus 4’000 m Höhe ist es fast schon ein gestreckter Endanflug und so lande ich schon eine gute Stunde später voller Eindrücke und auch ein wenig erschöpft in Serres. Erschöpft, aber glücklich.
Später erfuhr ich, dass ich es an diesem Tag als Einziger bis zur Furka geschafft hatte. Ein wenig stolz war ich schon.
Fortsetzung folgt. Im nächsten Bericht fliege ich aus Südfrankreich ins Allgäu und anderntags zurück.
Etwa 100 Flugstunden und fast 9000 geflogene Kilometer bescherten Eric Schneider und Gerrit Neugebauer den beiden Arcen, des Fördervereins Achumer Störche e. V. Eine tolle Bilanz des ersten WeCoach-Trainingslagers in Puimoisson, im schönen Südfrankreich!
Gemeinsam mit unseren Trainern, Uli Gmelin und Frerk Frommholz, kamen wir Samstagabend in Puimoisson an. Wir wurden herzlich empfangen und Alfred Spindelberger wartete dort schon mit einem Chalet auf uns, ein großes Dankeschön dafür. Am Folgetag bauten wir früh morgens die beiden Arcen auf, um einen kleinen Systemcheck zu machen. Immerhin kamen die Flieger fast direkt aus dem Container von ihrem Südafrika-Aufenthalt. So ist uns während dem Einfliegen das ein oder andere Sandkorn entgegen gekommen. Der kleine Ausflug führte dabei schon weit in den Osten und anschließend über den Parcours bis nach Bardonecchia. Gespannt auf die kommenden Tage kehrten wir gemeinsam nach Pui zurück.
Doch leider wurden unsere Erwartungen erstmal gedrückt, da uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte. Doch zum Glück befindet man sich in einer der schönsten Regionen, die man als Segelflieger besuchen kann. Kurzerhand fuhren wir nach Entreveaux, um ein Außenlandefeld zu begutachten. Kaum zu glauben, welch tiefe Schluchten und malerische Orte man auf dem Weg dorthin kreuzt. So stand es nicht zur Diskussion, die Citadelle d’Entreveaux zu erklimmen. Sogar hier hatte man einen wunderbaren Blick auf die Außenlandewiese.
An den folgenden Flugtagen flogen wir, immer abwechselnd mit unseren Trainern Uli und Frerk, unterschiedlichste Strecken bis über 800 km. Dabei konnten wir unter anderem den Mont Blanc und den Monte Viso aus nächster Nähe betrachten. An einem Tag waren wir aufgrund der Vorhersage nicht einmal sicher, ob wir überhaupt fliegen sollten. Also entscheiden wir uns dafür, es einmal ohne unsere Trainer zu versuchen. Der Beginn war durch eine recht tiefe Basis geprägt, daher entscheiden wir uns im niedrigeren Gelände, Richtung Glandasse zu fliegen.
Schon auf dem Weg sahen wir, dass auch der Vercors schön entwickelt war. Kurzerhand streckten wir unseren Ausflug und flogen in die Chartreuse bis kurz vor Chambéry. Am Ende des Tages standen mit einer perfekten Landung zu Sunset fast 700 km auf der Uhr. Vor dem Start hätte sich das niemand von uns auch nur ansatzweiße denken können. Ein Beweis dafür, in welch einmaligen Segelflugparadies wir hier fliegen durften.
Mitte der zweiten Woche sollte es erneut möglich sein, weit in den Norden zu fliegen. Ziel war dieses Mal das Matterhorn. Leider hatten wir morgens erneut bei niedriger Basis etwas Anlaufschwierigkeiten. Mit dem gemeinsamen Flug im Gedächtnis wichen wir vom ursprünglichen Plan ab und flogen über Grenoble nach Norden. Gerrit war etwas früher dran und konnte bis zum Ende des Genfer Sees, auf Kilometer 280 nach Puimoisson, fliegen. Eric hatte sich am morgen, zusammen mit Uli, leider etwas verbastelt und sie waren ein paar Minuten später dran, sodass sie ein wenig früher wenden mussten. Auf dem Rückweg fädelten wir beide ins Modanetal ein und sprangen über den Col du Galibier wieder in den Süden. Dort warteten jetzt satte Steigwerte von über 6 m/s und fast 4000 m Basis auf uns. Hier verlängerten wir noch ein wenig am Parcours und in den Écrins, sodass wieder über 800 km auf dem Tacho standen. Zwar konnten wir das eigentliche Ziel nicht erreichen, dennoch war das Matterhorn neben dem Mont Blanc in der Ferne zu erspähen. Ein Anblick, den man so schnell nicht wieder vergessen wird.
Leider hatte die Wetterfee nach zehn unglaublichen Flügen nicht mehr genug Thermikstaub für uns übrig und brachte eher dunkle Wolken und Regen mit sich. Spontan traten wir daher die Heimreise zwei Tage früher an. Abschließend möchten wir uns herzlich bei allen bedanken, die uns diese einmalige Gelegenheit ermöglicht haben. Ganz besonders bei den Trainern Uli Gmelin und Frerk Frommholz, aber auch bei Madleen Frommholz, die sich am Boden um unser kulinarisches Wohlergehen gekümmert hat. Ein weiterer Dank gilt Alfred Spindelberger, welcher uns netterweise ein Chalet zur Verfügung gestellt hat. Nicht zu vergessen all jene, die im Hintergrund tätig waren und den Förderverein und WeCoach unterstützen. Wir können allen Junioren nur wärmstens empfehlen sich dieses Jahr für ein Platz im WeCoach Trainingslager zu bewerben! Quelle: ‚WeGlide‚.
Im Rahmen der OLC-Talentförderung begeistert Johannes Beyer mit sensationellen Flügen. Einer ist dabei besonders interessant: Mit der LS8 von Königsdorf zum Mont Blanc am 18.05.2022. Das war natürlich ein Grund für ein Interview:
OLC: Johannes, vielen Dank, dass du für ein Interview zur Verfügung stehst. Du schreibst im Kommentar zu Deinem Flug am 18.05.2022, dass das zwar nicht dein punkthöchster aber einer deiner spektakulärsten Flüge deines Lebens war. Da interessieren uns natürlich die Details. Aber bevor wir auf den Flug eingehen, möchten wir Dich um ein paar Sätze zu dir selbst bitten: Wir alt bist du, welche Flugerfahrung hast du und was beschäftigt Dich außerhalb des Segelfliegens?
Johannes: Vielen Dank erstmal für das Interesse an meinem Flug! Ich bin 24 Jahre alt und dem Segelfliegen bereits seit 2014 verfallen. Meine fliegerischen Wurzeln liegen in Stahringen am Bodensee, wo ich 2016 meine Lizenz erwerben konnte. Seit 2017 bin fliegerisch in Königsdorf beheimatet. Dort konnte ich sehr von der Juniorenförderung in meinem Verein profitieren und von den hervorragenden Piloten wie Mathias oder Benni in kürzester Zeit sehr viel über das Alpenfliegen lernen. Mittlerweile durfte ich über 1200 Segelflugstunden in ganz Europa und auch auf der Südhalbkugel sammeln. Wenn ich nicht fliege, studiere ich im Master Luft und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München.
OLC: Bitte erzähle uns etwas zu deinem Flug vom 18.05.2022, der dich mit der OLC LS8 ja 415 km weit von Königsdorf aus bis zum Mont Blanc geführt hat und den du ja selbst als „spektakulär“ beschreibst.
Johannes: Mit den Nordalpen als Fluggebiet sind wir in Königsdorf grundsätzlich schon sehr verwöhnt. Allerdings sind die Flüge bis in die Westalpen landschaftlich nochmal eine ganz anderen Liga. Sich zwischen den höchsten Bergen der Alpen zu bewegen, deren Gipfel die Wolkenbasis nochmal um 1500m überragen, ist jedes Mal sehr spektakulär. Der Flug selbst lief wirklich sehr gut. Das größte Handicap war, dass die für den Abflug relevanten Randberge erst deutlich später als das umliegende Gebiet Cumuli entwickelten.
Da ich ohne Motor schon sehr ungern ins Blaue hinein starte, ging es erst etwas später los. Der Abflug lief dann umso besser. Trotz zweier Langohren im Schlepptau und damit leicht reduzierter Kurbeleffizienz (:-)) war der Stundenschnitt schon beim Sprung ins Rheintal über 100km/h. Auf der Rheintal Nordseite konnte ich dann in eine gute Linie einfädeln, die mich sehr schnell bis an die TMA Sion brachte. Nach der Wallis Querung wurde es etwas schwieriger im Rhythmus zu bleiben. Trotzdem gelang es mir zügig über die Querrippen bis Verbier und weiter an den Col du Ferret zu kommen. Am Mont Blanc vorbei bis zur Wende war es dann gar nicht so einfach. Im Tal von Aosta wurde ich dann aber wieder von Hammerthermik begrüßt, was mich dazu bewegte über das Valpelline zurück ins Mattertal zu springen.
Ab dort gab es dann kein Halten mehr. Beste Nachmittagsthermik und die hohe Basis trieben den Schnitt jenseits der 125km/h. Im oberen Höhenband konnte ich bis kurz vor Davos fliegen. Ab dort baute die Thermik dann langsam ab und auch das Engadin war schwächer als üblich. Zu diesem Zeitpunkt lag ich aber schon so gut im Zeitplan, dass ich auch schwächeres Steigen mitnehmen konnte. Einfach das Risiko minimieren sicher bis über den Gleitpfad nach Königsdorf zu kommen, war ab dort die Devise.
OLC: Es waren noch einige Pilotinnen und Piloten mit dir unterwegs. Offensichtlich konntest du gut mit den Arcen mithalten oder ihnen teilweise sogar davonfliegen. War das Ziel „Mont Blanc“ im engen Teamflug von vorneherein vereinbart? Ist ein wendiger Einsitzer in den Bergen den schwerfälligen Doppelsitzern sogar überlegen?
Johannes: Die Route nach Westen ist von Königsdorf aus sehr deutlich durch das Gelände vorgegeben. Gerade weil die Südseite doch sehr feucht-labil und damit eher schwierig fliegbar war, ähnelten sich die Routen sehr. Den Wendepunkt Mont Blanc gaben die Klassenrekorde für DoSi und Standardklasse, die dicht beieinander liegen, vor. Einen engen Teamflug hatten wir nicht vereinbart. Gerade auf langen Flügen genieße ich es, für mich zu fliegen und meine eigenen Entscheidungen treffen zu können. Austausch über Thermik, Streckenfortschritt und Flugtaktik mit den Kameraden im gleichen Gebiet gibt es natürlich über Funk. Man muss vielleicht erwähnen, dass die Nordalpen bei der Flugtaktik sehr selektiv sind. Schon 50m zu wenig am nächsten Grat können verhindern, dass man an das starke Steigen kommt. So werden kleine Fehlentscheidungen schnell mal mit 15-30 Minuten Zeitverlust bestraft. Da spielt die Leistungsfähigkeit des Flugzeugs an homogenen Tagen eher eine untergeordnete Rolle. Allerdings bin ich schon erstaunt, wie gut man bei einigermaßen gutem Wetter mit der LS8 mit größeren Flugzeugen mithalten kann. Erst wenn es dann schwächer wird merkt man die doch etwas geringere Gleitleistung der Standardklasse an den Schnitten.
OLC: Gab es Tiefpunkte unterwegs, die das Ziel Mont Blanc bzw. das Heimkommen fraglich erschienen ließen? Johannes: Das Heimkommen steht beim ausgereizten Zielrückkehrflügen eigentlich dauerhaft in Frage. Schon eine kleine Verschlechterung des Wetters und eine dadurch sinkende Schnittgeschwindigkeit können dazu führen, dass man am Ende schlicht aus dem Wetter fällt. Diesen Gedanken konnte ich auf dem Flug jedoch weitgehend von mir fernhalten. Einen richtigen Tiefpunkt gab es zum Glück nicht. Allerdings kam ich vor der Querung des Col du Ferret knapp 20km vor der Wende etwas aus dem Rhythmus. Aufgrund der Außenlandesituation war es hier notwendig, für den Weiterflug deutlich zu steigen, was sich aber als schwierig erwies. Da musste ich mich schon meinen ganzen Mut zusammennehmen, um trotzdem bis zur Wende durchzuziehen.
OLC: Was reizt dich genau an solch langen Flügen (mit einem Standardklassse-Flugzeug ohne Motor)? Johannes: Für mich ist es ungemein spannend den Tag streckentechnisch komplett auszureizen. Von den ersten Flusen bis zur letzten zerfallenden Congestuswolke zu fliegen und dabei alle natürliche Energie möglichst effizient in Strecke umzusetzen, fasziniert mich sehr. Dabei ist es nicht so wichtig den neusten 18-m Renner oder eine offene Klasse zur Verfügung zu haben, um tolle Strecken zurückzulegen. Mit den richtigen Entscheidungen und einigermaßen Flächenbelastung kommt man da schon ziemlich weit. Mit der LS8 darf ich ein Flugzeug fliegen, in dem ich mich wirklich sehr wohl fühle und mit dem trotzdem fast alles möglich ist. Das Fliegen ohne Motor macht die ganzen Flüge nochmal interessanter. Da überlegt man sich wirklich genau was man tut, denn eine potentielle Fehlentscheidung kann nicht eben durch 2L Avgas ausgebügelt werden. Auf der anderen Seite bringt man dadurch auch manchmal aussichtslos scheinende Flüge nach Hause. Frei nach dem Motto: „Wer keinen Motor hat zündet ihn auch nicht“.
OLC: Im Falle einer Außenlandung: Was war die Planung? Hast du immer eine Zahnbürste (etc.) dabei? Wer unterstützt dich im Hintergrund? Johannes: Ich habe das Glück in einem Verein zu fliegen, in dem Streckenflug wirklich gelebt wird. Das heißt es gibt viele Mitglieder, die ambitioniert Strecke fliegen und dann auch Verständnis dafür haben, wenn man doch mal irgendwo landet. Unser Rückholprinzip beruht auf spontaner Gegenseitigkeit. Wenn irgendjemand außenlandet, findet sich immer jemand, der das Rückholen übernimmt. (Danke an dieser Stelle auch an alle, die mich schon zurückgeholt haben :-)) So spart man sich vor jedem Flug die aufwändige Organisation für den doch relativ unwahrscheinlichen Fall einer Außenlandung – und das Wichtigste: Man kann mit freiem Kopf fliegen! Eine Zahnbürste hatte ich übrigens nicht dabei.
OLC: Du fliegst zurzeit die LS8 aus der OLC-Talentförderung. Was sind deine segelfliegerischen Ziele in nächster Zeit und langfristig? Johannes: Das nächste Event steht schon vor der Tür: Die Deutsche Meisterschaft in Zwickau. Da freue ich mich schon sehr mit der LS8 mitzufliegen und hoffentlich viel Neues von den Wettbewerbsexperten lernen zu können. Den Rest des Jahres kann ich dann hoffentlich gut mit Liga und Langstreckenflügen füllen, um auch außerhalb der Wettbewerbsfliegerei meine Fähigkeiten weiter zu verbessern. Ein Flug, auf den ich definitiv hinarbeite, sind die 1000km FAI von Königsdorf aus. Ein Dreieck dieser Größe in den Nordalpen ist meines Erachtens eine der anspruchsvollsten Strecken und reizt mich daher sehr. Ob sich da dieses Jahr mit der LS8 eine Wetterlage finden lässt, sei mal dahingestellt. Aber man braucht ja auch Ziele für die Zukunft. Link zum Flug. Quelle: ‚OLC, online contest‚.