Sichtflug in IMC bis zur Geländekollision

Kurzdarstellung
Das Flugzeug befand sich auf einem Überführungsflug über die Alpen. Während des Reisefluges kollidierte es der geplanten Route folgend mit dem Gelände.

Ursache
Der Unfall, bei dem das Flugzeug mit dem Gelände kollidierte, ist auf die Fortführung eines Sichtfluges unter Instrumentenwetterbedingungen zurückzuführen.

Vorgeschichte
Am 29. März 2022, dem Tag vor dem Unfall, flog der Pilot mit dem als D-FLIC eingetragenen, einmotorigen Turbopropflugzeug Cessna 208 «Caravan» von dem in der Toskana gelegenen Landeplatz Aviosuperficie Costa d’Argento (La Parrina – Grosseto) zum Flugplatz Siegerland (EDSG). Dabei überflog er das Säntismassiv nach Sichtflugregeln auf einer Flughöhe von rund 8200 ft AMSL4 und auf derselben Route wie am Unfalltag, nämlich auf der direkten Verbindungsline zwischen den für Flüge nach Instrumentenflugregeln vorgesehenen Wegpunkten PELAD und DEGES.

Flugverlauf
Am 30. März 2022 um 09:02 UTC startete der Pilot alleine an Bord der D-FLIC vom deutschen Flugplatz Siegerland (EDSG) zu einem Sichtflug nach dem Flugplatz Arezzo (LIQB) in Italien. Um 10:19 UTC überflog er den Wegpunkt DEGES auf 5400 ft AMSL. Dabei stand er in Funkkontakt mit dem FIC6 Zürich, das ihn angewiesen hatte, unter dem Nahkontrollbezirk Zürich zu verbleiben. Dieser Luftraum weist bei DEGES eine Untergrenze von 7500 ft AMSL auf.

Nach dem Passieren von DEGES flog der Pilot wie geplant in Richtung des Wegpunkts PELAD und um 10:19:31 UTC informierte ihn das FIC, dass nun die höchstzulässige Höhe für Sichtflüge ohne Genehmigung für einen Einflug in den kontrollierten Luftraum Flugfläche 130 betrage: «D-IC, report Bad Ragaz and now maximum flight level 130 possible». Der Pilot antwortete mit «Roger, will report [schwer verständlich] can you confirm start ähm higher?» und wollte sich damit vergewissern, dass er nun steigen könne, was das FIC um 10:19:43 UTC mit «D-IC affirm, you may continue climb up to maximum flight level 130» bestätigte. Der Pilot antwortete daraufhin: «Roger, copied».

Die Steigrate betrug durchschnittlich rund 550 ft/min. Um 10:23 UTC kollidierte das Flugzeug auf unverändertem Flugweg und in Wolken fliegend auf einer Höhe von 6800 ft AMSL mit der Nordflanke des Grüehorn im Säntismassiv. Der Pilot kam dabei ums Leben und das Flugzeug wurde zerstört.

Meteorologische Angaben
Die Vorhersage fluggefährdender Wettererscheinungen in Form der Low Level Significant Weather Chart (LL-SWC) des Deutschen Wetterdienstes (DWD), gültig für Mittwoch, 30 März 2022, 10:00 UTC, liess für die ganze Flugstrecke tiefe und damit in den Bergen aufliegende, hoch reichende Bewölkung und lokale Niederschläge mit eingeschränkten Sichtverhältnissen erwarten. Zudem war auf den Flugflächen (Flight Level – FL) zwischen FL 50 bis FL 70 und FL 180 mit Vereisungsbedingungen zu rechnen.

Flugwetter in der Schweiz
Die Schweiz lag auf der Vorderseite einer umfangreichen Tiefdruckzone, die sich von Skandinavien bis zur Iberischen Halbinsel erstreckte. Mit einer südwestlichen Höhenströmung wurde feuchte Luft zum Alpenraum geführt. Für das Gebiet der Voralpen und Alpen war gemäss der Flugwetterprognose von MeteoSchweiz mit folgenden Wetterbedingungen zu rechnen: «8/8 mit Basis 7000-9000 ft AMSL, darunter teils 2-4/8 mit Basis um 6000 ft AMSL. Zeitweise etwas Niederschlag. Schneefallgrenze um 5000 ft AMSL. Sicht mit Schneefall teils 3-5 km, sonst meist über 8 km.»

Aufnahmen aus dem Cockpit
Der Pilot fotografierte auf dem Unfallflug das Instrumentenbrett des Flugzeugs und versandte das Foto per Mobiltelefon. Das Bild zeigt eine Position nahe des Ultrakurzwellen-Drehfunkfeuers (VHF-Omnidirectional Radio Beacon – VOR) Sulz mit der Kennung SUL bei Stuttgart und war um 09:58 UTC aufgenommen worden. Es zeigt zudem einen eingeschalteten Autopiloten und eine Höhenmesseranzeige von 6840 ft bei einer Einstellung 29.64 in Hg8, entsprechend 1004 hPa. Zusammen mit der Aufnahme des Instrumentenbretts versandte der Pilot ein Foto, das einen Blick aus dem linken Cockpitfenster zeigt. Aus diesem ist ersichtlich, dass sich das Flugzeug zum Zeitpunkt der Aufnahme in Instrumentenwetterbedingungen befand und an der Eintrittskante der Tragfläche etwas Eis angesetzt hatte. Der Zeitpunkt dieser Aufnahme war nicht zu ermitteln.

Webcam-Aufnahmen
Webcam-Aufnahmen zeigen die Standorte Säntis und Schwägalp in unmittelbarer Umgebung der Unfallstelle zum Zeitpunkt des Unfalls in Wolken. Die Webcam auf dem 3960 ft hohen Hochhamm befand sich knapp unter der Basis einer Wolkendecke. Der Standort dieser Webcam liegt 10 km nordwestlich der Unfallstelle.

Navigationshilfen
Die D-FLIC war für das Fliegen nach Instrumenten ausgerüstet. Sie verfügte über ein Navigationsgerät des Typs Garmin GNS 530, ein Navigationsgerät des Typs Flymap L und einen Wetterradar. Über dem Instrumentenbrett war zudem ein Tabletcomputer angebracht, der wie die beiden vorgenannten Navigationsgeräte die Flugzeugposition in einer Kartenansicht (moving map) darstellte.

Kommunikation
Der Funkverkehr zwischen dem Piloten und dem FIC Zürich wurde zielführend abgewickelt, wies jedoch gelegentliche Verständigungsschwierigkeiten auf und erforderte beiderseits einige Nachfragen.

Analyse
Es liegen keine Hinweise auf technische Mängel vor, die den Unfall hätten beeinflussen oder verursachen können. Der Pilot flog im Sichtflug und seiner geplanten Route folgend in Instrumentenwetterbedingungen (Instrument Meteorological Conditions – IMC) ein.

Die Flugwegaufzeichnungen legen nahe, dass für den Flug mehrheitlich der Autopilot des Flugzeuges verwendet wurde. Wie ein vom Piloten selber aufgenommenes Bild belegt, flog er bereits vor dem Unfall zumindest einmal in Instrumenten-Wetter-Bedingungen. Denkbar ist, dass er sich aufgrund der Berechtigung für Instrumenten-Flüge für einmotorige Flugzeuge, die er rund 8 Jahre vor dem Unfall besessen hatte, in der Lage sah, den Flug nach Instrumenten und in Instrumenten-Wetterbedingungen fortzusetzen. Da er aber nicht durch die Flugsicherung als Instrumentenflug geführt wurde und sich offenbar auch nicht ausreichend bewusst war, dass ansteigendes Gelände vor ihm lag, kollidierte er während des Steigfluges ohne Sicht nach aussen mit dem Säntismassiv.

Eine Fortführung von Sichtflügen unter Instrumentenwetterbedingungen ist mit erheblichen Risiken verbunden und führt immer wieder zu fatalen Flugunfällen. Dies gilt ganz besonders für Flüge zur Überquerung von Gebirgszügen. Ein vergleichbarer Unfall ereignete sich am 12. September 2017 bei der Alpenüberquerung eines Motor-Flugzeuges des Typs Mooney M20K.9

Ursachen
Der Unfall, bei dem das Flugzeug mit dem Gelände kollidierte, ist auf die Fortführung eines Sichtfluges unter Instrumentenwetterbedingungen zurückzuführen. Quelle: ‚SUST, Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle‘.

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