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Überflug-Vorschriften der Nationalparks in Frankreich

Am 27. Mai haben wir an dieser Stelle einen Aufruf publiziert, dass sich Segelflieger/-innen an die Überflug-Vorschriften in den Nationalparks der französischen Alpen halten müssen, auch wenn die geografische Anordnung für Segelflieger ein faktisches Durchflugsverbot bedeutet und die Streckenflug-Möglichkeiten von Startplätze in Südostfrankeich in Richtung Schweizer Alpen massiv einschränkt.

Nachfolgend stellen wir für Sie die gesetzlichen Grundlagen als Übersetzung des französischen Originaltextes vom 7. Mai 2025 zur Verfügung. Bitte beachten Sie insbesondere die Tabelle mit dem vorgesehenen Strafmass bei Verstössen.


In Frankreich gibt es derzeit elf Nationalparks, die fast 8% der Landesfläche abdecken, darunter acht Parks im Mutterland: La Vanoise (1963), Port-Cros (1963), die Pyrenäen (1967), die Cevennen (1970), die Écrins (1973), der Mercantour (1979), die Calanques (2012) und der Nationalpark der Wälder (2019). Jeder Nationalpark wird durch eine öffentliche nationale Einrichtung unter der Aufsicht des Umweltministeriums eingerichtet und verwaltet.

Das Umweltgesetzbuch sieht vor, dass ein Gründungsdekret den Perimeter des Nationalparks abgrenzt, bestehend aus einer Beitrittszone mit Schutzausrichtungen und einem Kerngebiet mit Schutzmaßnahmen für Natur-, Kultur- und Landschaftserbe (Artikel L.331-2 und L.331-3 UGB). Jeder Park wird durch eine Charta verwaltet, die per Ministerialdekret genehmigt wird und unter anderem den Überflug des Parkkerns unter 1000 m Höhe über Grund regeln oder untersagen kann (Art. L.331-4-2 UGB). Ergänzend dazu gibt es Verordnungen der Parkdirektion, die die ökologischen Besonderheiten des jeweiligen Parks berücksichtigen.

Verstöße gegen das Umweltgesetzbuch können durch beauftragte und vereidigte Beamte des Französischen Biodiversitätsamtes (OFB), das seit 2020 für die Verwaltungs- (unter der Präfektur) und die Strafverfolgungspolizei (unter der Staatsanwaltschaft) zuständig ist, sowie durch die örtlich zuständige Gendarmerie festgestellt werden.

Jüngste Arbeiten der Nationalpark-Kommission innerhalb der FFVP (Französischer Segelflugverband) ermöglichten eine Bestandsaufnahme. Eine 2024 durchgeführte Studie auf Basis von Flugdatensätzen hat die Anzahl von Segelflugzeug-Überflügen in Nationalparks untersucht – unabhängig von der Flughöhe. Die meisten Flüge waren von kurzer Dauer und in Höhen von 600 m oder höher über Grund.

Die Kommission untersuchte auch die Dekrete und Charten der Nationalparks mit Segelflugaktivitäten und stellte dabei Unterschiede fest:

  • Nationalpark Cevennen: Überflug des Parkkerns unter 1000 m verboten für motorisierte Luftfahrzeuge, geregelt für nicht motorisierte; aktuell keine Einschränkungen für Segelflugzeuge.
  • Nationalpark Pyrenäen: Überflug unter 1000 m verboten für motorisierte, geregelt (Zeiten, Zonen, Genehmigungen) für nicht motorisierte (Verordnung von 2022).
  • Nationalpark Mercantour: Verbot für motorisierte, geregelt für nicht motorisierte mit eventueller Gebühr. Verordnung von 2016 verbietet Segelflug unter 1000 m; 2017 wurden Ausnahmekorridore abgeschafft.
  • Nationalpark Écrins: Verbot unter 1000 m für motorisierte, geregelt/genehmigungspflichtig für nicht motorisierte; vereinbarte Flugrouten; Segelflug geregelt durch abgestimmte Verordnung zwischen FFVP und Parkleitung.
  • Nationalpark La Vanoise: Verbot unter 1000 m für motorisierte, geregelt/genehmigungspflichtig für nicht motorisierte, mit Verordnung von 2015 zu Zeiten/Zonen.
  • Nationalpark der Wälder: Überflug unter 1000 m verboten für alle Luftfahrzeuge, außer mit Genehmigung.

Bei einem Überflug unter 1000 m (ca. 3300 Fuß) durch ein Segelflugzeug – sei es Hangflug, Thermik oder Transit – oder bei Flug in verbotenen Zeiten oder Zonen kann eine Verwarnung an den Piloten oder Verein erfolgen. Dies kann ein Anlass für einen Austausch über Umweltauflagen und mögliche Auswirkungen des Flugs auf Tiere sein.

Wird durch einen vereidigten Beamten ein Ordnungswidrigkeits-Protokoll aufgenommen, folgt ein freiwilliges Verhör. Es gibt keine polizeiliche Zwangsmaßnahme wie Gewahrsam. Der Betroffene kann Zeugen vorschlagen (Fluglehrer, Vereins-Präsident, anderer Pilot), um etwa Wetterlage, Sicherheitsgründe oder Navigations-Fehler zu erklären.

Für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit genügt der objektive Verstoß – es ist kein Vorsatz erforderlich.

Bei Doppelsitzern gilt nur der verantwortliche Pilot (laut EU-Verordnung Nr. 1178/2011) als strafrechtlich haftbar.

Das Verfahren wird dann an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die über eine Strafverfolgung entscheidet.

Mögliche Verstöße und Strafen:

Verstoß Gesetzliche GrundlageSanktion
Unerlaubter Überflug eines Nationalparks unter 1000 mArt. R.331-68, R.331-71, L.173-7 UGBOrdnungswidrigkeit 5. Klasse, bis 1500 € *)
Wiederholung eines unerlaubten ÜberflugsArt. R.331-73, R.331-68, R.331-71, L.173-7Ordnungswidrigkeit 5. Klasse, bis 3000 € *)
Nicht genehmigtes Spiel/Sport in einer ParkzoneArt. R.331-66, R.331-71, L.173-7Ordnungswidrigkeit 4. Klasse, bis 750 € *) / **)
Absichtliche Störung von Tieren ohne GenehmigungArt. R.331-65, R.331-71, L.173-7Ordnungswidrigkeit 4. Klasse, bis 750 € *) / **)

*) Mögliche zusätzliche Sanktion: Einziehung des Tatmittels (z. B. Segelflugzeug).
**) In Kernschutzgebieten gelten bei bestimmten Verstößen höhere Strafen (5. Klasse).

Verfahrensabläufe:

Bei Ordnungswidrigkeiten der vierten Klasse werden die Verfahren vom Staatsanwalt
(OMP) beim Polizeigericht bearbeitet. Dieser kann den Strafzettel aufrechterhalten, das Verfahren einstellen, wenn ein Verstoß nicht ausreichend nachgewiesen ist, oder die Anfechtung an das territorial zuständige Polizeigericht verweisen. Bei Ordnungs-Widrigkeiten der fünften Klasse kann der territorial zuständige Staatsanwalt entscheiden:

  • eine Einstellung des Verfahrens im Falle einer nicht begangenen oder unzureichend nachgewiesenen Straftat oder eine Einstellung unter der Bedingung der Nicht-Wiederholung im Falle einer geringfügigen Straftat
  • eine Alternative (falls akzeptiert) zur Strafverfolgung (Geldstrafe in Form eines Strafvergleichs, Bürgerpraktikum in Umwelt-Angelegenheiten
  • einen Strafbefehl (vereinfachte Strafverfolgung ohne Anhörung, aber mit Einspruch vor dem Polizeigericht)
  • eine Strafverfolgung vor dem Polizeigericht (mit Anhörung vor dem Polizeigericht).

Ein Anwalt ist beim Verhör nicht notwendig, es sei denn durch Rechtsschutz-Versicherungen oder bei Vorladung vor Gericht. Ausländische Piloten können einen Dolmetscher verlangen. Wird nur das Flugzeug identifiziert, nicht aber der Pilot, kann der Halter (z. B. der Verein) verantwortlich gemacht werden.

Die Ermittler (Park, OFB) können zur Identifikation auch Flugdatenregister oder Gebührenverzeichnisse von Flugplätzen anfordern. Bleiben freiwillige Auskünfte aus, können diese mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft auch beschlagnahmt oder eingefordert werden (Art. 77-1 Strafprozessordnung oder Art. L.172-11 UGB). Eine Weigerung kann mit bis zu 3’750 € geahndet werden (Art. 60-1 Strafprozessordnung).

Die Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten beträgt 1 Jahr nach dem letzten Handlungsakt (Art. 9 Strafprozessordnung).

Unabhängig von Strafverfahren kann das Nationalparkamt im Wege der „großen Wegerechtsverstoß-Verfahren“ Ersatz für Aufräum- oder Wiederherstellungskosten verlangen (Art. L.2132-2 CGPPP und L.774-1 VwGO). Dies erfolgt ggf. auch ohne Verjährungsfrist im Verwaltungsverfahren.

In geeigneten Fällen kann der Clubpräsident in Zusammenarbeit mit der Parkleitung dem Betroffenen eine alternative Maßnahme vorschlagen, z. B. Teilnahme an einem Umweltseminar (ähnlich wie Verkehrssicherheitsseminare, 2 Tage, kostenpflichtig).

Ein etwaiges Straf- oder Verwaltungsverfahren schließt vereinsinterne Sanktionen nicht aus, besonders bei vorsätzlichem oder wiederholtem Fehlverhalten. Es können dann auch die Disziplinarorgane der FFVP eingeschaltet werden – insbesondere bei offiziellen Veranstaltungen.

Zur Vorbeugung sollte sichergestellt werden, dass die Satzung und die Flugordnung für alle gelten (Mitglieder und Gäste) und entsprechend ausgehängt werden. Bei regelmäßiger Aufnahme ausländischer Gäste kann ein mehrsprachiges Willkommensheft (mind. Englisch/Deutsch) sinnvoll sein.

Verfasst am 1. Februar 2025, aktualisiert am 7. Mai 2025
von JF DEVALLOIR, Mitglied des Segelflugzentrums Troyes – Aube

Lufträume der französischen Alpen respektieren

Eine Gruppe von Segelfliegern hat es geschafft, mit den Verwaltungen der französischen Nationalparks Vanoise, Mercantour und Vercors ins Gespräch zu kommen mit dem Ziel, dass Durchflugkorridore für den Segelflug freigegeben werden können.

Leider sind die Voraussetzungen nicht sehr gut, da von Seiten der Nationalparks immer wieder auf die laufenden Verletzungen dieser Lufträume hingewiesen wird und deswegen Segelflieger als unsichere Partner angesehen werden.

Zum Schutz der Fauna und damit diese Verhandlungen Chancen auf Erfolg haben, ist es wichtig, dass wir die geltenden Einschränkungen (keine Durchflüge unter 1000m AGL) in diesen Parks einhalten.

Deshalb an dieser Stelle der dringende Aufruf an alle Streckenflieger in den französischen Alpen: haltet unbedingt die geltenden Regeln strikte ein und umfliegt den Nationalpark Vanoise auf der westlichen Seite. Erst dann gibt es eine Chance auf Erfolg und wir werden dafür mit neuen Durchflugkorridoren, ähnlich wie im Nationalpark Ecrins, belohnt.

Vanoise im Westen umfliegen, alles andere ist illegal
Im Kartenausschnitt oben können Sie mit aufzoomen erkennen, dass keine legale Passage aus dem Vallée Modane zum Isère-Tal und nach Aosta möglich ist, es sei denn, Sie fliegen immer 1’000 METER über Grund (was in den verwinkelten Tälern der Region illusorisch ist).

Die Region wird von Parkwächtern kontrolliert, Flarm-/IGC-Daten werden ausgewertet und es wurden auch schon empfindliche Bussen ausgesprochen.

Zur Querkontrolle hier noch der Kartenausschnitt der ICAO-Karte (mit Link auf die offizielle französische ICAO-Karte (Géoportail de la République Française)

-> Link auf die detaillierten Luftraum-Beschränkungen im Nationalpark Vanoise

Um diese Region gehts: ein legaler Überflug des hochgelegenen Gebietes zwischen dem Modanetal und Val d’Isère sowie dem Aosta-Tal ist legal mit 1’000 Metern AGL in Thermik-Bedingungen kaum möglich. Das ist ein faktisches Durchflug-Verbot und damit entfällt auch die Jahzehntelang mögliche Nutzung der Konfluenz entlang der italienisch-französischen Grenze im Vallée Modane / Grand Paraids leider.
Blick von der Tsanteleina zurück ins Val d’Isère. Dieses schmale Schlupfloch wurde vor ca. zwei Jahren durch ein zusätzlich eingefügtes Schutzgebiet namens „La Bailletaz“ ebenfalls „gestopft“.

Kein Durchkommen mehr (Teil 1)

Wichtig für Südfrankreich-Urlauber mit Streckenflug-Projekten in den Alpen: die beliebte Flugroute entlang der französisch-italienischen Grenze mit der dort auftretenden Konfluenz ist seit Dezember 2021 bei thermischen Bedingungen kaum mehr legal passierbar.

Übersetzung aus dem Italienischen: (…) Grenzen des Schutzgebiets des Nationalparks Gran Paradiso, innerhalb dessen das Überfliegen mit nicht zugelassenen Flugzeugen verboten ist:
Vertikale Grenzen: SFC / 4500 ft AMSL anstelle von SFC / 1500 ft AGL.

Diese erhöhte Luftraum-Obergrenze der „Protected area“ im „Parco Nazonale del Gran Paradiso“ ergäbe mit 4’500 Fuss AMSL in diesen V-Tälern keinen natur-schützerischen Sinn, anderseits wäre mit 4’500 Metern AMSL die hochgelegene Region (Gipfelhöhe des Gran Paradiso: 4’061 m) bei regulären thermischen Verhältnissen kaum legal überfliegbar.

Eine nächste Verwechslungsmöglichkeit ist jene von AGL und AMSL. Bei einem geschützen Luftraum von 4’500 ft über Grund ist das fliegerische Resultat dasselbe.

Luftraum-Situation, Auszug aus den Karten von 2022

Bis heute hält sich das Gerücht, dass bei der benachbarten „Protected area Vanoise“ „Fuss“ mit „Meter“ verwechselt wurde. Der Überflug des Parks mit einem freiem Luftraum erst über 3’300 ft oder 1’000 m / Grund ist als Folge davon nur in der Talmitte legal möglich.

Die Streckenflug-Experten der südfranzösischen Segelflug-Zentren empfehlen in der Praxis heute ein westliches Umfliegen des Vanoise-Schutzgebietes, um über das Valgrisenche und den Mont Fallère nördlich von Aosta in die Walliser Alpen zu gelangen.

Die detaillierten Luftraum-Angaben der Naturschutzgebiete sind leider ohne die abonnierten staatlichen AIP-Publikationen Italiens und Frankreichs nur mit grossem zeitlichem Aufwand auffindbar, kompliziert nur in der Landessprache formuliert und (zu) umfangreich.

Was für eine Flugsaison!

Auf einem Langstreckenflug im großen Flieger hatte ich Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen und diese zu Papier zu bringen (bzw. ins Handy zu tippen). Hoffe es gefällt 😃. 2022 – was für eine Flugsaison!

Noch ein wunderbarer Alpenflug
Von den Eindrücken eines einzigen Fluges kann ich wochenlang, monatelang zehren. Wenn nötig, sogar über den ganzen Winter, wenn Skifahren und andere Aktivitäten die Lücke mehr schlecht als recht füllen. Ein einziger Flug füllt den Akku für lange Zeit. Aber mehr ist nie zuviel und gerade in den Alpen geht es meist Schlag auf Schlag. So war ich nach dem atemberaubenden Ritt durch das Massif Central und die Hochalpen gerade aus dem Cockpit gestiegen, hatte das Flugzeug vertäut, ein wenig gegessen und eine Mütze Schlaf genommen, da saß ich schon wieder in der JS1 und wurde in den Himmel über Serres gezogen; zusätzlich motiviert durch die Aussicht, dass dies wohl der letzte Flug des Urlaubs, vielleicht der ganzen Saison werden würde. Am Nachmittag sollten von Westen dichte Cirren aufziehen, Vorboten des schlechten Wetters der nächsten Tage. Doch vorher versprach es nochmals ein schöner Thermiktag zu werden. Wenn auch mit Überentwicklung und eingelagerten Schauern über den Ecrins und der Vanoise.

Mein Plan war, über den Vercors und die westlichen Ausläufer der Ecrins zum Mont Blanc zu fliegen und von dort das Rhonetal hinauf zum Furkapass vorzustoßen. Das musste dieses Jahr einfach nochmal sein, auch wenn klar war, dass der Rückweg zwischen Schauern im Osten und aufziehender Abschirmung im Westen schwierig werden würde. Mit weiteren Details des Rückfluges wollte ich mich zunächst nicht beschäftigen. Kommt Zeit, kommt Rat und zur Not… gibt es da ja noch den Jet. In über 20 Jahren Alpensegelflug bin ich nur einmal aussengelandet und habe nie einen Motor vermisst. Aber ja: Dieses Jahr hätten 2 von 3 Flügen ohne Motor anders ausgesehen. Ich wäre nicht ins Zentralmassiv geflogen und ich hätte am 3. Tag nicht dem Furka „Hallo“ gesagt – der Jet eröffnet neue Horizonte, hilft, den inneren Schweinehund zu überwinden! So ging es nach dem Ausklinken und einigen Kreisen frohen Mutes Richtung Norden. Statt das mäßige Steigen bis zur Wolkenuntergrenze auszuschöpfen, blieb ich zunächst bewusst unter Hangkante und surfte die sonnenbeschienenen Ostflanken entlang. Dies macht wirklich Spaß und ist zudem recht eindrucksvoll: in den Bergen, nicht über den Bergen. Erst am Mont Aiguille, einem wunderschönen, der Ostkante des Vercors vorgelagerten Monolithen, schraubte ich mich auf 2700 m ü.M. und gewann genug Höhe für die Talquerung Richtung Ecrins. Diesen Weg hatte ich bislang selten gewählt, weil er sich meteorologisch nicht oft anbietet. Leider, denn die Landschaft, die man hier durchfliegt, ist fantastisch, einfach wunderschön und abwechslungsreich. Ich sog die zahlreichen Eindrücke im Vorbeiflug bewusst auf und griff wiederholt zur Handykamera.

Je weiter ich mich von meinem Startort Serres entfernte, desto vertrauter wurde mir kurioserweise die Gegend . Mont Blanc, Matterhorn, Rhonetal, Furka: diesen Teil der Alpen hatte ich mir in den letzten Jahren Stück für Stück erflogen und mittlerweile fühle ich mich hier so wohl wie im heimischen Sauerland. Ich genoss wirklich jede Minute dieses zunächst völlig entspannten Fluges zwischen den höchsten Bergen Europas. Das Wetter wurde zunehmend besser und so ging es zügig am Mattertal vorbei auf die Nordseite des Rhonetals und auf dem Hauptgrat Richtung Furka. Alles lief wie am Schnürchen und das änderte sich zunächst auch auf dem Rückweg nicht. Querab des Mont Blanc wurde allerdings klar, dass es schwierig werden würde, nach Serres zurückzukommen. Über der weitläufigen Vanoise ließ sich kein einziger Sonnenstrahl mehr ausmachen. Hier ging es schon mal nicht durch.

Im Westen zog bereits deutlich die angekündigte Abschirmung auf. Die Einstrahlung war bereits massiv eingeschränkt. Dennoch lag hier die einzig sinnvolle Option: Gas rausnehmen, Nase Richtung Südwest, die leidlich angeströmten Westhänge entlang fliegen und auf die eine oder andere Thermikablösung setzen. Das klappte zunächst auch ganz gut, aber ein richtiger Aufwind ließ sich nicht mehr finden. Aufgeben gilt aber nicht! Landeoptionen gab es genug, zunächst Chambery, dann Grenoble. Ein einziger vernünftiger Bart fehlte noch für den sicheren Gleitflug nach Serres. Aber der wollte sich entlang der Chaîne de Belledonne (Bergkette nordöstlich von Grenoble) einfach nicht finden lassen. Jetzt musste eine Entscheidung her: Talquerung nach Westen in die Chartreuse, wo eine eher sterbend aussehende Cumuluswolke „lockte“ oder „geradeaus“ unter die einzige, eigentlich noch gut aussehende Wolke weit südlich Grenoble. Diese Wolke würde ich knapp erreichen. Würde sie nicht „ziehen“, gäbe es keinen weiteren Weg nach vorne, stattdessen nur den zurück zum Flugplatz Grenoble. Die Chartreuse bot dagegen mehrere Optionen, sollte es „die eine“ Wolke nicht tun, gäbe es noch eine zweite und letztlich den Einflug in den Vercors.

Nicht einfach, wie alle „echten“ Entscheidungen. Und doch: hätte es nicht noch einen weiteren Gedanken im Hinterkopf gegeben, hätte ich alle meine Karten auf die (noch) gut aussehende Wolke gesetzt – und wäre nach Hause gekommen, wie ich im Nachhinein im Internet sehen konnte 😖 (ein anderer Flieger hat fast zu gleicher Zeit diesen Weg gewählt). Vom rechten Pfad abgebracht hat mich, dass ich noch nie zuvor in der Chartreuse war und noch nie zuvor aus dieser Lage den Rückweg westlich des Vercors gewählt hatte. Auch dieser weiße Fleck auf der Landkarte wollte erobert werden: also hinein ins Verderben – Grrr. Um die Kirche im Dorf zu lassen: Das Verderben bestand letztlich im Zünden des Motors in sicherer Anflughöhe auf Grenoble. Nach zehn Minuten und knapp 1000 zusätzlichen Metern befand ich mich im Endanflug auf Serres und dank einer Wolkenstrasse, die sich trotz der Abschirmung noch gebildet hatte, konnte ich den Flug sogar noch etwas ausdehnen. Genau für solche Situationen habe ich den Motor schließlich. Und doch: ich gräme mich selbst nach Monaten noch. Es wäre möglich gewesen, ohne Jet nach Hause zu kommen und ich habe es nicht geschafft. Diese Gedanken mag mancher Leser kleinkariert finden. Ich bin aber froh, dass ich immer noch so ticke. Nur mit dieser Einstellung wird man besser. Und genossen habe ich den Flug trotzdem. Sehr sogar 😀. Quelle: ‚Martin Knops auf facebook‚. Video-Collage.