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Der nicht so einfache Weg zu bleifreiem AVGAS 100 UL

Quelle: ‚Michael Erb, DAeC‚. Aktuelle Berichte aus den USA zu den letzten Entwicklungen in Sachen der Einführung von bleifreiem Avgas mit 100 Oktan erstaunen. Das Unternehmen GAMI ist seit 2022 Inhaber eines Patents für ein mittels STC bei der FAA in den USA zugelassenes bleifreies Avgas 100UL, das bereits über eine Millionen Gallonen dieses Treibstoffs produziert hat und in einer Raffinerie in Louisiana zum sofortigen Verkauf bereitgestellt hat.

Der Verkauf läuft aber nicht erkennbar an. Stattdessen gab es in der letzten Zeit mehr oder weniger offen ausgesprochene und unspezifische Zweifel an der chemischen Zusammensetzung des Treibstoffs und seiner möglicherweise zersetzenden Wirkung auf Tanks und Dichtungen. Dies wurde weniger bei Flugzeugen, sondern vielmehr bei stationären Tankanlagen und LKW kritisch gesehen.

Viele Cirrus-Besitzer waren auch verwirrt, nachdem Cirrus ein Service Advisory veröffentlicht hatte, das dringend von der Verwendung von GAMI-Kraftstoff abriet und sogar erwog, die Garantie der Flugzeuge ungültig zu machen. Grund für die Warnung waren Lecks im Tank und im Treibstoffsystem eines Testflugzeugs, die laut GAMI auf frühere Schäden zurückzuführen waren und nichts mit dem GAMI-Treibstoff zu tun hatten.

Diese Zweifel wurden weiter befeuert, als die in Oshkosh ausgestellte Beechcraft Baron der AOPA-USA N202MD ausgerechnet unter dem linken Tank eine Leckage aufwies, der in den letzten Monaten exklusiv mit dem neuen GAMI-Avgas 100UL für Erprobungsflüge betankt wurde. Man kann inzwischen aber offenbar Entwarnung geben: Denn alte Fotos der Tragflächen zeigten auf, dass die inzwischen 50 Jahre alte und seitdem offenbar mit Flicken reparierte Hülle des linken Tanks der Bonanza bereits vor der Erprobung des GAMI-Treibstoffs ein Problem mit der Dichtigkeit hatte. Der rechte Tank, der weiterhin mit Avgas 100LL befüllt wurde, war auch schon 46 Jahre alt, aber hielt noch weitgehend dicht. Die Kollegen der AOPA-USA waren bislang mit der Flugerprobung sehr zufrieden, der GAMI-Treibstoff sei genauso gut oder sogar besser als konventionelles Avgas 100LL.

Und was macht der Wettbewerb? Noch sind zwei weitere Unternehmen im Rennen. Aber nur eines ist noch in den Treibstoff-Entwicklungsprogrammen PAFI (Piston Aviation Fuel Initiative) und EAGLE (Eliminate Aviation Gasoline Lead Emissions) der US-Flugsicherheitsbehörde FAA im Wettbewerb: Und zwar ist das LyondellBasell/VP Racing. Dieses Unternehmen hat für die noch abzuschließenden Tests der FAA eine Menge von über 50.000 Gallonen seines UL100E produziert. Diese Tests umfassen 10 verschiedene Triebwerke und acht verschiedene Flugzeugtypen und werden noch etwa ein Jahr bis zum 3. Quartal 2025 in Anspruch nehmen.

SWIFT Fuels aus Indiana ist bereits seit einigen Jahren ein von der FAA zugelassenes bleifreies Avgas mit 94 Oktan auf dem Markt. Das Unternehmen will aber auch mit einem 100 Oktan-Avgas 100R an den Start gehen. Und zwar wählt man für die Zulassung nicht mehr die FAA-Programme, sondern die Industriestandards der ASTM. Negative Schlagzeilen gab es für Swift, als die University of North Dakota Ende 2023 das Ende der Nutzung des Avgas mit 94 Oktan in seiner kompletten Flotte von 120 Piper-Flugzeugen verkündete, nachdem es mehrere Probleme mit den Ventilen gab. Bis die Ursache geklärt ist, will man wieder auf Avgas 100LL zurückgreifen.

In den USA ist weiterhin geplant, Avgas 100LL bis zum Jahr 2030 vollständig zu ersetzen. Offensichtlich ist diese Herausforderung nicht so trivial, wie zunächst angenommen. Äußerst wichtig ist diese Entwicklung in den USA auch für den europäischen Markt, denn auch die EU will in den nächsten Jahren Bleiadditive im Avgas verbannen. Auf Grund des kleinen Marktes in Europa gibt es auf dieser Seite des Atlantiks allerdings keine eigenen Marktinitiativen, um ein bleifreies hochoktaniges Avgas zu entwickeln. (Newsletter der AOPA Germany, ab Seite 17).

Information zur Treibstoffsituation

Die Angst geht um, dass verbleites Flugbenzin ab Mai 2025 in der EU nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Als Konsequenz daraus müssten viele ältere Flugzeuge mit leistungsstärkeren Motoren faktisch am Boden bleiben. Im ersten Quartal dieses Jahres wird eine Entscheidung der Europäischen Kommission dazu erwartet. Was viele nicht wissen: Für viele Flugzeugmotoren gibt es bleifreie Alternativen. Wir geben einen Überblick.

Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent der Motorflugzeuge im Luftsport wären aktuell vom Verbot von Tetraethylblei (TEL) im Flugbenzin betroffen. Genauere Zahlen liegen nicht vor. Für alle anderen gibt es bleifreie Alternativen zu Avgas 100LL. Mit der Zulassung von Avgas 100R könnten noch mehr Flugzeuge bleifrei tanken.

Automobilkraftstoff an Flugplätzen
Im Jahr 2001 wurde auf Antrag des DAeC die erste Ergänzende Musterzulassung (EMZ) einer Zelle für die Nutzung von Automobilkraftstoff erteilt, bei der man bislang nur Flugbenzin (Avgas) verwenden durfte. Seitdem wurden weitere Flugzeugmuster zugelassen. Damit haben/hatten in Deutschland rund 800 Flugzeuge die Möglichkeit, auf das kostengünstigere Autobenzin umzusteigen. Dabei darf jedoch der sorgfältige Umgang mit dem Kraftstoff nicht vernachlässigt werden. Insbesondere der Alkoholgehalt ist zu beachten.

Historie, Sicherheit, ergänzende Musterzulassungen und Freigaben
Seit dem 1. Januar 2011 müssen Tankstellen Kraftstoffe mit einer Beimischung von bis zu zehn Prozent Bioalkohol (E10) anbieten, das bedeutet eine Verdoppelung des bisher zulässigen Alkoholgehaltes von fünf Prozent. Zu hohe Anteile von Methanol oder Ethanol im Kraftstoff können im Flugbetrieb Probleme verursachen. Quelle: ‚DAeC‚.