Nach 33 Jahren ist die Bürgervereinigung (BV) Fluglärm Geschichte. Der Verein, 1990 von Nachbarn des Jesenwanger Flugplatzes gegründet, ist aufgelöst. Grund ist das Alter des Vorstandsteams. Zudem glaubt man, das Mögliche erreicht zu haben. Daher endet der Kampf – nach Jahren voller Gerichtsprozesse, Repressalien, Frust. Rund 100 Aktenordner zur Causa Flugplatz lagern daheim bei Peter Schöberl in Adelshofen. Bei Michael Acker in Landsberied sind es sogar an die 150. Beide sollten sich von einem Großteil der Dokumente trennen – zumindest wenn es nach ihren Frauen und Familien geht. Und sie dürften jetzt auch vieles zum Altpapiercontainer bringen: Denn der Verein Bürgervereinigung gegen Fluglärm ist aufgelöst. Schöberl, 18 Jahre lang Vorsitzender und auch zuletzt an der Spitze des Vereins, wartet nur noch auf ein abschließendes Schreiben des Finanzamts. Das Konto der BV ist leer, die letzten etwa 3’000 Euro hat man an den Bund Naturschutz gespendet.
Verkehrslandeplatz erfolgreich verhindert
Von den Akten trennen können sich Schöberl und Acker aber noch nicht so recht. „Ich schaffe es nicht“, sagt Acker. Zu lange dauerte der Kampf gegen Fluglärm, zu anstrengend war das, was sie die Jahre über erlebten: Gerichtsprozesse bis in oberste Instanzen (Schöberl: „mindestens 20“), Repressalien durch Behörden, anonyme Bedrohungen. Deswegen wollen beide noch einmal einige Ordner durchblättern, in Urteile, Behördenbriefe und alte Zeitungsartikel reinlesen – bevor das Meiste im Altpapier landet. „Ich werde manchmal schmunzeln und mich sehr oft wieder ärgern“ – das wird laut Schöberl passieren, wenn er beim Lesen wieder mittendrin ist im Kampf.
Der ging bereits 1979/1980 los. Der Flugplatz Jesenwang, dessen Geschichte 1963 mit einer Graspiste und einer Halle startete, sollte 1980 auf Antrag des Betreibers zu einem Verkehrslandeplatz werden. Es regte sich Widerstand in der Bevölkerung. Ein Jesenwanger, ein Schöngeisinger und ein Adelshofener nahmen sich der Sache an. Der Adelshofener, das ist Schöberl. Er berichtet von einer Protestkundgebung in Landsberied und über 1000 gesammelten Unterschriften. Die Umwidmung wurde verhindert.
Sperrgrundstück macht Ausbau unmöglich
Doch zehn Jahre später stand erneut im Raum, dass der Sonder- zu einem Verkehrs-Landeplatz werden könnte. Und es gab immer mehr Flugbewegungen: 1988 wurden fast 43’000 Starts und Landungen registriert. Also gründete sich aus der Bürgerinitiative heraus der Verein „Bürgervereinigung Fluglärm – Verein zur Steigerung der Lebensqualität im Landkreis Fürstenfeldbruck und im Fünfseenland“. Erster Vorsitzender wird Michael Acker.
„Wir haben uns für die Bevölkerung starkgemacht“, blickt er zurück. Aus anfangs 50 bis 60 Mitgliedern wurden in Hochzeiten des Kampfes gegen den Fluglärm (in den 1990er-Jahren) an die 500. Zum Schluss waren es 150. Acker tun die vielen verlorenen Prozesse immer noch weh: „Wir haben erlebt, was die Kraft einer Regierung bewirken kann.“ Aber einen Prozess hat die BV gewonnen, erzählt der 82-Jährige: Sie darf ihr Grundstück am Flugplatz betreten. Dieser Grund ist enorm wichtig. Die BV besitzt rund 3300 Quadratmeter Ackerland direkt vor der Start- und Landebahn. „23 Leute gaben dafür je 1000 D-Mark“, berichtet Acker. Mit dem Kauf der Fläche verhinderte man eine Erweiterung des Sonderlandeplatzes.
Viele Prozesse drehten sich um dieses Faustpfand, das Grundstück in der Einflugschneise. So wurde die BV vom Luftamt Südbayern etwa 2002 zum Grasmähen verpflichtet – aus Sicherheitsgründen, falls Flugzeuge früher runtergehen (müssen) und zum Teil auf dem Areal der BV laden. Gras war also ein Flughindernis. Zudem ging es um Kartoffelanbau: Furchen auf dem BV-Grund wurden untersagt – wegen Beeinträchtigung der Flugsicherheit. Irgendwann sollten sogar Wurzeln von Büschen ausgegraben werden.
Das Faustpfand ist in guten Händen
Schikane war das. Doch die BV kämpfte weiter. Allen Hindernissen zum Trotz. „Wir wurden nahezu überall als Feinde betrachtet“, berichtet Acker. Privat habe man ebenso Anfeindungen hinnehmen müssen. Alle im Vorstand hätten gelitten, sagt der 82-Jährige. Auch die Familien der Vorstandsmitglieder, die hineingezogen wurden. Acker: „Ich hätte meiner Familie das gerne erspart.“ Niederlagen und Frust versuchen Schöberl und Acker zu vergessen. Sie sind zufrieden mit dem Erreichten: Umwidmung in Verkehrslandeplatz und Erweiterung des Flugplatzes verhindert, weniger Lärm für Anwohner durch Verlegung der An- und Abflugrouten, Verringerung der Flugbewegungen auf rund 33 000 pro Jahr, Reduzierung des Lärms an Sonn- und Feiertagen. Zudem sind heutige Flugzeuge viel leiser. Die vom Tower aus gesteuerte Ampel an der Straße am Flugplatz – sie zeigt Rot für Autofahrer bei Flugzeuglandungen – hält Acker zwar immer noch für gefährlich. „Aber insgesamt haben wir viel erreicht. Das macht einen am Ende schon stolz.“
Geschafft hat es der Vorstand außerdem, dass seit mehreren Jahren eine sehr gute Beziehung zu den jetzigen Flugplatzbetreibern besteht. Die Gespräche mit der Familie Walch seien gut abgelaufen, sagen Schöberl und Acker. Auch deshalb könne man die Arbeit ruhigen Gewissens beenden. „Ich schließe gut ab“, sagt Acker. „Wir haben einen guten Status quo erreicht“, fügt Schöberl hinzu. Ihm, mit 78 Jahren der Jüngste im Vorstand, oblag die Auflösung des Vereins. Die ganze BV ist gealtert, Junge kamen nicht nach. Niemand mehr wollte Aufgaben im Vorstand übernehmen. Und was man erreichen konnte, wurde erreicht. Daher die Auflösung. Quelle: ‚Merkur‚.