Motorflug-Ferien im Erzgebirge und in Dresden.

Herbstferien / Oktober 2010.

Eine Woche lang durften wir uns bei Beat Bünzli in seinem schönen Hotel in Bad Schlema im Erzgebirge wie die KönigInnen verwöhnen lassen. Dass wir es alle genossen haben, sieht man schon den Fotos an.

Wenn es der Geldbeutel und das Wetter (in dieser Reihenfolge…) zulassen, leisten wir uns einmal im Jahr eine Motorflug-Ferienreise in Europa. Dorthin, wo das Wetter das am risikolosesten ermöglicht. Das war diesen Herbst der Osten Deutschlands, die neuen Bundesländer.

In Sachsen, nahe an der tschechischen Grenze, lebt ein bekannter Schweizer Segelflieger, Beat Bünzli. Seit zehn Jahren betreibt er in Bad Schlema ein Hotel direkt neben einem Radon-Kur-Bad (das hat er übrigens praktischerweise auch gleich selber gebaut). Beat wollten wir bei dieses Jahr bei dieser Gelegenheit endlich einmal besuchen.

Hochnebel.

Die Motorfliegerei während der kalten Jahreszeit nach Sichtflugregeln hat es in sich. Manchmal liest sich die Wetterkarte wie die Anleitung zu einer Geisterbahn. Tiefliegende Wolken. Schauer. Schlechte Sicht. Vereisung schon in geringen Höhen. Hochnebel. Letzteres ist noch das angenehmste aller Übel. Damit sind wir dann auch gestartet. In der Hoffnung, dass die Wetterprognosen für die nächsten Oktobertage zuträfen und sich das Hochdruckgebiet halten würde.

Der Hinflug bis Bayreuth ist das reine Vergnügen. Wir klettern nach dem Start durch die löchrige Hochnebeldecke in GlarusNord und sausen darüber hinweg bis ins Allgäu. Da herrscht das Hochdruckgebiet dann erst richtig und trocknet die Luft ab. Eine tolle Sicht bis an den Anschlag ist das Resultat. Kurz vor der Mittagspause des Controllers (er musste die Suppe wegen uns wohl zwei Minuten verschieben) landen wir in Bayreuth. Das ist eigentlich nur wegen der Verzollerei nötig. Und Bayreuth ist der nächstgelegene Zollflugplatz zu unserem definitiven Reiseziel in Chemnitz. Und Bayreuth hat alles, was der Motorflieger braucht. Von allen Arten von Betankung bis zum Instrumentenlandesystem.

Etwas erstaunt sind wir nach der Landung über die eiskalte Luft hier. Es ist gerade mal knapp über Null Grad und die Bise pfeift gehörig über die Hochebene. Also Kragen hoch und im Eilschritt in die Fliegerstube. Dort möbelt uns ein währschaftes Mittagessen wieder auf. Fröhlich und siegesgewiss starten wir später mit dem splintenneuen Motorflieger der MFG Mollis nach Chemnitz, wo wir in einer halben Stunde einzutreffen gedenken.

Die Decke schliesst sich…

Nach zehn Minuten wird es erst auf der linken, nach 15 Minuten auch auf der rechten Seite ungemütlich. Die Hochnebeldecke wächst immer mehr zu. Sieht man anfangs noch überall zu Boden, schliesst das weisse Tuch zuerst links, dann auch rechts über Tschechien im Lee des Erzgebirge komplett zu. Ich frage per Funk in Chemnitz, wie denn dort inzwischen das Wetter sei. ‚Visibility below 5 kilometers, no VFR-conditions…‘ ist die knappe Antwort. Hmm. Schöne Geschichte. Am einfachsten ist es, wir gehen dahin zurück, wo wir herkamen und wo das Wetter problemlos war. Also 180° wenden und wieder in Bayreuth landen. Wir sind zwar solange wie geplant geflogen, aber am Ende nicht exakt dort angekommen, wo wir hinwollten… Noch vor wenigen Stunden, beim Abflug in Mollis, war Chemnitz nebelfrei. Nächstes Mal rufe ich nochmals an.

Dann halt mit dem Mietwagen.

Na, eigentlich spielt es ja keine Rolle, ob wir ab Leipzig, Dresden, Chemnitz oder Bayreuth einen Wagen mieten und zu Beat fahren. Die sind ja überall gleich schön. Eine Stunde später sitzen wir in einem Chevrolet und düsen über die Autobahn ins Erzgebirge. Es ist definitiv gescheiter gewesen, auf der Strasse hierherzukommen. Die Suppe ist dermassen dick, dass an eine Sichtflug-Landung nicht im entferntesten zu denken gewesen wäre. Daran sollte sich in den nächsten Tagen nur gelegentlich etwas ändern und mir ab und zu beim Gedanken an den Rückflug die Betriebstemperatur leicht erhöhen.

Wellnessen bei Beat.

Vorläufig lassen wir uns aber erst einmal richtig verwöhnen und geniessen die Annehmlichkeiten unserer neuen Wohnung. Das heisst hier neudeutsch ‚Suuiiiith‘. Hat verschiedene Zimmer, einen Aufenthaltsraum und allen Komfort, den man offenbar heute so braucht. Und nebenan ist erst noch ein paar Schritte entfernt das Kurbad. Auch hier tauchen wir bei unserem Aufenthalt dann auch ausgiebig ein und auf.

Die Aussicht aus Beats Hotel, auf den Park und das Denkmal, das an der Stelle des früheren russischen Uranbergwerkes errichtet wurde. Hier ist das Uran für die erste russische Atombombe abgebaut worden. Mit den Bewohnern Bad Schlemas sind die ‚Besatzer‘ offenbar nicht besonders freundlich umgegangen.

Wie die Könige werden wir von Beat und seinem Team verwöhnt. Abgenommen haben wir dank der feinen Verpflegung bestimmt nicht… Und wir wissen nun sogar über die spannende und wechselvolle Geschichte Bad Schlemas Bescheid. Beat hat uns aus seinem grossen Fundus eine Menge Wissenswertes erzählt. Von den Extrazügen nach dem Ersten Weltkrieg direkt von Paris nach Bad Schlema bis zum Uranabbau der Sowjetunion unmittelbar vor den Haustüren der damaligen Bewohner für den Bau der ersten russischen Atombombe. Und von der Wieder-Auferstehung des Ortes mit dem Bau des Kurbades, das offenbar auch von den Bewohnern in der ganzen Gegend sehr geschätzt wird.

Die Frauenkirche von Dresden.

Die wunderbar restaurierte / neu aufgebaute Dresdner Frauenkirche. Da oben auf dem Spitz sind wir gewesen…

Bei eisigen Temperaturen knapp über Null Grad und einem bissigen Nordost besuchen wir dann einen Tag lang die Sehenswürdigkeiten Dresdens. Dazu reicht ein Tag natürlich bei weitem nicht aus – d.h., wir kommen hier sicher nochmals her, um die wieder aufgebaute Stadt und ihre zahlreichen Sehenswürdigkeiten etwas genauer ansehen zu können.

Besonders in Erinnerung bleiben wird uns bis dahin der Tiefblick von der Spitze der Frauenkirche auf das Elbtal und das Schloss Dresdens. Das Barock-Innenleben der Kirche ist allerdings ebenso beeindruckend.

Tiefdruck.

Etwas schwieriger und weniger entspannt gestaltet sich dann die Rückreise. Der Nebel hält sich hartnäckig. Überlagert obendrauf von einer Kaltfront, die aus Nordwesten alle für mich erreichbaren Höhenbänder in Wolken taucht. Es wird schwierig werden, aus Bayreuth wegzukommen, noch etwas schwieriger, die Höhenzüge des Allgäus bei Leutkirch sauber überqueren zu können und vermutlich wieder etwas einfacher, die Ostschweiz durch das Rheintal queren zu können und in Mollis zu landen. Soviel lässt sich aus den Wetterkarten schon aus weiter Ferne diagnostizieren.

Da unsere Sarah am Tag der Rückreise ihren 20. Geburtstag feiert und sie unbedingt zuhause bei ihren FreundInnen feiern will, beschliessen wir deshalb, dass die ganze Familie bis auf den fliegenden Chauffeur mit dem Mietwagen nach Hause fährt und dieser hier bessere Zeiten (Wetter) abwartet. So kann sie ihren unverschiebbaren Termin wahrnehmen und ich habe keinen Stress, auch fliegen zu müssen, wenn das wegen schlechter Sicht usw. gar nicht mehr geht.

Das rettende PC-Met.

Während meine Familie also über Bayerns Autobahnen gen Süden reist, mache ich es mir im Büro des Flugleiters bequem. Konsultiere immer wieder die Wetterkarten, halte die Nase aus der Bürotür, um frühzeitig eine mögliche Startgelegenheit zu erkennen. Die Wolken stehen wirklich sehr tief. Keine 300 Fuss über dem Boden zieht die feuchte Brühe Richtung Tschechien. Und es kommt immer mehr davon daher. Derweil startet eine Piper Malibu aus Schweden auf ihrer Reise nach Kroatioen und steckt schon Sekunden nach dem Abheben in den Wolken. Das sind jene Momente, in denen ich die IFR-Flieger bis in die Haarwurzeln beneide…

Petrus hat dann aber doch etwas Erbarmen mit mir und schickt ein paar Stunden lang etwas weniger feuchte Luftmassen aus Nordwesen an die Alpen. Das sagt wenigstens der Deutsche Wetterdienst mit seiner hervorragenden GAFOR-Wetterprognose. Die grafisch sauber aufbereiteten Wetterkarten zeigen ein kleines fliegbares Fenster kurz nach dem Mittag genau in jener Richtung, in die ich fliegen möchte.

Doch noch fliegen – und leichter Stress mit dem Zoll.

Um jede Gelegenheit zu nutzen, in Bayreuth doch noch heute wegzukommen und nicht tagelang auf mögliche fliegbare Wetterfenster in einem Hotel warten zu müssen, tanke ich die Trinidad zusätzlich auf. Damit verfüge ich über ausreichend Reserven, falls ich am Ende anderso als geplant landen müsste.

Wie vom Deutschen Wetterdienst vorhergesagt, hebt sich über Mittag die Wolkenbasis soweit an, dass ich nach Sichtflugregeln starten kann. Etwas Stress verursacht nur noch die Verzollerei. Ich kann in Mollis über Mittag niemanden erreichen, um die Zollbehörden allenfalls bei der Landung aufzubieten. Im Moment scheint mir dieser Plan sowieso noch etwas theoretisch, das Wetter ist absolut grenzwertig. Noch kurz vor dem Start erreiche ich am Handy aber in letzter Minute noch die zuständige Person. Einem direkten und zollkonformen Einflug in Mollis steht deshalb nichts mehr im Wege.

Wie in einer Glocke.

Der Flug selber verläuft dann einfacher, als ich befürchtet habe. Die Wolkenbasis ist zwar grenzwertig tief, die Temperatur nahe bei Vereisung, die Sicht schlecht – aber es reicht. Ich sehe immer mindestens fünf Kilometer weit. Meistens etwa 10 km. Aber nicht weiter. Und ich muss höllisch aufpassen, nicht in Wolken zu geraten und die Sicht zu verlieren. So ist der höchste erreichte Punkt auf diesem Flug gerade mal 2’800 Fuss. Nicht schön. Aber zweckmässig. In Leutkirch ist dieser Punkt. Dort habe ich ein paar Minuten lang den Eindruck, ich flöge durch statt über die Bauernhöfe in der Nähe des dortigen Flugplatzes.

Fliegen in der ‚Glocke‘. Etwa so präsentiert sich der höchste Punkt der Rückreise im Raum Leutkirch und später auf der Nordseite des Bodensees (hier Lindau).

GPS sei Dank.

Was bei diesem Flug wirklich geholfen hat, ist mein GPS-System auf dem PDA. Der senkt die Arbeitslast auf den Piloten spürbar. Man weiss immer exakt, wo man ist. Kann mögliche Konflikte mit kontrollierten Lufträumen frühzeitig verhindern, bzw. liefert gleich die Funkfrequenz der zuständigen Controller. Und sollte man sich trotzdem einmal verfranseln, ist der Weg zum nächstgelegenen Flugplatz auf Knopfdruck auffindbar.

Nach Leutkirch sinkt das Gelände spürbar ab, von da an ist der Flug überhaupt kein Problem mehr. Durch’s Rheintal und das Walenseegebiet wird die Sicht teilweise zwar schlechter, aber nie problematisch. Ich lande am frühen Nachmittag etwas später als in Mollis. Wegen der knappen Sichtweiten bin ich mit 55% Motorleistung geflogen. Damit ist man etwa zehn Knoten langsamer unterwegs, hat aber mehr Entscheidungszeit, wenn man einem Hügelzug ausweichen oder unter einer tief hängenden Wolke einen Weg auf Kurs finden muss.

Ich bin von meiner Familie in Mollis, die zum Zeitpunkt meiner Landung gerade Bregenz passiert. Und vom Zoll ist auch heute wieder keine Seele zu sehen. Ist mir aber auch recht. Es wäre ja auch nichts Verzollbares da gewesen.Jedenfalls kommen wir damit alle problemloser als erwartet und erst noch rechtzeitig nach Hause. Danach ist für mehrere Tage an Sichtflüge zwischen Bayreuth und der Ostschweiz nicht zu denken. Das Wetter ist dafür einfach zu schlecht. Das behelligt dann aber weder uns im Büro an der Arbeit noch die im Hangar im Trockenen stehende Trinidad.

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