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Zweitältester Segelflieger-Club der Welt „HiHai“ wird 100

Es dürfte wohl kaum ein Fluggelände geben, das nicht mehr oder weniger regelmäßig Besuch von allzu umtriebigen Wildschweinen bekommt. Das tip-top gepflegte saftig-zarte Grün schmeckt auch nur zu gut. Haben die frei laufenden Wutze erst mal spitz bekommen, dass bei den Fliegern die Nahrungsaufnahme stets einem Festmahl gleichkommt, laden sie sich zum nächtlichen Stelldichein immer wieder gerne selbst ein. Und das verständlicherweise sehr zum Verdruss der Piloten, die aus Gründen eines sicheren Flugbetriebes peinlich bedacht sind, dass aus ihrer liebevoll gepflegten Piste kein Rübenacker gemacht wird. Der SFC HiHai in Deutschland, nach der Wasserkuppe ältester Segelfliegerverein der Welt, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, hat in einer aufwendig gestalteten Festschrift jetzt verraten, wie es gelingt, mit einer kernigen „Gardinenpredigt“ das Borstenvieh auf Abstand zu halten – jedenfalls vorübergehend.

Auf dem in einer Höhe von 1706 ft zwischen Hessischem Bergland und Westerwald gelegenen Sonderlandeplatz (EDFI) versuchte man der Plage nicht mit Zaun, Vergrämungsmittel oder Treibjagd Herr zu werden. Die ebenso simple wie zündende Idee kam vielmehr von Peter Ratka, der an einem Eisenpfahl ein Schild mit klarer Ansage befestigte: „Häi nitt roiseln!!! Hai fläje Sejelfliecher! Häi irren Fluchblads!!“ (Soll heißen: Hier nicht wühlen, hier fliegen Segelflieger, hier ist ein Flugplatz).

Die Standpauke in schönstem Platt, die noch mit ein paar kernigen Schimpfwörtern gespickt war, verfehlte ihre Wirkung nicht. Kaum zu glauben, aber wahr: Das Borstenvieh verkrümelte sich und machte fortan einen Bogen um das Areal. Der Erfolg blieb allerdings zeitlich begrenzt, wie sich Sissi Schneider, die 1. Vorsitzende des Segelflieger-Clubs Hirzenhain, augenzwinkernd erinnert: „Leider wurde die Message des Plakats nicht an die heutige Generation der Wildschweine weiter übermittelt oder sie verstehen einfach keinen Dialekt mehr!“

Die nette Anekdote ist nur eine von vielen spannenden Fliegergeschichten, die in der liebevoll aufbereiteten Jubiläumschronik zum runden Geburtstag des SFC HiHai nachgelesen werden können. Die Wiege des Segelfluges stand mit „Martens Flugschule“ zwar auf der rund 115 Kilometer Luftlinie in südöstlicher Richtung entfernten Wasserkuppe im Dreiländereck von Hessen, Bayern und Thüringen. Doch bereits ein Jahr später im Oktober 1923 hoben fünf Hirzenhainer, die Lehrer Emil Schäfer und Heinrich Moss sowie Schreinermeister Ernst Weigel, Schmiedemeister Heinrich Göst und Elektromonteur Rudolf Baum, den SFC unter seinem damaligen Namen „Segelflugvereinigung“ aus der Taufe.

In einer Scheune bauten die Flug-Pioniere ihr erstes Flugzeug – ohne jegliche speziellen Kenntnisse, geschweige denn Baupläne. Schließlich war die Geschichte des Luftsports noch reichlich jung, lag doch der legendäre Erstflug Otto Lilienthals gerade einmal 27 Jahre zurück. Neun Monate brauchte es, bis der „Urtyp“ der Hirzenhainer Flieger fertig war, ein wahrhaft „schwerer Brocken“. In der Festschrift heißt es dazu: „Der Rumpf: ein gewaltiger Lattenrost, zusammengehalten mit vielen Nägeln und Hochschrauben und versehen mit 15 mm dicken Eisenbeschlägen. Die Holme der Tragflächen, 4×8 cm im Querschnitt, werden aus bestem Kiefernholz geschnitten, die Rippen aus Fichtenbrettern. Bindemittel sind auch hier vor allem Nägel, Schrauben, dicke, kiloschwere Eisenbeschläge und viel, viel Draht.“

Bei einem derartigen Koloss verwundert es nicht, dass der erste Startversuch mit einem Hanfseil ergebnislos blieb. Allerdings ließen sich die Hirzenhainer nicht entmutigen, tüftelten weiter und trugen im Segelflugsport zu einer atemberaubenden Entwicklung bei. Waren es in der Gründerzeit noch eher kleinere Hüpfer am Platz von wenigen Minuten, werden heute mit stetig verbesserten und leistungsgesteigerten Flugzeugen Strecken von 1000 km und mehr bewältigt.

Dank einer sehr intensiven Jugendarbeit und der frühzeitigen Gründung einer Modellflug-Gruppe entwickelte sich im SFC HiHai eine solide Basis, um den luftsportlichen Nachwuchs zu begeistern. Neben dem Segelflug gibt es mit dem Drachen- und Gleitschirmflug weitere Abteilungen des Jubiläumsvereins. Dabei blieben beachtliche Erfolge nicht aus, wie die vielfachen Bestplatzierungen bei nationalen und internationalen Wettbewerben beweisen. Erst im vergangenen Jahr hatte der junge Modell-Flieger Paul Ole Borsdorf bei der Junioren-Weltmeisterschaft in der Slowakei auf dem Siegertreppchen gestanden, als er im Einzel Bronze und in der Mannschaftswertung sogar Silber holte.

Die 272 Seiten umfassende Jubiläumschronik ist für 25 Euro (plus Versandkosten) bei der 1. Vorsitzenden Sissi Schneider unter der Mailadresse info@sfc-hihai.de erhältlich.

Anlässlich seines Jubiläums hat der SFC HiHai ein umfangreiches Festprogramm zusammengestellt:

  • 22./23.April 2023: Modellbauausstellung
  • 09.-13.Mai 2023: Ausstellung Vereinsarchiv
  • 12.Mai 2023: Ökumenischer Gottesdienst
  • 13.Mai 2023: Festkommers
  • 26.-28. Mai 2023: Fliegerfest an Pfingsten
  • 29.Mai 2023: Festzug Pfingstmontag
  • 08./09.Juli 2023: Oldtimer- und Doppeldeckertreffen mit Fly In
  • 23./24.September 2023: Seglertreffen

Hier finden Sie mehr Infos.

(Frederik Sohn)

LS 4 für die Jugend aufpeppen

Der zweitälteste Segelflug-Verein der Welt aus Hirzenhain will für seine Nachwuchsarbeit rund 25.000 Euro investieren. Mit „Rocken am Hang“ soll das Projekt mitfinanziert werden. Basis für die Nachwuchsarbeit ist beim Segelfliegerclub Hirzenhain das in die Jahre gekommene Flugzeug der Marke LS 4. Dieses Einsteigermodell, das von 1980 bis 2007 in Serie gebaut wurde, soll nun modernisiert werden. Dies kostet den Verein, der im kommenden Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, rund 25.000 Euro. „Dieses Segelflugzeug muss vor seinem neuen Einsatz beim Nachwuchs dringend aufgepeppt werden“, sagt Eva Claas. Die einsitzige LS 4 ermögliche für die Juniorenwertung einen guten Einsteig. Und die Vereinsvorsitzende Sissi Schneider ergänzt: „Wir wollen die Basis dafür legen, dass der Nachwuchs wieder an Wettbewerben und Meisterschaften teilnehmen kann.“

Für die beiden Frauen ist die Nachwuchsarbeit alternativlos: „Der Verein will ja nicht in Schönheit sterben.“ Allerdings ist das „Leben“ des SFC „Hihai“ finanziell schwerer geworden. Zwar feierten die Hirzenhainer im Frühsommer ein gelungenes Fliegerfest (Schneider: „Wir wurden regelrecht überrannt“), doch davor verhinderte Corona zweimal das für den Verein finanziell dringend notwendige Fest.

Und nach der Pandemie kommt die Inflation. Das merke man an den Dieselpreisen, die gezahlt werden müssen, weil der Sonderlandeplatz auf einer maximalen Grashöhe von zehn Zentimetern gehalten werden muss. Zwar hat der trockene Sommer hier die Kosten gebremst, doch im Frühjahr habe man oft mit dem Mäher über die Start- und Landebahn fahren müssen. „Eine Gebührenerhöhung ist nicht möglich“, macht die Vorsitzende klar. Im Verein ist der Modellflug oft der Einstieg in die fliegerische Laufbahn. Ein Teil sei bei diesem Hobby geblieben, ein anderer Teil dann zum Segelflug gewechselt. Einige Mitglieder würden auch beide Hobbys parallel betreiben.

Die Kosten bis zum Pilotenschein sind für den Nachwuchs überschaubar. Ein Flugschüler zahlt pro Jahr 375 Euro und muss den Fluglehrer nicht bezahlen. Kostenpflichtig sind über den Jahresbeitrag hinaus nur der Fliegerarzt und die Prüfungsgebühren. Und die Flugzeuge müssen im Gegensatz zur Vergangenheit nicht pro Einsatz bezahlt werden. Sissi Schneider erinnert sich noch daran, dass in den 1980-er Jahren Jugendliche nach der Landung direkt mit zwei Mark zur Kasse gebeten wurden. Den aktuellen Kostenrahmen nennt sie „Flatrate“. Sie nennt eine Flugsaison als Zeitrahmen, in dem die Ausbildung abgeschlossen werden kann. Vorteile hätten die Umsteiger aus dem Modellflug, denen man Begriffe wie Höhenruder nicht mehr erklären müsse. Sie verstünden auch das Verhalten von Flugzeugen aufgrund der eigenen Erfahrung an der Fernbedienung. Ansonsten sei die Ausbildung vergleichbar mit dem Autoführerschein: „Manche brauchen weniger, manche mehr Stunden – und manche lernen es nie!“

Erlös des Rockkonzerts ist für die Maschine bestimmt
Ein Weg, die Kosten für den Umbau des Schulflugzeuges zu finanzieren, ist bei dem zweitältesten Segelflugverein der Welt ein Schreiben an mögliche Sponsoren und Gönner. Hier wäre der Verein auch für Sachspenden dankbar, die im kommenden Jahr beim Vereinsjubiläum bei einer Tombola Verwendung finden würden. Der andere Weg wird laut. Am 24. September (Samstag) heißt es in Hirzenhain zum dritten Mal nach 2010 und 2011 „Rocken am Hang“. Ab 18.30 Uhr spielen in der Fliegerhalle vier Bands „ein bisschen härtere Klänge“. Am Vorabend legt DJ Volker bei der Disco-Night auf, der schon beim Fliegerfest für Stimmung sorgte. „Am Freitag und Samstag gibts was auf die Ohren“, verspricht Eva Claas, wenn mit „Dying Breed“, Devil’s Shepherd“, „Sober Truth“ und „Mini-Cross“ vier Formationen die Fliegerhalle rocken. Der Erlös der beiden Abende ist für das Segelflugzeug bestimmt. Sissi Schneider ist stolz darauf, dass es der Verein schafft, die Bewirtung wieder abzudecken: „Wir kriegen das immer noch alleine gewuppt.“ Quelle: ‚Mittelhessen‚.