So war es beschlossen, eine Tour nach Italien. Im August wurde ein passendes Datum gefunden und nach und nach nahm ein grober Plan Gestalt an. Mit 6 Tagen Zeit kann man eine kleine Runde über die Alpen nach Venedig fliegen und hat – bei gutem Wetter – noch genügend Zeit ein paar andere Ziele mit aufzunehmen. Wie zum Beispiel den Lago Maggiore. Dank SkyDemon war schnell eine kleine Auswahl an Routen geplant. Hinab nach Locarno, dann weiter gen Südosten über das Tessin und die Poebene an die Adria. Zurück sollte es dann über die Dolomiten, Innsbruck, das Allgäu und den Bodensee gehen.
Am Tag vor dem Flug stellte sich beim Wettercheck heraus, dass die Bewölkung in den Alpen eine Überquerung erschweren könnte. Während die Vorhersage südlich der Alpen traumhaftes Wetter versprach, war im Norden mit tiefer Staubewölkung zu rechnen. In den Ostalpen versprach die Vorhersage schnellere Auflockerung als im Westen, weshalb wir kurzerhand beschlossen, die Route rückwärts zu fliegen. Erste Etappe war also Freiburg – Lido di Venezia.
Flugplan EDTF – LIPV über Friedrichshafen, Immenstadt, Innsbruck und den Brennerpass. Die geplante Flugzeit war drei Stunden, geplanter Spritverbrauch 51 Liter, mit Reserve rund 60 Liter. Soweit eine unproblematische Rechnung. Die Beladung unserer treuen DA20 war da schon komplexer. Genau 20 Kilogramm dürfen in das Gepäckfach und nach etwas Tüftelei waren es dann exakt 20 Kilogramm. Ein Zelt, eine Luftmatratze, zwei Schlafsäcke und zwei schlank gepackte Rucksäcke.
Das Wetter hielt, was es versprach und wurde ab dem Inntal immer besser. Der Brenner war schließlich fast wolkenlos. Den aussichtslosen Versuch in Worte zu fassen wie beeindruckend die Berge sich um uns herum erhoben unternehmen wir hier nicht. Selbst Bilder können das nur unzureichend wiedergeben. Dafür lässt sich gut erzählen was einen Italien-unerfahrenen Piloten erwartet, wenn Innsbruck einen kurz vor dem Brenner an Padova Information übergibt. Zunächst einmal war jede Funkverbindung von den Bergen abgeschattet. Wir flogen sicher 20 Minuten durch die Dolomiten ohne von irgendeinem Lotsen ein Lebenszeichen zu erhalten. Schließlich konnten wir dann eine – erstmal schlechte – Verbindung herstellen. Padova kannte das Problem und wies uns an uns erst wieder zu melden, sobald wir aus den Alpen gefallen wären.
Im Sinkflug auf die Poebene war dann die Kommunikation technisch problemlos möglich. Ab hier lernten wir, welch minutiöse Angaben zum weiteren Flugverlauf italienische Fluglotsen von VFR-Piloten erwarten. Report your routing. What is your ETO over VIC VOR? Your desired altitude over VIC VOR? Report 10 Miles before reaching VIC VOR. Ab der Meldung 10 NM nördlich VIC VOR waren wir dann unter ständiger Führung der Lotsen. Zuerst Handling nach Treviso Approach, der schickte uns runter auf 1500 ft und zurück nach Padova Information, Padova leitete uns über die Standard VFR-Meldepunkte PZS4 und PZS3 nach LIPV. Dort bekamen wir von INFO die Piste 05, Meldung im Endanflug und kaum, dass wir gelandet waren hieß es „Backtrack on RWY, Parking on grass on your own discretion.“ Und die Dame von INFO verabschiedete sich in den Feierabend ca. zwei Stunden vor Platzschließung.
Unverhofft trafen wir am Flugplatz in Lido nicht nur direkt einen Deutschen, sondern auch noch einen Freiburger Piloten mit seinem Doppeldecker. Klein ist die Welt. Nach einem kurzen Austausch ging es ans Ausladen; eine kurze Absprache mit der Flugplatzverwaltung wie das mit dem Abstellen und Bezahlen läuft – man bezahlt unmittelbar vor Abflug und alles andere ist auch nicht möglich – und dann wurden die Rucksäcke, Schlafsäcke und Zelt geschultert für den Marsch zum benachbarten Campingplatz. Dieser ist auf Lido wirklich komfortabel nah am Flugplatz. Wie wir auf unserer Reise immer wieder feststellten, erweist sich die Fortbewegung auf dem Boden zwischen Landung und Start teilweise als mühsame Aufgabe. Hier war Lido noch vergleichsweise einfach und dennoch erleichterten die am nächsten Tag entdeckten Miet-E-Roller die Mikromobilität auf der Insel ungemein.
Nach Venedig hinüber brachte uns natürlich ein Bötchen, einer der vielen Wasserbusse, die dort zur Normalität gehören. Auf unsere Erfahrungen im schönen Venedig wollen wir an dieser Stelle nicht näher eingehen. Es gibt bei weitem genug Erzählungen und Erfahrungsberichte über diese legendäre Stadt. Auch wenn wir gerne noch länger in Venedig geblieben wären, trieb uns die Reiselust schon am Folgetag dazu unseren Weiterflug zu planen.
Zunächst mal brauchten wir für unseren Rotax in absehbarer Flugzeit MoGas, welches es auf dem Flugplatz Lido nicht gibt. Befreundete Piloten hatten uns vor unserer Reise ein paar Tipps gegeben an welchen Flugplätzen in Italien dieser Treibstoff zu haben wäre. Von Lido nur eine halbe Stunde Flugzeit entfernt liegt Ozzano, wo man nicht nur MoGas tanken, sondern auch kostenlos landen kann. Somit sah unsere weitere Planung mindestens einen Tankstopp in Ozzano vor. Danach den Stiefel hinab weiter in den Süden zu fliegen war eine reizvolle Idee, aber wir hatten nur 6 Tage Zeit und davon bereits 2 verbraucht, also wurde die Idee schnell verworfen. Das lohnende Ziel war eine zufällige Idee: Die Insel Elba. Die liegt sozusagen direkt auf Kurs, wenn man nach Ozzano einfach weiter in dieselbe Richtung fliegt.
Der Flughafen Marina di Campo auf Elba ist in Fliegerkreisen nicht ganz unbekannt. Der Anflug auf LIRJ mit seiner Lage zwischen den Bergen und der Bucht, und dem inseltypisch ständig starken Wind gilt durchaus als kleine Herausforderung. Gesagt, Flugplan geschrieben, getan, wir flogen nach Elba. Unsere Zwischenlandung in Ozzano wäre eigentlich unspektakulär gewesen, wenn wir nicht mit der Schließung unseres Flugplanes zu kämpfen gehabt hätten. An Flugplätzen ohne Flugleitung oder Luftaufsicht muss der Pilot telefonisch seinen Flugplan selbst schließen. Während die Aufgabe des Flugplanes über die deutsche Flugsicherung unproblematisch ist, können Pläne im Ausland von der DFS nicht geöffnet oder geschlossen werden. Die im Internet veröffentlichten Telefonnummern der italienischen Flugsicherung waren jedoch alle nicht erreichbar. Erst der Anruf des italienischen Fluglotsen, der unsere Landemeldung vermisste, ermöglichte die Schließung unseres Planes.
Nach einem somit etwas nervenaufreibenden Stopp ging es dann weiter nach Elba. Über den Apennin mit Aussicht auf die sonnige Toskana und Florenz. Die Kathedrale Santa Maria del Fiore wurde leider nur von der Hälfte der Besatzung gesehen – die andere Hälfte war mit den Florentiner Lotsen beschäftigt. Denn obwohl wir inzwischen die italienischen Funk-Gepflogenheiten in Erfahrung gebracht hatten, fehlte es uns doch noch etwas an Übung. Nach Handling zu Rome Information konnten wir dann in Ruhe die Aussicht genießen; die inzwischen immer routiniertere Meldung unseres weiteren Routings hatte der Lotse lediglich mit der Anweisung „Next report approaching la isla“ quittiert.
Immer im Gleitbereich von unlandbarer Steilküste waren wir dann im Anflug auf die grünen Berge im Wasser, die unsere Insel darstellten. Marina di Campo Tower ist tatsächlich erst erreichbar, wenn man die Berge beinah schon überflogen hat. Dann geht alles sehr schnell, Meldung zur Landung, Piste 34, midfield über die Bahn, Gegenanflug auf die Bucht hinaus, schnell noch ein Foto vom Strand im Queranflug und Konzentration auf die Landung bergauf.
Elba ist ein sehr kleiner Flughafen, an dem es dennoch zugeht wie an einem internationalen Airport. Professionelles Ground Handling holte uns am Flugzeug mitsamt Gepäck ab, um uns die 50 Meter bis zum „Terminal“ zu fahren. Unser Flugzeug wurde für uns festgemacht und auf der anderen Seite der Sicherheitsschleuse standen wir dann mit unserem Gepäck allein und dem bereits erwähnten Problem der Mobilität an Land. Dazu lässt sich erzählen, dass das Aviotel am Flughafen zwar nichts Besonderes ist, aber von sehr freundlichen und zuvorkommenden Menschen geleitet wird, bei denen wir sehr gerne übernachtet haben. Wir durften sogar den Pool mit Blick auf die startenden und landenden Flugzeuge noch den gesamten Tag nach Check Out nutzen.
Wir nahmen uns wiederum einen Tag Zeit für die Erkundung der Insel und verweisen auch hier gerne auf zahlreiche Reiseberichte, die Elba detailliert und mit Sicherheit akkurater beschreiben, als wir es nach unserem kurzen Aufenthalt könnten. Hier möchte ich doch noch ein wenig mehr erzählen in meiner Version. Während unser Venedig-Tag wirklich kaum erwähnenswert ist, weil wir alles das gemacht haben, was Touristen halt so machen – Selfies gemacht, nutzlose, überteuerte Hüte gekauft, das Treiben auf den Kanälen beobachtet, Spaghetti mit Tintenfischtinte gegessen, uns in den Gassen verlaufen – war unser Aufenthalt in Elba gar nicht touristisch. Am Abend unserer Ankunft haben wir die Bucht mit den allgegenwärtigen, in Reih‘ und Glied stehenden Liegestühlen fast für uns gehabt und einen wunderschönen Vollmond beobachtet. Den Tag drauf haben wir unter anderem dazu genutzt herauszufinden, wo wir die zweite Nacht bleiben können.
Die Campingplätze waren schnell abgelehnt. Wir hätten – ohne Bus – unser gesamtes Gepäck runter zum Meer und, was viel schlimmer ist, am Tag drauf wieder hoch zum Flugplatz schleppen müssen. Und das, um einen überteuerten Campingplatz zu bezahlen, der so voll ist, dass wir nur ein kleines Eckchen irgendwo noch bekommen hätten, zwischen vielen anderen, lauten Campierenden. Das Aviotel war uns zu teuer und außerdem, so komfortabel eine Nacht im Hotel zwischendurch war, wollten wir eigentlich zelten.
So beschlossen wir ohne Bleibe auszukommen und zu „biwakieren“. Das bedeutet, sein Zelt bei Einbruch der Nacht irgendwo in der Prairie aufschlagen und bei Anbruch des folgenden Tages direkt wieder abbauen. Soweit wir recherchiert haben, ist es sogar legal. Ob die von uns erwählte Olivenplantage nicht doch vielleicht Privatgelände war, wissen wir natürlich nicht. Tatsache ist, uns hat niemand verscheucht und es war die ruhigste und friedlichste Nacht überhaupt. Nicht nur, dass es so angenehm still war, sondern auch, dass überhaupt keine Viecher uns belästigt haben. Aus Lido kamen wir völlig zerstochen von Mücken und in den folgenden Nächten in Locarno sollte es uns nur wenig besser ergehen. Dort in der „Wildnis“ waren wir unbehelligt von den Plagegeistern. Quelle: ‚Akaflieg-Freiburg‚.