In der Rhön baut das Unternehmen Alexander Schleicher seit 95 Jahren Segelflugzeuge. Ein neuer, hochmoderner Segler kostet gut 200.000 Euro. Beim Start hilft ein Wankelmotor. Beeindruckend sind sie, diese erhaben wirkenden Segelflugzeuge mit mächtigen Spannweiten jenseits der 20 Meter. Es sind die Gleiter der sogenannten Offenen Klasse, einer Art Formel 1 der Lüfte, in der es, was die Spannweite betrifft, keine Grenzen nach oben gibt. Berühmt wurden die majestätisch zwischen Himmel und Erde schwebenden Giganten durch das Flugzeug des im Februar verstorbenen Hans-Werner Grosse – die Eta, die überaus breite Schultern hatte. Die 30,90 Meter Spannweite dieses Großseglers, der im Jahr 2000 zu seinem Erstflug startete, waren Rekord. Es gab nur drei Maschinen dieses Typs, der vor allem mit einer Eigenschaft beeindruckte: der Gleitfähigkeit. Die Eta protzte mit einer Gleitzahl von 70, was bedeutet: Aus einem Kilometer Höhe kam sie, ohne zwischendurch steigen zu müssen, 70 Kilometer weit. Zum Vergleich: Ein Airbus A340 schafft ohne Motorenschub 16 Kilometer.
Aus Poppenhausen am Fuße der Wasserkuppe werden nun neue Signale gesendet. In der weiten Hügellandschaft der Rhön ist der älteste Segelflugzeughersteller der Welt beheimatet: Alexander Schleicher. Dort wird derzeit eine Maschine entwickelt, die bei einer Spannweite von 20 Metern, dem Minimum in der Offenen Klasse, für Wirbel sorgen soll: die AS 35 Mi. Die letzten beiden Buchstaben stehen für die Motorisierung und das Einspritzsystem. Denn auch Segelflugzeuge können Motoren haben. Die AS 35 Mi wird dank eines 56 PS starken Wankelmotors eigenstartfähig sein. Aggregat und Propeller klappen im Bedarfsfall aus dem Rumpf der Maschine und ziehen das je nach Wasserballastmenge bis zu 730 Kilogramm schwere Flugzeug in den Himmel. Oder sie ermöglichen die Rückkehr zum Heimatflugplatz, sollte dem Piloten dann doch einmal die Thermik ausgehen.
Bei Alexander Schleicher wird das neue Flugzeug derzeit mit einem neuen Rechenmodell und einer CFD (Computional Fluid Dynamics)-Simulation erprobt. „Diese Rechenmodelle bewegen sich sehr nahe an der Wirklichkeit“, sagt Patrick Wenzeck, der Marketingchef des hessischen Traditionsbetriebes, der im kommenden Jahr 95 Jahre alt wird. Der Gründer des Betriebs, Alexander Schleicher, baute 1927 sein erstes Flugzeug. Der Name des Geräts, mit dem der 1968 verstorbene Schleicher beim Rhön-Segelflugwettbewerb gewann: „Hol’s der Teufel“. Das Preisgeld bildete die Basis für den Kauf der ersten Werkstatträume. Heute arbeiten 115 Angestellte bei Alexander Schleicher. Für die Entwicklung neuer Projekte wie der AS 35 Mi sind fünf Menschen verantwortlich. Ob ein neues Flugzeug auch das kann, was die Ingenieure errechnet haben, wird quasi vor der Haustüre getestet. Denn Schleicher verfügt hinter den Fertigungshallen über ein eigenes Flugfeld samt Schleppflugzeug.
Spannweite ist zwar die Zauberformel, mit der es Segelflugzeugen ermöglicht wird, weit zu gleiten. Aber im Alltagsbetrieb haben die weißen Riesen der Lüfte Nachteile. In der warmen, aufsteigenden Luft müssen sie bei „Kurbeln“ genannten Kreisen weiter ausholen, im Gleitflug sind sie langsamer als die mit kürzeren Flügeln bestückte Konkurrenz, deren Tragflächen der vorbeiströmenden Luft wesentlich weniger Widerstand entgegenstemmen als beispielsweise die einer Eta. Diese hat vor allem bei schwierigen Thermikbedingungen Vorteile, da der Pilot durch die größere Reichweite beim Gleiten mehr Chancen hat, den nächsten Aufwind zu finden. Bei normalen Bedingungen sind aber moderne Segelflugzeuge mit weniger Spannweite den sogenannten „Langohren“ überlegen. Quelle: ‘FAZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung‘.