Ungeeignete Flugtaktik im Gebirge

Der Pilot flog seit Erlangen seiner Privatpilotenlizenz regelmässig ab dem Flugfeld Biel Kappelen (LSZP). Am Vortag des Unfalls plante er eine Alpenüberquerung zum Flugplatz Locarno (LSZL) und reservierte dafür die PA-28-161, eingetragen als HB-PTL. Mit diesem Flugzeug war der Pilot in den vergangenen 90 Tagen nicht oft geflogen. Am Unfalltag füllte er am Flugplatz noch eine den ursprünglichen Flugplänen entsprechende Fluganmeldung aus. Doch der Flugweg aus den Radaraufzeichnungen lässt darauf schliessen, dass die geplante Alpenüberquerung mit den zwei Passagieren dahingehend abgeändert wurde, um nach Sion (LSGS) zu fliegen. Auf diesem Flug, der durch das Mittelland in Richtung Rhonetal führte, stieg die HB-PTL nie höher als auf ungefähr 4500 ft QNH12. Es darf davon ausgegangen werden, dass bei diesem Flug die effektiv mögliche Steigleistung dieses Flugzeuges mit dessen aktualen Beladung beim Piloten kein Thema gewesen war, da auf dieser Flugroute kaum nennenswerte Hindernisse vorhanden waren, die in kürzester Zeit zu überqueren gewesen wären.

Nach der Pause in Sion füllte der Pilot im C-Büro die Fluganmeldung aus und begab sich mit seinen beiden Passagieren zum Flugzeug. Als Destination wählte er das Flugfeld Biel-Kappelen. Als Flugroute wurden nach einem Ausflug über November Whiskey (NW) die Ortschaften Martigny und Payerne als weitere geographische Wegpunkte angegeben. Nach dem Anfragen der Rollfreigabe informierte der Pilot den Flugverkehrsleiter (FVL) darüber, nach dem Start in Richtung NW und anschliessend Richtung Sanetschpass in Richtung Nordosten fliegen zu wollen. Somit wechselte der Pilot an diesem Tag zum zweiten Mal eine vorgängig geplante Flugroute.

Die Absicht, zuerst in Richtung Westen zu fliegen und erst nachher Kurs in Richtung Sanetschpass zu nehmen, zeigte, dass der Pilot auf den ersten Blick eine grobe Einschätzung der notwendigen Steigleistung für diese Routenwahl vorgenommen haben musste. Durch das Akzeptieren eines Steigfluges entlang der Platzrunde der Piste 25, infolge der Verkehrsplanung des FVL, wird augenfällig, dass daraus eine Verkürzung des Flugweges resultieren kann. In der Folge wäre eine Neubeurteilung der dafür notwendigen Steigleistung angebracht gewesen. Der Pilot stieg mit der HB-PTL im linken Gegenanflug der Piste 25 und drehte darauf nach Norden, um in Richtung Sanetschpass zu fliegen. Dabei überquerte er die Region von Savièse auf rund 4500 ft QNH, wie aus dem Funkverkehr mit der Platzverkehrsleitstelle hervorging.

Grundsätzlich existiert für das Überfliegen des Sanetschpasses nebst anderem eine empfohlene Mindestflughöhe von 8400 ft QNH. Verschiedene Funksprüche anderer Verkehrsteilnehmer, die dieses Gebiet auf 10 000 ft QNH überflogen hatten, deuten darauf hin, dass es auf dieser Flugroute keine meteorologischen Einschränkungen gab. Die Auswertung der Aussagen der Beobachter ergibt ein schlüssiges Bild, wonach der Pilot zu tief ins Tal Richtung Sanetschpass einflog und im weiteren Flugverlauf die notwendige Höhe zum Überfliegen des Sanetschpasses nie erreichte.

Rekonstruierter Flugweg (gestrichelte gelbe Linie) der HB-PTL vom Start bis hin zum Einflug ins Tal in Richtung Sanetschpass. Das weisse Dreieck bezeichnet den ungefähren Ort der HB-PTL um 13:02 Uhr, als der FVL nach der Flughöhe fragte. Die blauen Punkte (1, 2, 3) bezeichnen die Standorte der ersten Beobachter, die auf die HB-PTL aufmerksam wurden. Der Flugweg der HB-PTL ist in dieser Phase rot gestrichelt dargestellt, Quelle der Basiskarte: Bundesamt für Landestopografie.

In der Region von Dilogne muss dem Piloten zum ersten Mal bewusst geworden sein, dass ein Direktflug in Richtung Sanetschpass mit den aktualen Steigleistungen der HB-PTL nicht möglich sein konnte, was ihn zum Einleiten einer Steigflugkurve talauswärts bewog. Mit einer beobachteten Flughöhe von rund 5000 ft QNH fehlten dem Piloten noch mindestens 3400 ft bis zum Erreichen der empfohlenen Mindestflughöhe. Gemäss den errechneten Flugleistungen hätte ab diesem Zeitpunkt mit der HB-PTL mit Steigraten von maximal 300 ft/min gerechnet werden können. In der Folge wären bis zum Erreichen der Mindestflughöhe von 8400 ft QNH noch mindestens 12 bis 15 Flugminuten notwendig gewesen. Nachdem der Pilot mit der HB-PTL die Steigflugkurve abgeschlossen hatte, tauchte die PA-28-161 nach wenigen Minuten erneut bei Beobachter 1 auf und befand sich nur unwesentlich höher als bei der ersten Sichtung. Die Tatsache, dass der Pilot nun in Richtung Sanetschpass weiterflog, lässt den Schluss zu, dass er in dieser Phase die Steigflugleistung der HB-PTL bei der Wahl der Flugroute nicht mehr mit einbezog. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit dem Piloten die Mindestflughöhe für das Überfliegen des Sanetschpasses bewusst war.

Ansonsten lässt sich das Weiterfliegen in Richtung Pass nicht erklären. Auch wenn beim Steigflug mit diesem Flugzeugtyp die Sicht nach vorne auf den Boden eingeschränkt ist, gibt es neben den Angaben des Höhenmessers genügend Anhaltspunkte beim Blick seitwärts auf den Boden, um eine Einschätzung in Bezug auf den aktuellen Flugvektor gegenüber dem Gelände vorzunehmen. Unabhängig davon wird in dieser Phase für das Überqueren des Sanetschpasses eine minimale Flughöhe von 8400 ft QNH empfohlen, um der gewählten Flugroute wie geplant weiter zu folgen. Das Beachten dieses Grundelementes der Flugtaktik im Gebirge fehlte jedoch im vorliegenden Fall. Demgegenüber bleibt zu erwähnen, dass zu diesem Zeitpunkt immer noch genügend Raum für eine Umkehrkurve vorhanden war. Der Pilot flog weiter Richtung Pass und in der Folge geriet die HB-PTL während der Schlussphase zusätzlich in den Effekt der terrestrisch bedingten, vertikalen Windströmung vom Sanetschpass. Dadurch wurde die Steigleistung weiter vermindert. Dies führte dazu, dass die HB-PTL in rund 100 m über Grund bei den Beobachtern 5 und 7 vorbeiflog und dass es auf rund 2100 m/M (6890 ft AMSL13) zur Kollision mit dem Gelände kam.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine ungeeignete Flugtaktik bestehend aus folgenden Punkten dazu führte, dass sich der Pilot in eine Situation manövrierte, aus der es in der Schlussphase des Unfallfluges keinen Ausweg mehr gab. Diese Faktoren bestanden aus:

  • der unzureichend getroffenen Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Flugzeuges PA-28-161;
  • der kurzfristigen Änderung der Flugroute in Bezug auf die Fluganmeldung;
  • der unzweckmässig gewählten Flugroute;
  • dem Nichteinhalten der empfohlenen Mindestflughöhe im Gebirge.

Das kurzfristige Abändern einer geplanten Flugroute birgt grundsätzlich keine Gefahren und sie wäre im vorliegenden Fall so auch durchführbar gewesen. Doch bei einem derartigen Unterfangen müssen die vorgenannten Faktoren der Flugleistung, der Wahl der Flugroute und der Flugtaktik im Gebirge, unter Berücksichtigung der Mindestflughöhen, laufend gegeneinander abgewogen und nötigenfalls angepasst werden. Dies war beim Unfallflug so nicht erkennbar gewesen und erklärt das Entstehen dieses Unfalls.

Flugverlauf

  • Am 20. August 2017 um 12:48 Uhr startete das Flugzeug auf der Piste 25 des Regionalflugplatzes Sion (LSGS) für einen Reiseflug nach dem Flugfeld Biel-Kappelen (LSZP).
  • Über den linken Gegenanflug der Piste 25 erreichte die HB-PTL über der Ortschaft Savièse eine Höhe von rund 4500 ft QNH und verliess das Rhonetal mit einer Rechtskurve in Richtung Sanetschpass.
  • Mehrere Beobachter am Boden bemerkten das tief ins Tal Richtung Sanetschpass einfliegende Flugzeug.
  • Nach einer Steigflugkurve vor der Ortschaft Dilogne erreichte die HB-PTL im weiteren Steigflug die notwendige Höhe zum Überfliegen des Sanetschpasses nie.
  • Um 13:09 Uhr kollidierte das Flugzeug mit dem ansteigenden Gelände.
  • Kurz nach dem Aufprall brach Feuer aus.
  • Der Pilot sowie die Passagiere kamen beim Unfall ums Leben.
  • Verschiedene Beobachter des Unfalls alarmierten umgehend die Rettungskräfte.

Rahmenbedingungen

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