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Warum geht die Sonne nach der Wintersonnenwende später auf?

Quelle: ‚MeteoSchweiz‚.

Falls Sie früh aufstehen, haben Sie es wahrscheinlich schon bemerkt: Die Sonne geht nach der Wintersonnenwende immer noch später auf. Dennoch nimmt die Länge des Tages zu. Das bedeutet, dass sich der Sonnenuntergang noch mehr verzögert als der Sonnenaufgang. Aber warum diese Asymmetrie? Sollte die Sonne nach der Wintersonnenwende nicht einfach früher aufgehen und später untergehen? Hier erhalten Sie die Antworten dazu.

Beginnen wir mit den Fakten: Die Tabelle in Abbildung 1 zeigt die Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangszeiten sowie die Tageslänge für die 2. Monatshälfte im Dezember 2023 in Lausanne. Es überrascht nicht, dass an der Wintersonnenwende (in diesem Jahr am 22. Dezember), die kürzeste Tageslänge stattfand. Dennoch geht die Sonne nach der Sonnenwende immer noch später auf, obwohl die Tageslänge zunimmt. Daher ist klar, dass sich der Sonnenuntergang noch weiter verzögert. Aber warum diese Asymmetrie?

Um dies zu verstehen, müssen wir zunächst den Unterschied zwischen Sonnenmittag und 12 Uhr erkennen. Der Sonnenmittag ist die Zeit, zu der die Sonne am höchsten am Himmel steht (d.h. dem Zenit). Dies entspricht aber nicht zwingend 12 Uhr mittags. Da wir in sogenannten Zeitzonen leben bedeutet beispielsweise, dass in Santiago de Compostela (Spanien) die gleiche gesetzliche Zeit herrscht wie in Skopje (Nordmazedonien), das ungefähr auf demselben Breitengrad liegt. Letztere liegt jedoch etwa 2.500 km weiter östlich, was eine Verschiebung der Sonnenzeit von ca. 2 Stunden bedeutet! Das ist relativ einfach zu verstehen, erklärt aber nicht, warum die Sonne nach der Wintersonnenwende trotzdem noch immer später aufgeht. In der Tat ist der Unterschied zwischen Sonnenmittag und 12 Uhr an einem bestimmten Ort nicht das ganze Jahr über konstant! Um das zu verstehen, muss man sich ein wenig mit der Astronomie beschäftigen.

Definition eines Tages (Sonnentag)
Wie wir wissen, dreht sich die Erde bekanntlich innert 24 Stunden einmal um sich selbst. Um genau zu sein sind es 23 Stunden und 56 Minuten. Aber wie können wir diesen Unterschied von 4 Minuten zwischen der Länge eines Tages und der Länge der Erdrotation erklären? Ein Sonnentag ist definiert als die Zeit, welche die Sonne benötigt, um am nächsten Tag die gleiche Ausrichtung eines bestimmten Punktes der Erde zu erreichen. So wie sich die Erde um sich selbst gedreht hat, hat sie sich auch ein wenig um die Sonne gedreht, also muss sie sich ein wenig mehr drehen, damit sie die gleiche Ausrichtung in Bezug auf die Sonne findet.

Schauen wir uns Abbildung 2 an: Bei Punkt (1) zeigt der rote Pfeil auf die Sonne. Nach einer vollen Umdrehung der Erde (2) zeigt derselbe Pfeil nicht mehr direkt auf die Sonne, da sich die Erde leicht um ihre Umlaufbahn bewegt hat. Die Erde muss sich also noch ein wenig drehen, damit der Pfeil wieder zur Sonne zeigt (3), dies dauert ca. 4 min. Tatsächlich variiert diese Dauer zwischen 3 Minuten 30 Sekunden und 4 Minuten 30 Sekunden. Für diese Variation gibt es 2 Gründe: 1. die Tatsache, dass die Umlaufbahn der Erde eine Ellipse ist und 2. dass ihre Rotationsachse zur Umlaufbahn nicht vertikal ausgerichtet ist (Neigung der Erde).

Die Umlaufbahn der Erde ist eine Ellipse
Vermutlich ist Ihnen bekannt, dass die Umlaufbahn der Erde kein Kreis, sondern eine Ellipse ist, mit der Sonne als einem der Brennpunkte (Keplers erstes Gesetz). Wie in Abbildung 3 zu erkennen, ist die Erde im Perihel (Anfang Januar) der Sonne am nächsten und am Aphel (Anfang Juli) am weitesten entfernt. Dies führt zum zweiten Keplerschen Gesetz: Die Erde umkreist die Sonne im Perihel schneller als im Aphel. Tatsächlich ist die Gravitationskraft zwischen zwei Körpern umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands zwischen ihnen. Wir können intuitiv verstehen, dass die Erde beschleunigt, wenn sie näher an der Sonne ist.

Das ist der Grund, warum die Erde im Perihel während einer vollen Umdrehung um ihre Achse eine größere Strecke auf ihrer Umlaufbahn zurücklegte. Es dauert daher länger, bis die Erde wieder die gleiche Ausrichtung in Bezug auf die Sonne einnimmt (von Punkt 2 bis 3 in Abbildung 2). Dies impliziert, dass die Sonne später aufgeht, wenn sie sich dem Perihel nähert (Anfang Januar), obwohl die Tage länger werden!

Die Neigung der Erdachse
In der obigen Erklärung haben wir aber die Tatsache nicht berücksichtigt, dass die Rotationsachse der Erde um 23,5° aus der Vertikalen geneigt ist. Infolgedessen ist die solare Mittagszeit nicht das ganze Jahr über konstant. Der Sonnenmittag wird sich verzögern, wenn wir uns den Sonnenwenden nähern, und vorrücken, wenn wir uns den Tag- und Nachtgleichen nähern. Die Details der Auswirkung der Neigung der Erdachse auf die Länge eines Sonnentages würden den Rahmen dieses Blogs sprengen.

Die Zeitgleichung
Der kumulative Effekt der Ekliptik der Erdbahn und der Neigung der Erdachse wird in der Zeitgleichung zusammengefasst, die die Verschiebung der Sonnenzeit von einem 24-Stunden-Tag beschreibt. Diese Zeitgleichung ist die Überlagerung zweier sinusförmigen Kurven: Die erste hat eine Periode von einem Jahr und verläuft bei Perihel und Aphel durch Null. Die zweite hat einen Zeitraum von einem halben Jahr und geht bei den Sonnenwenden und den Tag- und Nachtgleichen durch Null. Als Zeitgleichung (ZG oder ZGL) wird die Differenz zwischen der wahren Sonnenzeit (wahre Ortszeit, WOZ) und der mittleren Sonnenzeit (mittlere Ortszeit, MOZ) bezeichnet.

Zusammenfassung
Ein Sonnentag ist definiert als die Zeit, die die Sonne benötigt, um am nächsten Tag die gleiche Ausrichtung eines bestimmten Punktes der Erde zu erreichen. Unabhängig von der Neigung der Erdachse entspricht dies der Zeit, welche die Erde benötigt, um einmal um sich selbst zu drehen, plus der Zeit, die sie benötigt, um die Tatsache „einzuholen“, dass sie eine kleine Strecke auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne zurückgelegt hat. Letzteres ist nicht konstant, da sich die Erde im Januar schneller auf ihrer Umlaufbahn dreht als im Juli.

Darüber hinaus führt die Neigung der Erdachse dazu, dass der Sonnenmittag zwischen den Tag- und Nachtgleichen und Sonnenwenden variiert. Diese beiden Effekte zusammen führen dazu, dass die Sonne um die Wintersonnenwende herum in Bezug auf einen 24-Stundentag verspätet ist. Das hat zur Folge, dass die Sonne nach der Wintersonnenwende bis Anfang Januar später aufgeht, obwohl die Tage länger werden.