Das Luftschiff Airlander 10, ob seiner eigenartigen Form auch scherzhaft als „fliegender Hintern“ bezeichnet, könnte bald zum Einsatz kommen. Das verkündete vor kurzem die britische Herstellerfirma Hybrid Air Vehicles (HAV). Die Briten glauben fest an die Wiederkehr des Luftschiffs. Bis 2025 will man zehn Luftschiffe produzieren, die jeweils hundert Personen befördern können.
Fünf Routen sind geplant, darunter Barcelona–Palma de Mallorca, Reisezeit: viereinhalb Stunden. Das Unternehmen gab an, dass die Reise mit dem Luftschiff in etwa die gleiche Zeit wie eine Reise mit dem Flugzeug benötigen würde, wenn man die An- und Abreise zum und vom Flughafen einbezieht.
Als größter Vorteil gegenüber dem Flieger wird der geringere CO2-Ausstoß genannt: Der Airlander soll nur zehn Prozent der CO2-Emissionen eines Flugzeugs verursachen. HAV gab an, dass der CO2-Fußabdruck pro Passagier im Luftschiff etwa 4,5 Kilogramm betragen werde, verglichen mit etwa 53 Kilogramm pro Flugzeugpassagier. Denn anders als beim Flugzeug sorgt bei einem Luftschiff ein leichtes Gas für den Auftrieb, die Motoren, die ab 2030 vollelektrisch sein sollen, sind nur für das Vorankommen notwendig.
Regionalverkehr als Ziel
Anders als die Zeppeline handelt es sich bei den Airlandern um „Blimps“. Sie verzichten auf ein Gestell aus Aluminium, sind sozusagen riesige Ballons in länglicher Form. Auch sind die Airlander nicht wie die berühmt-berüchtigte Hindenburg für Interkontinentalreisen gedacht. Sie sollen den Regionalverkehr übernehmen, denn für die lange Strecke sind die Airlander viel zu langsam. Der Prototyp des Luftschiffs erreichte bei Tests nämlich bislang maximal 92,6 Kilometer pro Stunde. Zum Vergleich: Eine Boeing kommt in der Spitze auf die zehnfache Geschwindigkeit.
Andere geplante Routen sind Liverpool–Belfast in fünf Stunden und 20 Minuten, Oslo–Stockholm in sechseinhalb Stunden und Seattle–Vancouver in etwas mehr als vier Stunden. Von HAV, in der Vergangenheit auch von Peter Hambro, einem Gründer des russischen Goldbergbauunternehmens Petropawlowsk, und dem Iron-Maiden-Frontmann Bruce Dickinson finanziert, heißt es, das Fluggerät sei „ideal geeignet für Intercity-Mobilitätsanwendungen, die Airlander mit einem winzigen Bruchteil der Emissionen aktueller Flugoptionen bedienen kann“.
Reisen über den Nordpol
HAV-CEO Tom Grundy erklärt dazu, dass 47 Prozent der Flüge mit Regionalflugzeugen Städte verbinden, die weniger als 370 Kilometer voneinander entfernt sind, und dabei eine riesige Menge an Kohlendioxid ausstoßen. „Wir haben Flugzeuge, die für sehr lange Strecken ausgelegt sind und sehr kurze Strecken fliegen, obwohl es eigentlich eine bessere Lösung gibt“, sagte Grundy. „Wie lange werden wir noch den Luxus haben, diese kurzen Distanzen mit einem so großen CO2-Fußabdruck zurückzulegen?“ Er vergleicht den Airlander mit einer „Schnellfähre“: „Das ist kein Luxusprodukt, sondern eine praktische Lösung für die Herausforderungen der Klimakrise.“
Neben dem Klimaaspekt dürften die Luftschiffe auch mit dem besonderen Reiseerlebnis punkten. Das erste Luftschiff soll denn auch an das schwedische Luxusreiseunternehmen Ocean Sky Cruises gehen, mit ihm sollen Reisen über den Nordpol möglich werden.
Hinzu kommt, dass das 92 Meter lange, 25 Meter hohe und 43 Meter breite Luftschiff Reisende mit einer luxuriösen Ausstattung überzeugen kann. Dazu gehören breite Ledersitze, bodentiefe Fenster und die Möglichkeit, an Bord direkt in einer Suite zu schlafen oder im Kreis von bis zu 20 Personen zu speisen. „Seit vielen Jahrzehnten bedeutet Fliegen, in einer Metallröhre mit winzigen Fenstern zu sitzen – eine Notwendigkeit, aber nicht immer ein Vergnügen. Im Airlander ist das ganze Erlebnis angenehm und sogar genussvoll“, rührt George Land, Direktor für kommerzielle Geschäftsentwicklung bei Hybrid Air Vehicles, die Werbetrommel.
265 Airlander in den nächsten 20 Jahren
Der Luftschiffmarkt boomt. So heißt es zumindest von HAV. Alleine in den nächsten 20 Jahren werde der Markt auf 50 Milliarden Dollar wachsen, schätzt das Unternehmen. Bis dahin sollen bereits 265 Airlander auf dem Markt sein.
Der 25 Millionen britische Pfund (29 Millionen Euro) teure Airlander-10-Prototyp absolvierte bereits sechs Testflüge, von denen einige schlecht endeten. Nach einer erfolgreichen 30-minütigen Jungfernfahrt stürzte er 2016 bei seinem zweiten Testflug ab. Das Fluggerät, das von fast jeder ebenen Fläche starten und landen kann, erreichte bei seinen letzten Tests Höhen von 2.100 Meter und Geschwindigkeiten von bis zu 50 Knoten. Das Unternehmen erhielt Unterstützung von der britischen Regierung und Zuschüsse von der EU, wie der „Guardian“ berichtet. Quelle: ‚Der Standard‚.