Am Tag vor der geplanten Abreise wollen wir mit unseren Freunden in Vinon eine ‚Farewell-Party‘ organisieren. Einkaufen, Apéro bereitstellen, Rosé in ausreichender Menge so kühl wie möglich hinbekommen, drei grosse Poulets (ergibt mit dem Rosé zusammen letzlich einen Coq au Vin) für den Grill vorbereiten, Tische und Stühle organisieren usw. bleibt diesmal an meiner Brigitte hängen – denn es wird ein ordentlich guter Flugtag, den ich noch für einen schönen Ausflug nutzen möchte. Damit schwebt während des ganzen Tages immer ein wenig die Pflicht im Cockpit, abends rechtzeitig zurück zu sein – Aussenlandungen sind heute nicht gefragt.
Wasser in die Flächen und früher Start.
Stress mache ich mir trotzdem keinen. Ich fülle zwecks Optimierung der Reisegeschwindigkeit den Flieger mit ordentlich Wasser und starte früh. Und nehme mir vor, zeitig zu wenden. Spätestens um 16.00 Uhr werde ich die Nase südwärts richten, dann müsste es mit Segler-reisefertig-verpacken grad schüüsst zum Apéro reichen. Es wird dann doch noch etwas eng. Aber davon später.
Die Reise nach Norden beginnt trotz vorsichtigem Queren des Plâteau Valensole gleich mit einer happigen Turnübung nahe am Flugplatz Puimoisson. Erneut komme ich auf dem letzten Zacken auf Landehöhe endlich wieder vom Boden weg. Lasse aber das Wasser in den Flächen – das kann ich heute bestimmt noch brauchen.
Zäher Einstieg ins Hochgebirge.
Dann läuft die Fliegerei endlich, wie sie soll. Aber nur bis zum Mont Guillaume. Da ist heute eine umfangreiche Fliegerversammlung anzutreffen. Ich komme mit Zählen nicht nach, es kämpfen über 20 Segelflieger auf ähnlichen Höhen am Hang ums Obenbleiben. Ein gewagter Ausreisser in die Chrächen der Tête de Lucy hilft auch nicht weiter, bringt mich aber immerhin auf die Höhe und die Idee, auf der Ostseite des Durance-Tals nordwärts zu ‚kriechen’. Immer eländ nahe am Gelände. Und die Aufwinde sind, wenn überhaupt vorhanden, auch nicht da, wo sie sein sollten (passiert mir aber auch sonst ab und zu). An der Schattenseite (!) des Tales der Clotinaille schaufelt mich endlich ein etwas holperiger Aufwind auf komfortablere Höhe.
Blick von Courmayeur auf die Ostseite des Mont Blancs mit der mächtigen Brenva-Flanke; gut sichtbar ist auch der Peuterrey-Grat, eine der schwierigsten Begehungen auf das ‚Dach Europas‘.
In grosser Linkskurve über den Grand- und Petit-St.-Bernard.
Der Rest ist rasch erzählt. Jetzt läuft’s richtig. Auf dem Trampelpfad der Crête des Agneaux, Crête de Peyrolles, Col d’Etaches, Charbonnel, Col du Carro, erreiche ich mit einer angenehmen Reisegeschwindigkeit den Gran Paradiso. Angesichts der schon etwas weiter als geplant fortgeschrittenen Uhrzeit will ich noch zum Grossen St. Bernhard, ins Val Ferret, an die Grandes Jorasses und dann blitzig zurück nach Hause an den Grill.
Auch das funktioniert, wie es muss. Die Höhen sind komfortabel, die Steigwerte gut. Zeitweise habe ich sogar über Funk Kontakt mit den Kollegen aus Schänis. Frigg Hauser, Moritz Isler, Roland Hürlimann und Peter Schmid sind heute in den Walliser Alpen unterwegs, Frigg hat sogar den Mont Blanc umrundet.
Es läuft gut, ich lasse auf dem Heimweg über Val d’Isère, den Col d’Iseran und Bonneval sogar den rumplig-starken Aufwind am Charbonnel aus (was ich sonst nie mache). Mit einem letzten Kreis über der Crête de Peyrolles fliege ich auf der Standard-Route zurück bis an den Cheval Blanc. Je weiter südlich man kommt, umso stabiler wird die Luft. Kaum mehr Bewegung und schon gar kein Steigen ist mehr zu finden, voraus ist alles stumpf und blau.
Haarscharfer Endanflug.
Nun werde ich eigentlich mit meinen Segler, den ich durch und durch kenne, schon lange nicht mehr nervös, wenn ich 60 Kilometer in toter Luft gleiten muss und dafür noch 1’500 Meter Höhe verfügbar habe. Das kann er eigentlich ganz genau. Nicht mehr, nicht weniger.
Heute beginnt es aber in der Region der Bäderstadt Digne doch etwas zu kribbeln. Ich kann rechnen, wie ich will, mir bleibt ausser meiner Standard-Höhenreserve kein Meter zuviel nach Vinon. Mit MacCready-Wert verstellen und Gegenwind (auf dem Endanflug-Rechner) reduzieren kann ich nochmals 100 Meter künstliche Reserven herauskitzeln. Also alles reine Nervensache.
Das Problem ist, dass die Luft tatsächlich stumpf ist und nirgendwo mehr trägt. So komme ich in den Genuss, die Speed-Polare der ASW-20-B auf den Meter genau abfliegen zu dürfen. Ich folge der Südostkante des Val d’Asse, versuche noch das Weizensilo von Brunet, nur um da festzustellen, das ich mit diesem kleinen und normalerweise lohnenden Umweg meine künstlich herausgerechnete Höhenreserve auch noch verbraten habe. Allerdings auch nicht mehr. Jänu – dann halt auf dieser Höhe nichts wie weg über das Plâteau!
Sogar den Lavendel kann ich schon riechen.
Ungewohnt tief folge ich dem Terrain nach Süden. Ich kann den in voller Blüte stehenden Lavendel in den kilometerlangen Feldern schon im Cockpit riechen. Mit meiner auf das beste Gleiten reduzierten Geschwindigkeit erscheint mir der Flug über die Ebene endlos. Zum Glück sinkt das Plâteau ebenfalls etwas ab – ab der Pont Manosque bin ich endgültig überzeugt, keine Aussenlandung mehr zu produzieren. Für einen Überflug reicht die Höhe aber tatsächlich nicht mehr, ich kann aber auf die normale Landevolte einfädeln. Nach 60 Kilometern bleibt kein Meter übrig. Das Wasser ist ebenfalls draussen, etwa wie die Luft bei mir. Der Grillabend mit Hans, Heidi und René ist jetzt aber dennoch in trockenen Tüchern!
Mit diesem herrlichen Flug gehen die Fliegerferien in Südfrankreich für diesen Sommer zu Ende. Der Flug heute war ein toller Abschluss und es waren bis auf den allerletzten Endanflug immer entspannte Flüge. Halt so, wie Segelfliegen sein sollte.
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