Zu tief, zu langsam

Während des Starts, in der Phase des Anfangssteigfluges, kurvte das Flugzeug über ansteigendes, bewaldetes Gelände. Dabei geriet es in eine unkontrollierte Fluglage, kollidierte mit Bäumen und prallte aus etwa 15 m Höhe auf den Boden. Nach den Angaben des Flugleiters hatte der Pilot das Triebwerk warmlaufen lassen und um 13:01 Uhr eine Startmeldung abgegeben. Der Start sei zunächst unauffällig gewesen. Das Flugzeug habe noch auf dem Asphaltanrollstreifen abgehoben und anschließend Fahrt aufgenommen. Dann sei es etwa auf Höhe der Tankstelle nach links abgedreht und mit einem hohen Anstellwinkel über ansteigendes, bewaldetes Gelände gestiegen. Aufgrund der Sichteinschränkung durch Gebäude und den Wald habe er den weiteren Flugverlauf nicht mehr beobachten können. Kurz danach habe er ein blechernes Geräusch vernommen, es aber aufgrund von stattfindenden Baumfällarbeiten nicht mit dem abfliegenden Flugzeug in Verbindung gebracht. Sein Versuch, die Cessna vom Tower aus über Funk zu erreichen, habe keinen Erfolg gehabt. Daraufhin habe er sich entschlossen, einen Suchflug mit dem Flugzeug eines gerade gelandeten Bekannten durchzuführen.

Das Flugzeug beschleunigte zunächst auf dem Asphaltstreifen und hob nach etwa 7 Sekunden ab. Nach etwa 14 Sekunden war die höchste Geschwindigkeit über Grund erreicht und das Flugzeug kurvte mit etwa 17° berechneter Schräglage auf einen südlichen Kurs in Richtung ansteigendem Gelände. Die Geschwindigkeit über Grund nahm im weiteren Flugverlauf stetig ab. Die Steigrate des Flugzeuges nahm ab der 19. Sekunde ebenfalls stetig ab. Die Geländehöhe (ermittelt aus dem digitalen Geländemodell der Erde) sowie der Bewuchs (ermittelt aus Drohnenaufnahmen und -positionen) nahmen unterhalb des Flugprofiles stetig zu. Ab der 32. Sekunde ging das Flugzeug in eine Rechtskurve, die mit etwa 15° Schräglage berechnet wurde, über.

Erste Spuren einer Baumberührung (die abgeschlagenen Spitzen von drei Fichten und einer Buche) fanden sich im Abstand von ca. 44 m nordöstlich des Wracks und konnten mit Hilfe einer Drohnenaufnahme lokalisiert werden.

Menschliche Faktoren
Zeugen beschrieben den Piloten als „peniblen, sicherheitsbedachten Menschen“, der großen Wert auf Inübunghaltung legte, sich fit hielt und viel selber am Flugzeug bastelte bzw. testete. Er sei mehrmals wöchentlich am Flugplatz gewesen, hätte sich viel um die Infrastruktur am Platz (Vorfeld, Mäharbeiten) gekümmert und wäre immer für technische Fragen ansprechbar gewesen. Geflogen sei er meist allein und mit zunehmendem Alter immer weniger. Er hätte versucht, hohes Verkehrsaufkommen und kontrollierte Flugplätze zu meiden und sei meist nur noch kürzere Strecken in die nähere Umgebung geflogen.

Laut einem Zeugen gab es ca. vier Jahre vor dem Unfall die Überlegung, dass dieser das Flugzeug von dem verunfallten Piloten zunächst in einer Art „Altersteilzeit“ und schlussendlich ganz übernehmen sollte. Dazu kam es jedoch nicht, da der Zeuge eine andere Option wahrnahm.

Potenzielle Einflüsse des Alterns auf das Fliegen Mit dem natürlichen Alterungsprozess des Menschen verschlechtern sich häufig für das Fliegen wichtige Faktoren der psychophysischen Leistungsfähigkeit, z.B.:

  • Verschlechterte Wahrnehmung, z. B. durch reduzierte Hörfähigkeit (Funkverkehr) und Sehfähigkeit (eingeschränktes peripheres Sehen, verschlechtertes Nah- und Nachtsehen sowie Schwierigkeiten, den Fokus schnell zu wechseln)
  • Muskuloskelettale Probleme: Kraftverlust, verminderte Beweglichkeit, früher einsetzende Ermüdung im Cockpit aufgrund von Hitze und Turbulenzen, Schwierigkeiten in der Feinmotorik wie beim Drücken kleiner Tasten
  • Vermehrte Müdigkeit: Schlafumgebung, Arbeitsschicht, medizinische Bedingungen, Jetlag etc. beeinflussen die Müdigkeit stärker
  • Kurzzeitgedächtnis: Probleme beim Merken von Höhenangaben, Transpondercodes und Funkfrequenzen (ebenfalls durch Müdigkeit beeinflusst)
  • Probleme in der Aufmerksamkeitsverteilung, Informationsverarbeitung, Problemlösung und Entscheidungsfindung sowie psychomotorische Koordination
  • Generell sind altersbedingte Veränderungen individuell sehr unterschiedlich, verlaufen sehr variabel und lassen sich schwer an einem bestimmten Alter festmachen (Schlag, 20084; Tsang, 19975).

Diverse Untersuchungen und Erkenntnisse aus dem Straßenverkehr zeigen allerdings, dass vor allem Beeinträchtigungen des Sehens, Probleme mit der Aufmerksamkeits-Verteilung und eine generelle Verlangsamung, insbesondere bei der Entscheidung, Planung und Ausführung von Handlungen, das Unfallrisiko älterer Fahrer beeinflussen (Vollrath & Krems, 20116; Wild-Wall & Falkenstein, 2007). Ebenso zeigen diverse Studien im Luftfahrtbereich78 (Bazargan & Guzhva (2011), dass mit zunehmender Gesamtflugzeit die Unfallraten für alle Piloten sinken, aber gerade ältere Piloten bei geringer aktueller Flugzeit höhere Unfallraten aufweisen (v. a. bei weniger als 50 Stunden pro Jahr). Vor allem für Piloten mit weniger als 1’000 Stunden Gesamtflugzeit und weniger als 50 Stunden aktueller Flugzeit steigt mit zunehmendem Alter die Unfallrate an (Golaszewski, 1983, 1991, 1993). Diversen altersbedingten Veränderungen können ältere Menschen im gewissen Rahmen mit (langjähriger) Erfahrung, Inübunghaltung und Verhaltensänderungen begegnen. Beispielsweise können kürzere Streckenabschnitte oder insgesamt kürzere Flüge gewählt werden, mehr Zeit dafür eingeplant, (v.a. bei IFR-Flügen) Co-Piloten zur Unterstützung mitgenommen, verkehrsreiche Lufträume und Zeiträume gemieden, schönes bzw. ruhiges Flugwetter zum Fliegen ausgewählt oder auch einfach die persönlichen Minima an die aktuellen Fähigkeiten angepasst werden. Außerdem können ältere Menschen auch kontinuierlich versuchen, ihre Fähigkeiten möglichst lange aufrecht zu erhalten, z.B., indem sie anspruchsvolle Situationen bzw. Aufgaben intensiv üben, ihre Ausstattung für mehr Komfort und Sicherheit verbessern oder vermehrt technische sowie soziale Unterstützungsmöglichkeiten nutzen.

Menschliche und betriebliche Aspekte
Der Pilot war fliegerisch sehr erfahren und technisch versiert. Die Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass er noch sehr aktiv war und weiterhin viel Interesse am Fliegen hatte und versuchte, Probleme gerne selber zu lösen. Dem gegenüber steht jedoch, dass der Pilot trotz langjähriger Flugerfahrung in den letzten Jahren deutlich weniger und eher kürzere Strecken flog (nur ca. 2 Stunden in den letzten 90 Tagen). Er flog meist allein und sein letzter offizieller Checkflug war 2 Jahre zuvor in 2018. Mögliche altersbedingte Veränderungen unterlagen daher mehrheitlich seiner Selbsteinschätzung und sind nach dem Ableben des Piloten nicht mehr beurteilbar. Die hier gezogenen Schlüsse der BFU beruhen daher auf Zeugenaussagen und Flugdatenaufzeichnungen zum Verhalten des Piloten. Zeugenangaben, wonach der Pilot schon längere Zeit überlegte, das Fliegen bald einzustellen, weisen darauf hin, dass der Pilot höchstwahrscheinlich altersbedingte Veränderungen seiner fliegerischen Fähigkeiten wahrnahm und versuchte, sie zu kompensieren. Er passte beispielsweise sein Flugverhalten an, flog laut Zeugenaussagen in den letzten Jahren meist werktags, um den „Stress am Wochenende zu vermeiden“, und hauptsächlich nur noch in die nähere Umgebung sowie mied kontrollierte, verkehrsreiche Plätze, um sich höchstwahrscheinlich auch weniger fordernden Situationen auszusetzen. Im deutlichen Gegensatz zu diesem eher alters- und sicherheitsbewussten, vorsichtigen Fliegen steht jedoch die regelmäßige Missachtung von empfohlenen Abflugverfahren wie auch am Unfalltag.

Laut Flugdatenaufzeichnungen folgte der Pilot einige Male nicht der veröffentlichten Platzrundenführung. Diese regelmäßige Missachtung der Betriebsverfahren am Flugplatz blieb für den Piloten ohne Konsequenzen, sodass sich dieses Verhalten scheinbar festigte und auch am Unfalltag zu einer freien Auswahl des Abflugweges führte. Der Pilot war sich der Gefahren seines Verhaltens offenbar nicht bewusst und unterschätzte diese. Dennoch ist er nach Zeugenangaben für gewöhnlich nicht über den bewaldeten Hang abgeflogen. Höchstwahrscheinlich handelte der Pilot nach einem spontanen Entschluss und bemerkte die kritische Situationsentwicklung zu spät. Dennoch entschied er sich bewusst für den Abflugweg über den ansteigenden, bewaldeten Hang und brachte sich somit unnötig in eine potenziell sicherheitskritische Situation. Mit hoher Wahrscheinlichkeit reagierte der Pilot in dieser Situation erst zu langsam und dann fehlte die Höhe über dem Gelände, um das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bringen, bevor es zur Baumberührung kam. Eine noch eingeleitete Richtungsänderung, um parallel zum Hang zu fliegen, lässt sich in den Flugdatenaufzeichnungen erkennen, aber ließ sich nicht mehr rechtzeitig umsetzen. Diese anspruchsvolle, sicherheitskritische Situation, die eine breite Aufmerksamkeits-Verteilung (sowohl nach außen als auch nach innen auf die Flugparameter) sowie ein schnelles, souveränes Entscheiden und Handeln verlangte, überforderte den Piloten in seinen Fähigkeiten, die wahrscheinlich altersbedingt zusätzlich eingeschränkt waren.

Die BFU konnte nicht abschließend klären, weshalb der Pilot diesen von vornherein sicherheitskritischen Abflugweg wählte und sich somit selber bei verschiedenen Arten von Problemen im Flug (wie Motorausfall, mangelnde Steigleistung oder Strömungsabriss) die Rettungs- bzw. Ausweichmanöver beschnitt. Gerade wenn altersbedingte Veränderungen, wie reduzierte Reaktionsfähigkeit, aufkommen, aber auch generell, empfiehlt es sich für sicherheitsbewusstes Fliegen bzw. einen erfolgreichen Start, nach dem Abheben erst einmal ausreichend Geschwindigkeit aufzubauen und Höhe zu gewinnen, um frei von Hindernissen möglichst in Verlängerung der Startrichtung geradeaus zu steigen (mindestens 500 ft AGL), bevor überhaupt eine Kurve eingeleitet wird. Nur so ermöglicht man sich als Pilot auch auf mögliche Probleme adäquat reagieren zu können. Mit der entgegen gesetzlichen Vorschriften eingebauten Rauchanlage verstieß der Pilot bewusst und ebenfalls regelmäßig gegen bekannte Vorgaben. Der Pilot legte aus ungeklärten Gründen für den Unfallflug den vorhandenen Schultergurt nicht an. Es kann sein, dass der Pilot beim Anschnallvorgang abgelenkt wurde und diesen Schritt (eventuell auch altersbedingt) schlichtweg vergaß. Möglicherweise legte der Pilot den Schultergurt aber auch aus Komfortgründen nicht an. Die BFU konnte die Gründe dafür nicht abschließend klären, höchstwahrscheinlich beeinflusste aber das Fehlen des Schultergurts die Schwere des Unfalls.

Schlussfolgerungen
Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass das Flugzeug in geringer Höhe über Grund im ansteigenden Gelände in einen sackflugähnlichen Flugzustand geriet und dabei mit Bäumen kollidierte. Zum Unfall beigetragen hat die Entscheidung des Piloten noch im Anfangssteigflug direkt nach dem Start mit einer Linkskurve in ansteigendes Gelände einzufliegen. Quelle / vollständiger Report: ‚BFU‚.

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