“You are free now” oder Corona-FORDEC completed!

Fortsetzung des Bericht von Tino Janke über den Corona-Alltag in einer asiatischen Megacity, gefunden auf Facebook.

Pünktlich um 9:00 Uhr kam „Mrs. Doctor“, wie in einer der zahlreichen Kontrollgruppen angekündigt und überreichte mir ein Schreiben, in dem das offizielle Ende meiner Quarantäne beglaubigt wurde. Jetzt wird es noch ein, zwei Tage dauern, bis auch die Alipay-App meinen Gesundheitsstatus von rot auf grün gewechselt hat, die Türsensoren wieder entfernt wurden, und all das dann auch beim Arbeitgeber angekommen ist.

Obwohl nun mittlerweile auch in Deutschland so ziemlich jeder eine Ahnung davon haben sollte, was Quarantäne bedeutet, möchte ich mit dem Bild aus China vielleicht auch etwas Hoffnung geben, dass der aktuelle Zustand eher früher als später beendet sein kann.

Auch wenn in China mit Sicherheit nicht alles richtig und vieles (mal wieder) wohl auch völlig überzogen gemacht wurde und wird, so scheint heute alles einem konkreten Ablaufplan zu folgen, der am Ende auch tatsächlich das Ende der Krise vorsieht. Zumindest konnte man, selbst hinter Schloss und Riegel, durch das Fenster beobachten, wie sich die Straßen wieder mit Leben füllten. Wie bei schönem Wetter die Leute im Park lagen und sich auch wieder die gewohnten Staus bildeten.

Wohl bemerkt nach dem offiziellen Ergebnis, NICHT mit Corona infiziert worden zu sein, hieß es „by law“ für zwei Wochen in Quarantäne zu gehen – damals noch in die eigenen vier Wänden, solange man dort niemand anstecken (womit eigentlich?) konnte! Auch die dazugehörige Belehrung war unmissverständlich: Geforderte Kontrollen sind zu absolvieren und die Wohnung nicht zu verlassen. Bei Zuwiderhandlung droht eine Strafe in nicht benannter Form und die Quarantäne beginnt von neuem!

Fieber wurde morgens und abends von einer offiziellen Person in Vollschutz gemessen und musste auch jeweils in zwei verschiedene Gruppen zweimal täglich mit einem Standortnachweis (möglichst aus der eigenen Wohnung) übermittelt werden, usw.! Das Essen wurde, wie in China seit Jahren gängige Praxis, per App bestellt und bis vor die Tür geliefert. Immer mittags wurde, selbstverständlich unter Vollschutz, der Müll abgeholt und natürlich noch vor dem Fahrstuhl einer Chlordusche unterzogen. Die Wohnungstür bekam einen Sensor, der, wem auch immer, das unerlaubte Verlassen der Wohnung meldete!

Zusammengefasst bedeutete das nicht nur ein durchaus straffes Tagesprogramm, sondern auch ein ziemlich eindeutiges Kontaktverbot für die nächsten zwei Wochen. Ohne Wenn und Aber! Und trotz NETFLIX, ja auch das funktioniert in China – manchmal, trotz Skype, trotz eMail, trotz aller Annehmlichkeiten der eigenen Wohnung inklusive zweier Katzen, ist „Einzelhaft“ einfach Sch…!

Spätestens nach 3 Tagen fällt selbst dem überzeugtesten Eigenbrötler die Decke auf den Kopf. Und das Ganze, nachdem man negativ getestet wurde – was in diesem Fall ja höchst positiv ist! Ich habe mich oft gefragt, ob man diesen Zirkus in Deutschland bzw. in der westlichen Welt so widerspruchslos über sich ergehen lassen würde. Wohl kaum! Dieses Maß an Demut oder besser ausgedrückt die notwendige Reizschwelle, welche einen in China gut auskommen lässt, ist doch schon eine andere als in der westlichen Welt!

A B E R, eines ist mir in den einsamen Tagen, mit den ausgeprägten „Up’s & Down’s“ besonders positiv aufgefallen: Gemeinhin gilt der Ur-Chinese ja nicht unbedingt als Garant für Freundlichkeit und Warmherzigkeit. Eher vergleichbar mit einem Berliner, der hinter einem an der roten Ampel steht – an der man den Start verpasst hat. COVID-19 hat hier offensichtlich einen Schalter umgelegt. Nahezu jeder ist ausgesprochen freundlich mit einem umgegangen, man hat sich fast willkommen gefühlt. So, als wollte man ausdrücken, wir freuen uns wirklich, dass ihr Expats zurückkommt! Und genau diese Freundlichkeit war auch nötig. Denn die zwei, drei ruppigen Zeitgenossen, die es natürlich immer noch gab, sind einem auch direkt erschwerend aufs Gemüt geschlagen.

Aber was genau hat denn nun den Unterschied ausgemacht, der hier das Leben wieder in die Normalität führt und Europa und den Rest der Welt erstarren lässt? Ganz klar, am Anfang wurde viel verschlafen, das ist hinlänglich bekannt (Wobei sich die Frage stellt, warum man sich genau das erst im Rest der Welt in aller Seelenruhe angucken muss, um sechs bis acht Wochen später genau denselben Fehler zu begehen?!). Dann jedoch wurde, auch wieder wie zu erwarten, mit aller Konsequenz gehandelt. Man bereitete sich auf den „heranrollenden Tsunami“ vor und verhängte den Shutdown. Das größte und wichtigste Fest des Jahres – Chinese New Year – wurde abgesagt, während sich woanders auf der Welt Entscheider immer noch um die Entscheidung drückten, ein Fussballspiel abzusagen – zumindest so lange, bis man den unsichtbaren Feind ein bisschen besser kennengelernt hat.

Und siehe da, während die Welt stillsteht und gleichzeitig mit Volldampf in einer Steilspirale nach unten fährt, fahren in China die Menschen wieder zur Arbeit und der Alltag hält Einzug. Gleichwohl man sich heute noch konsequenter gegen Neuinfektionen, diesmal aus dem Ausland ins Land gebracht, zu schützen versucht und die Quarantänemaßnahmen für Einreisende immer weiter verschärft!

Dem gegenüber stehen mir aktuell in Deutschland einfach viel zu viele Meinungen. Für jeden Geschmack ist was dabei. Und wenn denn auch wirklich jeder was sagen darf, sagt halt auch mal der Falsche das Richtige, und der Richtige das Falsche, worüber man auch wieder geraume Zeit vortrefflich diskutieren und debattieren kann. Und schon wurde einmal mehr wieder nichts verhindert, sondern ungehemmt weiter verbreitet. Und wenn dann noch „MIT“ und „AN“ verwechselt werden, sieht auch eine übliche Statistik spektakulär genug aus, sodass man sie wirksam genug durch die Presselandschaft jagen darf. Nur der Sache an sich ist die Vielfalt der Meinungen ausnahmsweise mal nicht dienlich. Zumindest nicht für die Chinesen. Denn wenn in der westlichen Welt niemand mehr die wichtigen und unwichtigen Produkte „Made in China“ kaufen kann, einfach weil er es nicht mehr bezahlen kann, ist auch hier niemanden geholfen. Mein Eindruck ist der, dass man genau das verstanden hat und trotz aller angemessener Vorsicht (und manchmal auch ein Stückchen darüber hinaus) den Karren wieder zum Laufen bringen will. Weil man eben muss!

Und auch in China weiss doch niemand genau, wie hoch die Zahl der Infizierten nun wirklich ist. Spricht man von einem Faktor 2, 5 oder 10 zu den offiziellen Zahlen? Wer weiss es schon genau? Man müsste jeden bzw. eine genügend große Gruppe testen. Und auch dann wird es wieder Zahlenakrobaten geben, die jedes Ergebnis in die „falsche“ Richtung biegen. Und wie war das doch gleich mit einer wirksamen Immunisierung? Bedarf es da nicht sogar einer ausreichend hohen Zahl…? Wie auch immer, zumindest hat man in China auch ohne Impfstoff und ausreichend Testkits, dafür aber mit einem befristetem Lockdown, einem angepasstem Hygieneverhalten und einer 100%igen Maskenpflicht erreicht, den Schritt aus der Krise begonnen. Alles scheint wie immer!

Vielleicht schafft man es ja dieses Mal, dass die unzähligen selbsternannten Virologen, Statistiker oder Politiker ganz offen den Blick nach China wagen und sich ohne gekränkten Stolz abschauen, wie es auch funktionieren kann. Hier könnte Abschauen und Kopieren einmal durchaus erwünscht sein. Nicht jedes Rad muss aufwendig und schmerzhaft mehrfach erfunden werden. Und vielleicht kehrt dann auch schnellstmöglich wieder ein stückweit Ruhe in das ganze Weltgeschehen ein und man kann zur – mittlerweile wieder liebgewonnenen – Normalität zurückkehren. Im besten Fall wird man sich auch ein bisschen besser vorbereiten auf ein ähnliches Ereignis, das uns möglicherweise in nächster Zukunft ereilen kann.

Ein Kollege, der mittlerweile seit 8 Wochen in China „festhängt“ und mindestens noch einmal 8 weitere Wochen fernab der Familie vor sich hat, fragte sich erst kürzlich selbst, wie lang er diese Ungewissheit noch aushalten kann: „Die Sachen, die ich meinen Töchtern zu Weihnachten mitgebracht habe, werde ich wohl nie live an ihnen sehen, da sind sie demnächst rausgewachsen.“ Spätestens hier saß der Kloß doch ziemlich fest im Hals…! Auch meine Kinder wachsen schnell 🙁

Bleibt zu hoffen, dass wir alle hier doch noch mit einem blauen Auge davon kommen. Und so lange mein Gesundheits-QR-Code auf dem Handy immer noch rot leuchtet, was so viel bedeutet wie: „computer says no“ oder auch: an fliegen ist noch lange nicht zu denken, werde auch ich mich langsam wieder in den chinesischen Alltag einfinden und das einmalig schöne Wetter joggend am Huangpu genießen, denn die Beispielathleten der von mir nahezu täglich genutzten Fitness-Apps der letzten zwei Wochen haben nicht gehalten, was sie versprochen haben. Ich hoffe ihre Jogging-Kollegen machen es besser 😉

Bleibt gesund & #masks4all

PS: 2 weitere wichtige Erkenntnisse der letzten 2 Wochen:

  1. Infrarottermometer funktionieren nach dem Duschen nicht!
  2. Wenn die face-ID des iPhones versagt, kann es an der Maske liegen, oder es wird Zeit, sich mal wieder zu rasieren!

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