Wie sich ein Rundflug im Segelflieger anfühlt

Es ist Bergfest der Teilnehmer des Fliegerlagers der Fliegergruppe Plettenberg-Herscheid. Seit einer Woche befinden sie sich im intensiven Flugtraining am Habbel. Nein, das stimmt nicht: Seit einer Woche sollten sie sich am Habbel befinden, doch das Wetter hat es mit ihnen noch weniger gut gemeint als mit mir an diesem Samstag. Der Platz war regelrecht abgesoffen. Da war es wie ein Segen, dass der Fliegerverein aus Attendorn angeboten hat, dass die Herscheider ihren Platz nutzen können, weil diese selbst nicht vor Ort waren. Seit Samstag sind die Flieger wieder zurück in Hüinghausen – und ich durfte hautnah dabei sein. Bevor es jedoch losgeht, steht ein gründlicher Flugzeugcheck auf dem Programm. Das geschehe jeden Morgen, erklärt mir Karl Schröder, der zwei Flugschüler bei ihrer Arbeit beaufsichtigt. Bei dem Flugzeug handelt es sich um einen Segeldoppelsitzer. Das Flugzeug vom Typ ASK 13 hat bereits über 50 Jahre auf dem Buckel – oder den Tragflächen, wie man’s nimmt – doch man sieht es ihm nicht an, denn es wurde in den letzten Monaten generalüberholt und erstrahlt nun in neuem Glanz. Es ist eins von zwei Schulungsflugzeugen der Fliegergruppe Plettenberg-Herscheid. Während am Morgen kontrolliert wird, wird am Abend geputzt: Jede Mücke wird von den Flugzeugen entfernt und das sind mitunter nicht wenige, wie Schröder zu berichten weiß: „Da sind die Puschen bei den Rädern unten schon mal schwarz.“

40 Jahre Flugerfahrung
Dieter Siepmann-Hücking wird mein Pilot sein. Er fliegt seit über 40 Jahren und ich fühle mich bei ihm gut aufgehoben. Das Segelflugzeug ist inzwischen durchgecheckt und als flugfähig bewertet worden. Ein Auto zieht es über die Wiese zum Startpunkt; Siepmann-Hücking und ich gehen hinterher. Dabei erhalte ich eine Einweisung zum Platz, in der es unter anderem heißt: nicht mitten auf der Bahn gehen. Segelflugzeuge hört man nicht kommen, sodass es zu üblen Kollisionen kommen könnte. Nicht ohne Grund gibt es am Eingang zum Flugplatz auch eine Schranke. Ist diese unten, bedeutet das: Flugbetrieb. Beim Flugzeug angelangt, macht mich Siepmann-Hücking mit selbigem vertraut. Es ist ein bisschen so, wie bei den Urlaubsfliegern: die Sicherheitswesten befinden sich unter dem Sitz, im Fall eines plötzlichen Sauerstoffabfalls fallen automatisch Atemmasken von der Decke. Okay, nicht genauso, aber ein bisschen. Bei den Segelfliegern tragen die Flieger eine Art Rucksack, in dem ein Fallschirm steckt und der gleichzeitig als Sitzkissen dient. Siepmann-Hücking erklärt mir, wie ich das Ding aufzusetzen und festzuschnallen habe. „Keiner will das nutzen“, meint er und mir kommen die Worte meines Vaters in den Sinn, der stets „Besser haben als brauchen!“ sagt. Für Siepmann-Hücking gehört die Sicherheitsunterweisung einfach dazu. Letztendlich läuft es auf vier einfache Schritte hinaus: zwei Griffe, Haube, abschnallen, raus. Doch mein Pilot gibt mir Zuversicht: „Solange ich mit drin bin, werden wir sicher landen!“

Weiter werden mir die verschiedenen Anzeigen, der Fahrten- und der Höhenmesser, erklärt sowie der Steuerknüppel und die Pedale. In dem Doppelsitzer ist alles sowohl vorne als auch hinten vorhanden. Normal sitzt der Schüler vorne, der Lehrer hinten und kann so im Notfall eingreifen. Bei den Rundflügen, wie ich ihn gleich machen werde, sitzt der Pilot vorne, der Gast hinten. Der Höhenmesser wird genullt, sodass die tatsächliche Entfernung zum Boden gemessen wird. In den Bergen oder bei Überlandflügen stellt man ihn auf Meereshöhe ein.

Zwei Wege nach oben
Ein Segelflieger kann niemals allein starten; es ist immer Teamarbeit. Für den Start gibt es zwei Möglichkeiten: mittels Seilwinde oder per Motorflugzeug. Uns wird heute ein Motorflugzeug in die Luft befördern. Verglichen zur Seilwinde ist es zwar etwas umständlicher, aber man hat mehr Möglichkeiten. Während die Seilwinde einen nur auf eine Höhe von circa 300 Meter bringen kann, kann das Motorflugzeug einen theoretisch überallhin bringen, bevor man sich abkoppelt. Michael Liebau ist der Mann, der das Motorflugzeug heute fliegt; eine französische Robin, die optimiert ist für den Schleppflug. Die beiden Flugzeuge werden mit einem Seil verbunden und schon kann es losgehen. Ein Flugschüler gibt Hilfestellung, indem er das Segelflugzeug im Gleichgewicht hält. Ein kurzes Armzeichen, Liebau gibt Gas. Ein Stück über die Wiese, dann erhebt sich das Motorflugzeug und mit ihm der Segelflieger in die Luft.

Es ruckelt und wackelt ganz schön. Das liegt, so erfahre ich später, am herrschenden Südwind. Der geht quer zur Startbahn, sorgt für Verwirbelungen und macht die Handhabung des Flugzeugs etwas schwieriger. „Am liebsten starten und landen wir gegen den Wind“, wird mir erklärt. Nach kurzer Zeit klinken wir uns von dem Motorflugzeug ab und wir segeln allein weiter. „Die schönsten Tage sind die, an denen man die kleinen Schäfchenwolken sieht“, meinte Dieter Siepmann-Hücking vor dem Start. Von Schäfchenwolken ist heute leider weit und breit nichts zu sehen, doch die Aussicht ist dennoch beeindruckend. Wir kreisen über Plettenberg und Hüinghausen. Ich erkenne den Sportplatz in Böddinghausen und kann die Oestertalsperre erspähen. Allerdings stelle ich auch fest, dass ein paar Zentimeter mehr Körpergröße ganz gut wären, denn ich muss mich doch sehr recken, um etwas zu sehen. Was mich erschreckt, ist der Zustand des Waldes, oder vielmehr des nicht mehr vorhandenen Waldes. Von hier oben sieht man die Folgen des Borkenkäferbefalls noch viel deutlicher als am Boden. Und ich verliere schnell die Orientierung. Eine Kurve hier, eine Schleife dort und schon weiß ich nicht mehr, was unter mir liegt. Dabei kenne ich die Gegend; ich bin hier geboren und aufgewachsen. Doch die Perspektive, der weite Blick irritiert: Plötzlich scheint alles so dicht beieinander zu liegen. Da wundert es mich nicht, dass Flugschüler am Anfang immer in Sichtweite ihres Platzes fliegen – und auch später immer eine Wiese im Blick haben, auf der sie bei Bedarf landen können; zumindest, wenn sie eine Flughöhe von 600 Meter unterschreiten. Wir fliegen in einer Höhe von gut 500 Metern, mit einer Geschwindigkeit von etwa 100km/h – so sagen es die Anzeigen. Siepmann-Hücking fragt, ob ich das Steuer auch mal übernehmen wolle? – Klar, wieso nicht!? Nach Anleitung steuere ich uns zunächst in eine Rechtskurve, also: Hebel nach rechts drücken und die rechte Pedale treten. Klappt! Ich probiere auch die anderen Richtungen aus, doch eigentlich bin ich ganz gerne Beifahrer, bzw. Beiflieger.

Das Landen im Loch
Nach etwa 20 Minuten nähern wir uns wieder dem Flugplatz und setzen zur Landung an. Diese setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem Gegen-, dem Querund dem Endanflug. Im Grunde fliegt man erst parallel zur Landebahn, fliegt dann zweiKurven in gleicher Richtung, sodass quasi ein „U“ geflogen wird, bevor man schließlich landet. Dieses „U“ wird „Platzrunde“ genannt und ist „ein absolut wichtiger Sicherheitsfaktor“. Sie schließt aus, dass jeder startet und landet, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Normalerweise wird nämlich immer in die Richtung gelandet, in die auch gestartet wird. Der Flugplatz in Hüinghausen sei ein durchaus schwieriger Platz, erzählt der Vereinsvorsitzende Daniel Gärtner. Die Hänge zu beiden Seiten, das Dorf voraus und der Geländeanstieg hinten machen es so manch einem Flieger schwer. Die denken dann: „Wie kommste jetzt in das Loch da unten?“ Die andere Seite der Medaille ist die: „Wer hier das Fliegen lernt, ist gewappnet“, so Gärtner. Fliegenlernen kann man übrigens schon bereits ab 14 Jahren, also noch bevor man mit einem Mofa auf die Straße darf. Die Fliegergruppe bildet regelmäßig aus. Wer einfach mal an einem Rundflug teilnehmen möchte, kann sich ebenfalls vertrauensvoll an die Fliegergruppe wenden. Es lohnt sich und ist eine besondere Erfahrung, die Heimat mal aus der Vogelperspektive zu sehen. Quelle: ‚come-on.de‘.

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