Wie man einem Menschheitstraum nahe kommt

Durch die Luft zu schweben wie ein Vogel – Segelflieger kommen diesem Menschheitstraum sehr nahe. Beim Flugsportclub in Giebelstadt FSCG tun sie das sogar so erfolgreich, dass das Team aus 15 Pilotinnen und Piloten heuer erstmals als einer von 30 Flugsportclubs in der zweiten Bundesliga starten darf. Hunderte von Kilometern durch die Luft zu gleiten, ohne Motor, nur getrieben von den Kräften der Natur und dem eigenen Können – für Joachim Freitag macht dies die große Faszination des Segelfliegens aus. Am 5. Juli ist ihm im Zweisitzer gemeinsam mit Jens Jurgan der erste Flug über eine Strecke von mehr als 1000 Kilometern gelungen. „Das ist ein Ritterschlag für jeden Segelflieger“, sagt Elias Breunig, der Vorsitzende des FSCG. Wie Freitag und Jurgan gehört auch Elias Breunig zu dem 15-köpfigen Team, das zwischen April und August an jedem Wochenende um Punkte in der Bundesliga-Wertung kämpft.

Ein Tag Pilot
Segelflug betreibt der FSCG seit den Gründertagen im Jahr 1952. Privater Motorflug war damals noch von den Alliierten verboten. Also mussten die Flieger mit den aus Holz, Stoff und Spannlack zusammengezimmerten Kisten vorlieb nehmen.

Erfahrung und Geschick des Piloten entscheidend
Inzwischen bestehen Segelflugzeuge aus glas- und kohlefaserverstärktem Kunststoff. Die Fliegerei an sich hat das nicht verändert. Über eine Winde und ein Drahtseil wird das Flugzeug beschleunigt und steigt auf eine Höhe von bis zu 600 Metern. Wenn das Drahtseil ausgeklinkt ist, kommt es allein auf das Geschick der Piloten an.

„Dann musst du einen Bart finden“, erklärt Julian Krause. „Bart“, so nennen die Segelflieger die senkrechten Aufwinde, die manchmal von kleinen Wolken angezeigt werden, die sich aber manchmal auch unsichtbar über Taleinschnitten oder Waldrändern bilden. Einen solchen Bart zu erkennen, erfordert Erfahrung und Geschick. Doch wenn der Pilot erst einen starken Aufwind gefunden hat, kann es auf kreisender Bahn bis auf 3000 Meter in die Höhe gehen, um von dort dem erwählten Ziel entgegen zu steuern – auf der Suche nach dem nächsten Bart. Seit es die Segelfliegerei gibt, gibt es auch Wettbewerbe, erzählt Elias Breunig. Doch der Aufwand dafür sei früher hoch gewesen gewesen. Über dem vorbestimmten Kurs, in der Regel ein Dreieck, mussten die Piloten markante Bauwerke oder Landmarken fotografieren, um ihren Flug nachzuweisen. Nach dem Flug vergingen Stunden, bis der Gewinner feststand.

In Zeiten der Satelliten-Navigation geht alles einfacher. Ein sogenannter GPS-Logger zeichnet in jedem Augenblick des Flugs Standort und Höhe auf und erlaubt später am Computer in Sekundenschnelle die Auswertung. „Die Digitalisierung seit Anfang der 2000-er Jahre hat der Segelfliegerei einen unheimlichen Aufschwung beschert“, sagt Elias Breunig. Seitdem gibt es neben Einzelwettbewerben auch richtige Ligen, in denen sich die einzelnen Vereine über eine ganze Saison hinweg miteinander messen können. Bis vergangenes Jahr startete der FSCG in der Bayernliga, dann gelang der Sprung in die zweite Bundesliga. Um zwischen unterschiedlich günstigen Standorten und verschiedenen Flugzeugtypen einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, wurde ein spezieller Modus entwickelt. Nicht die Zeit oder die zurückgelegte Entfernung entscheidet, sondern die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit, die während des Fluges innerhalb eines beliebigen Zeitfensters von zweieinhalb Stunden erreicht wurde.

Jedes Wochenende zwischen April und August gilt als Flugtag. Die drei schnellsten Wertungen eines Vereins werden nach jedem Wochenende addiert. Für die höchste Gesamtwertung gibt es 30 Punkte, für die schlechteste einen. Nach dem 18. Flugwochenende hat der FSC Giebelstadt inzwischen 125 Punkte auf dem Konto und darf sich mit dem 14. Tabellenrang vorzeitig auf ein weiteres Jahr in der zweithöchsten deutschen Segelflug-Liga freuen. „Für den Verein ist das die beste Wettbewerbsform“, sagt Elias Breunig. Auch deshalb, weil nicht der einzelne Pilot, sondern das Team im Vordergrund steht. „Der Teamgeist ist enorm wichtig, weil der ganze Verein seinen Beitrag leisten muss“, sei es bei der Instandhaltung der Flugzeuge, bei der Flugsicherung oder bei der Unterstützung der Piloten. „Wenn keiner an der Winde steht, können wir auch nicht fliegen.“

„Fliegen ist kein teures Hobby, billiger als ein regelmäßiger Disko-Besuch.“
…sagt Joachim Freitag. „Man braucht wenig Geld, aber viel Zeit.“ Am Computer lässt er derweil seinen ersten 1000-Kilometer-Flug Revue passieren. Am 5. Juli um 8.32 Uhr war er gemeinsam mit Jens Jurgan in Giebelstadt gestartet, allerdings nicht mit der Winde sondern mit einem kleinen Klappmotor, der nach dem Start im Rumpf des Segelflugzeugs verschwindet. „An der Wetterlage haben wir gesehen, dass heute etwas gehen könnte“, erinnert sich Freitag. Quelle: ‚Mainpost‚.

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