Segelflieger gleiten von einem Effizienzrekord zum nächsten und zeigen, was mit Hightech und den Kräften der Natur möglich ist. Das beflügelt auch die kommerzielle Luftfahrt. Klaus Ohlmann ist ein weltweit beachteter Segelflugpilot. Weggefährten sagen über ihn: Der denkt wie ein Vogel. Dass da was dran ist, hat der gebürtige Franke schon oft bewiesen: Keiner ist weiter gesegelt. Kaum einer hat mehr Flugstunden im Logbuch als der ehemalige Zahnarzt: über 30 000. Er hält 76 Weltrekorde und 7 WM-Titel. Über den Anden flog er 12 500 Meter hoch und 3000 Kilometer weit. Als erster Mensch segelte er über den Mount Everest. Er legte mit mehr als 2000 Kilometern die längste je in einem Elektroflugzeug geflogene Strecke zurück.
Für Aufsehen sorgte Ohlmann am 17. Mai 2021. Frühmorgens startete er in Südfrankreich, segelte dann übers das Mittelmeer nach Korsika und von dort weiter nach Italien. Nach 1780 Kilometern und mehr als dreizehn Stunden im engen Cockpit seines Hochleistungsseglers landete er spätabends im griechischen Thessaloniki – angetrieben von den Kräften der Natur.
Mit solchen Flügen will der Profipilot unter anderem auch der kommerziellen Luftfahrt zeigen, wie effizient man in der Luft vorankommen kann. Die Airliner geraten wegen ihrer enormen Emissionen immer mehr in die Schlagzeilen. Zwar ist die Luftfahrt global für nur etwa zwei Prozent der direkten CO2-Emissionen verantwortlich. Doch in der Höhe wirken weitere Klimafaktoren. Kondensstreifen etwa verhindern, dass die Erde Wärme ins Weltall abgibt. So addiert sich die Klimawirkung der Luftfahrt auf ungefähr fünf Prozent. Da die Passagierzahlen in den kommenden Jahren weiter steigen werden, sind Ideen, die den Verbrauch senken, mehr als willkommen.
Erhebliche Unterschiede zum Linienflugzeug
Um Sprit zu sparen, könnten die Airliner in die Trickkiste der Segler greifen. Und das tun sie auch. Kaum einer wüsste das besser als der Profisegler Ohlmann: «Segelflugzeuge sind dank ihrer Bauweise und ihrer perfekten Aerodynamik die effizientesten Flugzeuge, die es gibt», sagt er. Mit ihren langen, schlanken Flügeln kommen Segelflugzeuge auf Gleitzahlen von 1:70 und besser. Heisst: Mit 1000 Metern Höhe gleiten sie bis zu 70 Kilometer weit. Verkehrsflugzeuge schaffen ohne Motor gerade 1:20.
Doch Segler und Verkehrsflugzeuge sind nur bedingt vergleichbar. «Grundsätzlich stellen sich beim Design eines Segelflugzeuges und dem eines Airliners verschiedene Fragen und Herausforderungen», sagt Michel Guillaume, Leiter am Zentrum für Aviatik der ZHAW School of Engineering in Winterthur. Sitzen im Cockpit eines Seglers maximal zwei Personen, so sind es in Verkehrsflugzeugen 300 und mehr. Das Abfluggewicht eines zweisitzigen Seglers beträgt etwa 850 Kilogramm, das eines A350 nicht weniger als 221 Tonnen. Liegt die Höchstgeschwindigkeit eines Hochleistungsseglers bei rund 350 km/h, so sind es beim Linienjet 1050.
Und dennoch lernen die Flugzeugkonstrukteure von Airbus, Boeing und Co. von den Seglern. Vor allem ist da die Kunststofftechnik. Hightech-Werkstoffe wie Glas-, Kohle- und Kevlar-Fasern wurden zunächst in Seglern verbaut. So hob das weltweit erste komplett aus Kunststoff gefertigte Flugzeug, der Segler FS 24 Phönix, 1957 ab. Bis heute gibt es kein Linienflugzeug, das zu 100 Prozent aus Kunststoff gefertigt wird. Quelle/vollständiger Bericht: ‚NZZ, Neue Zürcher Zeitung‚.