Von Serres nach Thessaloniki

Klaus Ohlmann fliegt schlicht in einer anderen Liga: Jetzt gelang ihm ein Flug, der für die meisten von uns bislang wohl außerhalb unserer Vorstellung lag. Von Serres in den französischen Seealpen schlug Klaus den Bogen bis tief nach Griechenland und landete nach 15 Stunden Segelflug mit seiner Stemme S10 in Thessaloniki. Ärgerlich dabei: Ein militärisches Beschränkungsgebiet wurde just in dem Moment aktiviert, als ein problemloses Steigen komfortable Höhe versprach. Zehn Minuten mehr wären möglicherweise verhandelbar gewesen.

Für Klaus Ohlmann ist der Flug von Montag, 17. Mai, mit den drei großen Strecken übers Mittelmeer, die einen erst mal schaudern lassen, ein Stück Weg zu seinem „Gesamtkunstwerk“. „Ich arbeite seit drei Jahren daran“, erklärt der Langstrecken-Sspezialist. Dazu gehören die Exploration der Verbindungen zwischen Alpen und Pyrenäen, die mehr als 200 Kilometer von Südfrankreich übers Mittelmeer nach Korsika, der Sprung von dort über die See nach Mittelitalien ins Lee der Abruzzen und dann der Weiterflug in Wellenaufwinden bis tief in den italienischen Stiefel. Am Montag gelang ihm dazu von Kalabrien der Gleitflug über 280 Kilometer Mittelmeer nach Griechenland. Nach insgesamt rund 300 Kilometer Gleitstrecke fand er wieder Anschluss an Wellensysteme.

Geplant hatte Klaus noch etwas anderes und viel lieber wäre er am Wochenende geflogen, da dann die militärischen Lufträume nicht aktiv sind. Vorgesehen hatte er den Start aus dem Zentralmassiv, von Clermont-Ferrand aus, das war aber am Sonntag bei tiefen Regenwolken nicht anfliegbar. Und auch der Abflug von Serres gestaltete sich am Montag hakelig. Nach dem Start musste noch am Platz der Motor ein weiteres Mal helfen. In Hangwind und schwachen, wenig hochreichenden Wellen schleppte sich der Abflug westlich des Buech-Tals über den Chabre und südlich Sisteron über die Vaumuse, dann Cheval Blanc und das östliche Verdon-Tal in die Fayence-Welle, die es dann aber richtig tat.

Aus den rund 6000 Metern der Fayence-Welle war der Anflug von Korsika gesichert. Nach zwei Traversierungen war das kein Neuland mehr für Klaus. Die Nordspitze der Insel erreichte er in 2100 Metern. Dort warf er sich aber nicht direkt ins Lee und damit weit über die See, sondern nutzte erst einmal die weniger ausgeprägte Welle gleich über dem Hang des Cap Corse. „Ich kam aus 6000 Meter mit einem eiskalten Motor. Das Risiko im Lee in den Rotorbereich einzutauchen und auf das Triebwerk zurückgreifen zu müssen, wollte ich nicht eingehen,“ erklärte Klaus den eingeschobenen verhaltenen Sicherheitsgewinn über dem Cap.

Das nicht unbeträchtliche Risiko einer Wasserlandung nimmt Klaus auch lieber allein auf sich. Für einen Mitflieger möchte er hier nicht verantwortlich sein. Wenn man bei Windgeschwindigkeiten von 60 bi s70 km/h und entsprechendem Wellengang bei dazu wintertiefen Temperaturen zum Wassern gezwungen ist, muss mit allem gerechnet werden. Klaus: „Ich weiß um das Risiko, aber es ist kalkulierbar.“ Und ohne Mitflieger gibt es auf dem zweiten Sitz reichlich Platz für eine Seenot-Rettungsausrüstung.

Die Wetterlagen für solche Flüge sind immer marginal. Die Luftfeuchte kann schnell einen Streich spielen. Bei zu hoher Feuchte versperrt die Bewölkung das Überfliegen und unten hüllt sie im Stau das Relief ein.

Einfach im OLC Wellenflüge anschauen und dort die tragenden Linien für die Kurswahl auszuwerten, das funktioniert für die Flüge außerhalb der Alpen nicht. Es gibt sie schlicht nicht. Klaus orientiert sich an Satellitenbildern und der Wellenvorhersage von Skysight: „Das ist mein Motivationsprogramm“. Für den großen Flug bekam er die Karte aber nicht mehr in sein LX9000. Klaus: „Da habe ich vor dem Start eine halbe Stunde ergebnislos mit meinem iPhone verbastelt.“

„Wenn es in rund 6000 Metern mit mehr als 75 Knoten bläst, dann ist es meist zu feucht“, hat er die Erfahrung gemacht. „Dann sind die Wellen meist abgeflacht und geben kein gescheites Steigen.“ Im nördlichen Italien blies es sogar mit 100 Knoten, auf seinem Kurs blieb Klaus aber frei von Wolken. Klaus: „Die Lücken in der Föhnmauer zu finden ist die eigentliche Schwierigkeit.“

Die Leewelle vom Cap Corse stand diesmal unter blauem Himmel und brachte ihn auf 6000 Meter. Klaus: „Das Anfliegen der Wellenaufwinde mit Geschwindigkeiten bis zu 350 km/h ist immer eine spannende Sache. Da musst du schon eindrehen, wenn das erste Steigen kommt, sonst schießt man viel zu weit.“

Die Premiere, Italien von Korsika aus mit leichter Seitenwindkomponente bei Grosseto nördlich von Rom anzufliegen, hat auf Anhieb funktioniert. Klaus konnte so gleich im guten Teil des Apennin in die Leewellen einsteigen. „Von Norden bis zum Gran Sasso gibt es langgestreckte Wellenbänder, das brummt“, hat er auf Erkundungsflügen schon erfahren und festgestellt: „Der Süden ist komplexer, es gibt nicht so viele Aufreihungen. Dort ist die Bewölkung meist auch relativ dicht, dann sieht man die Berge nicht. Und du musst mit einer ungefähren Vorstellung der Struktur zurechtkommen. Sich da richtig zurechtzufinden, ist noch unheimlich viel Arbeit.““

Und genauso war es dann beim großen Flug. Zudem narrte in Süditalien eine ausgedehnte Wolkenwurst, die nur vermeintlich eine Welle anzeigte. „Rund 500 Meter haben gefehlt,“ ärgerte sich Klaus später, „dann hätte der Anschluss geklappt.“ So verbastelte er sich in geringer Höhe über einer unübersichtlichen, weil zugestauten Hügelgruppe und musste in unter 1000 Meter MSL zum Motor greifen. Nach rund zehn Minuten und weiter im Lee stieg die Stemme dann wieder im Laminaren. Trotz des verständlichen Frusts flog er aber weiter. Es ging ja ganz vordergründig auch darum, fliegerisches Neuland auszukundschaften.

Später, tiefer im Stiefelspann gab es sogar eine Freigabe auf rund 7500 Meter. Hoch genug für 300 Kilometer Gleitflug über die Ägäis bis in die ersten Wellen über Griechenland. Auch dort war das Windfeld noch voll etabliert und hat den Flug in Wellenaufwinden bis Thessaloniki weitergetragen.

Klaus ist jetzt voller Zuversicht, dass die 2000 Kilometer in Europa machbar sind und viele andere Zielflüge überboten werden können: der der Gebrüder Herbaud von Vinon nach Marokko und auch der von Hans-Werner Grosse über 1460 Kilometer von Lübeck nach Biarritz. Sein eigentliches Ziel hatte Klaus auch weiter gesteckt, zwar auch in Griechenland, aber wieder im Mittelmeer: Iraklion auf Kreta für 2000 Kilometer Strecke in gerader Linie.

Die Rückkehr nach Serres war für den Stemme-Piloten nicht das Problem, auch wenn er dafür drei Tage brauchte: Vom überteuerten Thessaloniki teils mit Thermik ins freundliche Dubrovnik, von dort bis an den Alpenrand nach Thiene und dann im „thermischen Genussflug“ über Aosta nach Serres.

Klaus: „Die Stemme ist für solche Vorhaben das ideale Werkzeug. Es gibt kein anderes Flugzeug mit dieser Gesamtqualität. Mit meiner Antares hätte ich wohl die besseren Segelflugleistungen gehabt, aber für die Rückkehr wäre sehr viel mehr Zeit einzuplanen gewesen. Allerdings können in Zukunft die von Lange geplanten neuen Batterien deutliche Vorteile für derartige Unternehmungen bringen..“ Quelle: Gerhard Marzinzik im ‚OLC, online-contest‚.

Ein Gedanke zu „Von Serres nach Thessaloniki

  1. Manfred Hartmann

    Hallo liebe Kollegen,

    wie Gerhard Marzinzik im Artikel schreibt – Klaus fliegt in einer anderen Liga! Ich setze noch einen drauf: Wellenflug–Weltspezialist. Studiert laufend sämtliche Wellenflugmöglichkeiten. Das so etwas irgendwann bei passenden Wetterlagen geht, davon war er schon überzeugt, als ich bei ihm in Serres geflogen bin in den 90igern. Klaus ist für mich dasselbe Phänomen im Extrem-Segelflug wie Reinhold Messner im Extrem-Bergsteigen! Liebe Grüße, Manfred

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