Von den Gletschern zum Lavendel

Der folgende Bericht wurde zwar vor 23 Jahren verfasst, dennoch ist er auch heute noch „nicht aus der Zeit gefallen“.

Tag 1: Der Blick nach Süden vom 18. Juni 2002 verheißt Sommer: Über dem Tösstal (Zürcher Oberland) steigen Frieder Wolfart und Simon Leutenegger im Doppelschlepp auf – geistig schon jenseits des Alpenkamms, wo erste Cumuli in abgeschiedenen Hochtälern locken. Am Gufelstock im Glarnerland finden sie erste Thermik, steigen auf 3’300 Meter – der Traum, von Winterthur bis ins südfranzösische Vinon zu fliegen, scheint greifbar.

Matterhorn, vor dem Sprung – Fotos von Frieder Wolfart

Die Route führt über Flims und das Engadin zum Gornergrat – dort, auf über 4’000 Meter, fällt um 16:30 Uhr die Entscheidung: weiter Richtung Süden, das Matterhorn zur Linken bzw. Rechten umrundend – als symbolischer Meilenstein auf dem Weg in die Provence.

Nach dem Sprung, Richtung Aostatal: Die Wetteroptik lässt keine Wünsche offen

Im Aostatal, über den Gletschern von Rhêmes und Val d’Isère, verdichten sich die Aufwinde. Spätestens über dem Serre-Ponçon und der Dormillouse stellt sich das Gefühl ein: der Flug trägt. Ein schnelles Geradeausfliegen über die typischen Brisenaufwinde der Haute-Provence bringt Frieder und Simon zügig nach Süden. Um 19:45 Uhr landen beide in Vinon – begleitet vom Duft von Thymian und dem letzten Licht über dem Luberon. Die Gletscherluft weicht Zikadengesang und provenzalischer Kulinarik.

Um 18:45 Uhr: Einflug an der Dormillousse in die berühmteste Rennstrecke der Südalpen
Das ist der Querschnitt durch den Schluss des Fluges mit der Steigphase im Geradeausflug an der Krete des Chemin, der letzten Thermik südlich der Trois Evêchés und dem sagenhaften Endanflug über 80 km.
Flugweg nach Vinon (SeeYou): Dienstag, 18.Juni 2002, Pilot: Simon Leutenegger, Flugzeugtyp: DG-303

Tag 2: Zurück mit der Thermik

Der Morgen vom 19.Juni 2002 in Vinon ist warm, die Thermik verhalten – doch erste Cumulus über dem Plateau von Valensole bringen ab 12:30 Uhr den Durchbruch. Wieder starten Frieder und Simon als Erste. Bereits sechs Minuten später steigen sie mit 2–3 m/s in die Höhe – diesmal führt der Weg durch die Coupe, über den Lucy und das Tête d’Amont, mit 5 m Steigen auf 4000 Meter – zurück zum Aostatal.

Tag 2: die Einstiegskante des Coupe

Im Gegensatz zum Vortag wählen sie nun den direkten Weg ins Wallis. Der Himmel bleibt gut gelaunt, nur über dem Berner Oberland kündigen sich Gewitter an. Am Oberalp wird das Steigen zur Geduldsprobe, aber schließlich reicht es doch für einen sicheren Endanflug.

Auf dem Rückweg über der Schöllenen

Um 18:20 Uhr landen die beiden wieder in Winterthur – reich an Eindrücken, erfüllt von einem Flug, der Hochgebirge und Mittelmeer auf poetische Weise verband.

Im Osten die Gewitter, im Westen die Sonne. Dem Rückflug von Vinon nach Winterthur steht nichts mehr im Wege.

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