Über Wolken und Viren

Ein Segelflieger huscht in 40 Metern Höhe über die „Flugplatzstraße“, wie die Königsdorfer die Zufahrtsstraße zu ihrem Segelflugzentrum fast schon liebevoll nennen, das Fahrwerk ausgefahren, bereit zur Landung. Es herrscht Betrieb an einem der größten Segelflugplätze Bayerns, viel Betrieb. Es fühlt sich an, als ob der ganze Platz einmal tief durchatmen würde nach der Corona-Zwangspause der vergangenen Monate. Viele Piloten nutzen das gute Wetter an diesem sonnigen Nachmittag, am Startplatz an der Ostseite des Flugplatzes stehen mehrere Segelflieger aufgereiht, vor den Hangars werden die Flugzeuge gepflegt und auf den Start vorbereitet.

Der Pressesprecher des Segelflugzentrums, Mathias Schunk, sitzt entspannt vor dem Hangar der Segelfluggruppe Isartal (SGI). „Alles, was wir vor der Corona-Krise dieses Jahr machen konnten, waren Überprüfungsstarts“ – also Flüge, die allein der technischen Überprüfung der Fluggeräte dienen, beziehungsweise Checkflüge mit Fluglehrern. „Viele Piloten sind dieses Jahr noch gar nicht geflogen. Seit zehn Tagen herrscht am Platz jedoch wieder Betrieb,“erklärt Schunk. Was die Corona-Auflagen angeht, zeigt sich der Pressesprecher entspannt. „In Doppelsitzern“, also Segelflugzeugen mit zwei hintereinander liegenden Sitzen, „darf nur mit Mundschutz geflogen werden. Bei der Flugvorbereitung am Boden gilt ansonsten die 1,5 Meter-Regel“. Zu nah dürfen sich auch die Segelflugpiloten nicht kommen. „Es sei denn, sie leben in einem Haushalt. Dann dürfen sie, so wie die zwei hier, auch ohne Mundschutz fliegen“ sagt Schunk mit Blick auf zwei Piloten, die einem gerade gelandeten Flugzeug entsteigen.

War’s das also mit der Saison 2020 für die Königsdorfer Segelflieger? Mitnichten. Schunk weist zwar darauf hin, dass die Auflagen eingehalten werden müssen – „luftrechtlich haben wir jedoch keine Hürden.“ Genau genommen war der Platz in den vergangenen Monaten auch gar nicht gesperrt. „Wir sind kein Sportplatz im herkömmlichen Sinn, sondern eine Verkehrseinrichtung, die anderen rechtlichen Bestimmungen unterliegt. So fanden während der besonders trockenen Phase im April auch Flüge im Auftrag des Landratsamts zur Brandkontrolle statt.“ Jedoch habe der Deutsche Aero Club und der ihm angegliederte Luftsport-Verband Bayern zu Beginn der Krise eine Empfehlung ausgesprochen, den Flugsport einzustellen. „Daran haben wir uns gehalten“.

Jetzt heißt es jedoch Start frei, ab Pfingsten geht es mit der ersten und zweiten Bundesliga sowie der Landesliga weiter – auch für den 21-Jährigen Jakob Edmaier, eines der Nachwuchstalente der SGI. In den vergangenen Jahren holte Edmaier mit seinen Vereinskollegen vier Mal in Folge den deutschen Junioren-Meisterschaftstitel. Aufgrund seiner herausragenden Leistungen wird der Gautinger, der beim Mindelheimer Segelflugzeug-Hersteller Grob eine Ausbildung zum Leichtflugzeugbauer macht, vom Bayerischen Luftsport-Verband dieses Jahr mit einem Leihflugzeug gefördert.

Stolz holt Edmaier seinen LS-8-Segelflieger aus dem Transportanhänger. „Um mit diesem Flugzeug gefördert zu werden, musste ich mich bewerben.“ Nur die besten Junioren des D-Kaders kommen in die glückliche Situation, ein Jahr lang mit einem eigenen Flieger trainieren zu können. „Ich teile mir die LS-8 mit Tom Wetzel von der SFG Werdenfels in Ohlstadt“, sagt Edmaier. Dieser werde jedoch noch auf andere Weise unterstützt, wodurch Edmaier das Flugzeug mit 15 Meter Spannweite ganz für sich hat. „Im Herbst 2019 habe ich die Information bekommen, dass ich 2020 mit der LS-8 unterstützt werde. Als dann Corona kam, dachte ich mir nur – was für ein Mist!“ Ausgerechnet dieses Jahr musste der Gautinger bisher auf seinen Leihflieger, der ihm ein optimales, individuelles Training ermöglicht, verzichten. „Das war schon ein Schlag ins Gesicht“.

Doch jetzt kann es weitergehen bei den Königsdorfer Segelfliegern – vorerst. Wie es mit dem beliebten Flugplatzfest Anfang September aussehen wird, traut sich Mathias Schunk noch gar nicht sagen. Die Segelflieger müssen die Dinge eben nehmen, wie sie kommen. Das sind die Pilotinnen und Piloten, die wie wenig andere Sportler vom Wetter abhängig sind, bereits gewohnt. Quelle: ‚Süddeutsche Zeitung‚.

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