Tilo hebt ab

Michael Meints erfüllt Sechsjährigem nach Tod des Vaters den Traum vom Fliegen. Der Flug ist gebucht. Ende März 2021 geht der Wunsch von Tilo Jehl aus Hemslingen in Erfüllung. Der Sechsjährige hat vor knapp einem Jahr, am 11. Dezember 2019, seinen Vater Benny bei einem Autounfall verloren. Seitdem möchte der Junge fliegen, um seinem Vater noch einmal ganz nah zu sein – doch wegen der Corona-Pandemie platzt die für Oktober geplante Reise nach Mallorca. Für Tilo eine große Enttäuschung. „Für ihn besteht kein Zweifel daran, dass sein Papa da oben im Himmel ist“, erklärt Mutter Ina Jehl, die sich an die Wunschbox-Redaktion der Rundschau gewandt hat.

Etwa 50 Piloten melden sich nach dem Aufruf am vergangenen Wochenende, und Tilo trifft eine Herzensentscheidung für Michael Meints aus Heeslingen. Denn im Sommer 2019 kam dessen Sohn Marek bei einem Unfall ums Leben. „Michael weiß deshalb am besten, wie ich mich fühle, und ich weiß, wie er sich fühlt – niemand sollte so früh einen lieben Menschen verlieren“, findet Tilo, dessen Vater nur 42 Jahre alt geworden ist.
Der Erstklässler und seine Mutter erhalten in den vergangenen Tagen viel Zuspruch, tröstende Worte bei Facebook, per E-Mail, telefonisch, aber auch persönlich. „Es ist für mich ungewohnt, dass mich so viele Menschen ansprechen, und beeindruckend, dass so viele bereit sind, mich mitzunehmen. In der Schule haben mich sogar einige Kinder gefragt, wie man in die Zeitung kommt, und hatten selbst ganz viele Ideen, was sie sich wünschen würden“, berichtet Tilo. Auch ein pädagogischer Mitarbeiter der Schule bietet ihm an, ihn in seinem Segelflugzeug mitzunehmen. Doch da ist die Entscheidung bereits gefallen.

Tilo freut sich riesig auf seinen großen Tag. „Wenn wir da oben sind, dann möchte ich mit Mama und meinem Schnuffeltuch Nils kuscheln und Papa am Himmel suchen. Engel sind zwar unsichtbar, aber vielleicht kann ich ihn spüren“, hofft der Junge. Seine Mutter ist gerührt von der großen Hilfsbereitschaft der Menschen: „Uns bedeutet es wirklich viel, dass so viele Piloten uns ganz selbstverständlich und selbstlos mit in Lüfte nehmen möchten. Ich bin dankbar und sprachlos. Seit Sonntag läuft das Postfach heiß. Ich hatte gedacht, es wäre schon toll, wenn wir überhaupt Antworten bekommen, aber mit 50 tollen Flugangeboten haben wir wirklich nicht gerechnet. Leider konnten wir uns nur für eins entscheiden, aber es gab auch nach der Absage unsererseits noch einige tolle Angebote, die Tilo in Zukunft wahrnehmen kann.“ Der Grundschüler freut sich zudem über ein Geschenk: Ein Paar hat ihm ein knallblaues Sparschwein namens Fritz-Jochen überreicht, das mit Kleingeld gefüllt ist und in sein Kinderzimmer eingezogen ist. „Tilo kann sich damit einen kleinen Extra-Wunsch erfüllen“, freut sich Ina Jehl. Als Michael Meints von Tilos Wunsch erfahren hat, war für den 50-Jährigen sofort klar, dass er helfen möchte: „Zum einem, weil ich selbst Pilot bin, und zum anderen, weil ich mich durch den frühen Unfalltod meines Sohnes ein wenig in die Situation von Tilo hineinversetzen kann.“

Es sei für ihn und seine Ehefrau wichtig, dem Leben weiterhin einen Sinn zu geben, Tilo ein wenig Ablenkung zu ermöglichen, aber auch mit der Trauer aktiv umzugehen sowie scheinbar Unmögliches möglich zu machen. „Mit seinen sechs Jahren hat Tilo sein ganzes Leben noch vor sich und wird sich immer an den Dezember 2019 erinnern, aber hoffentlich auch an den Flug mit mir in den Himmel.“ Meints arbeitet für die in Hannover ansässige HDI Versicherung. Als Ausgleich zur Arbeit dort fliegt er gerne mit seiner Frau zu den Inseln oder nach Dänemark, fährt gerne Motorrad und verbringt dazu noch etwas Zeit auf dem Golfplatz. „Haus und Garten gibt es auch noch, wo es immer etwas zu tun gibt“, sagt Meints. Wie Tilos großer Tag verlaufen soll, hat er sich bereits genau überlegt: „Ich werde mit dem Flugzeug zum Flugplatz nach Rotenburg kommen und Tilo den Flieger zeigen.“ Dort erwartet den Jungen auch Achim Figgen, Geschäftsführer des Flugplatzes: „Wir können uns dann die Start- und Landebahnen anschauen, die eine oder andere Flugzeughalle und natürlich auch den Flugleitungs-Tower, bevor es dann in die Luft geht.“ Meints fliegt mit Tilo, Mutter Ina und Schnuffeltuch Nils über Rotenburg zunächst nach Hemslingen, wo der Junge sein Wohnhaus von oben anschauen kann. Über Bremen hinweg geht es weiter zum dortigen Flughafen, wo Meints eine Landung simulieren möchte, ehe es dann wieder in die Höhe geht. „Die Welt wird dann ganz klein und Tilo ist ganz nah bei seinem Papa“, so Meints. Mit ihm hat Tilo einen erfahrenen Piloten an seiner Seite. Nachdem der Heeslinger 2007 auf dem Flug von Karlshöfen nach Wangerooge mit seinem Piloten ins Gespräch kommt, erwirbt er selbst eine Privatpilotenlizenz. Die Ausbildung schließt er im Mai 2008 erfolgreich ab. Seitdem fliegt er mit Begeisterung und Routine – aber wenn er Ende März mit Tilo abhebt, wird es für beide etwas ganz Besonderes. Quelle: ‚Dennis Bartz in der Rotenburger Rundschau‚.

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