Anlässlich der Schweizer Junioren- und Westschweizer-Segelflugmeisterschaften, die im Jahr 2021 auf dem Flugplatz Bex (LSGB) stattfanden, wurden 5 Schleppflugzeuge eingesetzt, um mit den am Wettbewerb teilnehmenden Segelflugzeugen im Flugzeug-Schlepp zu starten. Das einmotorige Schleppflugzeug des Musters Robin DR 400/180 R, eingetragen als HB-KAW, war mit einer Seilwinde und einem 54 Meter langen, einziehbaren Schleppseil ausgerüstet. Die HB-KAW war auf dem Flugplatz Sion (LSGS) stationiert und wurde am 22. Juli 2021 vom Piloten, der nachfolgend am Unfall beteiligt war, zum Flugplatz Bex überflogen, wo er um 09:44 Uhr auf der Piste 33 landete.
Nachdem der Pilot der HB-KAW an einem Briefing der Wettbewerbsorganisation teilgenommen hatte, startete er um 11:58 Uhr auf der Piste 33 mit einem einsitzigen Segelflugzeug im Schlepp. Es handelte sich dabei um seinen allerersten Flugzeug-Schlepp auf dem Flugplatz Bex. Nach dem Ausklinken des Segelflugzeuges beim Col de Bretaye flog der Pilot der HB-KAW im Sinkflug zurück nach Bex. Das Schleppseil zog er mittels der automatischen Einzugsvorrichtung ein, indem er den entsprechenden Kippschalter auf die Position «EIN (enroulement corde)», sprich «Einwickeln des Seils» stellte. Da das Seil nicht einzufahren schien, was im Cockpit auf einem analogen Anzeigeinstrument aus der Zeigerposition «100% SEIL AUS» ersichtlich war, meldete der Pilot dies auf der Funkfrequenz von Bex. Auf dem Rückspiegel oberhalb der Kabinenhaube war das Schleppseil für ihn nicht sichtbar.

Das Schleppseil war in der Tat noch fast vollständig ausgezogen, was eine im Bereich des Pistenanfangs stehende Person kurz vor der Landung des Schleppflugzeuges erkannte. Kurz danach kam es zur Kollision des Schleppseils mit dem linken Flügelende eines zum Start aufgestellten Segelflugzeuges. Dadurch wurde das Segelflugzeug um rund 100° um die Hochachse gedreht und das linke Winglet abgetrennt. Ein zweites Segelflugzeug wurde dabei leicht beschädigt und eine in der Nähe stehende Person leicht verletzt. Das Schleppseil riss und der Rumpf des Schleppflugzeuges wurde leicht beschädigt.
Analyse und Schlussfolgerungen
Nach dem Ausklinken des Segelflugzeuges betätigte der Pilot des Schleppflugzeuges die Seileinzugswinde. Der Umstand, dass das Schleppseil jedoch nicht eingezogen war, wurde dem Piloten im Cockpit angezeigt, was er auch über Flugfunk meldete. Trotzdem flog er den Endanflug zur Piste 33 nahe vorbei an den zum Start aufgereihten Segelf-Fugzeugen. Er war sich offensichtlich der Gefahr, die von einem am Boden nachgezogenen Schleppseil ausgeht, nicht bewusst.
Die nachfolgenden Überlegungen sollen die Problematik eines Anfluges mit ausgezogenem Schleppseil verdeutlichen. Wird ein Schleppseil einer Länge von 50 m beim Endanflug in einem Winkel von 30° nach unten hinter dem Schleppflugzeug hergezogen, ist das Seilende 25 m tiefer als das Schleppflugzeug. Im vorliegenden Fall flog das Schleppflugzeug nur rund 10 m über Grund an den aufgereihten Segel-Flugzeugen vorbei.
Wollte man ein Hindernis, zum Beispiel aufgereihte Segelflugzeuge, mit einer Sicherheits-Marge von 15 m (50 ft) überfliegen und den Anflug mit einem Winkel von 5° ausführen, so müsste der Zielpunkt (aiming point) auf der Piste 500 m hinter dem Hindernis liegen. Auf dem Flugplatz Bex käme dieser Zielpunkt demnach 200 m vor Pistenende zu liegen. Ein sicheres Überfliegen der aufgereihten Segelflugzeuge wäre aus diesen Gründen kaum möglich gewesen.
Durch Knoten im Schleppseil oder Störungen an der Seileinzugsvorrichtung kommt es immer wieder vor, dass Schleppseile von Seilwinden in Schleppflugzeugen nicht oder nur teilweise eingezogen werden. Alle Beteiligten am Schleppbetrieb, insbesondere die Piloten von Schleppflugzeugen, müssen für einen solchen Fall das für den jeweiligen Flugplatz spezifische Verfahren kennen, das eine sichere Landung ohne Eigen- und Drittgefährdung ermöglicht.
Bei Flugplätzen mit mehreren Pisten, die zudem einen hindernisfreien Anflug ermöglichen,kann auf einer freien Piste so angeflogen werden, dass das Schleppseil-Ende bereits am Pistenanfang zu Boden kommt. Unter den obengenannten Annahmen liegt der aiming point in einem solchen Fall rund 330 m hinter dem Pistenanfang.
Eine Landung mit nicht eingezogenem Schleppseil ist auf einem Flugplatz wie Bex möglich, wenn beispielsweise die Piste geräumt wird, das unmittelbar vor dem Pistenanfang quer zur Anflugrichtung verlaufende Strässchen gesperrt wird und fachkundige Personen als Beobachter dem Schlepppiloten im Anflug mitteilen, ob das Seilende genügend hoch über dem Boden geschleppt wird. Bern, 10. Oktober 2024 Quelle: ‚sust.admin.ch‚.