Hergang
Flugverlauf und Unfallhergang wurden anhand der Aussagen von Augenzeugen sowie des früheren Ausbilders und Freundes des Piloten, des Windenfahrers sowie der Einsatzkräfte, in Verbindung mit den Erhebungen des Landeskriminalamtes Tirol, der Polizeiinspektion Reutte und der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes, wie folgt rekonstruiert: Der Pilot reiste mehrere Tage vor dem Unfall nach Reutte und wohnte auf dem örtlichen Campingplatz in seinem Wohnmobil. Seinen Motorsegler hatte er in einem Transportanhänger mitgebracht. Am 15.08.2023 traf er sich mit seinem früheren Ausbilder und Freund am Flugplatz Reutte-Höfen. Da der Pilot vorher noch nie in Reutte gestartet war, umrundete er zusammen mit seinem Freund zu Fuß den Flugplatz. Da sein Freund bereits mit dem Flugplatz vertraut war, wies er ihn dabei im Hinblick auf die Besonderheiten des Flugplatzes ein. Später an diesem Tag führte der Pilot zudem einen Einweisungsflug mittels Windenstarts auf einem am Flugplatz Reutte-Höfen stationierten Segelflugzeug mit einem ortsansässigen Einweisungspiloten durch. Windenstart und Einweisungsflug verliefen ohne Zwischenfälle.
Am 16.08.2023 absolvierte der Pilot einen etwa dreistündigen Flug mit seinem Motorsegler. Gestartet war er ebenfalls per Windenstart. Für diesen Flug, der ohne besondere Vorkommnisse verlief, rüstete der Pilot das Luftfahrzeug auf und danach wieder ab, um es anschließend im Transportanhänger zu verstauen. Am 18.08.2023 planten der Pilot und sein Freund, jeder mit seinem eigenen Luftfahrzeug, einen längeren Thermikflug ab Reutte. Sie rüsteten dafür gemeinsam die Flugzeuge auf, führten die notwendigen Checks durch und machten eine gemeinsame Flugvorbereitung sowie ein Wetterbriefing.
An der Startstelle waren insgesamt sechs Luftfahrzeuge zum Windenstart aufgestellt. Es wurde darauf gewartet, dass der Wind entsprechend dem lokalen Windsystem auf Nordost dreht. Als die erwartete Drehung des Windes erfolgte, starteten vier Segel-Flugzeuge an der Winde. Der Einstieg in die Thermik erfolgt gewöhnlich über den südlich des Flugplatzes verlaufenden Hang des Schlossbergs. Der Pilot und sein Freund warteten, bis die ersten Segelflugzeuge den Hang verließen, da sie aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zu dem Schluss gekommen waren, dass ein sicheres Kreisen am Hang nur mit bis zu vier Segelflugzeugen gleichzeitig möglich sei.
Nachdem wieder Platz am Hang des Schlossbergs war, startete der Freund des Piloten mit seinem Segelflugzeug am Lech-Seil (dem Fluss Lech zugewandtes Seil). Anschließend machte sich der Pilot zum Start bereit. Das Höfen-Seil (der Ortschaft Höfen zugewandtes Seil) wurde an der Schwerpunktkupplung eingeklinkt. Ein Flughelfer hielt die Tragflächen waagrecht und die Startbereitschaft wurde an den Windenfahrer gemeldet. Durch langsames Anziehen der Winde wurde das Seil gestrafft. Nach der Meldung „Seil straff“ des Piloten begann der Startvorgang.
Das Luftfahrzeug beschleunigte und hob, laut Zeugenaussagen, mit voll gezogenem Höhenruder ab und erreichte dabei einen Steigwinkel von etwa 70°. Während des Anfangsteigfluges gab der Pilot per Sprechfunk das Kommando „schneller“. Laut Windenfahrer befand sich die Winde zu diesem Zeitpunkt noch in der Beschleunigungs-Phase. Das Luftfahrzeug kippte daraufhin in einer Höhe von ca. 30 – 50 m seitlich über die linke Tragfläche ab und schlug unkontrolliert zuerst mit einer Tragfläche und dann mit der Nase am Boden auf. Kurz vor dem Aufprall reduzierte der Windenfahrer die Seilgeschwindigkeit, das Schleppseil verblieb bis zum Aufprall in der Kupplung und klinkte dann aus. Der Pilot erlag sofort seinen durch den Aufprall erlittenen Verletzungen. Das Luftfahrzeug wurde vollständig zerstört.
Zeugen, die selbst Segelflugpiloten sind, berichteten, dass das Luftfahrzeug beim Start zu stark nach oben gerissen wurde. Den Start selbst konnten sie nicht genau sehen. In der Folge sei es zu einem Strömungsabriss gekommen und das Luftfahrzeug sei nach links abgestürzt und seitlich in den Boden eingeschlagen. Eine weitere Zeugin, die angab, dass sie früher selbst Segelflug betrieben habe, erklärte, dass es sich bei dem Start um einen sogenannten „Kavalierstart“ gehandelt habe. Eine andere Zeugin bemerkte den Windenstart, weil das Luftfahrzeug aus ihrem Blickwinkel weiter links als gewöhnlich war. Zudem befand es sich nicht in der üblichen Position, da der linke Flügel nach unten hing. Nach wenigen Sekunden kippte das Luftfahrzeug nach links und schlug auf.
Sicherheitsprobleme
Im Rahmen der Sicherheitsuntersuchung sind Sicherheitsprobleme zu Tage getreten, welche die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes dazu veranlassen, eine Sicherheitsempfehlung herauszugeben. Die Sicherheitsempfehlung wird nach der Konsultation gemäß Art. 16 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 und des Stellungnahmeverfahrens im Sinne des § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Unfalluntersuchungsgesetz – UUG 2005 in der geltenden Fassung, im Untersuchungs-Bericht veröffentlicht. Quelle/vollständiger Zwischenbericht: ‚Sicherheits-Untersuchungsstelle des Bundes‚.