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Wasserfliegen mit der Chaika L-44 in Samara

Auf der Suche nach einem modernen und reisetauglichen Wasserflugzeug ist Thomas Giegerich im entfernten Samara vor einigen Jahren (heute wieder unerreichbar fern) an der Wolga fündig geworden. Eine spannendes Abenteuer mit einer besonderen Maschine beginnt… Manchmal tut man Dinge oder entwickelt Begeisterungen, die man sich selbst nicht so ganz erklären kann. So war dies auch bei mir der Fall, kurz nachdem ich mit meiner Flugausbildung im Flugsportverein Speyer begonnen habe: Irgendwie empfand ich schon in diesem frühen Stadium meiner Fiegereikarriere normale Sportflugzeuge und das hier zu Lande häufig praktizierte „Flugplatzhopsen“ als recht langweilig. Wasserfliegen in weit entfernten, möglichst unwegsamen Gebieten und der damit einhergehende Gedanke an Abenteuer und Freiheit war das, was mich reizte! Also begann ich mich etwas intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen und mir wurde schnell klar, dass gängige Wasserflugzeuge, also beispielsweise eine Cessna 172 oder einer Piper Cub auf Schwimmern, lahme „Krücken“ sind und damit auch recht langweilig: 40 Knoten weniger Speed, dazu – mal abgesehen von der Reichweite – noch ein oder zwei Personen weniger Zuladung im Vergleich zu einer nicht wasserflug-tauglichen Version der gleichen Maschine sind einfach nicht akzeptabel, insbesondere nicht für Reisemaschinen in unwegsame und weit entfernte Regionen wie Norwegen, Schweden, Russland oder auch Kanada. Ich suchte daher nach einer geeigneten Maschine für solche Abenteuer.

Zu meinem Erstaunen wurde mir sehr schnell klar, dass das, was ich suchte nicht zu existieren scheint: Moderne, schnelle Flugboote ohne bremsende Schwimmer, die die Maschine aussehen lassen wie einen fliegenden Backstein, mit ausreichend Platz und Zuladung für ausgedehnte Ausflüge zu viert, und einem zweiten Motor, sinnvoll für weite Strecken über Wasser oder unwegsames Gelände und mit einer Reichweite jenseits der 1000 Meilen. Nach langem Suchen bin ich schließlich auf die Webseite des russischen Herstellers Chaika gestoßen. Wenn man der eher übersichtlichen Beschreibung auf der Herstellerwebseite glauben kann bietet diese Firma mit einer Maschine namens L-44 genau das, was ich suche. Nach vielem Hin und Her per E-Mail-Korrespondenz und trotz scheinbar unüberwindlichen Sprachbarrieren habe
ich es letztendlich geschafft eine Kontaktperson und ein Angebot (in Englisch) für eine L-44 zu bekommen. Der Preis ist überraschend niedrig, gerade einmal die Hälfte einer Piper PA-28. Mein Interesse stieg also weiter… Meine Kontaktperson in Russland ist Dmitry, der Chef von Chaika höchstpersönlich.

Meinen Recherchen zufolge handelte es sich bei der L-44 wohl um ein Design aus den frühen 2000er Jahren, welches auf dem Design der LA-8 von AeroVolga basiert. Die L-44 wurde in geringen Stückzahlen gefertigt (bisher circa 30), und ist ausschließlich in Russland unterwegs ist. Ob eine Zulassung dieser Maschine auch in Deutschland möglich wäre ist schwer zu sagen und hängt von vielen Faktoren ab. Alles Dinge, die sich aus der Ferne leider nicht so einfach klären lassen, v.a. nicht wenn man die sprachlichen Hürden bedenkt und sich auf die wenigen Informationen verlassen muss, die es überwiegend auf Facebook und YouTube gibt. Es wurde mir schnell klar, dass ich mir vor Ort ein Bild über die Maschine machen muss.

Die Firma Chaika hat ihren Sitz in Samara an der Wolga, der sechstgrößten Stadt in Russland und einem industriellen und kulturellen Zentrum der ehemaligen Sowjetunion. Zur Sowjetzeit hieß Samara noch Kuibyschew und war, u.a. aufgrund der Herstellung von russischen Raketen sowie Raketentriebwerken, eine geschlossene Stadt, die für Ausländer nicht oder nur eingeschränkt zugänglich war. Auch heute noch ist Samara ein Zentrum der russischen Raumfahrt, hier werden in zwei Fabriken Raketentriebwerke sowie die Sojus-Raketen gebaut, die meistgeflogene Rakete der Welt. Nach einigen Emails, in denen ich Dmitry meine Besuchsabsicht mitteile und schließlich ein geeigneter Reisezeitraum gefunden ist, ist der Flug schnell gebucht: Es ist zwar keine schöne Verbindung mit 11 Stunden Umsteigezeit in Prag und Ankunft bzw. Abflug um 4 Uhr morgens in Samara, dafür aber unschlagbar günstig. Letzteres war mir zu diesem Zeitpunkt wichtig, da ich die Wahrscheinlichkeit des Nichtstattfindens der Reise als ziemlich hoch einschätzte: Mein noch recht zurückhaltendes Vertrauen in die russische Firma und der Respekt vor den berühmt-berüchtigten russischen Visaformalitäten waren die Hauptgründe hierfür.

Mein Flug von Frankfurt nach Prag geht morgens, um 10 Uhr lande ich in der tschechischen Hauptstadt. Ich entscheide mich gegen eine kurze Stadtbesichtigung – ich habe Prag ohnehin erst vor kurzem besucht – und nutze stattdessen die Wartezeit von gut 11 Stunden für die Vorbereitung meines Besuchs in Russland. Ich lese mir alle Unterlagen und Datenblätter durch, die ich vorab über die L-44 erhalten habe und recherchiere online über Samara und die dortige Luftfahrtindustrie. Mittags und abends habe ich ausführlich Gelegenheit die tschechische Küche und das dortige Bier auf die Probe zu stellen. Zum Glück gibt es am Flughafen ein akzeptables und gemütliches Restaurant. Zwischendurch genieße ich bei strahlendem Sonnenschein das Treiben am Prager Flughafen von der Aussichtsterrasse aus. Ich reise nur mit Handgepäck, v.a. um Zeit beim Umsteigen zu sparen: Auf dem Rückflug werde ich nur eineinhalb Stunden Aufenthalt in Prag haben, bei einer Verspätung des Fliegers wäre der Anschlussflug nach Frankfurt mit aufgegebenem Gepäck kaum zu schaffen. Im Handgepäck habe ich neben typisch deutschen Gastgeschenken wie Jägermeister und Gummibärchen auch einen Schlafsack: Wer weiß wo ich unterkomme, ein Hotel habe ich nicht gebucht. Dmitry meinte vorab das sei nicht nötig, ohne allerdings zu sagen was der Plan für meine drei Nächte in Russland sei. Ich weiß also nicht was mich erwartet und lasse mich überraschen.

Um kurz nach vier Uhr früh am darauffolgenden Morgen landet mein Flieger in Samara Kurumotsch International Airport (KUF), ein Nachtflugverbot scheint es hier nicht zu geben. Ich bin gespannt, ob ich tatsächlich wie versprochen abgeholt werde und wie die Verständigung klappt. Der Flughafen ist nicht sehr groß aber sehr neu und modern. Ich habe eigentlich einen alten Flugplatz aus sowjetischen Zeiten erwartet und bin direkt positiv überrascht. Die Wege hier sind kurz und übersichtlich, lediglich die Passkontrolle, bei der der Grenzbeamte meinen Pass bestimmt 10mal durch den Scanner zieht und anschließend noch ein Formular ausfüllt, kostet Zeit: Ich stehe etwa eine Stunde in der Schlange. Endlich in der Ankunftshalle angekommen, erkenne ich sofort ein Schild mit meinem Namen. Dmitry kenne ich zumindest von den Fotos, die zweite Person – Valentin – habe ich noch nie gesehen. Während wir in Dmitris SUV fahren, zu einem für mich unbekanntem Ziel, stellt sich Valentin in überraschend gutem Englisch vor: Er komme gebürtig aus Samara und habe einige Jahre in Sibirien verbracht, wo sein Vater zu Zeiten des kalten Kriegs Pilot auf der Su-15 und der MiG-17 war. Zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik kam er dann wieder zurück nach Samara, wo er jetzt u.a. in Dmitris Firma als Konstrukteur mit an der L-44 arbeitet. Aufgrund seiner guten Englischkenntnisse ist er für den Webauftritt und die (englischsprachige) Kommunikation zuständig. Nach etwa 45 Minuten kommen wir an einem kleinen Flugplatz etwas außerhalb von Samara an, dem Krasnyj Jar Airfield. Hier stehen einige knallgelbe Hallen, auf denen ich den Schriftzug AeroVolga entziffern kann – hierfür reicht mein Russisch gerade noch. Auf dem Vorfeld stehen neben einem schmalen Taxiway einige Maschinen der großen, achtsitzigen LA-8 von AeroVolga und auch drei Maschinen der L-44.

Von Valentin erfahre ich, dass die L-44 an zwei verschiedenen Standorten gebaut wird, hier in Krasnyj Jar (in Kooperation mit AeroVolga) und in Samara direkt, wo v.a. GFK-Arbeiten durchgeführt werden. Ebenfalls direkt am Flugplatz steht ein rot-weiß gestreiftes Gebäude, welches sich als äußerst großzügiges Gästehaus entpuppt und wo für uns drei Zimmer für den kurzen Rest der Nacht gebucht sind. Wir verabreden uns um 10 Uhr zum Frühstück. Ich bin überrascht von dem großzügigen, zweistöckigen Zimmer. Hier in Samara ist es gerade recht heiß und ich bin froh, dass es eine Klimaanlage gibt. Eigentlich kämpfe ich noch mit den Auswirkungen einer Erkältung, dennoch schalte ich die Klimaanlage ein um gegen die schwülwarme Luft anzukämpfen. Als ich gerade ins Bad gehen will, klopft es an der Tür und Valentin bietet mir eine Thermosflasche mit russischem Tee an. Offensichtlich ist ihm mein Husten aufgefallen. Dankend nehme ich den Tee an und wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über alles Mögliche. Das ist russische Gastfreundschaft!

Nach dem Frühstück zeigt mir Dmitry eine nagelneue L-44 mit Glascockpit von Dynon Avionics. Der Boden und die Ledersitze sind noch mit Folie geschützt, die Maschine ist ganz neu und steht gerade kurz vor der Auslieferung an einen Eigner in Sibirien. Zurzeit wird sie noch eingeflogen. Heute Vormittag werden wir damit fliegen. Dmitry dreht zunächst alleine eine Runde, sozusagen zum Aufwärmen, was mir die Gelegenheit gibt die „Möwe“ (deutsche Übersetzung von „Chaika“) im Tiefflug zu erleben: Sie sieht sehr schnittig und elegant aus! Das Design der L-44 ist absolut durchdacht und zweckmäßig: Man betritt die Maschine über eine ‚Gangway‘ vom Heck aus, der Weg führt mittig durch das große V-Leitwerk und dann durch eine große Luke in den sehr großzügigen Innenraum mit vier manuell verstellbaren und elektrisch beheizten Ledersitzen. Dieses Design erlaubt sowohl von Land als auch vom Wasser einen einfachen und trockenen Zugang. Überall an der Außenhülle befinden sich Kanten und Trittstufen, die es erlauben alle wichtigen Außenbereiche des Fliegers sowohl von Land als auch im Wasser einfach zu erreichen. Eine gläserne Dachluke über dem Pilotensitz sorgt nicht nur für gute Sicht nach oben und einen hellen Innenraum, sie erlaubt auch einen einfachen Zugang zu den Motoren vom Wasser aus.

Ich nehme auf der Seite des Copiloten Platz und fühle mich sofort wohl, obwohl mir die vielen, ausschließlich kyrillisch beschrifteten Schalter und Knöpfe wenig sagen. Auffällig ist die Steuerung der Standheizung von Webasto, die mir sofort bekannt vorkommt. Valentin ergänzt hierzu, dass diese für den Einsatz in Sibirien eine notwendige Ausstattung sei und auch die Sitzheizungen kein Luxus seien. Dmitry startet die beiden Maschinen und rollt in Richtung Runway. Die beiden Rotax 914er Triebwerke springen sofort an und verhalten sich unspektakulär, genauso wie man es von Rotax erwartet. Jetzt noch schnell die Checkliste abarbeiten, die beiden elektronischen Propellerregler von MT Propeller auf „Start“ und dann die ergonomisch perfekt platzierten Gashebel auf den Tisch und los geht’s. Beim Start fällt sofort auf, dass man doch deutlich ins Seitenruder treten muss um die Richtung zu halten. Ansonsten verläuft der Startlauf unspektakulär, nach nicht ganz 300 Meter sind wir in der Luft und setzen Kurs in Richtung Wolga.

Wir folgen dem Fluss Sok für circa 10 Minuten in westlicher Richtung, bis wir schließlich die mächtige Wolga erreichen. Dabei überfliegen wir eine bilderbuchähnliche Landschaft aus Deltas und kleinen Ortschaften, nie höher als 100 Meter über Grund – darüber würden wir in den Luftraum des Samara Kurumotsch International Airports kommen, erklärt mir Dmitry. Mit den beiden Gashebeln in der 60%-Position zeigt der Fahrtenmesser 180 km/h an, nicht schlecht für ein Flugboot mit halb vollen Tanks und drei Personen an Bord! Für einige Minuten folgen wir der Wolga, vorbei an Samara mit einem kilometerlangen Sandstrand Hier gibt es keine Brücken, der gesamte Bereich auf der westlichen Seite der Wolga gegenüber von Samara sei Schutzgebiet, erklärt mir Valentin. Hier betreiben die Bewohner der Stadt Wassersport oder entspannen in einer der unzähligen kleinen Hütten, die dicht aneinander gereiht das Ufer säumen. Natürlich gibt es auch unberührte Seitenarme, so wie den, den wir für die Landung ausgesucht haben.

So eine Landung auf dem Wasser ist schon sehr ungewohnt: Die Perspektive, die sich den Piloten beim Anflug bietet versuchen Landflieger eigentlich unbedingt zu vermeiden. Irgendwann spüre ich die leichten Schläge der kleinen Wellen der Wolga an den Bootsrumpf, die immer stärker und schneller werden, bis der Rumpf schließlich auf den Wellen gleitet. Bei einer Aufsetzgeschwindigkeit von knapp 60 km/h springt die L-44 dabei naturgemäß etwas über die Wellen, was für den Sportbootfahrer völlig normal ist, für einen Landflieger jedoch erst einmal zu einer Schrecksekunde führt: Normalerweise entgeht man so einem Zustand auf der Piste mit sofortigem Durchstarten. In diesem Fall allerdings hilft ein beherzter Zug am Steuerhorn und die L-44 legt sich gutmütig ins Wasser und bleibt aufgrund des hohen Widerstands auch recht zügig stehen. Durch asymmetrischen Schub und geschicktes Ausschalten der Triebwerke – in der richtigen Reihenfolge und zum richtigen Zeitpunkt – schafft
es Dmitry die Maschine genau mit dem Heck voraus vor einer Sandbank zum Stehen zu bringen. Jetzt nur noch die Einstiegsluke auf und ein paar kräftige Schläge mit dem Paddel, welches in einer eigens dafür vorgesehenen Halterung hinten im Flieger auf den Einsatz wartet, und schon kann man trockenen Fußes die Gangway entlang – wischen dem V-Leitwerk durch – an Land gehen. Die Griffe am Heck erlauben es die Maschine mit wenig Kraftaufwand an Land zu ziehen. Einige Meter neben uns badet eine Mutter mit Kind, wieder einige Meter weiter entfernt liegt ein Ausflugsdampfer vor Anker, aber niemand scheint sich wirklich für uns zu interessieren. Das ist erstaunlich, ist die zivile Luftfahrt in Russland doch noch eher ungewöhnlich: In dem gesamten Land mit circa 140 Millionen Einwohnern gibt es nur etwa 3000 Privatpiloten und sehr wenige Flugplätze, die meisten im Umkreis von Moskau. Da ist es gut, dass die L-44 nicht auf befestigte Flugplätze angewiesen ist: Solange die Wellen nicht höher als circa 0,4 Meter sind reichen 300 Meter Wasserfläche für Start und Landung aus.

Dank der Konstruktion als Spornradflieger und der Möglichkeit auch große Ballonreifen aufzuziehen, steht einem Betrieb von unbefestigten Buschpisten nichts im Wege. Für den harten Einsatz im nördlichen Russland oder in Sibirien ist das natürlich ein großer Vorteil. Für den Betrieb von befestigten Runways allerdings sollte man eher verkleidete Reifen wählen: Eine Radverkleidung bringt nochmal 5 km/h mehr Speed bzw. eine entsprechend höhere Reichweite. Für uns steht jetzt erst einmal Baden in der warmen Wolga auf dem Programm, das Wetter heute ist perfekt: Strahlender Sonnenschein und mit 25 °C nicht zu heiß. Ich habe gerade zwar keine Badesachen an, aber das haben Dmitry und Valentin auch nicht: Einfach das T-Shirt und die kurze Hose aus und rein in das gut 20 °C warme Wasser. So einfach und unproblematisch kann Wasserfliegen hier sein! Nach einer guten Stunde baden und Flieger begutachten, meist von der Wasserperspektive aus, geht es schließlich zurück. Auch hier wieder ein einmaliges Erlebnis: Mit tropfnassen Boxershorts auf den nagelneuen Ledersitzen und barfuß in den Rudern treten wir den Rückflug an. Alles kein Problem; eigentlich bin ich sogar überrascht wie viel Gefühl man dadurch für das Seitenruder hat. Bei 40% Leistung kann man mit der L-44 wunderbar über das Wasser gleiten, wie in einem Sportboot. Da der Flieger keine Wasserruder hat, muss mit asymmetrischem Schub und vollen Seitenruderausschlägen gesteuert werden. Dies klappt erstaunlich gut, der Flieger lässt sich sehr agil auf dem Wasser bewegen. Will man starten, reicht es aus die Gashebel in die Take-Off-Position zu bringen und leicht zu ziehen, nach wenigen Sekunden ist man aus dem Wasser und steigt mit 5 bis 7 m/s, je nach Beladung, gen Himmel.

Wir fliegen zurück nach Krasnyj Jar und beenden unseren Flug für eine zweistündige Mittagspause. Mein Blick fällt auf die Tankanzeige: Hier hat sich nicht viel getan. Jeder der beiden Flächentanks fasst 250 Liter, ausreichend für etwa 2000 km oder zwölf Stunden Flugzeit. Bei unserem kurzen Hüpfer hat sich die Nadel der Anzeige kaum bewegt. Nach der Mittagspause wartet noch eine zweite L-44 in Krasnyj Jar auf uns, die heute auch noch geflogen werden möchte. Das zweite Flugzeug ist seit fast 10 Jahren in Dmitris Besitz und dient als Vorführmaschine. Besonders markant ist dabei die unverwechselbare Lackierung: Sie sieht aus wie ein großer Haifisch (mit erschreckend echt aussehenden Zähnen), an dessen Seite zwei fliegende Fische aus dem Wasser springen (die beiden Stützschwimmer). Dazu kommen noch zwei Delphine (die beiden Triebwerksgondeln), die über die Tragflächen zu springen scheinen. In der Mittagspause wurde der Haifisch allerdings erst einmal gezähmt: Der rechte Reifen war platt und musste gewechselt werden. Bei dem Anheben des Hecks sieht es aus als ob der Hai ins Gras beißt, eine seltene und auch etwas komische Perspektive.

Am Nachmittag folgen wir wieder dem Fluss Sok bis an die Wolga. Inzwischen kenne ich den Weg, Dmitry lässt mich das Steuer übernehmen. Ich bin überrascht, wie einfach und präzise sich die Maschine doch fliegen lässt. Lediglich die etwas höheren Seitenruderdrücke fallen mir auf, die sich aufgrund der fehlenden Seitenrudertrimmung nicht wegtrimmen lassen. In unserer Maschine ist lediglich eine Höhenrudertrimmung verbaut, die sich ganz klassisch vom Steuerhorn auf der Pilotenseite aus bedienen lässt. Aber auf Anfrage erklärt mit Valentin, dass die L-44 nach Kundenwunsch gebaut werde und im Prinzip alles machbar sei, sogar der Einbau einer Klimaanlage. Damit wird mir klar, dass es sich bei dieser Maschine um ein russisches Experimental handelt und es nicht so einfach sein wird, dies in Deutschland zugelassen zu bekommen. Das erklärt auch, warum es in dieser Maschine ein Overhead-Panel gibt, von dem aus sich die elektrische Anlage steuern lässt. Unsere Maschine heute früh hatte das
nicht. Schade eigentlich, hiermit kommt echtes Airliner-Feeling auf. Überhaupt ist unser fliegender Haifisch innen eher klassisch: Runde, chromumfasste Analoginstrumente in einem Instrumentenpanel in Carbon-Optik sehen sehr schick aus – das Ganze wird noch unterstrichen durch eine hochwertige Verkleidung des Innenraums und der Sitze mit braunem Leder, alles perfekt verarbeitet. Wir suchen uns wieder einen ruhigen Seitenarm der Wolga, mit einem einsamen Sandstrand, und landen. Wie auch heute Morgen manövriert Dmitry die Maschine gekonnt und unproblematisch an den Strand. Dort angekommen wird erst einmal ausgeladen: Klapptisch, Stühle, Grill, ein Sack Holzkohle und mehrere Tüten mit Grillgut. Ich bin völlig überrascht, mir ist gar nicht aufgefallen, dass wir all dies an Bord hatten. Aber im hinteren Teil des Rumpfs, unter der Gangway in Richtung V-Leitwerk, ist massig Stauraum. Nach einer guten Stunde ist unser gegrilltes Fleisch fertig und wir können Essen. Dazu gibt es wie üblich aufgeschnittene, frische Tomaten und Gurken sowie Frühlingszwiebeln, die in Salz eingetaucht direkt gegessen werden – etwas gewöhnungsbedürftig für einen Ausländer.

Nach dem Abendessen herrscht Aufbruchstimmung und ich denke es gehe schon zurück. Ein Irrtum: Valentin meint ich solle mich auf den linken Platz setzen, Dmitry zeige mir jetzt wie man die Maschine fliegt und auf dem Wasser landet. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen! Ich steige ein und los geht‘s – ein unglaubliches Gefühl! Ich darf insgesamt 8 Touch-&-Go‘s fliegen und freue mich wie gut ich das doch hinbekomme. Lediglich das oben erwähnte Ziehen am Steuerhorn sobald die Maschine anfängt zu springen ist etwas ungewohnt sowie das Einschätzen der Höhe, insbesondere bei einem Anflug auf spiegelglattem Wasser, wo man wenn man nach unten schaut nur den Himmel sieht. Ein leichter Wellengang ist daher fürs Wasserfliegen stets von Vorteil. Nach getaner Übung meint Dmitry ich sei ein sehr guter Pilot und könne vielleicht schon nach einer Woche die Maschine alleine fliegen… War das ein Kompliment oder vernichtende Kritik? Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal. Ich bin glücklich und überwältigt von dem Gefühl mit so einem Flieger anscheinend wahllos auf der Wolga fliegen zu dürfen – es wird bestimmt noch ein paar Tage dauern, bis ich diese Eindrücke verarbeitet habe Nachdem wir Valentin von der Grillstelle abgeholt haben geht es wieder zurück nach Krasnyj Jar. Wir fliegen an Samara vorbei und ich kann die vielen hundert Menschen erkennen, die den Strand bevölkern und überall Beachvolleyball spielen. Im Hintergrund sieht man einige Sehenswürdigkeiten der Stadt, beispielsweise eine scheinbar startbereite Sojus-Rakete mit dazugehörigem Museum, die „Beerfactory“, ein deutsches Brauhaus welches hier vor etwa 200 Jahren errichtet wurde und einige Kirchen mit goldenem Dach. Und – unübersehbar auf dem Berg hoch über der Stadt – ein riesiges Fußballstadium. Valentin erklärt mir, dass die Weltmeisterschaft 2018 hier stattfinden wird, daher wird gerade das Stadium gebaut und der Flughafen neu errichtet. Eigentlich wird gerade die ganze Stadt neu gebaut bzw. renoviert, was mir am nächsten Tag bei der Stadtbesichtigung sehr deutlich wird. Optisch sei alles top, meint Valentin, nur an der Qualität der verbauten Materialien habe er so seine Zweifel… Wir landen gegen Abend in Krasnyj Jar, es dämmert schon und der Sonnenuntergang taucht den Flugplatz in ein mystisches Licht. Ich lege mich ins Gras und genieße den Sonnenuntergang als Ausklang eines Tages, der nicht hätte besser sein können. Wir verabreden uns wieder für 10 Uhr am nächsten Morgen. Mal sehen, was der kommende Tag bringen mag, ich lasse mich jedenfalls überraschen…

Der nächste Tag verläuft weniger ereignisreich, wenngleich nicht weniger interessant. Dmitry holt mich am Flugplatz ab und wir fahren in die Stadt. In den eineinhalb Stunden, in denen wir durch die Stadt fahren bekomme ich einen Eindruck über die Lebensweise hier: Man wohnt fast ausschließlich in mehrstöckigen Wohnhäusern, viele alt und heruntergekommen, aber mindestens genauso viele frisch renoviert und farbenfroh angestrichen. Wir treffen Valentin an einem Café, wo wir erst einmal zusammen frühstücken. Es gibt Borschtsch, eine typisch russische Rote-Beete-Suppe mit Sahne. Dazu bestellt Dmitry Hefeteigbrötchen und eine Art Frühlingsrolle mit Fleischfüllung. Alles sehr lecker und gewohnt deftig. Anschließend hat Dmitry andere Verpflichtungen, er überlässt Valentin die Stadtführung und wir verabreden uns wieder für den Abend in der Kneipe seines Freundes, in der eine Geburtstagsparty stattfindet, zu der ich auch eingeladen bin. Samara ist wirklich eine sehr schöne Stadt! Und bei all dem historischen Hintergrund und den kulturellen Vorzügen darf vor allem eins nicht vergessen werden: Samara ist bekannt für die Stadt mit den schönsten Frauen in Russland. Valentin – selbst verheiratet und Vater eines sechsjährigen Sohns – lässt keine Gelegenheit aus, mir dies zu zeigen. Meine Highlights von Samara sind insbesondere ihr kilometerlanger Strand, an dem sich gefühlt das ganze Leben der Einwohner dieser Millionenstadt abzuspielen scheint, die schönen historischen Gebäude und Kirchen, sowie die bereits erwähnte „Beerfactory“.

Diese bietet ihre Produkte sowohl in einer Kneipe, als auch an Schaltern direkt an der Straße an, ähnlich des Kartenschalters eine Zirkuswagens. Hauptkunden sind v.a. die Studenten der nahegelegenen Universitäten oder die Einheimischen, die sich hier einfach eine Plastikflasche voll Bier abfüllen lassen. Praktischerweise gibt es gleich nebenan einen Fischstand, an dem es geräucherten Fisch als Beilage zu kaufen gibt. Für alle die Meeresfrüchte mögen gibt es hier auch frische Krabben aus riesigen Eimern, die hier zum Bier vernascht werden wie anderswo Kartoffelchips. Am späten Nachmittag bringt mich Valentin zu Dmitry, wir treffen uns an der Kneipe – der Gellert Bar – an der die Geburtstagsparty von Dmitris Freund bereits in vollem Gange ist. Da dort eigenes Bier in allen Variationen hergestellt wird, ist meine Meinung als Deutscher natürlich sehr gefragt. Und ich muss zugeben, dass das hier gebraute Bier unseren deutschen Bieren in nichts nachsteht! Wir haben einige Stunden dort verbracht und ich war überrascht, wie freundlich und offen ich von allen Anwesenden aufgenommen wurde: Ich habe viele interessante Gespräche geführt und einige neue Facebook-Freunde gewonnen.

Nicht allzu spät mussten wir weiter, Dmitry lädt mich ein den verbleibenden, kurzen Abend (bereits um 3 Uhr muss ich am Flughafen sein) in seiner Jagdhütte zu verbringen. Diese ist nur 10 Minuten vom Flughafen von Samara entfernt und damit ein guter Ausgangspunkt für die Rückreise. Das Taxi, welches nicht als solches zu erkennen ist und mit einer Handy-App als Taximeter arbeitet, fährt etwa eine Stunde bis zu Dmitris Hütte. Ich hatte schon fast Zweifel ob wir ankommen werden, da gerade das letzte Stück unserer Fahrt durch Wälder und unbefestigte Straßen mit meterhohem Bewuchs führte. Aber hier auf dem Land scheint das normal zu sein. Zu meiner Überraschung tauchten aus dem Nichts plötzlich große Villen und recht schick aussehende Hütten auf, mitten im Nirgendwo und direkt an der Wolga gelegen. Von irgendwoher ist Musik zu hören, offensichtlich findet in der Nähe eine größere Party statt. In der Hütte erwartet mich Dmitris Frau und sein jüngster Sohn, etwa sechs Jahre alt. Ohne dass wir uns auch nur mit einem Wort verständigen könnten verstehen wir uns sofort und spielen so lange bis er ins Bett muss. Das ist Völkerverständigung schon von Kindesbeinen an! An der Wand steht Dmitris Schlagzeug, mit dem er hier mit Freunden Musik macht, gleich daneben hängt ein Bärenfell, ein Mitbringsel eines Jagdurlaubs aus Sibirien, wie er mir erklärt. Im selben Raum hängen auch Bilder der L-44, die ich heute schon fast wieder vergessen hätte. Als verspätetes Abendessen gibt es Blini (russische Pfannkuchen) mit süßer Himbeersoße und dazu Schnaps. Dmitry lässt mir die Wahl zwischen Jägermeister und Wodka. Ich entscheide mich für Jägermeister. Eine Stunde später geht es ins Bett, mein Wecker klingelt nur drei Stunden später wieder.

Der Rest der Reise verläuft unspektakulär: Ein Taxi bringt mich zum nahegelegenen Flughafen. Mein Rückflug nach Prag hat leider Verspätung, was mich aufgrund der kurzen Umsteigezeit etwas nervös macht. Letztendlich klappt es doch und ich kann in Prag von meinem Flieger aus Samara direkt in den Flieger nach Frankfurt umsteigen. Nach etwa 40 Minuten auf dem Boden bin ich schon wieder in der Luft. Pünktlich um 9 Uhr, nur drei Tage nach meiner Abreise, bin ich wieder in Frankfurt gelandet. Es hat tatsächlich alles perfekt geklappt und ich bin um einige Erfahrungen reicher: Dieser Trip nach Russland war mein erster überhaupt und ich bin wirklich froh ihn gemacht zu haben. Nicht nur des Fliegers wegen, ich sehe jetzt das Land und seine Leute auch mit anderen Augen. Ich habe mich zu keiner Zeit unsicher gefühlt. Im Gegenteil, hier hatte ich sogar ein deutlich sichereres Gefühl als kurz zuvor in den USA. Bleibt zum Abschluss die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Mit Dmitry und Valentin habe ich natürlich eine lange To-Do-Liste ausgearbeitet, die es jetzt abzuarbeiten gilt. Darauf stehen nicht nur das Klären von Fragen hinsichtlich Zulassung und Lizenzen, sondern auch das Finden potentieller Interessenten, die sich vorstellen könnten so eine Maschine nach Deutschland zu holen und hier zu fliegen. Der wahrscheinlichste Weg für ein solches Unterfangen wäre über eine Eigner- oder Vereinsgemeinschaft, realisierbar mit Hilfe der Oskar-Ursinus-Vereinigung und eines von Chaika bereitgestellten Selbstbausatzes von 51%. Interessenten, die sich eine solche Beteiligung vorstellen könnten, dürfen sich gerne bei dem Autor dieses Artikels melden (giegerich.thomas[a]gmail.com). Chaika selbst arbeitet übrigens schon an dem Nachfolger der L-44, der L-45, mit modernen 915er-Einspritzmotoren von Rotax. Quelle: ‚Thomas Giegerich / Flugsportverein Speyer‚.

Quest Kodiak in Grenchen zu Gast

An Pfingsten landete ein Flugzeug in Grenchen, das man in der Schweiz selten bis nie sieht: Ein Wasserflugzeug machte einen Zwischenstopp. Das Pfingstwochenende spielte wettertechnisch verrückt: Da die Alpen wegen des schlechten Wetters nicht passierbar waren, musste das Team rund um den Organisator Daniel Boden mit ihrem Wasserflugzeug der Sorte Quest Kodiak auf dem Flughafen Grenchen einen Zwischenstopp einschalten. Christian Weidner arbeitet bei der Firma «Scandinavian Seaplanes», Norwegen. Er ist erfahrener Pilot, Ausbilder und Prüfer. Er hat seine Leidenschaft für die Luftfahrt in Verbindung mit der Liebe zur Natur gefunden. Begeistert erzählt er: «Der Flughafen Grenchen ist ein absoluter Vorzeige Flughafen, schon allein wegen der guten Öffnungszeiten. Wir sind ganz begeistert!»

Wasserfliegen – Inbegriff fliegerischer Freiheit
Von Grenchen aus konnte es dann bei guten Wetterbedingungen endlich losgehen. Das spezielle Flugzeug war auf dem Weg vom deutschen Mönchengladbach an den Comersee in Italien zur Pilotenausbildung − Wasserfliegen ist ein Inbegriff für fliegerische Freiheit. «Wir bieten ab Herbst 2021 auch einen Limousinen-Wasserflugservice an, mit dem wir die Kundschaft direkt auf dem Comersee, natürlich auch auf anderen Gewässern abholen können. Man kann mit dem Wasserflieger sogar rückwärts einparkieren», so Weidner.

Der Limousinenservice im Wasserflugzeug ab Herbst 2021 ist sogar auch ab Grenchen möglich (nur bei schönem Wetter). Solche kommerzielle Wasserflugzeug-Operationen sind selten in Europa im Vergleich zu Kanada oder Alaska, wo diese schnelle und komfortable Art des Transports zu einer normalen Lebensweise gehört. Auf Schweizer Seen hingegen sind Wasserflugzeuge nicht erlaubt. Quelle: ‚Grenchner Tagblatt‚.

Wasserflug-Romantik in Weggis

Erstes Fly-in der Seaplane-Vereinigung beim Rosenfest.

Am Wochenende fand zum ersten Mal im Rahmen des Rosenfestes in Weggis auch ein  Fly-In der schweizerischen Wasserfliegervereinigung vor der Uferpromenade statt

Text und Bilder: Jürgen Schelling, Freiburg i.Breisgau

In Weggis sind startende und landende Wasserflugzeuge eine echte Premiere. Denn zum ersten Mal findet ein Fly-in der Seaplane Pilots Association Switzerland, kurz SPAS, an dieser Stelle statt. Hier am See ist zudem erstaunlicherweise wie beim Start von einem Flugplatz Funkkontakt mit einem Tower möglich. Dieser temporäre “Tower” besteht allerdings aus einem Zelt an der Uferpromenade von Weggis. Dort sitzen mehrere Piloten der SPAS. Die haben alle aktuellen Wetter- und Luftfahrtinformationen rings um den See verfügbar. Sie stehen mit den Piloten der Wasserflugzeuge in Funkverbindung und versorgen diese mit notwendigen Informationen.

Der See wird zum Flugfeld

Jeder Flug geschieht hier auf dem Vierwaldstättersee in Eigenverantwortung des Piloten. Er entscheidet, in welche Richtung er startet und ob Wellengang, Wind oder Schiffsverkehr so akzeptabel sind, dass er gefahrlos abheben kann. Dafür heisst es im Gegenzug auf dem See besonders vorsichtig zu sein. Denn an einem Flugplatz kommt dem Wasserflugzeug nie anderer Verkehr entgegen und es überholt auch keiner. Wetter, Sicht und Wellengang sind am ersten Tag des Treffens in Weggis aber absolut perfekt. Manch ein Passagier nützt die seltene Chance, zum Selbstkostenpreis vor der Uferpromenade einmal im Wasserflugzeug abzuheben und die Region von oben zu bestaunen.

Die Super Cub’s sind die Stars

Drei der fünf in Weggis teilnehmenden Flugzeuge des SPAS-Treffens sind vom Typ Super Cub des US-amerikanischen Herstellers Piper. Dieser Klassiker ist ein sogenanntes Buschflugzeug, das kurzstartfähig, robust und einfach zu fliegen ist. Die gutmütigen Flugeigenschaften machen die bereits seit Ende der 1940erjahre gebaute Piper Cub nach einem Umbau auf Schwimmer auch zum idealen Trainingsgerät für den Wasserflug. Zudem wurden mehr als 30.000 Exemplare über einen Zeitraum von fast sechs Jahrzehnten produziert, Ersatzteile und Zubehör also problemlos zu finden. Zwei weitere Flugzeuge sind vom Typ Savannah S des italienischen Herstellers ICP. Bei ihnen sitzen der Pilot und sein Passagier nebeneinander. Die Savannah S treibt ein 100 PS starker Rotax-Vierzylinder an. Alle Flugzeuge nutzen sogenannte Amphibienschwimmer. Bei ihnen lässt sich zusätzlich ein Radfahrwerk ausfahren, so dass die Maschinen sowohl auf Wasser als auch auf Asphalt- oder Graspisten starten und landen können. Zum Tanken geht es daher immer an einen der Flugplätze rings um den Vierwaldstättersee.

Wie aber läuft ein derartiger Wasserflug ab? Ist das Flugzeug ebenso wie seine Crew in der Mitte des Vierwaldstättersee startklar und die vorgesehene Abhebefläche hindernisfrei, werden die Landeklappen auf die erste Stufe ausgefahren. Dadurch bekommt die Maschine rascher Auftrieb. Jetzt gibt der Pilot Vollgas. Die Piper Cub wird nun immer schneller und geht nach wenigen Sekunden “auf Stufe”: Das bedeutet, dass sie wie ein Tragflächenboot übers Wasser gleitet. Kurz darauf hebt sie durch leichtes Ziehen am Steuerknüppel bei etwa 80 bis 90 km/h ab. Die Maschine ist nun in der Luft. Im Steigflug beschleunigt sie auf etwa 130 km/h. Kurz bevor diese Geschwindigkeit erreicht ist werden die Landeklappen wieder eingezogen.

Ist die ‘Landepiste’ auch frei?

Nach dem Rundflug über Weggis und die Region rings um Luzern heisst es irgendwann wieder aufsetzen. Die Geschwindigkeit der Piper wird deshalb auf etwa 110 km/h reduziert, die Landeklappen auf die erste Stufe ausgefahren. Jetzt visiert der Pilot die vorgesehene Fläche auf dem Vierwaldstättersee an, ob dort keine Gegenstände schwimmen und keine anderen Boote kreuzen. Die Landeklappen werden nun auf die zweite Stufe abgesenkt und dann mit etwa 90 km/h in möglichst flachem Winkel aufgesetzt. Nach dem Kontakt mit der Seeoberfläche zieht der Pilot den Steuerknüppel gefühlvoll nach hinten. So wird ein gefährliches Unterschneiden der Schwimmer vermieden, gleichzeitig bremst die Piper auf diese Art im Wasser. Sobald die Maschine nur noch etwa 10 km/h schnell ist, senkt der Pilot die Ruder an den Schwimmern wieder ins Wasser ab. Nun kann er wie ein Boot zurück an den Steg in Weggis oder eine Boje zum Anlegen manövrieren.

Vor 90 Jahren: Linienflüge vom Mythenquai nach Interlaken

Obwohl Wasserflug in der Schweiz eine lange Tradition besitzt, ist er dennoch stark eingeschränkt. So existierten vor 93 Jahren sogar eigene Wasserflugverbindungen. Konstrukteur und Pilot Alfred Comte betrieb etwa von Juni 1926 an eine Linienflugverbindung vom Strandbad Mythenquai in Zürich nach Interlaken, die aber mangels Erfolg im gleichen Jahr schon wieder eingestellt wurde. Seit den 1950er Jahren ist Wasserfliegen in der Schweiz ausser mit der Sondererlaubnis einer Maschine für den oberen Zürichsee beim Flugplatz Wangen-Lachen nicht mehr möglich. Lediglich an wenigen Veranstaltungen im Jahr dürfen die SPAS-Mitglieder an unterschiedlichen Seen auf Wasser starten oder landen. Zuvor muss das Bundesamt für Zivilluftfahrt BaZL zustimmen und auch die jeweilige Kantonsregierung ihr Okay zur Veranstaltung geben. Alle SPAS-Teilnehmer haben zu ihrer normalen Pilotenlizenz natürlich auch eine Wasserflugberechtigung erworben, das sogenannte Seaplane-Rating.

Wegen Gewittersturms einen Tag kürzer

Beim Event in Weggis sind die Wasserflieger jedenfalls als Publikums-Attraktion  willkommen. Die Piloten beachten zudem einige Auflagen: So dürfen an jedem der Veranstaltungstage nur maximal 60 Wasserstarts und Landungen absolviert werden. Eine Mittagspause zwischen 12 und 13.30 Uhr wird strikt eingehalten. Nach 19 Uhr geht ebenfalls keine Maschine mehr in die Luft. Die fünf beteiligten Flugzeuge sind zudem keine Umweltverpester. Eine Piper Cub braucht lediglich knapp 30 Liter Flugbenzin vom Typ Avgas in der Stunde. Die beiden Ecolight vom Typ Savannah S mit ihren Rotax-Triebwerken benötigen sogar nur etwa 15 Liter normales Autobenzin in der Stunde. Auch wenn ein heftiger Sturm mit Orkanböen in Luzern das eigentlich dreitägige Wasserflieger-Fly-in um einen Tag verkürzte, war es ein Erfolg für die SPAS und zahlreiche Zuschauer in und um Weggis.