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Nach dem Boom: Weniger Privatflüge am Flughafen Sylt

Während der Corona-Zeit kamen soviele Privatflieger wie nie zuvor auf die Ferieninsel. Das NDR Datenteam hat die Sylter Flugdaten der vergangenen zwei Jahrzehnte ausgewertet. Was kommt nach dem Boom?

Der Sylter Flughafen ist klein und schnörkellos, mit sechs Check-in-Schaltern und drei Gates; Duty-Free-Geschäfte oder Boutiquen gibt es hier nicht. Das Team ist eingespielt und ab und zu kommt die Inselschäferin mit ihrer Herde vorbei. Hier starten und landen Flugzeuge fast aller Art und Größe: Von der kleinen Propellermaschine, die die Fallschirmspringer nach oben bringt, über den A320 von Eurowings, der Sylt mit Düsseldorf verbindet, bis hin zum Privatjet aus Rostock oder Bayern oder auch mal aus Miami.

Die Sylter Privatflüge stehen immer wieder im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Sie sind für den Inselflughafen prägend: 59 Prozent aller Starts im Jahr 2024 waren Privatflüge, zeigen die Zahlen von eurocontrol – deutschlandweit sind es weniger als neun Prozent. Privatflüge sind besonders teuer und besonders umweltschädlich – für Klimaaktivisten repräsentieren sie den übergroßen Anteil reicher Menschen am Klimawandel. Mehrfach wurde der Flughafen Sylt in den vergangenen Jahren so zum Ziel von Protestaktionen. Erst vor wenigen Wochen wurden Aktivisten, die einen Privatjet mit Farbe besprüht hatten, zu Haft- und Geldstrafen verurteilt.

Eine Auswertung von NDR Data zeigt nun erstmals, wie sich diese Flüge in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt haben. Eine Analyse von Tausenden Flugbewegungen im vergangenen Jahr macht deutlich: Die meisten Flüge von und nach Sylt sind Inlandsflüge und Kurzstrecken. Die Privatflüge machen mindestens ein Drittel der Flugemissionen aus. Schon 2005 gehörten die meisten Flüge ab Sylt zum Markt-Segment “Business Aviation” – so heißen in der Branchensprache zivile, nicht planmäßige Flüge, oder vereinfacht: Privatflüge. In den Jahren seit 2013 stieg ihre Zahl kontinuierlich bis zu einem Höhepunkt im Jahr 2022: Von 988 Abflügen im Jahr 2013 haben sie sich auf 1’920 im Jahr 2022 fast verdoppelt. Selbst 2020, als der Flugverkehr wegen der Corona-Pandemie überall einbrach, stiegen diese weiter an.

Klientel mit Möglichkeiten

“Aufgrund der Insellage hoch im Norden und trotz unseres starken Liniennetzes ist Sylt aber nicht für alle per Bahn, Auto oder Direktverbindung gut zu erreichen“, sagt Flughafenchef Stephan Haake. „Außerdem spricht Sylt mit seinen hochwertigen Hotels und Restaurants eine Klientel an, die mehr Möglichkeiten hat“. Beispielsweise, die Möglichkeit, Privatflüge zu bezahlen. Daher sei der Anteil der Privatflüge auf der Insel traditionell hoch. Während des Lockdowns sei Sylt wegen der Landschaft und der Nordseeluft ein besonders attraktives Ziel gewesen.

Auch deutschlandweit erreichten Privatflüge im Jahr 2022 einen absoluten Rekord. 94’000 Mal starteten damals Privatflüge in ganz Deutschland – und wie auf Sylt sinkt ihre Zahl seitdem wieder: 2024 hoben deutschlandweit nur noch knapp 84’000 Privatjets ab. Die Auswertung von NDR Data zeigt: Am Flughafen Sylt waren 5’051 Einzelflüge im Jahr 2024 für CO2-Emissionen in Höhe von etwa 15’750 Tonnen verantwortlich. Privatflüge machten dabei mindestens ein Drittel aus, nämlich 5’064 Tonnen CO2. Zum Vergleich: Der CO2-Fußabdruck eines Deutschen beträgt durchschnittlich etwa 10 Tonnen für ein ganzes Jahr.

Dass die Zahl der Privatflüge nun wieder sinkt, habe mit der Normalisierung des Flugverkehrs nach den Pandemie-Einschränkungen zu tun, so Haake. Andererseits sei der private Flugverkehr sehr volatil, deshalb lasse sich aus sinkenden Zahlen aus zwei Jahren kein langfristiger Trend ableiten. Bei den Linienflügen sieht die Entwicklung der vergangenen Jahre anders aus: Hier sinken die Flüge – mit einigen Ausschlägen – schon seit 2009 kontinuierlich, als es 1’530 Abflüge in der Kategorie gab. Im vergangenen Jahr starteten laut eurocontrol nur noch 741 Linienflüge. Insgesamt sinkt so auch die Zahl der Gesamtflüge am Flughafen Sylt. Im Jahr 2024 gab es dort 2’547 Starts, zwölf Prozent weniger als im Jahr 2023.

Nachwehen der Corona-Pandemie

Den Flughafen-Chef schreckt das nicht auf: „Ein statistischer Effekt“, sagt Stephan Haake. „2022 waren die Nachwehen nach der Pandemie. Die Freiheit des Reisens schnellte nach oben, alle wollten wieder weg und raus. Da haben wir auf der ganzen Insel einen Ansturm erkannt. Uns war aber klar, dass das ein überschnellender Effekt ist. Und dass sich das wieder normalisiert.“

Flughafenchef Haake hat allerdings ein anderes Ziel vor Augen: die Wirtschaftlichkeit. „Wir wollen gar nicht riesig wachsen, haben keine Millionen-Passagier-Ziele vor Augen“, so Haake. “Schon deshalb, weil wir hier auf der Insel einen limitierenden Faktor haben: Es gibt hier nur eine bestimmte Zahl Gästebetten, und mehr Menschen können wir auch nicht transportieren.“ Stattdessen sei es wichtig, dass der Flughafen sich selbst finanziere. Seit wenigen Jahren ist es nun so weit: Seit 2021 die Flugsicherungskosten vom Bund übernommen werden, schreibt der Inselflughafen schwarze Zahlen.

Zu viele Flüge wären belastend

Auch Moritz Luft, Chef der Sylt Marketing GmbH, sieht das Ziel in der Stabilität: „Zu viele Flüge wären ja wiederum eine Belastung für die Insel. Aber insbesondere ohne eine intakte und gut funktionierende Bahnverbindung brauchen wir alle Optionen, die es für eine verlässliche An- und Abreise gibt.“

Aktuell hat Sylt direkte Linienflüge zu zehn Flughäfen: Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt, Kassel, München, Mannheim, Nürnberg, Zürich und Luxemburg. In diesem Sommer kommt Nummer elf dazu: Wien. Wichtigster Partner für den Sylter Flughafen ist Eurowings: Die Fluggesellschaft bedient die Strecken nach Düsseldorf und Stuttgart. Diese spiegeln sich auch in der Liste der Flughäfen, mit denen es die intensivsten Verbindungen gibt: Etwa zehn Prozent der Flüge im vergangenen Jahr flogen von und nach Hamburg, gefolgt von Düsseldorf, München und Zürich. Insgesamt waren drei Viertel aller Flüge Inlandsflüge und fast die Hälfte legte eine Strecke von weniger als 500 Kilometer zurück.

Auf Sylt starteten und landeten auch Langstreckenflüge aus mehr als 5’000 Kilometern Entfernung. Diese Flugzeuge, ausschließlich Business-Jets, starteten in Gander auf der kanadischen Insel Neufundland, aus der kasachischen Hauptstadt Almaty und aus Miami in den USA. Die Flüge dürften die schädlichsten für das Klima gewesen sein, mit teilweise deutlich über 20 Tonnen CO2 pro Flug. Quelle: ‚ndr.de‚.


Haftstrafen für „Letzte Generation“-Aktivisten

Im Prozess um die Farbattacke auf ein Flugzeug auf Sylt ist am Freitag, 6. Dezember 2024 das Urteil gefallen: Zwei Mitglieder der „Letzten Generation“ sind zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Zwei andere erhielten Geldstrafen. Das Amtsgericht Niebüll (Kreis Nordfriesland) hat am Freitag das Urteil über fünf Mitglieder der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ gesprochen. Aus Platzgründen fand die Verhandlung in Itzehoe (Kreis Steinburg) im China Logistic Center statt. Bei der Protestaktion auf dem Flughafen Sylt hatten die Verurteilten im Juni 2023 laut Gericht einen Schaden von mehr als 850.000 Euro verursacht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Haftstrafen ohne Bewährung
Zwei Mitglieder verurteilte das Gericht wegen Sachbeschädigung und Hausfriedens-Bruch zu Haftstrafen von jeweils sechs und sieben Monaten – ohne Bewährung. Zwei weitere Beteiligte müssen Geldstrafen von 2.100 Euro und 1.600 Euro zahlen. Die Strafen übersteigen damit geringfügig die Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte für Freisprüche und in einem Fall für 300 soziale Arbeitsstunden plädiert.

Straftaten gerechtfertigt?
Demonstrationen und politisches Engagement hätten jedoch keinen ausreichenden Einfluss auf die Politik, so die Verteidigung. Durch die Aktion habe die Gruppe Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt – insbesondere darauf, dass sich Superreiche statistisch besonders klimaschädlich verhalten. Bei einem Notstand seien auch Straftaten gerechtfertigt, wenn sie Abhilfe schaffen.

Richterin: „Sie stehen dem Klimaschutz im Weg.“
Die Richterin bezweifelte jedoch, dass dies der Fall sei: „Durch Ihr Verhalten stehen Sie dem Klimaschutz im Weg“, bekräftigte sie, als sie das Urteil begründete. Sie räumte zwar ein, die Aktion sei geeignet „die Willensbildung zu beeinflussen“, viele Menschen würden aber mit Wut und Ablehnung auf die massive Sachbeschädigung reagieren. Ein Freifahrtschein für Straftaten, nur um Aufmerksamkeit zu erregen, würde unsere Demokratie zerstören, sagte sie. Solche Gedanken sind den Verurteilten aber fremd: „Wenn sie uns verurteilen, haben sie die Welt wenigstens geordnet an die Wand gefahren“, sagte eine der Angeklagten in ihrem letzten Statement.

Haftstrafen wegen Wiederholungsgefahr
In die Haftstrafe der 24-Jährigen flossen auch andere Delikte, unter anderem die Farbattacke am Brandenburger Tor in Berlin, mit ein. Das Gericht begründete die Haft zudem damit, dass die beiden Betroffenen „zivilen Ungehorsam“ künftig nicht ausschließen wollten. Der berufliche Fortgang der beiden Studierenden steht nun in Frage. Zwei der Männer hatten dagegen zuvor versichert, keine Straftaten mehr begehen zu wollen.

Freispruch für Fotografen
Ein weiterer Mann hatte die Gruppe nach eigenen Angaben als Journalist begleitet, wie schon bei mehreren vorangegangenen Aktionen. Eine Tatbeteiligung konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Er wurde freigesprochen.

Hohe Abrechnungen durch den Flugzeugbesitzer
Den Sachschaden bezifferte das Gericht am Freitag auf 850.000 bis 900.000 Euro. Die Maschine war fast ein Jahr lang außer Betrieb. Die Gruppe hatte das Flugzeug des Geschädigten aus Nordrhein-Westfalen willkürlich ausgewählt. Dieser hatte laut Gericht anschließend Teile des Flugzeugs in die USA geflogen und den Aufenthalt in Luxus-Hotels geltend gemacht. Die Richterin korrigierte deshalb die Schadenssumme, die anfänglich mit mehr als einer Million Euro angegeben war. Eine Versicherung hat den Fall reguliert.

Verfahren über Schadensersatz steht noch aus
Über Schadensersatz ist bisher nicht verhandelt worden. Ein zivilrechtliches Verfahren steht noch aus. Im Strafverfahren sind noch Berufung und Revision möglich. Eine Verteidigerin gab an, noch im Saal Rechtsmittel eingelegt zu haben. Die nächste Instanz wäre das Landgericht in Flensburg. Quelle: ‚NDR Schleswig-Holstein‚.

„Letzte Generation“ besprüht Privatjet

Anhänger der Initiative „Letzte Generation“ haben am Dienstag, 6. Juni, auf dem Flughafen auf Sylt für Wirbel gesorgt. Sie besprühten einen Privatjet mit Farbe und klebten sich auf dessen Tragflächen. Die Polizei löste die Situation, verletzt wurde niemand. Die auf den Tragflächen eines Privatjets auf Sylt festgeklebten fünf Aktivisten konnten am Dienstagnachmittag durch die Sylter Polizei ohne Verletzungen gelöst werden. Der Flugbetrieb wurde nicht beeinträchtigt, so die Polizei. Die Höhe des Sachschadens, der durch die Aktion an dem Privatjet und dem Sylter Flughafen entstanden ist, ist noch nicht bekannt. Gegen die Betroffenen wird nun ermittelt.

Aktion richtete sich gezielt gegen Luxus
Nach Angaben der Klimaschutz-Initiative haben sich die Anhänger gewaltsam Zugang zum Gelände verschafft. Sie durchtrennten den Zaun des Flughafens auf Sylt an zwei Stellen mit Bolzenschneidern und liefen zu einem Privatjet, den sie in orange ansprühten. Außerdem rollten sie auf den Tragflächen des Jets Transparente mit den Aufdrucken „Euer Luxus – Unsere Dürre“ und „Euer Luxus = Unsere Ernteausfälle“ aus.

Kritik an Bundesregierung und Forderung nach Gesetzen
Der Sprecher der „Letzten Generation“, Theodor Schnarr, kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Verzögerungen beim Klimaschutz. Millionäre und Milliardäre tragen nach Überzeugung der Anhänger unverhältnismäßig viel zum Klimawandel bei. Die Besitzer von Privatjets, Limousinen und Superjachten würden ihre Fahrzeuge nicht freiwillig stehen lassen. Um diese Emissionen zu senken, brauche es Gesetze, so Schnarr. Quelle: ‚NDR‚. Kommentar der AOPA.

Sylt verteidigt seine Fluggäste

Von Hamburg nach Sylt in 50 Minuten – das ist ein verlockendes Angebot, das dennoch aus der Zeit gefallen scheint. Denn der schnelle Transfer geht per Flugzeug, das deutlich klimaschädlicher ist als die gut dreistündigen Landwege per Bahn oder Pkw plus Autozug. Im vergangenen Jahr waren deutschlandweit deutlich mehr Privatflieger als im Vorjahr unterwegs, berichtete gerade der Rechercheverbund von NDR und „Süddeutscher Zeitung“. Die Strecke Hamburg–Sylt sei eine der am häufigsten geflogenen Kurzstrecken. „Wir sind uns alle einig: Um nachhaltig den Klimawandel zu stoppen, müssen die CO2-Emissionen drastisch reduziert werden“, ist auf der Website des Flughafens Sylt zu lesen, der in kommunaler Hand liegt. Der nationale Luftverkehr sei aber ein vergleichsweise kleines Rädchen. Es folgt eine „ausführliche Betrachtung und eine Analyse, warum Sie für Ihren Flug nach Sylt kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen“. Quelle: ‚Hamburger Abendblatt‚. Foto: ‚Sylt-Tourismus‚.