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Bremse und Fahrwerk verwechselt

Unfall-Hergang
Der Pilot startet gegen 13.25 Uhr im Schlepp von der Piste 28 des Flugplatzes Vinon. Der Schleppzug fliegt zur Ausklinkzone auf einem Hügel östlich des Flugplatzes und nördlich der Gemeinde Vinon-sur-Verdon. Als der Pilot des Segelflugzeugs dort ankommt, klinkt er das Schleppseil in einer Höhe von etwa 850 m aus und fliegt eine Linkskurve, um Aufwinde zu finden. Dabei sinkt das Segelflugzeug. Als es sich auf noch 765 m befindet, steigt die Sinkgeschwindigkeit des Flugzeugs plötzlich auf -6 m/s an. Der Pilot fliegt weiter nach Süden und beschleunigt auf 100 km/h, um den Hügel zu überfliegen. Gegen 13:28 Uhr dreht er nach Westen in Richtung Flugplatz ab und versucht, wieder auf der Piste 28 zu landen.

Er fliegt nördlich von Vinon-sur-Verdon noch in einer Höhe von 10 bis 20 m über ein Waldgebiet, biegt dann nach Südwesten ab und versucht, auf einem Feld vor der Siedlung zu landen. Als er die ersten Häuser überfliegt, bleibt das Segelflugzeug in den Baumkronen hängen und kommt auf dem Grundstück eines der Häuser zum Stehen. Der Pilot teilt dem Starter über Funk mit, dass er in den Bäumen gelandet sei. Die Besitzer des Grundstücks eilen ihm zu Hilfe.

Standort und Wrack
Das Segelflugzeug-Wrack befindet sich etwa 2 km von der Schwelle der Start- und Landebahn 28. Es liegt auf der Rumpfnase und dem rechten Flügel, der nach dem Aufprall auf einen Baumstamm etwa 1,5 m von der Flügelwurzel entfernt abgebrochen ist. Fotos der Ersthelfer zeigen, dass das Fahrwerk ausgefahren und die Luftbremsen am linken Flügel vollständig und am rechten Flügel teilweise ausgefahren sind. Die Untersuchung des Segelflugzeugs durch die BEA am 8. Juli 2021 ergibt, dass die Luftbremsen vor dem Unfall anhaltend betätigt wurden. Da die Demontage des Segelflugzeugs ohne Anwesenheit des BEA erfolgt, kann die Funktion der Luftbremsen-Steuerung nicht vollständig überprüft werden. Das Verriegelungssystem der Luftbremsen-Steuerung im hinteren Rumpfkasten (Position „Luftbremsen geschlossen“) und die Fahrwerks-Steuerung sind funktionsfähig. Die Untersuchung des Segelflugzeugs ergibt keine Anomalien an den Steuerungen.

Funktion der Steuerung der Luftbremsen
Laut Flughandbuch des Segelflugzeugs beträgt die maximale Gleitzahl des Segelflugzeugs bei 90 bis 100 km/h „40“ (die Sinkgeschwindigkeit variiert dabei zwischen -0,63 m/s und -0,69 m/s). Im Flughandbuch des F-CLMF steht zwar, dass es über Hebel-gesteuerte Oberseiten-Doppelbremsen verfügt, aber es wird nicht beschrieben, wie die Steuerung funktioniert. Der Hebel (blaue Farbe) befindet sich auf der linken Seite im Cockpit. In der vorderen Position ist die Steuerung verriegelt und die Luftbremsen sind eingefahren. Ist die Steuerung verriegelt, sorgen Federn in den Luftbremsen dafür, dass sie innerhalb des Flügels bleiben. Zwei Piktogramme sind im Cockpit aufgeklebt, um die Hebelstellungen zu markieren. Rote Scheiben an den Luftbremsen warnen den Piloten visuell vor dem Ausfahren der Luftbremsen. Um den Hebel zu entriegeln, muss man ihn mit etwas Kraftaufwand nach hinten ziehen, wodurch die Luftbremsen teilweise ausfahren (rote Scheiben teilweise sichtbar). Um sie ganz auszufahren, muss man weiter an der Steuerung ziehen, die sich entlang einer Führung verschiebt, die verhindert, dass man versehentlich die Kabinenhaube abwirft.

Der AAVA-Chefpilot erklärt, dass bei der LS4 die Luftbremsen, wenn sie im Flug entriegelt werden, nur bei negativem Lastfaktor teilweise ausfahren und von selbst wieder einfahren, wenn der Pilot den Hebel loslässt. Wenn sie vollständig ausgefahren sind, fahren sie nicht ein, ohne dass der Pilot den Hebel manuell nach vorne drückt. Er fügt hinzu, dass die vertikale Geschwindigkeit des Segelflugzeugs bei vollständig ausgefahrenen Luftbremsen etwa -8 m/s beträgt (was bei 100 km/h horizontaler Geschwindigkeit einer Gleitzahl von etwa 3,5 entspricht).

Funktionsweise der Fahrwerkssteuerung
Das Segelflugzeug verfügt über ein Einziehfahrwerk, das mit einem Hebel bedient wird. Aufgrund der ergonomischen Gestaltung der Kabine ist es nicht möglich, dass sich Fahrwerks- und Luftbremsen-Steuerung gegenseitig beeinflussen. Im Flughandbuch heißt es, dass das Fahrwerk eingefahren und verriegelt ist, wenn sich der Hebel in der vollen Vorwärts-Position befindet; wenn sich der Hebel in der vollen Rückwärts-Position befindet, ist das Fahrwerk ausgefahren und verriegelt. Das bei der AAVA verwendete Flughandbuch für die F-CLMF beschreibt die Funktionsweise falsch bzw. gegenteilig. Allerdings sind im Cockpit der F-CLMF zwei Piktogramme, die den Angaben im Flughandbuch des Herstellers entsprechen, angebracht. Sie bezeichnen die beiden Fahrwerks-Positionen. Von der AAVA sind grüne und orangefarbene Aufkleber hinzugefügt worden, um Verwechslungen zu vermeiden.

Pilot des Segelflugzeugs
Der Pilot gibt an, dass die aerologischen Bedingungen während des Schlepps recht turbulent waren und er Aufstiegs-Geschwindigkeiten von über +4 m/s beobachtet, die auf gute Aufwinde hindeuten. Er ist überzeugt, dass er das Fahrwerk unmittelbar nach dem Klinken eingefahren hat. Als Folge dieser Aktion beobachtet er sofort eine Sinkgeschwindigkeit von etwa -5 m/s. Er dreht nach links und versuchte vergeblich, wieder Aufwind zu bekommen. Um in der Nähe des Flugplatzes zu bleiben, fliegt er südlich des Hügels weiter und beschleunigt auf etwa 100 km/h. Er erklärt, dass das Variometer während des gesamten Abstiegs -5 m/s anzeigt und er davon ausgeht, dass er sich in einer sinkenden Luftmasse befindet. Kurz vor der Kollision mit den Bäumen habe er die Luftbremsen vollständig ausgefahren und erinnert sich, „eine Reflexhandlung zum Ausfahren des Fahrwerks ausgeführt zu haben“. Er gibt an, keine Einweisung in den LS4 erhalten zu haben, da er diesen Segelflugzeugtyp bereits geflogen sei. Er erklärt, dass er das Flughandbuch des Segelflugzeugs nicht gelesen habe. Daher sei er durch die falsche Beschreibung der Fahrwerkssteuerung im Flughandbuch nicht beeinflusst worden.

Schlussfolgerungen
Die nach der Aufwindsuche beobachtete Gleitleistung des Segelflugzeugs ist mit der eines Segelflugzeugs desselben Typs mit vollständig ausgefahrenen Luftbremsen vergleichbar. Außerdem weisen die gesammelten Informationen nicht auf ein aerologisches Phänomen hin, welche die anhaltend hohe Sinkrate des Segelflugzeugs erklären. Eine Verwechslung der Steuerung durch den Piloten ist daher das wahrscheinlichste Szenario. So hat der Pilot nach dem Ausklinken, als er das Fahrwerk einfahren will, höchstwahrscheinlich die Luftbremsensteuerung statt der Fahrwerkssteuerung bedient.

Er zieht die Bremsen-Steuerung nach hinten auf die Position „Bremsen ausfahren“. Da er eine ungewöhnlich hohe Sink-Geschwindigkeit feststellt, nimmt er an, dass das Flugzeug in absteigende Luftmassen geraten sei. Er konzentriert sich auf die hohe Sinkrate und überprüft weder die Position der beiden Hebel noch die Position der Luftbremsen auf der Oberseite der Flügel. Aufgrund der hohen Sinkrate, die durch die Position der Luftbremsen verursacht wird und der kurzen Zeit, die ihm für die Analyse der Situation zur Verfügung steht wird dem Piloten nicht bewusst, dass die abnormale Sinkrate des Segelflugzeugs mit einer falschen Konfiguration der Luftbremsen zusammenhängen könnte, und er ist nicht in der Lage, seine Situationsanalyse zu hinterfragen. Als Folge davon ist er auch nicht mehr in der Lage, den Flugplatz zu erreichen, und muss eine Notlandung durchführen.

Unterricht in Sicherheitsfragen, Beurteilung der eigenen fliegerischen Fähigkeiten
Beim Segelfliegen kann in bestimmte Phasen erheblicher Zeitdruck entstehen, der bestimmte körperliche und kognitive Fähigkeiten erfordert. Im Laufe der Jahre sollte man seine Fähigkeit, allein zu fliegen, hinterfragen. Dennoch kann es für einen Piloten schwierig sein, sich selbst zu analysieren, insbesondere wenn sich die eigenen Flugfähigkeiten im Laufe der Zeit nur langsam verändern. Außerdem kann es für einen Piloten schwer zu akzeptieren sein, dass seine Fähigkeiten nachlassen.

Bei Segelflugzeugen gibt es für Piloten keine Altersgrenze für den Alleinflug. Die Ausgabe 16 der Zeitschrift „Actions vitales!“, die im November 2020 von der Fédération Française de Vol en Planeur (FFVP) herausgegeben wurde, behandelt das Thema der steigenden Lebenserwartung und der damit verbundenen Verschlechterung der körperlichen und kognitiven Fähigkeiten, die mit der natürlichen Alterung des Organismus zusammenhängt. Das Fliegen verschiedener Segelflugzeugtypen einer Vereinsflotte mit unterschiedlicher Ergonomie kann herausfordernd sein. Ein von der FFVP online gestelltes Lehrvideo „Einführung in die Benutzung der Luftbremsen“ weist darauf hin, dass die Bedienung der Luftbremsen je nach Segelflugzeugtyp Besonderheiten aufweist, insbesondere eine mehr oder weniger harte Entriegelung, einen mehr oder weniger langen Steuerweg, einen mehr oder weniger ausgeprägten Sink-Effekt usw., die eine Einführung durch einen Fluglehrer erfordern.

Vermeidung der Gefahr von Steuerungs-Verwechslungen
Ein französisches Handbuch für Segelflugzeugpiloten beschreibt die Bedingungen, unter denen Piloten Fehler begehen können (Vergessen, Aktion anstelle einer anderen, schlechte Ausführung, falsche Abfolge von Aktionen usw.). Insbesondere wurde von der FFVP im dritten Quartal 2015 in der Ausgabe 50 der Zeitschrift „Planeur info“ ein Artikel veröffentlicht, der die Problematik der Steuerungsverwechslung behandelt, um die Piloten für dieses Risiko zu sensibilisieren und ihnen zu ermöglichen, Sicherheits-Barrieren einzurichten, um sich vor Fehlern dieser Art zu schützen. Insbesondere wird darin empfohlen, die Position eines Steuerelements visuell zu überprüfen, bevor man es bedient. Bei einer abnormalen Situation, insbesondere einer plötzlichen Erhöhung der Sinkgeschwindigkeit infolge einer Betätigung eines Bedienelements (vermeintliche Betätigung des Fahrwerks, der Bremsen usw.) wird empfohlen, zu überprüfen, ob die richtige Steuerung betätigt wurde. Quelle: ‚BEA.aero / Bureau d’Enquêtes et d’Analyses‘. Adaptation des französischen Originalberichtes auf Deutsch: ‚flieger.news‘.

LS 4 für die Jugend aufpeppen

Der zweitälteste Segelflug-Verein der Welt aus Hirzenhain will für seine Nachwuchsarbeit rund 25.000 Euro investieren. Mit „Rocken am Hang“ soll das Projekt mitfinanziert werden. Basis für die Nachwuchsarbeit ist beim Segelfliegerclub Hirzenhain das in die Jahre gekommene Flugzeug der Marke LS 4. Dieses Einsteigermodell, das von 1980 bis 2007 in Serie gebaut wurde, soll nun modernisiert werden. Dies kostet den Verein, der im kommenden Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, rund 25.000 Euro. „Dieses Segelflugzeug muss vor seinem neuen Einsatz beim Nachwuchs dringend aufgepeppt werden“, sagt Eva Claas. Die einsitzige LS 4 ermögliche für die Juniorenwertung einen guten Einsteig. Und die Vereinsvorsitzende Sissi Schneider ergänzt: „Wir wollen die Basis dafür legen, dass der Nachwuchs wieder an Wettbewerben und Meisterschaften teilnehmen kann.“

Für die beiden Frauen ist die Nachwuchsarbeit alternativlos: „Der Verein will ja nicht in Schönheit sterben.“ Allerdings ist das „Leben“ des SFC „Hihai“ finanziell schwerer geworden. Zwar feierten die Hirzenhainer im Frühsommer ein gelungenes Fliegerfest (Schneider: „Wir wurden regelrecht überrannt“), doch davor verhinderte Corona zweimal das für den Verein finanziell dringend notwendige Fest.

Und nach der Pandemie kommt die Inflation. Das merke man an den Dieselpreisen, die gezahlt werden müssen, weil der Sonderlandeplatz auf einer maximalen Grashöhe von zehn Zentimetern gehalten werden muss. Zwar hat der trockene Sommer hier die Kosten gebremst, doch im Frühjahr habe man oft mit dem Mäher über die Start- und Landebahn fahren müssen. „Eine Gebührenerhöhung ist nicht möglich“, macht die Vorsitzende klar. Im Verein ist der Modellflug oft der Einstieg in die fliegerische Laufbahn. Ein Teil sei bei diesem Hobby geblieben, ein anderer Teil dann zum Segelflug gewechselt. Einige Mitglieder würden auch beide Hobbys parallel betreiben.

Die Kosten bis zum Pilotenschein sind für den Nachwuchs überschaubar. Ein Flugschüler zahlt pro Jahr 375 Euro und muss den Fluglehrer nicht bezahlen. Kostenpflichtig sind über den Jahresbeitrag hinaus nur der Fliegerarzt und die Prüfungsgebühren. Und die Flugzeuge müssen im Gegensatz zur Vergangenheit nicht pro Einsatz bezahlt werden. Sissi Schneider erinnert sich noch daran, dass in den 1980-er Jahren Jugendliche nach der Landung direkt mit zwei Mark zur Kasse gebeten wurden. Den aktuellen Kostenrahmen nennt sie „Flatrate“. Sie nennt eine Flugsaison als Zeitrahmen, in dem die Ausbildung abgeschlossen werden kann. Vorteile hätten die Umsteiger aus dem Modellflug, denen man Begriffe wie Höhenruder nicht mehr erklären müsse. Sie verstünden auch das Verhalten von Flugzeugen aufgrund der eigenen Erfahrung an der Fernbedienung. Ansonsten sei die Ausbildung vergleichbar mit dem Autoführerschein: „Manche brauchen weniger, manche mehr Stunden – und manche lernen es nie!“

Erlös des Rockkonzerts ist für die Maschine bestimmt
Ein Weg, die Kosten für den Umbau des Schulflugzeuges zu finanzieren, ist bei dem zweitältesten Segelflugverein der Welt ein Schreiben an mögliche Sponsoren und Gönner. Hier wäre der Verein auch für Sachspenden dankbar, die im kommenden Jahr beim Vereinsjubiläum bei einer Tombola Verwendung finden würden. Der andere Weg wird laut. Am 24. September (Samstag) heißt es in Hirzenhain zum dritten Mal nach 2010 und 2011 „Rocken am Hang“. Ab 18.30 Uhr spielen in der Fliegerhalle vier Bands „ein bisschen härtere Klänge“. Am Vorabend legt DJ Volker bei der Disco-Night auf, der schon beim Fliegerfest für Stimmung sorgte. „Am Freitag und Samstag gibts was auf die Ohren“, verspricht Eva Claas, wenn mit „Dying Breed“, Devil’s Shepherd“, „Sober Truth“ und „Mini-Cross“ vier Formationen die Fliegerhalle rocken. Der Erlös der beiden Abende ist für das Segelflugzeug bestimmt. Sissi Schneider ist stolz darauf, dass es der Verein schafft, die Bewirtung wieder abzudecken: „Wir kriegen das immer noch alleine gewuppt.“ Quelle: ‚Mittelhessen‚.