Aus Anlass des 40jährigen Jubiläums des Segelflugplatzes Puimoisson in der Haute-Provence (F) hat Hans Reis die bewegte Geschichte dieses heute sehr bekannten Startplatzes in einem attraktiv gestalteten Buch zusammengefasst. Das Werk liest sich fast wie ein Krimi, auch weil (leider) verwerfliche Elemente in dieser Geschichte nicht fehlen. So fielen beispielsweise 2002 drei Segelflugzeuge und eine Schleppmaschine einem Brandanschlag zum Opfer, dessen Urheber nie zweifelsfrei identifiziert werden konnten. Aber auch sonst waren menschliche Konflikte und Schwierigkeiten auf dem Platz kein Fremdwort.
Es war der belgische Pilot Bruno Pierarts, geboren im damaligen Belgisch Kongo, der nach seiner Rückkehr nach Europa die Idee hatte, ein Segelflugzentrum zu schaffen. Die Idee «Puimoisson» wird aber in einem anderen bekannten französischen Segelflug-Zentrum, nämlich in St. Auban, geboren, als Bruno Pierarts dort einen Stage machte, nachdem er kurz zuvor die Segelfluglizenz erworben hatte. Nur dank seines ausgeprägten Durchhaltewillens und auch etwas Glück gelang es ihm, das Projekt buchstäblich «zum Fliegen» zu bringen. Bis 2007 war er dort die treibende Kraft, investierte, baute am Projekt weiter, trotz oftmals grosser Hürden und auch Rückschlägen, etwa bezüglich Bewilligungen u.a.m.
Nach seinem Rückzug 2007 ging der Flugplatz an neue Eigentümer über, und es erfolgte der weitere Ausbau, etwa mit dem Bau der Hartbelagpiste und entsprechenden Rollwegs, später der (Natur-)Mistralpiste, zahlreicher Bungalows, des Schwimmbads, der sanitären Anlagen u.a.m. Heute erfreut sich der Platz dank seiner idealen Lage und guten Infrastruktur am Rande der ersten Kreten Richtung Alpen grosser Beliebtheit. In den Jahren 2011 bis 2022 belegte Puimoisson bei den geflogenen Kilometern weltweit stets Platz 1 oder 2!
Das reich bebilderte, rund 90seitige Buch veranschaulicht eindrücklich die einzelnen (Bau-)Phasen des Flugplatzes, mit Neustart und nochmaligem Neustart – eben sehr bewegt. Aber auch für den Lesenden mit mässigem Interesse für diese Geschichte ist das Buch eine segelfliegerische Perle, nämlich dank der eindrücklichen und teils einmaligen Bilder aus diesem weiträumigen Fluggebiet. Dieses reicht heute bis ins Engadin und vereinzelt noch weiter nach Osten.
Ab Seite 54 bis 77 nimmt der Autor den Lesenden auf einen virtuellen Segelflug mit, vom Berninagebiet im Engadin bis hinunter nach Marseille. Gerade dieser Flug mit den entsprechenden Bildern zeigt die Einzigartigkeit dieses Fluggebiets und veranschaulicht einmal mehr die «Faszination Segelflug».
Das Buch ist auf deutsch und französisch erschienen und kostet EUR 38.- plus Porto und Verpackung. Bestellenkönnen Sie das Jubiläumsbuch direkt hier im flieger.shop.
Dieser neunseitige, hier erhältliche Reiseführer liefert Ihnen Informationen, die Sie für Ihren Segelflug-Urlaub im südfranzösischen Segelflug-Zentrum Vinon s/Verdon – auch mit der Familie – brauchen. Was sie wo bekommen, Kontakte, Ferienwohnungen, Hotels, Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Familien-Programme. Der Reiseführer enthält zahlreiche direkte Links auf einzelne Anbieter.
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Südost-Frankreich ist eine von der Sonne besonders verwöhnte Ecke Europas. Kein Wunder, pilgern bei fast 300 Sonnentagen pro Jahr die Segelflieger Nordeuropas in Scharen in die südfranzösischen Segelflug-Zentren. Vinon liegt im Flachland der Provence, weit im Süden der Region. Der Anschluss an die starken thermischen Aufwinde der Voralpen über die Ebene von Valensole oder das Durance-Tal hat zu Unrecht den Ruf, schwierig zu sein.
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Das Jahr 2020 wird wohl jedem Segelflugpiloten noch lange in Erinnerung bleiben. Corona – vor einem Jahr noch kaum denkbar – hat vieles, aber nicht alles verändert. Rückblickend kann man vielleicht sogar sagen: Wir hatten zumindest für die Sommermonate Juli/August noch «Glück im Unglück». So gingen die Grenzen nach Frankreich, zumindest aus der Schweiz, am 15. Juni wieder auf, und Frankreich hatte in den erwähnten Monaten noch eher tiefe, erst gegen Ende August wieder allmählich steigende Fallzahlen. Das führte dazu, dass Teile Frankreichs im September zum Risikogebiet erklärt wurden, darunter auch die Côte d’Azur, weite Teile der Provence, die Agglomeration Paris u.a.m. – lesen Sie hier den ganzen Bericht über einen Sommer-Urlaub in der Haute-Provence.
Das Jahr 2020 wird wohl jedem Segelflugpiloten noch lange in Erinnerung bleiben. Corona – vor einem Jahr noch kaum denkbar – hat vieles, aber nicht alles verändert. Rückblickend kann man vielleicht sogar sagen: Wir hatten zumindest für die Sommermonate Juli/August noch «Glück im Unglück». So gingen die Grenzen nach Frankreich, zumindest aus der Schweiz, am 15. Juni wieder auf, und Frankreich hatte in den erwähnten Monaten noch eher tiefe, erst gegen Ende August wieder allmählich steigende Fallzahlen. Das führte dazu, dass Teile Frankreichs im September zum Risikogebiet erklärt wurden, darunter auch die Côte d’Azur, weite Teile der Provence, die Agglomeration Paris u.a.m.
Wetterglück
Glück hatten wir auch mit dem Wetter: Juli und August waren trockene, heisse Monate mit oftmals guten, sogar sehr guten Segelflugbedingungen, die sich auch im OLC niederschlugen. Es gab aber auch sehr stabile Tage, die das Wegkommen an der Serre de Montdenier oder das Überqueren des Plateau Valensole nicht einfach machten. Sogar Gilles Navas, bezüglich Streckenflüge kein Unbekannter, beobachteten wir einmal, wie er die Serre «polierte», nicht wegkam, dann über des Flugplatzgelände von Puimoisson flog, nicht um zu landen, sondern, um über der Piste seinen Motor zu “zünden”. Um die Schwierigkeit des Plateau Valensole zu umgehen, fliegt er meist sehr früh motorisiert bis an die Ostseite der Serre, wo er dann seine Rekordflüge startet. Er bringt es fertig, manchmal minutengenau auf die letztmögliche Landezeit Vinon anzufliegen, von weitem erkennbar an seinem blinkenden Flash am Flugzeug.
A propos Hitze: Der heisseste Tag in Vinon war der 1. August mit 41° C. An vielen Tagen zeigte das Thermometer dort zwischen 35 und 37° C. Wer die ersten drei Juliwochen in Puimoisson und anschliessend bis Ende August in Vinon war, erlebte erstmals am letzten August-Wochenende richtig Regen. Sonst gab es ganz vereinzelt nur wenige Tropfen. Entsprechend präsentierte sich auch die Landschaft. Wohl gab es Gewitter, meist aber in den Bergen.
Ein Blick in die Statistik “Flugplatz OLC-Plus 2020” zeigt per Ende September 2020, dass Puimoisson nach Bitterwasser auf dem zweiten Platz liegt und zwar mit 527’322,92 Punkten, 541’162,93 km, von 184 Piloten mit 1’144 Flügen geflogen. Vinon figuriert auf Platz 13 mit 236’637,64 Punkten, 245 398,7 km, 81 Piloten und 569 Flügen.
St.Auban folgt auf Platz 15 mit 223’385,4 Punkten, 232’546,16 km, 131 Piloten und 759 Flügen. Mit grossem Abstand figuriert dann Fayence auf Platz 42 mit 128’857,75 Punkten, 140’674,71 km, 46 Piloten und 524 Flügen.
Finanzielle Einbussen wegen Covid-19
Covid-19 hinterliess natürlich auf den Flugplätzen finanzielle Spuren, nicht nur in Frankreich. Bis ca. Mitte Mai waren Puimoisson und Vinon geschlossen, wie auch viele andere Flugplätze in verschiedenen Ländern. Nach der Wiedereröffnung zögerten Piloten, ihre Segelflugferien in der Provence zu verbringen. In Vinon fehlten beispielsweise die Gruppen aus Birrfeld oder Beromünster komplett, andere waren weniger zahlreich vertreten als in früheren Jahren. Anfangs Juli seien in Puimoisson normalerweise etwa 43 Flugzeuge stationiert, dieses Jahr die Hälfte, sagte Alfred Spindelberger. Ab dem zweiten Juliwochenende war Puimoisson dann aber ziemlich vollbesetzt. Auch Noël Faucheux, Präsident der Association Aéronautique Verdon Alpilles (AAVA) in Vinon, ist mit der Belegung und vor allem der Anzahl Starts in den Monaten Juli/August recht zufrieden. Die Frequenzen waren höher als ursprünglich erwartet. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass – Stand Ende August – in den Kassen beider Flugplätze wichtige Einnahmen fehlen. Alfred Spindelberger beziffert die entgangenen Einnahmen für Puimoisson mit EUR 80’000.-. Für Vinon sind es EUR 200’000.-, wie der Präsident bereits Mitte Juli sagte und Ende August in einem Gespräch nochmals bestätigte.
Aufgabenteilung mit Konsequenzen
In Puimoisson fanden Audits verschiedener Institutionen statt. Sie stellten dem Flugplatz ein sehr gutes Zeugnis aus. Es war sogar von einem der «bestgeführten Segelflugplätze Frankreichs» die Rede. In Puimoisson ist die Halterin und Betreiberin des Flugplatzes das Centre de Vol à Voile de Puimoisson (CVVP) eine SARL, d.h. eine Société à responsabilité limitée, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit eigener Rechtspersönlichkeit, analog der GmbH in Deutschland, Luxemburg oder der Schweiz. Zuständig für den ganzen Flugbetrieb ist der in Frankreich eingetragene Verein Association de Vol à Voile Puiplaneur. Alfred Spindelberger formuliert die Aufgabenteilung zwischen den beiden Institutionen bildlich so: «Alles, was sich 1 mm und mehr über dem Boden abspielt, gehört in die Zuständigkeit des Vereins, insbesondere der Schleppbetrieb». Würde das die SARL tun, wäre es gewerblich und mit grossen Auflagen verbunden. So dürften nur Berufspiloten schleppen. Es bräuchte zudem eine spezielle Infrastruktur mit einem «safety officer» und vieles mehr. Das ist der Grund, weshalb auf praktisch allen Segelflugplätzen Frankreichs Vereine für den eigentlichen Flugbetrieb verantwortlich sind. In Vinon ist es die Association Aéronautique Verdon Alpilles (AAVA).
Im Gegensatz zu den umliegenden Vereinen, die meist auch auf kostenlos zur Verfügung gestelltem Gelände fliegen, muss das CVVP in Puimoisson für den Flugplatz erheblich Pacht bezahlen und in den Preisen ist auch die französische Mehrwertsteuer von 20% enthalten.
Für die SARL als Halterin und Betreiberin des Flugplatzes bestehen auch am Boden strenge Auflagen, deren Erfüllung immer wieder ins Geld geht. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen. Puimoisson musste eben einen neuen Wassertank für das Feuerlöschen bauen. Er befindet sich oberhalb der sanitären Anlagen Richtung Rollweg. Vorschrift: mindestens 20 m und maximal 200 m vom brandgefährdetsten Objekt entfernt. Dieses Objekt ist der Hangar. Die Kosten des neuen Tanks beliefen sich auf knapp EUR 40’000.-. Der Tank muss zudem von Sand umgeben sein, damit ihn Steine nicht beschädigen können. Die Kosten allein für den Sand betrugen EUR 7’000.-.
4. Juli, 21:36 Uhr: Aufgang des Monds im Osten… … und gleichzeitiger Sonnenuntergang im Westen. Fotos: Hans Reis.
Zweites Beispiel: In der Gegend von Puimoisson ist Grillieren zwischen Mitte Juni und September grundsätzlich verboten. Warum? Diese Gegend gehört zu den brandgefährdetsten Gebieten Frankreichs, was erstaunen mag. Der Grund sind die Lavendelfelder. Diese brennen sehr leicht, wegen der ätherischen Öle des Lavendels. Marcel, ein Einheimischer, sagte: «Diese brennen wie Zunder.» Puimoisson brauchte eine Spezialbewilligung für den Grill, dem auch ein «Dach» als Schutz gegen wegfliegende Gluten vorgeschrieben wurde. Es muss zudem immer ein Wasserschlauch in der Nähe sein. Nur so kann das wöchentlich Barbecue am Montag stattfinden. Der Flugplatz von Puimoisson liegt im «Parc naturel régional du Verdon» in einer Zone, die mit «Natura 2000» klassifiziert ist.
«Natura 2000» ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der EU, das seit 1992 nach den Massgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG, kurz FFH-Richtlinie) errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. In das Schutzgebietsnetz werden auch die gemäss der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) ausgewiesenen Gebiete integriert. Das Natura-2000-Netzwerk umfasste 2013 mehr als 18 % der Landfläche und mehr als 7 % der Meeresfläche der EU. Nicht dazu gehören hingegen die französischen und niederländischen Überseegebiete der EU.
Unterschiedliche Auflagen auch für Schwimmbäder
Der Unterschied der Auflagen zwischen der SARL (GmbH) und einem Verein zeigt sich auch beim Betrieb eines Schwimmbads. In Puimoisson war dies in diesen Sommermonaten nicht in Betrieb, was sehr schade war und teilweise auch heftig kritisiert wurde. Der Grund: Es seien technische Gründe, d.h. veraltete Anlagen, die nur mit grossem Aufwand auflagengerecht wiederhergestellt werden könnten. Ein weiterer Grund für das geschlossene Schwimmbad in Puimoisson war gemäss Alfred Spindelberger auch die Schwierigkeit, die Corona-Bestimmungen einzuhalten. Das Schwimmbad war bereits im Jahr 2009 schon einmal für die Gäste des CVVP gesperrt.
In Vinon pflegte und betreute in den Sommermonaten die Gastpilotin Aniko Molnar das Schwimmbad, und ihr tägliches Engagement zeigte sich im Resultat. Es war kaum je so sauber und gepflegt wie 2020. Ihr gebührt ein grosser Dank, war es bei den eingangs erwähnten Temperaturen doch eine Wohltat, sich dort abkühlen zu können und für die notwenige Bewegung zu sorgen. Etliche Piloten benützten die Erfrischung regelmässig vor ihrem Flug.
Interessant ist die Frage, wer ein Schwimmbad betreibt, sind damit doch grosse Unterschiede bei den zu erfüllenden Auflagen verbunden. Betreibt dieses ein Verein, wie das in Vinon der Fall ist, dann sind die Auflagen weniger streng – weil «privat genutzt» –, als bei einer SARL, was «gewerbliche Nutzung» impliziert. So erfolgt bei einem «Vereinsbad»keine amtliche Kontrolle der Wasserqualität. Es gibt keine speziellen Vorschriften wie Rettungsring am Bassinrand oder ein rotes Nottelefon im Schwimmbadbereich mit direkter Verbindung zu den Sapeurs pompiers, auch keine spezielle Instruktion einer Person für lebensrettende Massnahmen u.a.m.
Es ist derselbe Unterschied wie beim Flugbetrieb: Ist ein Verein dafür verantwortlich, gilt es als privat; eine Nutzung durch eine Firma aber als gewerblich – mit den entsprechenden Auflagen. Genauso verhält es sich mit Vereins-Gaststätten im Vergleich zu öffentlichen Restaurants.
Für Verwirrung sorgte in Puimoisson im Juli eine ungelöste Versicherungsfrage, was dazu führte, dass an einem Tag keine Starts erfolgen durften. Das Problem konnte aber rasch gelöst und der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden. Klar deklariert und von den zuständigen Behörden auch kontrolliert wird der Funkverkehr in Puimoisson. Primär hat er in Englisch zu erfolgen. Französisch ist auch möglich, aber auf gar keinen Fall Deutsch. Weil die meisten Piloten eher des Englischen als des Französischen mächtig sind, hat Englisch klar Priorität und wird auch entsprechend praktiziert. In Vinon erfolgt der Funkverkehr mehrheitlich in Französisch, ist aber jederzeit auch in Englisch möglich.
Zufahrtstrasse Puimoisson als Dauerthema
Zu reden gibt in Puimoisson auch immer wieder der Zustand der Zufahrtstrasse zum Flugplatz. Interessant war in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit dem neugewählten Bürgermeister (Maire) von Puimoisson, den Alfred Spindelberger zur Besichtigung des Flugplatzes zum Nachtessen eingeladen hatte, zusammen mit seiner Gattin. Das Ganze ist nebst einer Kosten- und Beteiligungsfrage auch eine Frage der Vorschriften. So meinte der Gemeindepräsident zur Frage der Asphaltierung, sie hätten diesbezüglich sehr strenge Auflagen. Würde irgendwo eine Naturstrasse neu asphaltiert, müsste an einem anderen Ort die gleiche Fläche Hartbelag rückgebaut werden. Man will damit offenbar eine Asphaltierung/Zubetonierung der Landschaft verhindern.
Erfreuliche Unfallbilanz
Im Unterschied zu früheren Jahren präsentiert sich die Unfallbilanz für den Sommer 2020 recht positiv. In den beiden Monaten Juli und August ist «nur» von zwei schweren Segelflugunfällen im Berichtsgebiet die Rede.
Am Nachmittag des 5. August verunglückte ein Doppelsitzer in der Region Parmelan bei Annecy. Erste Berichte deuteten darauf hin, dass das Flugzeug mit dem Seil des Lastenseilbahn zur Parmelan-Hütte kollidiert ist. Es stürzte in den Wald ab. Die beiden an Bord befindlichen Personen im Alter von 60 und 61 Jahren wurden schwer verletzt, konnten von der Feuerwehr vor Ort medizinisch versorgt und auf dem Luftweg in das Krankenhaus von Annecy geflogen werden. Eine Untersuchung des Unfalls ist eingeleitet. Quelle: «Le Dauphiné».
Am Dienstag, 18. August kam ein 58jähriger Segelflugpilot bei Angles ums Leben. Das Flugzeug stürzte in einer schwer zugänglichen, steilen und bewaldeten Bergregion im Verdon-Tal zwischen den Gemeinden Angles und Saint-André-les-Alpes ab. Das Segelflugzeug befand sich an der «Crête du Petit Grau» in einer Höhe von gut 1200 m/M. Der Pilot, Eigentümer des Flugzeugs, war in Fayence gestartet und in Nizza zu Hause. Er starb noch vor dem Eintreffen der Feuerwehrleute und Retter des Zuges der Hochgebirgsgendarmerie (PGHM) von Jausiers. Die Staatsanwaltschaft von Digne-les-Bains leitete eine gerichtliche Untersuchung ein, um die Ursachen des Absturzes zu ermitteln. Quellen: «La Provence» und «Les pelotons de gendarmerie de haute montagne, Jausiers, PGHM».
Von diesem Unfall wurde auch am Briefing in Vinon berichtet, und es zeigte sich einmal mehr, wie nach einem Unfall immer wieder Falschinformationen/Spekulationen ins Kraut schiessen. Zuerst hiess es, der Pilot sei 61, deutscher Nationalität, und er sei mit einem Discus verunglückt. Im Internet war dann zu lesen, es sei ein Ventus, auf dem er noch wenig Flugerfahrung gehabt habe, und er sei beim Hangflug mit dem Gelände kollidiert… Was effektiv war, wird die Untersuchung zu Tage fördern.
Bereits ist es herbstlich und schon bald folgt der Winter. Wie verhält es sich eigentlich mit diesen Flugplätzen im Winter? Dürfte man dort landen und starten, auch wenn sie «verwaist» sind? Grundsätzlich gilt: Wenn der Windsack hängt und kein Notam publiziert ist, kann (in Frankreich) auf einem Flugplatz ohne Betrieb zu jeder Jahreszeit gelandet und gestartet werden. Passiert aber ein Schaden, z.B. wegen eines Defekts an einer Piste, etwa wegen eines Lochs in einer Graspiste oder einem Rollweg – gegraben von Wildschweinen –, dann haftet der Betreiber des Flugplatzes. Und das könnte ins Geld gehen, wenn z.B. ein landendes Flugzeug mit dem Bugrad in ein solches Loch gerät und das Bugrad einknickt. Deshalb: Windsack weg, Notam publizieren. Dann entfällt dieses Risiko für die Verantwortlichen. Eine Ausnahme gilt für Puimoisson: Dort dürfen Motorflugzeuge grundsätzlich nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Direction générale de l’Aviation civile (DGAC) in Aix-en-Provence landen.
Wie nach der Heimkehr zu erfahren war, hat sich zum Saisonende in Puimoisson bei der Stelle des Chefpiloten eine personelle Veränderung ergeben.
Den folgenden Bericht publizierte die Zeitung ‘La Provence‘ in der vergangenen Woche.
Nach Angaben des Französischen Segelflugverbandes sind fast 50 Arbeitsplätze durch die Einschränkungen ihrer Tätigkeit gefährdet. Die Alpes-de-Haute-Provence ist für die Segelflieger in Europa ein beliebtes Ziel. Der Club von Vinon-sur-Verdon beispielsweise ist in Bezug auf die Anzahl Lizenzen der führende Klub Frankreichs, jener von Sisteron liegt an fünfter Stelle und im Departement ist ausserdem das Nationale Segelflugzentrum (CNVV) in Château-Arnoux-Saint-Auban angesiedelt. Das ist eine weltweit einzigartige Struktur, die jedes Jahr mehr als 1’000 Auszubildende aus der ganzen Welt betreut. In Frankreich gibt es fast 12’000 Segelflugzeugführer-Lizenz-Inhaber in insgesamt 162 Clubs, darunter stammen 2’300 aus der Region Provence-Hautes-Alpes-Côte d’Azur-Region (PACA), die bei den Lizenz-Inhabern vor der Occitaine an erster Stelle steht.
Fast 1’500 Menschen kommen im Sommer, um hier Segelflugzeuge zu fliegen. “Wir müssen auch daran denken, dass diese Leute nicht allein kommen, sondern mit ihren Familien andere touristische Aktivitäten konsumieren”, sagt Luc Guillot, Direktor des französischen Segelflugverbands (FFVP). Die Saison 2020 verspricht, schwierig zu werden: Jetzt kommen die Gäste wegen der Gesundheitsvorschriften nicht mehr (“Lockdown”-Regeln mit 100 km maximaler Bewegungsfreiheit, Schließung der Grenzen)”, erklärt Luc Guillot. Mit der 100-km-Regelung sind wir massiv eingeschränkt, ein Segelflieger macht regelmäßig Flüge von 500 km”. Diese mit der Gesundheitssituation verbundenen Einschränkungen mindern die Attraktivität der Französischen Alpen erheblich.
“In der gegenwärtigen Situation machen wir uns Sorgen um die Arbeitsplätze und um die Fähigkeit der Clubs, den Schock zu absorbieren. Ausbilder, Mechaniker, Sekretariate und Restaurants befinden sich nun in Kurzarbeit. Segelfliegen beschäftigt rund 50 Profis, deren Arbeitsplätze in den Clubs des Departements bedroht sind”, sagt Luc Guillot.
Um eine Erholung zu ermöglichen, hat der Verband Gesundheitsprotokolle für den Empfang von Menschen in den Clubs, sowohl am Boden als auch in der Luft, eingeführt. Der Beruf wartet nun auf die Piloten, die aus Frankreich, Europa und darüber hinaus kommen werden, sobald die Einschränkungen wieder gelockert worden können.
Zahlreiche Gespräche mit Habitués in Vinon zeigten: Die Segelflugsaison 2019 geht in Südfrankreich als überdurchschnittlich gute in die Annalen ein. Vor allem die Monate Juli und August boten oft ausgezeichnete Bedingungen, wenig Gewitter, trocken, aber auch sehr heiss. Entsprechend sind auch die finanziellen Ergebnisse auf dem Flugplatz Vinon und vermutlich auch anderswo.
Puimoisson überzeugt
Ein erneuter dreiwöchiger Aufenthalt anfangs Juli bot in Puimoisson Gelegenheit, sich einmal mehr von der Professionalität auf diesem Platz zu überzeugen. In den letzten 10 Jahren haben die Verantwortlichen dort sehr viel in die Infrastruktur investiert, und die darf sich heute sehen lassen. Chefpilot FrédericMenella hat den Laden im Griff und seine straffen Briefings in Englisch sind von besonderer Qualität. Er kommt vom Flugplatz St. Remy, hat dort sehr jung das Segelfliegen gelernt und war schon früh Fluglehrer und Schlepppilot. Auch während seiner Militärzeit war er Fluglehrer für angehende Piloten in Salon beim Training auf Segelflugzeugen. Er ist Prüfungsrat für Segelflieger und schleppt auch mit UL.
Frédéric kennt die Gegend und
das Wetter der Provence wie die eigene Hosentasche. Er hat nach seiner Militärdienstzeit
Jura studiert und danach als Jurist gearbeitet, ist aber mit etwa 38 Jahren
ausgestiegen, um mit seiner Lebensgefährtin Stéphanie Brunet sieben Jahre lang
mit einem kleinen Boot um die Welt zu segeln. Im Frühjahr 2018 hat er sich
wieder ganz der Fliegerei verschrieben und ist zusammen mit Stéphanie
buchstäblich in Puimoisson gelandet. Für sie beide war 2019 bereits die zweite
Saison. Stéphanie ist ebenfalls Juristin und hat wie Frédéric das Leben und die
Arbeit am Flugplatz für sich entdeckt. Sie führt das ganze Backoffice perfekt –
eine ideale Ergänzung.
Zufahrtsstrasse als Kritikpunkt
Ein Punkt, der in Puimoisson ab
und zu bemängelt wird, ist der Zustand der Zufahrtsstrasse zum Flugplatz, auch
wenn sie diesen Sommer in einem etwas besseren Zustand war als Jahre zuvor.
Aber Naturstrassen haben ihre Tücken: Starke Niederschläge, oft verbunden mit
heftigen Gewittern, waschen sie buchstäblich aus und hinterlassen entsprechende
Rinnen.
Eine Sanierung (Asphaltierung) ist aus Sicht der Betreiber des Flugplatzes, des Centre de Vol a Voile de Puimoisson (CVVP), ziemlich kompliziert. Die Strasse liegt grösstenteils auf Gemeindegrund, ist also nicht im Besitz des CVPP. Von Seiten der Gemeinde Puimoisson hat das CVVP allerdings die Erlaubnis, die Strasse zu «befestigen», was immer das auch heissen mag. Alfred Spindelberger, Geschäftsführer des CVVP, kann nicht von sich aus einfach mit dem privaten CVVP-Geld eine Gemeinde-Aufgabe finanzieren, nämlich die Komplettsanierung – sprich Asphaltierung – der Strasse und so die Gemeinde subventionieren. Er liess deshalb unter den 16 Gesellschaftern abstimmen. Die Mehrheit war dafür. Allerdings haben Unterlegene angedroht, dass sie ihre Minderheitsrechte auf dem Rechtsweg durchsetzen möchten. Bis diese Frage rechtlich endgültig geklärt ist, ruht die Sache und der Staub der Strasse verschwindet nicht sofort.
Internet – Unterschiede
In
vergangenen Jahren war auf dem Flugplatz Puimoisson das Internet ab und zu ein Kritikpunkt.
Das trifft heute nicht mehr zu, weil es gut funktioniert. Eine direkte
Richtstrahlverbindung von Puimoisson zum Flugplatz hat eine erhebliche
Verbesserung gebracht. Anders in Vinon: Dort ist das Internet heute vermutlich
der meistgehörte Kritikpunkt – vor allem von den Piloten, die auf dem Fluplatzcamping
wohnen. Früher war es ab und zu die Sauberkeit in den sanitären Anlagen.
Letzteres hat sich extrem verbessert, ist heute praktisch perfekt, seitdem der
Auftrag an eine Dame mit eigenem Reinigungsinstitut ging. Sie arbeitet äusserst
professionell, ist sehr gewissenhaft und ist dank ihrem Charme eine gewinnende
Persönlichkeit, der man bei ihrer Arbeit auch gerne begegnet.
Kritisiert
wird punkto Internet in Vinon, dass man nur im Clubhaus oder in dessen
unmittelbarer Umgebung eine funktionierende Verbindung hat, nicht aber im
eigenen Wohnwagen oder Mobil-Home auf dem Flugplatz. Noêl Faucheux, den Präsidenten der Association Aéronautique
Verdon Alpilles (AAVA), habe ich auch dieses Jahr wieder zweimal darauf angesprochen.
Er sagte, er wisse es. Beim ersten Mal fügte er in hinzu: «Ce n’est pas une question
d’argent, c’est une question de technologie». Es sei keine Frage des
Geldes, sondern der Technik und beim zweiten Mal meinte er einfach, er hätte
keine Lösung. Schade! Vor Jahren funktionierte z.B. das Netz «Camping 3», ein
Empfang im Wohnwagen war möglich. Inoffiziell heisst es, man hätte es gekappt,
weil verbotene Dinge heruntergeladen wurden, wofür auch der Betreiber hafte. Ob
das zutrifft, müsste speziell abgeklärt werden.
Vinon:
grosse Investitionen in Flugzeugpark
In seiner letzten E-Mail erwähnte
Noêl Faucheux diverse Anschaffungen, die dank des guten finanziellen Resultats in Vinon möglich
werden. Darunter ist ein Schleppflugzeug als Ersatz einer Morane Rallye. Die SF
28, die nach Canada verkauft wurde, soll durch einen neuen TMG ersetzt werden. Hinzu
kommen Segelflugzeuge, nämlich eine bereits angeschaffte DG 1001 18/20 als
Ersatz für die ASK-13, die nach Belgien geht und der Kauf eines weiteren
polyvalent einsetzbaren Segelflugzeugs mit 15/18 m Spannweite. Mit dem Erwerb einer
LS-4 und LS-8 zu Beginn dieser Saison realisiert die AVVA mit den für 2020
geplanten Anschaffungen ein Investitionsvolumen wie schon lange nicht mehr.
Mitarbeitende auf dem Flugplatz fordern zudem die Anstellung von zwei
zusätzlichen Personen. Allerdings gäbe es Leute im Conseil d’Administration,
die dafür eher taube Ohren hätten, weil sie der Clubbetrieb nicht besonders
interessiere, sondern sie vor allem für sich selbst besorgt seien. Was daraus
wird? On verra 2020.
Flauer
September
Die drei Wochen ab 15. September brachten zumindest in Vinon fliegerisch nicht mehr viel, vor allem im Vergleich zu den beiden Vormonaten: sehr stabil, starke Inversionen, Plateau Valensole kaum oder nur sehr tief befliegbar, am Wochenende vom 22./23. September auch starke Niederschläge, vermutlich schon in der ersten Septemberhälfte. Der Flugplatz präsentierte sich Mitte September viel grüner als noch Ende August. Es war eindeutig Wetter zum Velofahren, für Ausflüge oder das Geniessen der herbstlichen Stimmung mit dem besonderen Licht der Provence. Die beiden Aufnahmen des parkierten Flugzeugs zeigen die Unterschiede August/September. Im September ist das Flugzeug fast ein Waisenkind auf dem Abstellplatz, wo im Juli/August emsiges Treiben herrscht. Im September hatte man die Hilfspiste, die «piste 28 auxiliaire», buchstäblich für sich.
Schlechte Unfallbilanz 2019
Weit weniger gut als die Segelflugbedingungen und die Erträge ist die Unfallbilanz 2019. Allein mit Startort Vinon sind diesen Sommer sieben Piloten verunglückt, keiner tödlich, aber einige erheblich verletzt mit Total- oder grösseren Schäden an den Flugzeugen. Drei der Verunglückten sind Schweizer, einer flog einen Antares mit Elektromotor. Der Cheffluglehrer Jonathan Withers – genannt John – sprach im September bei einem Drink von einer überdurchschnittlichen Unfallhäufigkeit 2019, und er fragte sich verärgert darüber, was man wohl noch dagegen tun könne. Es würden immer wieder «Basics» nicht beachtet, obwohl man es immer wieder sage. Zwei der sieben ab Vinon Verunglückten waren Eigenstarter mit dem «Klassiker» als Unfallursache: Motor spät ausgefahren, kein Landefeld unter den Flügeln, Motor springt nicht an und dann landet es irgendwo… Der eine sei in einem Gartenrestaurant in Le Vernet zum Stillstand gekommen, nicht allzu weit vom Flugplatz Seyne entfernt – erheblich verletzt, Totalschaden. Der andere habe in der Nähe des Château Rousset aufgesetzt, auch an einem Ort, der gemäss John zum Landen ungeeignet war – nur Materialschaden. Im September verunglückte ein Pilot mit Startort Puimoisson bei Barcelonnette tödlich. Er hätte tief gekreist bis «zum geht nicht mehr», sagte John, statt früh dort zur Landung anzusetzen. Das sind nur einige der Beispiele.
Einen
interessanten Nachtrag gibt es noch zum verunglückten Antares. Das Wrack lag
Mitte September immer noch am Unglücksort, knapp unterhalb der Crête de Liman am Blayeul und ist noch nicht geborgen. Man hätte drei Gesellschaften für den Abtransport
angefragt, alle hätten abgesagt, so die Aussage von John. Es liess sich
offenbar auch kein Helipilot finden, der den Flug mit dem Wrack machen würde.
Es bestehe die Gefahr einer Explosion oder eines Brandes der Lithium-Batterien,
so die Befürchtungen. Man prüfe nun Alternativen, z.B. Sprengung im Winter o.
ä. Diese Situation mit grossen
Lithium-Batterien in einem Segelflugzeug ist für die «sapeurs pompiers» wohl
auch noch neu und ungewohnt.
«Le
Planeur» gut frequentiert
Das
jetzt ausserhalb des Flugplatzgeländes Vinon domizilierte Restaurant «Le
Planeur» ist recht gut frequentiert. Man mag das Christina gönnen, hat sie doch
das aus Eigeninitative aufgebaut. Das vorherige innerhalb des Flugplatzes
gelegene gleichnamige Restaurant musste weichen, weil es die französische Gesetzgebung
offenbar nicht erlaubt, auf öffentlichem Grund – und das ist der Fluplatz Vinon
– einen solchen Restaurationsbetrieb zu führen. Die lokalen Wirte und Hoteliers
sind beim Maire (Bürgermeister) von Vinon vorstellig geworden, was dann zu
dieser Verlegung geführt hat. Nicht mehr im Cockpit ist die frühere Chefin, vor
allem wegen finanziellen Unregelmässigkeiten. Einmal mehr kann man sagen: Wenn
es Südfrankreich zum Segelfliegen nicht gäbe, man müsste es erfinden…
Man kann mit einer Maximalhöhe von 3’000 m.ü.M. um den Alpenbogen herum nach Südfrankreich fliegen – soviel wissen wir heute – einfach alles den Voralpen entlang. Hier ist der Reisebericht unseres Wander-Segelfluges 2019, der uns nach Gap, dann ins Zentralmassiv, gleich zweimal am Tag durch das Rhônetal, über den Jura zurück in die Schweiz und ins Veltlin auf der Alpensüdseite führt.
Wir haben einen Plan
Just auf unseren ersten von geplanten vier Flugtagen beginnt in Zentraleuropa der Sommer. Mit erwarteten Temperaturen von mehr als 30° C. Und für den Auffahrtstag, unseren ersten Flugtag, mit einer aufbauenden Hochdrucklage. Dazu gehören etwas Restfeuchte über unserer Start-Region sowie einfliessende Warmluft, die Segelfliegen über 3’000 m.ü.M. eigentlich ausschliesst. Aber wer braucht sowas denn? Über dieser Höhe kann schliesslich jeder nach Südfrankreich fliegen!
Das Gepäck
Wir haben deshalb einen Plan, der auch darunter
funktioniert. Nämlich im knappen Höhenband zwischen Gelände und tiefer
Bewölkung entlang den Rändern der Schweizer Voralpen vorsichtig in die
Waadtländer Alpen und von dort irgendwie weiter via Savoyen oder die Walliser
Alpen an die Ränder des Rhônetals in die Region Carpentras zu fliegen. Klingt
einleuchtend. Also starten wir. Dank unserer Wander-Segelflug-Erfahrungen mit
immer weniger Gepäck, das irgendwie im Rumpf des Arcus M vom Flugplatz-Schänis
Platz findet und dafür immer mehr Zuversicht im Kopf. Was den Benzinvorrat
betrifft, füllen wir den Flieger mit etwas mehr als 30 Litern und einem
Ölfläschchen für zusätzliche Betankungs-Gemische mit 2% Ölanteil. Das müsste
nach unserer Berechnung mit 20’ Startlaufzeit pro Tag ein gutes Stück reichen.
Damit wollen wir die manchmal aufwendige Jagd nach Autobenzin – das dem
Vernehmen nach in Zentraleuropa kaum zu kriegen sein soll – vermeiden. Aber
davon später mehr.
Wenig Spielraum
Heute darf ich mal vorne sitzen. Und damit starten und landen, während sich Peter hinten um Lufträume und Freigaben kümmert. Diese Arbeitsteilung bewährt sich bei uns seit Längerem und sorgt bei allen Beteiligten für entspanntes Fliegen auch in und um kontrollierte Lufträume. Bis ins Gürbetal ist das aber sowieso kein Thema, die Schweizer Luftwaffe macht an Auffahrt die Brücke und überlässt ihre Arbeitsräume den übrig bleibenden Luftraumbenutzern. So kommen wir in Regionen, die wir sonst weniger befliegen. Wir reisen – immer knapp über Grund und knapp unter den langsam abtrocknenden Cumulus-Wölklein munter quer durch den militärischen Luftraum von Emmen nach Luzern und das ansteigende Gelände des Napfgebietes mit einem Ausflugsrestaurant samt angegliederter Landepiste südlich des Luftraumes von Bern vorbei ins Aaretal. Genauer: ins Gürbetal. Da steht nämlich seit dem 13. Jahrhundert das Schloss Burgistein – es hat also manchen Segelflieger kommen und gehen sehen.
Keine Fehler erlaubt
Peter hat seit dem Überfliegen der Aare das Kommando und kämpft sich für uns nach längerer, erfolgloser Aufwindsuche unter den verlockendsten Wolken mit viel Geduld ab Aussenlande- bzw. Motorstart-Höhe wieder Schritt um Schritt ins aktive Segelflieger-Leben zurück. Das beginnt auf etwa 1’800 m.ü.M. wieder. Dabei bleibt mir viel Zeit für eingehende Betrachtungen. Burgistein war für mich über ein Jahrzehnt lang der Standort eines wichtigen Geschäftspartners. In jenen fernen Zeiten wurden die Häuser im Winter noch mit Heizöl gewärmt. Heute gibt es ja beinahe keine Winter und kaum mehr Heizöl. Ernst Hänni von der Fa. Hadorn jedenfalls kämpft ebenso zäh wie wir auf dem Weg nach oben um das wirtschaftliche Überleben seiner Firma in einem garstigen Umfeld.
Die Berner machen
bessere Aufwinde
Sobald wir über dem Gantrisch-Gebiet über die Kreten kommen, zeigt sich das Berner Oberland von seiner thermisch prächtigen Seite. Tolle, isolierte Cumulusse präsentieren sich in klarer Luft bei bester Sicht vor einem tiefblauen Himmel. Mir schwant schon, was nun kommen könnte. Peter müht sich von hier bis ins Wallis mit Pseudo-Aufwinden ab, die häufig nur einen Halbkreis lang tragen, um sich im zweiten Halbkreis in kleine Wasserfälle zu verwandeln. Das ist natürlich eine schwierige Fliegerei. Es fühlt sich an, als würden die Aufwinde im Leim kleben bleiben. Dafür ist die Sicht atemberaubend, die Berner Alpen sind optisch einfach ‘eine Wucht’.
Das muss die einfliessende Warmluft des aufbauenden Hochdruckgebietes sein, in das wir auf unserem Kurs nach Westen einfliegen. Schaut man sich die Temperatur-Sonde von Payerne an, kann man die warme, trockene Luft fast greifen. Sie führt zu einer Inversion ab einer Flughöhe von 3’000 m.ü.M.
Damit ist unser weiterer Kurs gegeben. Wenn auch inneralpin im Wallis dieselbe Luftmasse überwiegt, müssen wir irgendwie durch Savoyen hindurchkommen. Blöderweise ist daran nicht mal zu denken, die Feuchtigkeit klebt auf allen Höhen. Thermik wird dort keine zu finden sein.
Letzte Hoffnung
Wallis & Chamonix
So fliegen wir vorsichtshalber mal ins Wallis – eine andere
Wahl haben wir gar nicht, wenn wir an unserem Flugplan festhalten und nicht
bereits im Wallis den Tag beschliessen wollen. Weil wir hier der CTR Sion näher
kommen, nehme ich den Transponder in Betrieb und wechsle auf die Frequenz von
Sion – da herrscht nämlich ziemlich viel Betrieb. Die Wolken kleben auch im
Unterwallis tief an den Hängen. Wir parkieren erstmal und sortieren unsere
Optionen.
Die Bernhardiner
lassen uns nicht durch
Der Weg ins Aostatal scheint verstellt. Zu hohe Pässe, zu tiefe Basis. Da kleben die Wolken ebenfalls tief an den Bergflanken. Und mein Bedarf an tiefen Überflügen des Grossen St. Bernhard ist noch vom letzten Jahr von unserem Rückflug aus Barcelonnette gedeckt. Denn von Norden her ist dieser Pass – im Gegensatz zum
Anflug aus Süden – unendlich lang. Da will ich lieber nicht steckenbleiben und
alles zurückfliegen müssen.
Lieber nach Chamonix und zum Mont Blanc
Savoyen ist chancenlos zugeklebt. Damit bleibt nur der Col
de la Forclaz mit dem langen Tal von Chamonix übrig. Wenn wir das lange Tal
vorsichtig der Länge nach queren, wäre der Anschluss an die Voralpen bei Megève
und später zur Chaîne de Belledonne im Kessel von Grenoble möglich. Dass die
Berge da beinahe doppelt so hoch sind wie unsere Operationshöhe, muss uns ja
nicht beeindrucken, oder?
Wie in den Anden
Über dem Col de la Forclaz kann ich nochmals ein paar Meter
mitnehmen – aber das wird garantiert nicht reichen, um vernünftig zum Tal
hinaus zu kommen. Ausserdem ist der Flugplatz Sallanches gerade von seinem
Bürgermeister geschlossen worden. Das sind keine gemütlichen Aussichten. Was
tun? Zurück ins Wallis fliegen und dort bessere Zeiten abwarten?
Da fällt mir mitten in dieser wunderbaren Gipfelwelt auf, dass am Nordende des Eiskessels von Argentière ein kleiner ‘Fumulus’ entsteht und wieder verschwindet, wieder kommt. Mit einer ca. 500 Meter höheren Basis. «Könnte ja sein, dass die Luft in diesem Tal noch nicht von einfliessender Wärme kontaminiert ist», schiesst mir sofort durch den Kopf. Also nix wie hin. Tatsächlich steht da in prächtigster 4’000er Kulisse ein satter, enger und starker Aufwind, der uns auf eine Höhe trägt, mit der wir das Tal sicher durchfliegen können.
Persönlich finde ich die Gipfel, die bei der engen Kreiserei um uns herum wandern, die schönsten der Welt. Mal abgesehen von den chilenischen Torres del Paine. Aber die Aiguille Verte mit dem Grand Dru, die Courtes, Droites, der Mont Dolent, die Aiguille de Triolet sind für mich voller bergsteigerischer Erinnerungen und einfach überwältigend schön. Ich bin schlicht begeistert. Entsprechend euphorisiert umfliege ich den Bonatti-Pfeiler, geniesse den phantastischen Ausblick auf die Grandes Jorasses und letztlich den Mont Blanc bis in die Region Megève, wo sich die segelfliegerische Optik wieder deutlich besser präsentiert. Da sinkt die Basis zwar deutlich ab – das hilft uns aber, schneller unter der fast geschlossenen Hang-Bewölkung voranzukommen.
Die Talinversion von
Grenoble packt uns
Bis zum olympischen Skiort Chamrousse, in dessen Schnee 1968 der französische Nationalheld Jean-Claude Killy einst seine Goldfurchen zog, sieht alles gut aus. Ein paar vereinzelte Segelflieger sind auf unserer Höhe unterwegs. Interessant ist nur, dass die Wolkenbasis teilweise deutlich höher liegt. Seltsam, dass die ihre Operations-Höhe hier nicht ausschöpfen?
Peter klappert die möglichen Aufwindquellen unter prächtigen Cumulaten ab. Nichts zu finden, ausser Abwinden. Auch der Versuch auf der anderen Talseite bringt uns nicht weiter. Mühsam kämpft er sich am letzten Hügelzug (la grande Serre) ins Trièves auf Kretenhöhe. Wir verstehen beide gerade die Segelflug-Welt nicht richtig. Alles stimmt. Talwind. Sonne. Allgemeine Windrichtung. Trotzdem wird der Arcus M in der Luft herumgeworfen wie ein Blatt im Wind. Nachträglich kann ich mir die ungemütliche Lage nur mit der stabilen Luft im Kessel von Grenoble erklären. Offensichtlich fliesst bei NW-Wind bzw. mit dem Talwind-System stabile Luft aus dem Rhônetal (das sind ja tolle Aussichten für den Folgetag) ins breite Tal von Grenoble herein und erschlägt die Thermik.
Am Nordende des Lavaldens ist ein Bergkamm nicht nur voll von der Sonne eingestrahlt, sondern auch gegenüber dem NO- und Talwind exponiert. Darüber steht eine Reihe von Prachts-Wolken. Tief und zuversichtlich wie wir sind, nehmen wir vorhandene Höhe und Mut zusammen und Peter stürzt sich auf die nördliche Krete. Das funktioniert nach ein paar Anfangs-Schwierigkeiten bestens. Interessant ist, dass der Berghang nicht auf der Sonnen- sondern auf der Schattenseite gut trägt. Verkehrte Welt. Selber hätte ich es auf der Sonnenseite versucht – aber man soll den Erfolg nicht mit ungefragten Gratis-Tips aufhalten. Also halte ich lieber still und lasse mich nach oben schaukeln.
Es ist gelaufen
Damit ist die Sache für heute gegessen. Wir entscheiden uns
aufgrund der Infrastruktur und einer nahen Ortschaft für den Flugplatz Gap als
Übernachtungsort und verzichten darauf, wie ursprünglich geplant, an den Rand
des Rhônetales nach Carpentras hinaus zu fliegen. Damit lassen wir uns alle
Optionen offen, sollte sich das Wetter morgen in Norditalien unerwartet besser
entwickeln. Aber auch der Weg nach Westen ist mit dieser Entscheidung bestens
möglich.
Zahllose Menschen
fallen vom Himmel
Gap hat eine massive CTR um sein Gelände herum. Beim Anflug über die offiziellen Einflugpunkte wird mir klar, warum das so ist. Das Fallschirm-Zentrum läuft auf Hochtouren. Mit zwei Maschinen werden ohne Pause Fallschirmspringer nach oben transportiert. Damit die Flugzeuge ausreichend Platz für Auf- und Abstieg haben, ist ein entsprechend grosser Zylinder nötig, in dem auch die Springer geschützt vor fliegenden Eindringlingen wieder zurück zur Erde gelangen. Segelfliegerisch tanzt der Bär allerdings nicht in Gap. Ich lasse den Arcus M auf dem grossen Flugplatzgelände bis zwei (!) Meter vor die Fixations-Kabel ausrollen. Wir sind – bis auf einen Gast aus Pforzheim – offenbar die einzigen hier. Glücklicherweise finde ich zwei vergessene Fixations-Seile, mit denen wir den Arcus M für die Nacht verzurren können.
Wir machen es uns in einem direkt am Flugplatz gelegenen
Hotel gemütlich und putzen uns hungrig für das bevorstehende Nachtessen heraus.
Mit dem Rest-Parfum von Peter riechen wir beide dann auch verwechselbar
ähnlich.
Vom Charme attraktiver älterer Herren
So ausgerüstet machen wir uns zu Fuss ins dem Vernehmen nach nahe Tallard auf – um dort in einer ebenfalls dem Vernehmen nach feinen Pizzeria eine typisch französische Mahlzeit zu geniessen. Als wir uns aus dem Gebüsch auf die Strasse schlagen, entwickelt Peter spontan einen Plan. Er stürzt sich vor das erste heranbrausende Auto und mimt einen älteren, gutaussehenden Herrn, der vorübergehend ohne fahrbaren Untersatz unterwegs ist.
Elegant ins nächste
Dorf
Das erste Auto rauscht nicht ganz unerwartet ohne geringste
Anzeichen eines Bremsversuches an uns vorbei. Der Fahrtwind wirbelt unsere
Frisuren schön durcheinander, vor allem jene von Peter. Naja, das kennen wir ja
schon aus Barcelonnette. Da hat uns nach 45 min. Autostopp auch nur ein Senior
(unseren Alters also) aus Mitleid und dank späterer Bestechung mit einem
Schweizer Armee-Taschenmesser auf den Flugplatz mitgenommen.
Doch da kommt schon ein nächstes Auto. Peter ist erneut voller
Zuversicht und wiederholt seinen Versuch, den Wagen anzuhalten. Und dann
passiert das Unerwartete, nahezu ein Wunder: der winzige Peugeot stoppt aus
voller Fahrt! Und aus dem Wagen entsteigen zwei 20jährige französische
Schönheiten. Ein junger Herr im Fond ist da auch noch, aber der muss sich nach
freundlicher Begrüssung mit den nun wesentlich engeren Platzverhältnissen auf
dem Rücksitz abfinden. Denn nun haben wir uns auf der Rückbank eingefädelt.
Nicht ganz einfach. Bis nach Südafrika möchte ich so schon nicht reisen.
Burger statt Foie
Gras
Nach wenigen Minuten verabschieden wir uns in Tallard von
unseren FahrerInnen und machen uns auf die Suche nach der Pizzeria. Den
nachfolgenden, kulinarischen Teil des Abends kann man mit einem Satz
zusammenfassen: die offenen Restaurants waren überfüllt und überbucht, die
geschlossenen eben geschlossen. Was zum ungewollten Besuch eines Kebap-Standes
und etwas ungewohnten Essen am Strassenrand führte. Es war aber alles frisch –
wir haben danach kein seltsames Bauchgrimmen verspürt.
Den Nachhauseweg haben uns unsere beiden Chauffeusen dann bei einem zufälligen Wiedersehen in der Dorfbar nochmals ausführlich erklärt. Ich mag mich schon nach wenigen Sekunden nur an ‘Gauche, Droit, tout droit’ erinnern. Peter ist bis heute der Meinung, sie hätten sie fast darum gebalgt, wer uns den schwierigen Heimweg durch dunkle Wälder und Wiesen genauer erklären oder uns sogar dabei begleiten dürfe.
Am Ende tappen wir alleine in der Dunkelheit durch Dorf, Wiese und Wald zurück ins Hotel. Wundersamerweise haben wir uns nicht verlaufen und sind dank ‘gauche, droit und am Ende sehr viel ‘tout droit’ direkt vor dem Hotel gelandet. Da musste uns niemand mehr in den Schlaf singen, wir sind beide hundemüde in die Betten gesunken.
Fortsetzung folgt
Wie es weitergeht, erfahren Sie in Teil 2. Darauf gehe ich neben der Ergründung des Fallschirmspringer-Erfolges in Gap auch auf eine neue Variante der ‘Geschichte mit den Eiern’ ein, die wir auf einem unserer ersten Wandersegelflüge in Grenchen erlebt haben.
Ein paar Zusatz-Informationen zu unserem ersten Wandersegelflug-Tag:
Dieser neunseitige, hier erhältliche Reiseführer liefert Ihnen Informationen, die Sie für Ihren Segelflug-Urlaub im südfranzösischen Segelflug-Zentrum Vinon s/Verdon – auch mit der Familie – brauchen. Was sie wo bekommen, Kontakte, Ferienwohnungen, Hotels, Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Familien-Programme. Der Reiseführer enthält jede Menge direkter Links auf einzelne Anbieter.
Vinon hat sich als Ausgangspunkt für sehr lange Rekordflüge von den Alpen bis zum Westende der Cevennen oder sogar in die Region Paris sowie als Ausrichter nationaler und internationaler Meisterschaft einen Namen geschaffen.
Vinon ist ein traditionelles Urlaubsziel für Gäste, die vor, während und nach der Saison dem häufig (zu) feuchten Wetter nördlich der Alpen entfliehen möchten. Das meistens fliegbare Wetter im Flachland, den Voralpen und inmitten der höchsten europäischen Gipfel in den Hochalpen sind die Trümpfe dieses Segelflug-Zentrums – abgesehen von der auch abseits des Flugplatzes als Urlaubs-Destination für die ganze Familie interessanten Provence.
Der fünfseitige, bebilderte und mit IGC-Files zum Nachfliegen bestückte Artikel führt Sie über klassische und weniger bekannte Thermik-Strassen Südfrankreichs hinauf in die eisigen Gipfelregionen der französischen Alpen – hier erhältlich.
Südost-Frankreich ist eine von der Sonne besonders verwöhnte Ecke Europas. Kein Wunder, pilgern bei fast 300 Sonnentagen pro Jahr die Segelflieger Nordeuropas in Scharen in die südfranzösischen Segelflug-Zentren. Vinon liegt im Flachland der Provence, weit im Süden der Region. Der Anschluss an die starken thermischen Aufwinde der Voralpen über die Ebene von Valensole oder das Durance-Tal hat zu Unrecht den Ruf, schwierig zu sein.
Sie erhalten nicht nur einen fünfseiten Beschrieb der Thermik-Haupstrassen durch die französischen Südalpen, sondern im Artikel eingebunden zusätzlich kostenlos sechs IGC-Files zum nachfliegen.