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600 Kilometer im Regen, Teil 2

Martin Knops

Aus einem Tag mit schwierigem Wetter das Beste rauszuholen macht mehr Spass, als bei Hammerwetter einen Rekord zu fliegen.

Es bleibt spannend
Nun ist er geschafft, der Einstieg in das Traumwetter im Norden. 30 km/h Gegenwind sind schon ein Wort, aber unter den sich bis zum Horizont abzeichnenden Wolken-Strassen würde ich schon vorankommen. Kehrtkurve um 15:30 Uhr und dann würde mich der Wind im Rekordtempo gen Heimat tragen. Gesagt, getan: entspannt und meist im Geradeausflug ging es westlich an Münster und Osnabrück vorbei bis Delmenhorst. Hier war die Zeit abgelaufen. Zwischendurch hatte ich immer mal wieder das Satellitenbild gecheckt und musste feststellen, dass weiter Schauer durch Sauerland und Rheinland zogen. Vielleicht gab es ein Durchkommen, vielleicht aber auch nicht.. Der Weg über den Niederrhein sah dagegen wesentlich offener aus. Offener und sicherer trotz des abschließenden Streckenabschnitts gegen den Wind zurück nach Langenfeld. Also Umkehrkurve und im Prinzip den gleichen Weg zurück, den ich gekommen war.

17:10 Uhr bei Wesel – Auch in Flugrichtung sieht es leider nichter sooo gut aus, es schauert schon wieder.
17:13 Uhr, der Rhein bei Wesel.
17:57 Uhr bei Erkelenz

Ganz so entspannt wie gedacht wurde es dann allerdings doch nicht. Bei Wesel schien das gute Wetter zu Ende zu sein. Es lief breit, keine Wolke sah mehr richtig gesund aus und ich musste recht tief herunter, ohne das Vertrauen zu haben, dass es gleich wieder ordentlich hoch gehen würde. Ging es dann aber doch immer wieder, und selbst der Rückflug gegen den Wind klappte problemlos.Insgesamt ein wunderbarer Flug, auf den beim Start niemand einen Pfifferling gewettet hätte. Wie meinte unser Vereinsurgestein Uli noch anerkennend: Er habe schon immer gewusst, dass wir eines Tages 500 km auch im Regen fliegen würden. Jetzt waren es sogar 600!

18:07 Uhr – noch 30 km und das Kraftwerk Neurath im Blick

Text und Bilder Martin Knops

600 Kilometer im Regen

Autor Martin Knops

Für unvergessliche Erlebnisse und die reichliche Ausschüttung von Endorphinen braucht es nicht unbedingt Hammerwetter. Vielmehr macht es gerade in schwierigem Wetter, zwischen Schauern und Abschirmungen, bei starkem Wind, niedriger Basis oder im Blauen unheimlich Spaß, das Maximum aus dem Tag herauszuholen, einfach unserem wunderbaren Hobby zu frönen.

Die Saison 2024 ist ein zähes Unterfangen. Zumindest bis Anfang Juli waren die guten Tage rar gesät, ist so mancher Wettbewerb „ins Wasser gefallen“ und überhaupt: Wasser gab es reichlich. Immer wieder von oben und in einigen Regionen leider auch aus anderen Richtungen. Eine Jahrhundertflut ereignet sich mittlerweile gefühlt alle zwei Monate irgendwo in Europa.

Links die optimistische PDF-Vorhersage und rechts die Wolkenvorhersage

Trotz dieser Wetterkapriolen konnte man im Frühjahr 2024 in Deutschland natürlich auch schön Segelfliegen. Sehr schön sogar!

Links die Windvorhersage und rechts die Niederschlagsvorhersage.
Es war doch noch deutlich feuchter südlich des Ruhrgebietes.

Der Glaube ans Wetter

Für mich ging es dieses Jahr am 21.4. los. Erst am 21.4. Länger konnte und wollte ich mit dem Saisonstart einfach nicht warten. Und so bog ich mir den Wetterbericht ein wenig zurecht und setzte die rosarote Brille auf: Am frühen Morgen sollte die letzte Schauerlinie in Langenfeld durchziehen. Danach würde es flott aufmachen, den Rest des Tages trocken bleiben und im frischen Nordostwind sollten sich in der Kaltluft wunderbare Reihungen bilden. Im Norden würde es sogar „noch besser“ werden, so die Verheißungen der Meteorologen.

Außer mir wollte aber so recht niemand an das Wetter glauben und als ich mich morgens um 08:00 Uhr im Nieselregen in Aachen ins Auto setzte und auf dem Weg nach Langenfeld gleich zweimal richtig nass wurde, beschlichen selbst mich leichte Zweifel.

Beim Briefing beschlossen wir dann zunächst, die sich für 10:00 Uhr ankündigende Schauerlinie abzuwarten und vor allem den Platz abzugehen und auf Befahrbarkeit zu prüfen. Wie gesagt: Regen gab es dieses Frühjahr reichlich und trotz Drainagen glich unser Flugplatz zeitweise eher einem Feuchtbiotop.

Letztlich gab es aber grünes Licht und praktisch mit dem ersten sich durch die Stratusdecke kämpfenden Sonnenstrahl ließ ich mich von der Winde in den Himmel zerren. Nach wenigen Kreisen war die Basis erreicht. Also Aufrichten und mit Rückenwind Richtung Südwesten.

Zwischen Plan und Wirklichkeit

Der Plan war, über den Niederrhein den Düsseldorfer Luftraum zu umfliegen und im Norden in das gute Wetter vorzudringen. Dann soweit wie möglich gegen den Wind nach Nord-Nordost und hinter den zwischenzeitlich abgezogenen Schauern über das Sauerland zurück nach Langenfeld. Soweit der Plan.

Unter der wirklich niedrigen Basis ging es zunächst mit Riesenschritten ohne einen einzigen Kreis Richtung Aachen. Querab Weissweiler nach Norden abgedreht lief es fortan quer zum Wind deutlich zäher. Die Wolken lockten mich immer wieder in den Düsseldorfer Luftraum. Ging natürlich nicht. Also wieder quer.

Zwischen Krefeld und Moers quer im Wind unter niedrigen 6 bis 7/8.

Als ich es endlich geschafft hatte soweit nach Norden vorzudringen, dass ich die Nase wieder in den Wind drehen konnte, baute sich vor mir eine Schauerlinie auf. Umdrehen oder hindurchfliegen? Weglide-Copilot zeigte, dass nördlich der Linie fleißig geflogen wurde. Hier war es, das ersehnte Hammerwetter! Also weiter! An den Regen ran. Oft steigt es ja sogar noch im Niederschlag. Diesmal aber nicht! Stattdessen ging es jetzt richtig runter! Ein zurück gab es nun nicht mehr. Links vorne lockte die Sonne und 10 Kilometer weiter im Norden konnte ich sogar die erste vielversprechende Quellung erspähen. Quer- und Seitenruder voll links, durch den Schauer hindurchtauchen und im gestreckten Galopp zum avisierten Auslösepunkt. Leider klebte die Varionadel immer noch am unteren Anschlag. Ich würde aber ankommen. Vielleicht 200m über Grund. Ein Acker stand auch parat. Im Münsterland kann man fliegen, bis das Rad rollt.

Reken im südlichen Münsterland – hinter der Schauerlinie lockt das Hammerwetter

Immer noch falle ich gefühlt ins Bodenlose. Jet zünden oder weiter und im Zweifel direkt auf den Acker? Ich entscheide mich für den Kompromiss, fahre das Triebwerk schonmal aus, zünde aber nicht. So verkürzt sich die Zeit, bis der Jet Schub erzeugt um immerhin 10 Sekunden und die ausgefahrene Düse macht kaum Widerstand. Jetzt hebt es langsam. Ich nehme die Fahrt weiter zurück. Ein Schlag unter die rechte Tragfläche: das ist der erwartete, ersehnte, erhoffte rettende Aufwind. Schon der erste Kreis bringt 2 m/s integriertes Steigen. Wow!

Der zweite Teil des Streckenerlebnisberichtes folgt am Montag, 18.11.2024

Martin Knops Baujahr 1972, begeisterter Segelflieger seit 1987, Fluglehrer, Wettbewerbspilot, passionierter Alpenflieger und Entwicklungsleiter Maschinenbau