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Charlie-Sierra: Have Fun! (Teil 2)

-> Hier finden Sie den ersten Teil der Bitterwasser-Expedition.

Autor Ernst Willi

Peters Tausender
Am Montag, 27. November 2023 starten wir zuversichtlich nach Nordosten. Unser Plan ist, mit einem eleganten Dreieck und einer ersten Wende in der Region von Gobabis, einem zweiten in der Region Gamsberg und einer dritten am Rand der Namib bei Lüderitz Peters ersten Tausender zu fliegen. Schon nach 200 km droht sich dieses Vorhaben unter sich schnell ausbreitender Feuchtigkeit am Rand der TMA Windhoek in Staub aufzulösen. Wir erwischen einen schlechten Start und unser Entscheid, ins gute Wetter zurück zu kehren fällt viel zu spät. Trotzdem entwickelt sich über den wenigen verbleibenden Sonnenflecken glücklicherweise genügend Aufwind, um den Anschluss an die strukturierten Verhältnisse in der Region südlich Windhoeks wieder zu finden.

Unsere 1000er-Pläne drohen von breit laufenden Wolken zugedeckt zu werden.

Viel zu langsam

Bei unserem bisherigen Durchschnitts-Tempo brauchen wir aber im besten Fall elf Stunden für Peters Wunsch-Distanz. Die Uhr zeigt halb zwei und wir haben erst rund 250 km hinter uns und nur noch fünfeinhalb Stunden Tageslicht sowie lächerliche 700 km vor uns. Das wird eng, d.h. konkret, wir kommen nur mit einem Schnitt von mindestens 130 km/h rechtzeitig ins Ziel. So schnell sind wir beide noch nie über eine solche Distanz geflogen. Es wird leise im Cockpit, Enttäuschung macht sich breit. Sollen wir jetzt aufgeben? Angesichts der etwas mauen Wetterprognosen für die verbleibenden Flugtage könnte heute auch gleich die letzte Chance für Peters Vorhaben sein.

Unwirtlich, aber mit starker Thermik: die „Voralpen“ zum Küstengebirge im Nordwesten von Rehoboth.

Tiefpunkt und erster Hoffnungsschimmer

Beim Einstieg in die Berge am Rande der Namib sind wir mit 2’500 m ü.M. an einem echten Tiefpunkt angelangt. Da fliesst plötzlich ein Zaubertrank namens «Konfluenz» in unsere halbleeren Trinkbeutel. Ein rabiater Aufwind spült uns mit bis zu 5 m/sec. wieder auf 4’500 m hinauf. Hoffnung keimt auf. Unser Kampfgeist erwacht. Jetzt wird es mucksmäuschenstill im Flieger.

Eine ausgeprägte Konfluenz bringt uns auf Speed, der zweite Flugabschnitt ist deutlich schneller als unser schwieriger Start.

Geradeaus. Geradeaus. Geradeaus.

Ab jetzt nutzen wir die vor uns liegenden Wolkenstrasse für einen beinahe zwei Stunden anhaltenden Geradeausflug (…). Dabei können wir wie ein Motorflugzeug unsere Ausgangs-Höhe von über 3’500 m ü. M. nicht nur halten, sondern auf über 4’000 m ausbauen. Erst südwestlich von Helmeringhausen drehen wir erstmals wieder auf. Wir sind «back in business». Eeendlich! Jetzt fehlen uns «nur noch» ca. 220 km und wir haben fast drei Stunden Tageslicht übrig. Das schaffen wir nach diesem heissen Ritt mit über 180 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit bestimmt, wenn wir uns jetzt nicht noch irgendwo eingraben.

Ausserdirdische Wüstenlandschaft zwischen Helmeringhausen und Lüderitz.

Endanflug über 200 km

Peter zaubert auf dem Endanflug bei Maltahöhe 500 und ca. 80 km später weitere 400 Höhenmeter auf den Höhenmesser und schippert uns damit sicher und mit etwas Tageslicht-Reserve rechtzeitig «nach Hause». Dass 50 km vor dem Zielpunkt eine Gewitterlinie mit Schauern steht, kann uns auch nicht mehr aufhalten, wir haben ausreichend Höhenreserve im Gepäck, um die Zellen zu umfliegen. Die Freude und Genugtuung über seinen ersten Tausender ist gross. Auch wenn die Namibia-Profis am gleichen Tag längere Distanzen fliegen, sind wir stolz auf den Flug. 1’000 km sind immer weit, die Distanz thermisch zu fliegen, verlangt in jedem Fall Sitzleder und konsequentes Vorfliegen mit deutlich höheren Geschwindigkeiten, als wir uns in den Alpen gewohnt sind. Abends feiern wir mit einer Extradosis Schnupftabak und dem gewohnten roten Gold aus der Flasche. Es ist kein Gerücht, dass der Merlot-Vorrat an diesem Abend in Bitterwasser zur Neige geht und aus Windhoek nachgeliefert werden muss.



Zweiter Tausender mit «Hitchcock-Finale»

Drei Tage später passt unverhofft nochmals alles zusammen. Diesmal ist einfach ständig alles knapp. Die Höhe, das Tageslicht und die technischen Ressourcen. Nach 570 km verabschiedet sich im allerdümmsten Moment – erneut an einem fliegerischen Tiefpunkt westlich von Kiripotib auf 2’500 m ü.M. oder 800 m über Grund – unser Bordrechner mitsamt dem Moving-Map-System. Zu allem Übel laufen in der Region Gamsberg jetzt auch noch die Wolken auseinender und Schauer breiten sich grossflächig aus.

Zuverlässige Thermik befreit uns aus dem Kellergeschoss.

Zum Glück habe ich kurz zuvor noch in der Statistik nachgesehen, wie weit wir denn bisher überhaupt gekommen sind. So addieren wir im Kopf fleissig km-Zahlen aufeinander, rechnen die verbleibende Tageszeit, Durchschnitts-Geschwindigkeiten und Dergleichen, damit unser zweites Tausender-Projekt «nicht in den Bach fällt». Etwa zwei Stunden später erholt sich der vordere Bordrechner überraschenderweise wieder und liefert zusehends plausiblere Flugstatistiken. So können wir im Flug einigermassen zuverlässig kalkulieren, wie weit wir noch nach Südwesten fliegen müssen, um doch einen Tausender voll zu bekommen. Ein erneuter Tiefpunkt erwartet uns nach einer Reihe von geflogenen Umwegen um die niedergehenden Schauer bei der Querung eines breiten Taleinschnittes, aus dem ein trockenes Flussbett namens «Tsondab-River» westwärts in die Namib führt.

Wir kalkulieren mangels Moving Map-System den zweiten Wendepunkt „von Hand“.
Wie weit müssen wir denn nun noch nach Südwesten?“ Wieviel Tageszeit bleibt noch?

Einfliessende Wüstenluft

Bis ich nach endlosen wie erfolglosen Versuchen, Aufwinde zu zentrieren, endlich realisiere, dass es wegen der aus der Namib-Wüste einfliessenden Wüstenluft keine schlaue Thermik mehr gibt, sind wir tief unten im Keller. Die Temperatur, der Herzschlag und die Zahl der Schweigeminuten im Cockpit wachsen exponentiell. Den entscheidenden Hinweis, die Situation zu erkennen, liefern Wolken-Girlanden, die unter einer unerreichbar hoch scheinenden Wolkenbasis scheinbar planlos in der Luft hängen. Offenbar drängt hier die schwerere, kalte Atlantikluft unter die heisse Luftmasse über dem Kontinent und hebt sie an. Das muss der untere Rand der Konfluenz sein. Nichts wie hin!

Jetzt bloss keinen Fehler machen, wir müssen hier unbedingt Aufwind finden…

Theorie und Praxis

Ich spüre der Puls beim Eindrehen unter dem ersten Wolkenfetzen bis in die Halsschlagader. Hier kann man nirgendwo vernünftig landen, wenn wir diesen Aufwind nicht erwischen. Der hält aber, was ich mir verspreche. Jetzt bloss nicht rausfallen! Sorgfältig zirkle ich den Arcus so steil ich kann durch den stärker werdenden Aufwind und versuche, keinen unnötigen km auf dem Fahrtmesser zu verschwenden. Nach quälenden zehn Minuten konzentrierten Kreisens zeigt der Höhenmesser wieder 4’500 Höhenmeter an. Wir sind wieder im Rennen. Da wir unseren ersten Wendepunkt am Mittag weit nach Nordosten gelegt haben (Farmland), bleibt uns bei der säuberlich kalkulierten Wende nordwestlich der Maltahöhe nur noch ein überschaubarer Endanflug, den Peter wie schon beim ersten Mal souverän mit zwei Aufwinden sauber zusammenbaut.

Imposanter Schauer beim Durchfliegen einer Gewitterlinie.

Knapp und knapper. Ob es reicht?

Letztlich kalkuliert unser wieder zum Leben erwachter Bordrechner 100 km vor dem Ziel eine Flugdistanz von 998 km bis Bitterwasser. Das darf jetzt aber nicht wahr sein! Wir wollen keine unnötigen JoJos einbauen, sondern ein sauberes Dreieck in die Landschaft fliegen. Bei der letzten Wende bin ich sicherheitshalber noch 10 km zu weit geflogen. Nun verschwinden die mysteriöserweise wieder. Während des ganzen Endanfluges fehlen uns dann die zwei Kilometer. Erst beim Überfliegen der Bitterwasser-Pfanne löst sich das Rätsel auf. In der Bordrechner-Datenbank sind mehrere «Bitterwassers» eingegeben, eines davon zwei km weiter östlich. D.h., auch der zweite Tausender von Peter ist in trockenen Tüchern. Mit 1’002 km geflogener Distanz passt letztlich alles «tout juste» zusammen. Man muss es ja nicht übertreiben. Tausend bleibt tausend.

Wir verlassen die letzten hochreichenden Aufwinde über der Küstenregion.
Jetzt geht’s nur noch 120 km geradeaus.

Den Rest des Abendprogrammes kennen Sie inzwischen: Schnupftabak und Merlot in ausreichenden Dosen.


Ein Wort zum Wetter in Namibia

Eine Übersicht über die meteorologischen Rahmenbedingungen finden Sie in einer ausführlichen Beschreibung von Bernd Goretzki hier. Etwas nachdenklich macht mich vor der Abreise folgende Passage:

«Gemütlich die Wolken anfliegen ist hier nicht. Die starken Bärte sind oft schon verpufft, wenn man dort ankommt. Hier ist alles viel kurzlebiger, es gibt keine Dauerbärte. Die Energie wird schneller umgesetzt und die Zyklen sind auf Grund hoher Vertikalgeschwindigkeiten kürzer. Was genauso geht, wie in Europa, sind die dicken Cumulus-Congestus-Wolken. Bei den kleinen Cumulanten kommt man aber oft zu spät an.»

Nicht immer erwischen wir unter den dicken Cumulus auf Anhieb die besten Aufwindzonen.

Diese Schilderung beschreibt die Verhältnisse treffend. Am zuverlässigsten ziehen die «dickeren Dinger». Auf einem der Flüge verzweifeln Heinz und ich aber beim Finden der Aufwinde darunter beinahe und entwickeln phantastische Theorien. Tests, ob die Congestus auf der Luv- oder Sonnenseite besser ziehen, misslingen völlig. Wir finden überhaupt nichts, obwohl über uns eine grosse Cumulus-Wolke mit mehreren Aufwind Zentren steht. Womöglich waren die einfach schon «beim Feierabendbier», wie von Bernd Goretzki beschrieben.

Aufwindqualität. Zuverlässigkeit.

Darüber hinaus finden wir auf den meisten Streckenflügen verbreitet Aufwinde über 3 m/sec., immer mal wieder welche mit 4 bis 5 m/sec. während ein paar Minuten und selten welche mit 6 m/sec. über mehrere Vollkreise hinaus. Manche fühlen sich «brachial» an, sie werden mir in Erinnerung bleiben. Auf einem der langen Flüge falle ich wie weiter oben erwähnt auf gerade noch 800 m GND in einen länger anhaltenden 5-m/sec.-Aufwind. Nach anderthalb Minuten sind wir bereits 500 m höher, kurz darauf wieder in etwas schwächerem Steigen auf beruhigenden 4’000 m ü. M. Wir versuchen, über dem meistens schwer landbarem Gelände hochzubleiben. So wird man zwar nicht schnell(er), dafür schont man sein Nervenkostüm.

Hochbleiben ist nervenschonend(er).

Der Regen kommt nie zu Boden. Wirklich? Die Meinung, dass die trocken-heisse Luftmasse Namibias Schauer meistens austrocknet, bevor sie den Erdboden erreichen, kann ich nicht vollumfänglich teilen. Sind die Gewitterzellen ausreichend mächtig, treiben sie anfangs wie ein gigantischer Schneepflug mit einer Sand- und Staubwalze alles vor sich her, was nicht fix am Boden verzurrt ist. Windgeschwindigkeit bis ca. 80 km/h am Boden sind dabei keine Seltenheit und kommen Aussagen Einheimischer zufolge in der Thermiksaison auch etwa einmal monatlich vor. Dass man auch damit umgehen kann, beweisen die beiden französischen Piloten Thierry Boilley und Barthelemy Gras in einem der Arcus M. Sie landen kurz nach einer Sandwalze professionell, schnell, steil und sicher mitten in die sich drehenden Winde in die Pfanne Bitterwassers, ohne den kleinsten Kratzer zu verursachen. Trotzdem sind alle erleichtert, die Crew unbeschadet zurück am Boden zu wissen.

Zweimal haben wir nördlich Bitterwassers grosse Gewitter mit einem Durchmesser von ca. 100 km umflogen und haben zum Glück frühzeitig den Abgang und eine Sicherheitslandung gewählt. Die Zellen entwickeln ihre Macht schnell. Besser, man geht ihnen aus dem Weg. Die darin eingebetteten Schauer müssen den Boden auf jeden Fall erreicht haben, denn am Tag unserer Rückreise war die Wüstenlandschaft südlich Windhoeks wie von Zauberhand mit grüner Farbe eingefärbt. Diese Mini-Regenzeit reicht offenbar, um alles Leben in die Trockenheit zurückzubringen.

Die Besten

Auf der Rückreise in die kühlere Nord-Hemisphäre sind wir uns einig. Es war ein Abenteuer, das mit dem Adjektiv «unbeschreiblich» am besten eingefangen wird. Ob’s ein weiteres Bitterwasser in unserem Segelflieger-Leben gibt? Ich weiss es nicht. Schön wär’s schon.

Aber auch wenn die Reise einmalig bleiben sollte, blicke ich dankbar auf eine unvergleichliche Zeit in bestmöglicher Gesellschaft zurück. Ich werde diese Expedition jedenfalls nie vergessen.

Mein persönliches Dankeschön geht an alle, welche sie ermöglicht haben. Vor allem an meine Brigitte, die zuhause trotz gesundheitlicher Probleme die «Fahne hochgehalten hat», an Peter als smarten und schwungvollen Treiber hinter dem Projekt sowie an Heinz und Sigi, die mit ihrem staubtrockenen Humor und einem endlosen Technik-Know How einer Expedition wie dieser bestmögliche Sicherheit verleihen.

Ihr seid die Besten!

Charlie-Sierra: Have Fun!

Autor Ernst Willi

Dieser beflügelnde Abschiedsgruss von «Shooter» Michael Stoltze begleitet alle startenden Besatzungen der Bitterwasser-Gäste auf ihren weiten Flügen quer durch Namibia.

Diesen Winter steigert er für einmal auch die Vorfreude meiner drei Freunde und von mir als Besatzungen zweier Charter-Arcus M auf unseren Erkundungsflügen ab dem bekannten Segelflugparadies zwischen Namib und Kalahari.

Once in a lifetime

Für die meisten Piloten, bei denen das Geld nicht gerade durch die Dachrinne in den Keller regnet, bleibt ein Segelflug-Urlaub in Bitterwasser/Namibia etwas ausser Reichweite. Das Projekt ist schon aufwendig. Man muss eine Anreise um den halben Globus planen, ein eigenstartfähiges Flugzeug moderner Bauart und eine Unterkunft mieten. Die sagenhafte Abgelegenheit Bitterwassers treibt die Kosten hoch, müssen die Flugzeuge doch eine mehrwöchige Reise im Schiffscontainer zurücklegen und der komfortable Aufenthalt in der Segelflieger-Lodge zwischen Kalahari- und Namib-Wüste löst ebenfalls Aufwand aus. Mit der inneren Haltung, mir diese Expedition einmal in meinem Segelflieger-Leben zu leisten, steige ich vor etwas über einem Jahr ins Projekt «Bitterwasser» ein. Nach dem Urlaub bin ich mir beim «once» aber etwas unsicher.

Während der ersten Flugphase scheint nicht nur die Landschaft endlos: die ersten ein bis zwei Stunden krabbeln wir oft tief durch die Gegend – bei entsprechend heissen Temperaturen im Cockpit. Köche bezeichnen diesen Prozess als „Niedergaren“.

Fleissige Hände. Welle der Freundlichkeit.

Der erwähnte Aufwand lohnt sich. Dieser Urlaub gehört zu meinen aussergewöhnlichen und unvergleichlichen Reisen. Die Lodge ist bestens organisiert, der Flugbetrieb ist dank der riesigen «Pfanne» aussergewöhnlich sicher, wir fühlen uns sofort «hoch willkommen» und von einer Welle von Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft getragen. Dagmar und Rainer Hog mit seinem Team aus dem Flight Office, der Küchen-Mannschaft, den Line-Boys und den fleissigen Händen hinter den Kulissen, in der Wäscherei, dem Unterhalt der Lodge usw. gelingt es täglich, eine 5-Sterne-Atmosphäre herbeizuzaubern.

Gesellschaftliches Zentrum der Lodge: das Restaurant mit seinem aufwendig von vielen fleissigen Händen gepflegten Stück grünen Rasens.

Urinal-Kondome, steifer Arm und Trinksack

Lange, bevor wir in Zürich-Kloten die riesige Blechzigarre besteigen, die uns via Frankfurt nach Windhoek tragen soll, beginnen verschiedene Vorbereitungs-Arbeiten. Peter organisiert Flugzeuge, Unterkunft und Reise. Unser ursprüngliches Team muss unerwarteterweise wegen eines gesundheitlichen Problems mit Sigi neu ergänzt werden. Unkomplizierte Menschen eignen sich besonders für Wüsten-Expeditionen (Sigi sagte schon begeistert zu, bevor ich meine Frage über eine mögliche Teilnahme richtig zu Ende formuliert habe).

Eurowings hat uns über Nacht einigermassen komfortabel von Frankfurt nach Windhoek transportiert. Manche konnten sogar ein paar Stunden schlafen.

In meinem fortgeschrittenen Alter macht man sich bei besonders langen Flügen, die ja vorgesehen sind, ein paar Gedanken. U.a. über den Flüssigkeits-Haushalt. Was oben rein muss, soll unten zivilisiert und clean wieder raus. Bisher komme ich noch immer ohne die dafür nötigen Einrichtungen aus, aber meine letzten, wirklich langen Flüge liegen aber «ein paar Wochen» zurück. Da will ich nichts anbrennen, bzw. auslaufen lassen und besorge mir frühzeitig Urinbeutel, die man am Bein befestigen kann. Alles klar so weit. Für die Überbrückung von der Quelle zum Beutel bestelle ich bei einem möglicherweise chinesischen Lieferanten Kondome mit Abflussröhrchen. Dazu 50-cm-Schläuche. Mindestbestellzahl: 100 Ex. Dafür preiswert.

Löwenbisse

Die medizinische Abteilung unserer Familie lässt mich nicht ohne Arztbesuch und Starrkrampf-Auffrischung nach Süden ziehen. Vermutlich wegen der Löwenbisse, damit die keine Entzündung verursachen. Jedenfalls lasse ich mir den linken Arm wenige Tage vor der Abreise «stechen». Was dann zu einem tagelang steifen linken Arm führt. Glücklicherweise werden die Symptome von den ersten Klappenhebel-Umstellungs-Bewegungen auf die Stufe «S» nachhaltig verscheucht, womit ich wieder gewohnt flink und fit wie ein Wiesel im Arcus umherwuseln kann.

Bei den Luftfahrtkarten wird keiner von uns fündig. Naja, eigentlich wenig erstaunlich. Ein riesiges Land, platt wie eine Flunder mit nur vereinzelten, wichtigen Luftraum-Beschränkungen braucht wohl auch keine der für uns gewohnten Reliefkarten. So starten wir mit einem Tablet pro Flugzeug mit der Skydemon-Motorflug-Software als alternatives Karten-Backup zu unserer Expedition.

Radwechsel. Fast so schnell wie Verstappen

Die Anreise verläuft bis auf eine Reifenpanne ohne besondere Vorkommnisse. In der Nähe von Uhlenhorst neigt sich unser hübscher Toyota-Reisebus leicht nach rechts. Mit vereinten Kräften wechseln wir bei ungewohnten Temperaturen das Hinterrad. Fast so schnell wie am F1-Auto von Max Verstappen, nachdem wir den Wagenheber sauber justiert haben. Ich glaube aber, Max Verstappen hat jeweils die besseren Ersatzpneus auf den Felgen. Die hier sehen nämlich nur unwesentlich älter als der eben gewechselte Pannenreifen aus. Ich hoffe nur, dass der Toyota den mehrstündigen Schüttel-Rüttel-Test auf den Gitterrost-ähnlichen Sandpisten bis Bitterwasser ohne weiteren Plattfuss überstehen wird. Viel Verkehr ist offensichtlich nicht zu erwarten. Und ein zweites Ersatzrad habe ich nirgendwo entdeckt. Selbst Toyotas haben sowas nicht.

Das fängt ja gut an: In Uhlenhorst neigt sich unser Toyota-Bus leicht auf die rechte Seite. Reifenpanne. Allerdings scheint der Ersatzreifen nicht wesentlich jünger als der platte Reifen zu sein.

Alle gegen die Italiener

Den ersten Tag vollendet ein ausführliches Briefing von Michael Stoltze sowie die Flugzeug-Übernahme. Unsere italienischen Vorgänger beklagen sich wortreich über «a lot of issues with this plane and its instruments» und anderntags bei der morgendlichen rituellen Verabschiedung in astreinem «Trappatonisch» über die aus ihrer Sicht ungenügende, namibische Aufwind-Qualität. Sie hätten diesmal nur 5-m-Aufwinde finden können, die richtigen und von früher gewohnten (8 m)-Aufwinde seien (von den Deutschen) wohl irgendwo in einem Tresor eingeschlossen worden. Genaueres Rückfragen bei den Bitterwasser-Profis fördert allerdings die Tatsache zu Tage, dass auch sie die 8-m-Aufwinde nicht finden. Ob sie überhaupt vorkommen, ist unsicher, vielleicht existieren sie auch nur im fernen «Tal des Jäger- und Fischerlateins».

Sorgt für einen sicheren und speditiven Flugbetrieb: Der stets freundliche „Shooter“ Michael Stoltze schickt alle Besatzungen mit einem motivierenden „have fun“ in die Luft.

Flügeltank in Fetzen

Etwas weniger unterhaltsam sind bei der Flugzeug-Übernahme die nötigen Reparaturen, um einen unserer gemieteten Vögel für unsere Ansprüche voll flugtauglich zu machen. Ein Benzin-Zusatztank im Flügel hat nicht mal mehr Nähte, er besteht nur noch aus Streifen. Kein Wunder, verschwinden die 20 Liter aus dem Benzinkanister unserer italienischen Freunde jeweils spurlos im Flügel. Bei den vorhandenen Aussenlandemöglichkeiten und unseren Flugplänen wäre aber etwas Benzin im Flügel von Vorteil. Der hilfsbereite Sigi macht sich wieder richtig nützlich und ersetzt mit Mechaniker Pirmin zusammen den Tank beim nötig gewordenen Werkstatt-Besuch eines unserer Arcus M virtuos. Derselbe Pirmin braucht den Flieger anderntags noch in der Werkstatt, um die abgebrochene, hintere Kopfstütze neu in den Rumpf einzuharzen. Weiss der Kuckuck, wie man die überhaupt ausbrechen kann, man muss dafür beinahe drauf sitzen! Insgesamt braucht dieses Flugzeug einige Tage Zeit, um unsere Liebe wenigstens auf kleiner Flamme zu entfachen.

Sigi und Pirmin ersetzen den Benzintank im Arcus-Flügel.

Twister zum Start

Am Tag danach erfüllen wir unsere Pflichtflüge, um das Bitterwasser-Anflugsystem, das Start- und Landungsprozedere sicher zu verinnerlichen. Auffällig bleibt dabei nur, dass Peter und Sigi bei ihrem Start plötzlich von einem Twister überrascht werden, den sie allerdings nicht erkennen können, weil er hinter dem Arcus M ausserhalb ihres Blickfeldes seinen Tanz startet. Um die beiden zu warnen, ist es zu spät, das Flugzeug rollt schon an. Während sie die ersten Meter zurücklegen, wirbelt der Staubrüssel alles in seiner Umgebung nach oben. Der Windsack dreht sich einmal um sich selbst. Die direkte Folge davon ist ein «hängender Flügel», der einfach nicht in die Luft zu bekommen ist, das Flügelrädchen frisst sich in der trockenen Oberfläche der Pfanne fest. Kurz, bevor sie den Start abbrechen, lässt sich der Flügel doch noch anheben und einem erfolgreichen Erstflug steht kein Twister mehr im Wege. Zum Glück ist die Bitterwasser-Pfanne gross, das ermöglicht viel Sicherheits-Reserve bei unerwarteten Entwicklungen.

Wahrscheinlich der sicherste Flugplatz der Welt: die Bitterwasser-Pfanne ermöglicht stets Starts in den Wind, bei einem Startabbruch ist mit einer leichten Drehung nach Links immer ausreichend Landefläche verfügbar.

Persönlich hat mir imponiert, dass auch ein Routinier wie Bruno Gantenbrink sich an seinem ersten Flugtag die Mühe macht, sein Flugzeug und sich selbst auf einem System-Checkflug an die Umgebung zu gewöhnen, um Routine und Sicherheit zu gewinnen. Wie oft, zeigt das System tatsächlich Mängel, diesmal beim (zu) heiss laufenden Antrieb.

Knoblauch-Überdosis

Fliegerisch bekomme ich als «Beckenrandschwimmer-mit-gewohnten-Blick-auf-grüne-Landschaften» auf dem ersten längeren Flug in die Namib buchstäblich Magenkrämpfe. Ob die von der vorabendlichen Knoblauch-Überdosis, von Peter Schmids ersten Schnupftabak-Attacken oder einfach von der Ernährungs-Umstellung meines alternden, mitteleuropäischen Verdauungssystems ausgelöst werden, weiss ich nicht. Möglicherweise ist die Summe aller Faktoren die Ursache für meine Krämpfe beim ersten Anblick der lebensfeindlichen Namib-Wüste aus dem Cockpit unseres Charter-Arcus M.

Befreiend für Nase und gelegentlich das Hirn: eine Prise Schnupftabak. Nicht ohne den dazugehörigen, manchmal sogar jugendfreien Spruch zu geniessen! Man beachte die unterschiedlich grossen „Ladungen“.

Auf der Rückseite des Mars

Ständig überlege ich mir, was wir wohl im Notfall anstellen, sollten wir hier «absaufen», nicht mehr über das Bergmassiv an der Westkante des Landes zurück auf das Hochplateau im Landesinneren zurückkommen und aussenlanden müssen. Bloss wo genau? Oft sieht die Landschaft unter uns aus wie die berühmten Bilder des Mars-Rovers. Und wo man noch eine Landung überleben würde, käme vermutlich wochenlang keine Menschenseele vorbei. Wir würden unter der heissen namibischen Wüstensonne elend verdursten und unsere Knochen würden ausbleichen, bis die erste Karawane uns zufällig fände. Peter’s und Sigi’s Geschichten über hungrige Löwen tragen nicht gerade zur Beruhigung meiner Magen-Nerven bei. «Beckenrand-Schwimmer» eben.

Wuuaaahhh – für „Grün-gewohne“ Alpenbewohner ein schwieriger Anblick: wo genau soll man hier bei einem Absaufer aussenlanden?

Guys’ Geheimnisse

Mit der Zeit gewinne ich allerdings Vertrauen in die Fähigkeit, die in den ersten Tagen für meine Begriffe etwas zaghafte namibische Thermik (3 m/sec.) oder «wie zuhause» nutzen zu können. Die Thermik ist übrigens ausreichend zaghaft, um Guy Bechtold Distanzen weit über 1’000 km zurücklegen zu lassen. Uns ist nicht klar, wie genau er das macht. Teuflisch. Rätselhaft. Unglaublich. Rackern wir uns über 400 km oder 500 km, kommt Guy abends strahlend mit mindestens 1’000 km auf dem Tacho und einem breiten Grinsen bis an beide Ohrläppchen zurück. Und das mit demselben Flugzeug im überwiegend gleichen Fluggebiet und irritierenderweise meistens auch noch im gleichen Wetter.

Michael Stoltze stellt jeden Morgen ein detailliertes Wetterbriefing zusammen.

Also beginnen wir, ihn beim Morgenessen, seinen Flugvorbereitungen systematisch zu beobachten. Abends haben wir keine Chance dazu, landet das Supertalent doch regelmässig mit den letzten Kerzenlicht, wo ordinäre Piloten wie wir bereits frisch geduscht am Vorspeisen-Buffet die zu erwartenden Köstlichkeiten studieren.

Bei der Werkspionage fällt uns auf, dass Guy jeweils viele Brote auf den Teller legt, dazu oft eine grosse Portion Gurken. Omeletts werden gelegentlich geordert, sonst scheint seine Ernährung keinen Schlüssel zu seinen für uns rätselhaften, täglichen «Weitschüssen» zu liefern. Geheime Zaubertränke sind ebenfalls keine zu erkennen, er trinkt denselben Kaffee und Saft. Wir machen vorsichtshalber genau dasselbe wie er. Weiter sind wir deswegen zwar nicht geflogen, aber immerhin von Tag zu Tag schneller! Heute vermuten wir, dass ausser seinem Talent auch 20 Jahre lokale Erfahrung und seine präzise Wetter-Interpretation Lösungsansätze des Rätsels liefern. Auch die geometrische Form seiner Flüge beginnen wir allmählich zu verstehen. Mehr Optimieren geht vermutlich nicht.

Zeigt allen den Meister: Guy Bechtold steigt selten unter 1’000 km Flugdistanz aus dem Flugzeug.

Laaange Endanflüge

Schon auf den ersten, zaghaften Flügen fallen mir die Endanflüge auf. Einmal sind es 170 spannende Kilometer von nordwestlich der Region Rehoboth nach Bitterwasser. Der Rechner meldet sich anfangs mit fehlenden 1’200 Höhenmetern, ein, zwei abendliche Aufwinde später sollen wir gemäss dem angejahrten Moving-Map-System im «8F»-Arcus geradeso heimkommen.

Die in Richtung Nord-Süd laufenden Sanddünen sorgen für wunderschöne Eindrücke auf den letzten Kilometern der Endanflüge auf Bitterwasser.

«Mann, das ist aber eine flache Geschichte!» Heinz hisst auf dem hinteren Sitz schon mal die «Fahne des Zweifels». Sein Rechner zeigt ganz andere Werte. Hmmh. Da hilft normalerweise nur Kopfrechnen. Bei 100 km Distanz, sorgfältiger Atmung, A…backen zusammenklemmen, Füsse anheben und dem In-der-Mitte-Halten des seltsamen Wollfadens vorn auf der Haube müssten doch 2’000 Höhenmeter, also mindestens 3’500 m ü.M. für einen theoretischen Anflug ohne Höhenreserve passen, nicht? Und wir sind ja gerade auf 3’900 m ü.M. Das sollte doch eigentlich zum Feierabendbier in Bitterwasser reichen!

Fröhliche Runde: Ernst, Horst, Elmar und Heinz (von links).

Rest-Intelligenz bei geschlossener Haube plus Sauerstoff-Mangel

Nun kennen ja manche von uns den Effekt der «geschlossenen Haube». Sobald sich der Flugzeug-Deckel schliesst, gehen rund 80% der vorhandenen Intelligenz verloren. Was natürlich im Einsitzer je nach Pilot etwas knapp werden kann. Die gute Nachricht ist aber, dass die ganze Intelligenz wieder schlagartig da ist, wenn man die Haube wieder öffnet. Etwa nach einer Aussenlandung. Da ist allen sofort alles wieder völlig klar. Verstärkt wird dieser Effekt häufig und unglücklicherweise durch Sauerstoffmangel. Das kann’s bei uns aber in dem Fall nicht gewesen sein, da wir permanent mit Sauerstoff versorgt werden, bis unsere Nasenlöcher selbst im Traum noch «pffupffen».

Manchmal erreichen Schauer doch den Boden. Wir haben auf allen Flügen keine Probleme mit Gewittern und können die gelegentlichen Schauerlinien immer gut umfliegen.

Mit vereinten Kopfrechnungs-Übungen alle zehn Kilometer (das ist unter den gerade beschriebenen, erschwerten Bedingungen einfacher zum Kalkulieren) plausibilieren sich die Moving-Map-Resultate zusehends und wir kommen letztlich ohne Ausrutscher ausreichend hoch in der einsetzenden Abenddämmerung zurück zur Homebase in Bitterwasser. Wo Heinz die «Fahne des Zweifels» umgehend wieder einholt.


Die Mannschaft:

Peter Schmid, Fluglehrer
„eMobilitäter“
4’000 Flugstunden
Heinz Brem, Fluglehrer
„Engineer“
4’000 Flugstunden
Sigi Föhn, Pilot
„Mister Hairdryer“
2’000 Flugstunden
Ernst Willi, ex-Fluglehrer
„Springbok“
5’000 Flugstunden
Der „richtige“ Willi – der auf der Bitterwasser-Lodge aufgezogene Springbok auf seiner täglichen Inspektionsrunde.

Den nächsten Teil des Namibia-Abenteuers finden Sie hier an gleicher Stelle – morgen.

Rent an HPH Shark in Namibia

Ever seen a shark in the desert? Well, now these animals are becoming native to Namibia… And you can even rent them! For your most captivating flying adventure, you may either book a single-seater HPH 304 SHARK or a double-seater HPH 304 TWIN SHARK. We collaborate with our partners from Veronica Flying Lodge (or any other flying centre in Namibia). Here, we are all belonging to one family – managers, and guests, but also the personnel and even the tame animals make part of it. Feel the spirit of Africa from its most pleasant and hearty side.

From the cockpit to a cocktail in a minute
Flying, game-watching, hanging out at the pool… this wonderful combination makes not only you happy but also your partner. After flying, you will jump into the pool within minutes – or you will sit on the veranda with a tasty cocktail aside watching the sun setting behind the dunes of the Kalahari… Our local partner will support you with all questions and topics so that your stay becomes wonderful – in the sky and on earth! Source: ‚HpH‚.