Interview/Quelle: ‚weglide.org‚ / Joshua Rieger. Anfang Juni ist der mehrfache Weltmeister samt Team mit dem Anhänger auf dem Landweg nach Pakistan gereist. Wir treffen Sebastian in Skardu, ein Städtchen im Norden Pakistans mit internationalem Flughafen. Von dort aus plant Kawa zu seinem Expeditionsziel, den 8611m hohen K2, zu starten. Wir erwischen Kawa kurz nach seinem ersten Start in Pakistan und gratulieren ihm herzlich. Der Flug scheint alles andere als selbstverständlich. Alleine die geglückte Anreise auf dem Landweg ist ein Erfolg. Kaum angekommen, machen die Behörden Sebastian das Leben schwer.
Sebastian, erzähle uns etwas über dein K2 Projekt.
„Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Ich habe diese Region schon lange ins Auge gefasst. Da es sich bei der Gegend um eine Wüste handelt, gibt es dort herausragende thermische Bedingungen. Abgesehen von den Gletschern, ist es völlig trocken. Vor zwei Jahren hat uns eine Gruppe von Gleitschirmfliegern aus Spanien gezeigt, dass das Fliegen im Baltoro-Gebiet möglich ist. Obwohl sie den Gipfel des K2 nicht erreicht haben, flogen sie thermisch um ihn herum. Mit Sicherheit hatten unsere Gleitschirmfreunde viel bessere Möglichkeiten, hier zu fliegen, da sie nicht von jedem in der Umgebung eine Genehmigung brauchten. Zudem benötigen wir als Segelflieger eine Start- und Landebahn, die in unserem Fall auch noch militärisch genutzt wird. Das macht die ganze Sache nicht gerade einfacher. Von der Anreise ganz zu schweigen“.
Wie hast du die ASH 25 nach Pakistan bekommen?
„Da mir die finanziellen Mittel für einen kommerziellen Transport gefehlt haben, ist die Idee aufgekommen, selbst zu fahren. Letztlich ging es mit dem Auto samt Anhänger 8’600 km durch Südeuropa, die Türkei, den Iran, Belutschistan in Pakistan und den Karakorum-Highway. Der Highway beinhaltete einen zweitägige Offroad Teil, der uns schließlich nach Skardu gebracht hat. Dabei wurden wir von der pakistanischen Grenze bis zum Highway und dann weiter entlang des Karakoram fast 1’200 km lang von der Polizei eskortiert.
Das hat uns sehr verlangsamt. Ich werde die sengende Hitze von 52 Grad in den iranischen Wüsten und den nächtlichen Konvoi von Taftan nach Quetta auf einer zerstörten Straße entlang der Grenze zu Afghanistan nie vergessen. Quetta fühlte sich an wie die Hölle auf Erden. Wir durchquerten die Stadt unter Militäreskorte in einem Konvoi, mit Polizisten an jeder Ecke und blockierten Straßen“.
Das hört sich kräftezehrend an. Bleibt da noch genug Energie, Rekorde anzustreben?
„Hierher zu kommen ist schon ein Rekord für sich. Bei der Region handelt es sich um ein Jetstream-Gebiet, jedoch ohne Polarwirbel. Außerdem besitzt unsere ASH 25 keine Druckkabine, wie beispielsweise die Perlan. Der Fokus wird eher auf dem thermischen Fliegen liegen, auch wenn wir uns schon eine Welle zunutze gemacht haben, um über den K2 zu fliegen. Denkt man über Streckenflüge nach, begrenzt die Nähe von Jammu und Kasmir das Fluggebiet auf die Hushe- (um Masherbrum) und die Baltoro-Region, sodass man nicht bis nach Indien fliegen kann, das wäre natürlich fantastisch“.
Klingt so, als hättet ihr viel mit Genehmigungen von den Behörden zu kämpfen.
„Wir fliegen in einem Grenzgebiet zu China, was fliegen schwierig macht. Die pakistanische Luftwaffe musste unsere Genehmigungen mit China abstimmen. Das ist anfangs nicht geschehen. Da unser Segelflugzeug (mit Transponder ausgestattet) im ADIZ-Gebiet auf pakistanischer Seite deutlich sichtbar war, hat China entsprechend reagiert. Der K2 und andere interessante Gipfel liegen ziemlich genau an der Grenze, also werden wir sehen, ob die Genehmigung zukünftige Flüge dorthin einschließt.
Um hierher zu kommen, mussten wir die Erlaubnis der pakistanischen Luftraum-Behörde in Karatschi, der Militärbasis am Flughafen Skardu, der pakistanischen Luftwaffe in Islamabad und der Flughafen-Sicherheitstruppe einholen, die uns an das Innen- und das Außenministerium verwiesen. Zu allem Überfluss waren hier kürzlich einige Feiertage, die den Prozess verlangsamt haben. Aber es ging immer noch doppelt so schnell wie in Nepal. Bei den örtlichen Behörden in Skardu und Shigar mussten wir eine Gebühr für das Gleitschirmfliegen entrichten und eine Genehmigung der örtlichen Polizei einholen. Wir dürfen fliegen, nachdem der letzte kommerzielle Flug das Tal verlassen hat, etwa gegen 14 Uhr. Das ist natürlich zu spät, um größere Streckenflüge zu wagen. Außerdem gibt es hier nachmittags starke Überentwicklungen.
Ich hoffe, diesen Umstand noch ändern zu können. Aber die Verzögerungen bei den Genehmigungen haben dazu geführt, dass wir bereits in der Monsunzeit stecken und das Wetter nicht mehr so gut ist wie Ende Juni. Mein Plan war ursprünglich, den Juni zu nutzen. Andererseits ist der Jetstream die beste Option, um 8’000er zu überfliegen, also ist es schwer zu wissen, was die beste Option ist. Da bleibt uns nur, abzuheben und zu erkunden, wie das Wetter vor Ort ist. Einschließlich einiger Wolken, die von hohen Gipfeln ausreichend entfernt sind“.
Was sind die Herausforderungen, von Skardu aus zu starten?
„In Skardu operieren wir vom Verkehrsflughafen mit einer riesigen Landebahn. Sie ist 3’600 m lang. Bei der dortigen Dichtehöhe ist die Länge der Bahn sehr wichtig. Sie reicht gerade so aus, um mit der ASH25 M einen Eigenstart zu machen. Wir haben testweise versucht, einen Autoschlepp zu machen, aber unser Volkswagen ist nicht stark genug. Wahrscheinlich müssen wir das Auto und den Motor des Segelflugzeugs kombinieren, um effizienter zu starten. Wie bereits erwähnt, ist das größte Problem die Startzeit. Die Flughafen-Gesellschaft lässt uns nicht früh genug fliegen, erst, wenn der letzte A320 das Tal verlässt. Wir werden auf dem Flughafen ständig von bewaffneten Soldaten bewacht, und mit dem Follow-me-Fahrzeug kommen wir nicht an geparkten Flugzeugen vorbei, sodass wir manchmal eine Stunde warten, bis es weitergeht. Viele Probleme also, aber auf der anderen Seite gibt es hier keinen anderen Ort zum Fliegen.
Wir hatten auch ein Problem, als sich ein Freund von uns bei einem Fahrradunfall ein Bein schwer gebrochen hatte. Die Krankenhäuser hier sind schlecht, sodass es ein Kampf mit der Versicherung und ein Wettlauf mit der Zeit war, ihn hier wegzubringen, bevor sich sein Gesundheits-Zustand weiter verschlechterte. Glücklicherweise flog er schließlich nach Islamabad und dann nach Polen, wo er angemessen medizinisch versorgt wurde. Es gibt nur eine Möglichkeit, einen Verletzten aus Skardu heraus zu bringen, mit einem Militärhubschrauber. Der Hubschrauber kam schließlich, aber es gab ein Problem: Er konnte keinen Verwundeten mitnehmen, da er auf einer Militärbasis in Islamabad landen sollte und nicht mit einem Ausländer dorthin fliegen konnte. Außerdem haben wir hier alle COVID bekommen, schwere Zeiten also“.
Herzlichen Glückwunsch zu deinen ersten Flügen, Sebastian! Gab es einen Plan B, wenn es mit Nepal nicht geklappt hätte?
„Wir fliegen von Pakistan aus. Ich glaube, Nepal ist für den Segelflug nicht so interessant. Die hohe Feuchtigkeit aus dem Golf von Bengalen ist für die thermische Fliegerei nicht von Vorteil. Gute Bedingungen herrschen nur nach einem Fronten-System, wenn der Wind aus Westen entlang der Hauptgebirgskette weht und auf den kleinen Bergrücken Wellen erzeugt. Die thermische Basishöhe allerdings liegt in der Regel zwischen 2’000 und 4’000 m, was für normale Flüge zu niedrig ist.
Im Karakorum, auf der anderen Seite des Indus im Norden, ist es so trocken, dass die Thermik regelmäßig 6’000 m und manchmal sogar 8’000 m erreicht. Das reicht für alpenähnliche Flüge aus. Während unseres Aufenthalts liegt der Jetstream leicht nördlich, und es gibt ein regelmäßiges Muster. Die südlichen Hänge, die zum Indus-Fluss führen, erzeugen schöne Thermik, während es über dem Baltoro bewölkt ist“.
Du nimmst nicht an den WGC in den USA teil. Sind Abenteuer wie der K2 jetzt mittlerweile spannender?
„Das ist richtig. Ich war nicht in der Lage, ein Segelflugzeug der offenen Klasse für diesen Wettbewerb zu bekommen. Die Diana 4 18 m war nicht fertig, also beschloss ich, meine Zeit anders zu nutzen. Ich habe 18 Goldmedaillen auf Weltmeisterschaften gewonnen, und der Wettbewerb in Texas ist sehr kostspielig und zeitaufwendig. Das konnte ich mir einfach nicht leisten“.
Welche Projekte hast du noch auf deiner Bucket List?
„Seit langem habe ich geplant, in der Antarktis zu fliegen. Aber es ist ungewiss, ob das passieren wird. Ich habe erstmal beschlossen, nach Pakistan zu gehen, weil ich nicht unbegrenzt Zeit habe, um alle Projekte zu verfolgen. Wenn nicht jetzt, wäre es vielleicht nie passiert“.
Wie kann dich die Segelflug-Community unterstützen?
„Der Austausch von Informationen ist für mich sehr wichtig. Außerdem muss ich bei Schleicher anfragen, ob sie den Motor in meiner ASH 25 M aufrüsten“. Interview/Quelle: ‚weglide.org‚. Joshua Rieger