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Jenacup Tag 5

von Martin Knops

Den ganzen Wettbewerb hatte ich mich vor der Wettervorhersage „Blauthermik“ gefürchtet. Nun am mutmaßlich letzten Wertungstag war es soweit: Blauthermik und extrem frühes Thermikende gegen 16 Uhr. Viele Piloten lassen ihren Flieger grundsätzlich im Anhänger, wenn das Stichwort Blauthermik fällt. Auf einem Wettbewerb hat man diese Wahl natürlich nicht. Und ich persönlich fliege auch im Blauen gerne. Kein Grund, zum Fußgänger zu werden 😃. Klar ist jedoch in jedem Fall, dass man als einsamer Wolf, als Alleinflieger ohne Teampartner im Blauen praktisch keine Chance hat gegen das Rudel, den Pulk hinter einem.

Im Blauen tappt man bildlich gesprochen im Dunkeln, fliegt „ins Blaue“, versucht sich an Bodenmerkmalen zu orientieren: Wo erwärmt die Sonne die bodennahe Luft stärker als in der Umgebung, wo bilden sich in der Folge Warmluftseen, wo lösen sie ab, wo treibt der Wind sie hin? Aber selbst, wenn man das virtuos beherrscht, fliegt man an drei Aufwinden vorbei, bevor man einen trifft. Und das ist dann möglicherweise der schlechteste von den Vieren. Das Rudel hinter einem hat dagegen eine ungleich bessere Trefferquote.

Blauthermik also. Und frühes Thermikende. Immerhin würde es eine kurze Aufgabe geben. Denkste! Gut 500 km standen auf dem Zettel. Wieder quer über den Thüringer Wald, dann nach Weiden in der Oberpfalz und über Jöhstadt im Erzgebirge zurück nach Jena. Uns blieben die Münder offen stehen. Wie sollte das funktionieren? Zwischen frühestmöglichem Abflug und Thermikende blieben gerade dreieinhalb Stunden. Lapidarer Kommentar des Sportleiters: Ihr seid immer so schnell, ihr schafft das schon. Um es vorweg zu nehmen: Er sollte recht behalten 😃.

Die erste positive Überraschung gab es nach dem Start: zarte weiße Flusen entwickelten sich am Himmel. Mir fiel der erste schwere Stein vom Herzen. Trotzdem funkte ich noch vor dem Abflug Conrad an und fragte ihn, ob wir heute nicht zusammen fliegen wollten. Wir hatten uns jetzt einige Tage beobachtet und wechselseitig den Eindruck gewonnen, dass der jeweils andere wohl auch fliegen kann 😃. Außerdem flogen wir die gleichen Flugzeuge. Was lag also näher, als ein Team zu bilden? Taktisch war es zumindest zu diesem Zeitpunkt eher dumm, ein solches Angebot zu machen. Conrad lag auf Platz 1, ich auf Platz 3. Meine Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft war praktisch sicher. „Nach hinten absichern“ musste ich meine Position also nicht wirklich. Umgekehrt gab es für mich durchaus noch die Chance, den Jenacup zu gewinnen. Allerdings wohl kaum, wenn ich mit dem Führenden zusammenflog… Ich tat es trotzdem und wurde glücklich damit 😃.

Bevor ich dieses Rätsel löse, ein kleiner Exkurs zum Teamfliegen: Mittlerweile hat sich im Segelflug die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein gutes Team dem besten alleinfliegenden Piloten überlegen ist. Entscheidend ist, dass man gemeinsam die Aufwinde zuverlässiger findet und schneller zentriert. Das kommt besonders bei Blauthermik zum Tragen (voilà!), in abgeschwächter Form aber auch bei jedem anderen Wetter. Damit dies funktioniert, braucht es aber nicht einfach EIN Team, es braucht ein GUTES Team. Vorgeflogen wird im engen Verbund mit maximal 500 m Abstand und gleicher Geschwindigkeit. Mit knappen Funksprüchen informieren die Partner sich. Wer einkreist, gibt sofort und korrekt die Steigwerte weiter. Flugweg- und andere Entscheidungen werden kurz abgestimmt und ohne Verzögerung getroffen.

Dabei lauern genug Fallen. Ist der Abstand zwischen den Flugzeugen zu groß, so lohnt sich für den Teampartner der Umweg nicht, der mit dem Einstieg in den gefundenen Aufwind verbunden ist. Fliegt einer in der Spur des anderen, kann man auch gleich alleine fliegen. Sind die durchgegebenen Steigwerte mehr Wunschdenken als Realität, so erweist man dem Team einen Bärendienst. Werden taktische Entscheidungen verschleppt, weil die Partner unterschiedlicher Meinung sind und keiner „nachgibt“, dann kehrt sich der Vorteil des Teams gegenüber dem einsamen Wolf endgültig ins Gegenteil um.

Es braucht also ein gutes Team, welches alls das beherzigt und das aus gleich guten Piloten besteht. Hat einer der beiden das sichere Gefühl, den anderen „durchzuschleppen“, ist der Ärger vorprogrammiert und das Ende des Teams nah. Besonders schwierig sind gemeinsame Flugweg-Entscheidungen. Diese sind schon für jeden alleine knifflig – und oft genug suboptimal. Nun gilt es, Entscheidungen abzustimmen – verzögerungsfrei. Und wenn sich die Entscheidung dann als schlecht herausstellt, gibt es immer einen Schuldigen. Schwierig. Eine einfache Lösung wäre, dass grundsätzlich einer der beiden die Entscheidungen trifft. Der bessere, erfahrenere, erfolgreichere von beiden. Aber ein solches Team funktioniert nicht dauerhaft. Siehe oben. Nur zwei gleichberechtigte, gleich gute Piloten, die davon überzeugt sind, dass sie gemeinsam stärker sind als jeder für sich, können ein gutes Team bilden. Sie müssen einen kompatiblen Flugstil haben und sich vertrauen. Dazu gehört, dass schlechte Entscheidungen ohne Schuldzuweisungen gemeinsam erduldet werden. Alles nicht einfach. Genau deshalb gibt es immer noch erfolgreiche Alleinflieger. Gut funktionierende Teams sind selten. Conrad und ich wollten es also miteinander versuchen.

Wegen der angekündigten Blauthermik schien der Tag perfekt geeignet für Teamflug. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt… Während wir uns für den Abflug in Position brachten, baute das Wetter Richtung Thüringer Wald immer besser auf. Statt Blauthermik prägten Cumuluswolken den Himmel! Angesichts der großen Strecke und des frühen Thermikendes war das Zeitfenster für den Abflug eng. Ich selbst hatte mir 13 Uhr als absolute Deadline gesetzt – und genauso dachten offensichtlich noch einige andere. So wurde es fast ein Regatta-Start. Vierzehn von neunzehn Piloten begannen das Rennen gleichzeitig. Zum ersten Mal im Jenacup war Pulkfliegen angesagt – und dafür braucht es eigentlich keinen Teampartner. Einem Pulk mit 14 Maschinen zu entwischen, ist auch für ein Team praktisch unmöglich. Dachte ich. Bis sich auf dem zweiten Schenkel querab Kulmbach doch eine Chance bot. Mein Plan war es die ganze Zeit, als Zwischenziel das Fichtelgebirge östlich Bayreuth anzusteuern. Zu meinem großen Erstaunen bog die Mehrzahl der Piloten jedoch nach rechts ab und umflog das Gebirge. Das war unsere Gelegenheit!

Leider fand sich der erwartete Hammerbart nicht an der vorgesehenen Stelle. Hatten wir uns verspekuliert? Als ich immer nervöser wurde, kurvte Conrad schließlich rechtsrum ein und gab kurz darauf das erlösende Signal: mindestens 2 Meter pro Sekunde! Es hatte geklappt! Der erste kleine Vorsprung war herausgeflogen. Weiter ging es Richtung Weiden, der nächsten Wende. Kurz davor noch einmal kurbeln. Diesmal mit Peter Pollack und Horst Singer, die den Aufwind für uns markierten. Kurz hinter der Wende zogen diese beiden ihre Flieger wieder steil in den Himmel, entschieden sich aber für den Weiterflug. Dabei war es wirklich ein starker Aufwind, mehr als 3 m/s: Eindrehen, Hochschrauben und erst dann hinter den beiden her!

Wieder eine richtige Entscheidung! Es dauerte nicht lange und wir sahen die beiden deutlich tiefer vor uns kreisen. Beim weiteren Vorflug setzte Conrad die Pace. Er preschte vor und ließ mehrere Aufwinde bewusst stehen. Ich war immer wieder versucht, einzukreisen, wir sanken immer tiefer und ich wurde zusehends nervöser, bis am Rand des Erzgebirges endlich meine rechte Tragfläche emporgerissen wurde. Ich spürte sofort, dass das der Knaller war, auf den wir so lange gewartet hatten: 4 m/s, mindestens! Conrad hatte recht behalten und drehte sofort bei, um in meinen Kreis einzusteigen. Zum Glück waren wir nah genug beieinander. Uwe Förster in der EB29 flog dagegen weiter. Wieder ein Treffer für unser Team!

Über dem Erzgebirge hatte sich zwischenzeitlich eine schöne Wolkenstrasse gebildet. Diese reichte allerdings nicht bis zur Wende Jöhstadt. Dort war es blau, genau wie auf dem weiteren Weg Richtung Jena. War dort die Thermik bereits abgestorben? Vorsichtig glitten wir Richtung Jöhstadt und erspähten wenige Kilometer hinter der Wende zwei kreisende und offensichtlich leidlich steigende Flieger. Doch noch kein Thermikende und sogar Thermikbojen waren auf dem weiteren Weg erkennbar. Dies waren Doppelsitzer, deren Aufgabe sich mit unserer überschnitt und den letzten Schenkel gemeinsam hatte. Ein Segen für uns!

Während wir noch mit den Doppelsitzern in einem mäßigen Aufwind kreisten, erspähte ich – genau in Flugrichtung Jena – zwei Flusen. Dort würde es sicher besser steigen. Nichts wie hin! „Besser“ entpuppte sich als 4 m/s. Ein echter Hammer, der uns nicht nur nach oben, sondern auch in der Wertung endgültig nach vorne katapultierte. Tagesplatz eins und zwei für unser Team mit 126 km/h. Plätze 1 und 2 auch im Gesamtklassement! Das war ein wahrer Husarenritt, unser Team hatte die Feuertaufe bestanden!

P.S.: Leider war der Jenacup 2022 mit diesem Flug schon beendet. Freitag und Samstag wurden wetterbedingt neutralisiert. Für mich war es eine fantastische Woche. Sportlich wurden alle Erwartungen übertroffen, aber auch sonst war es im Kreis der Segelflugbegeisterten aus allen Ecken Deutschlands einfach schön und entspannend. Ich freue mich schon jetzt auf die Deutschen Meisterschaften in Bayreuth. Conrad und ich werden vermutlich als einzige im Feld JS1 fliegen. Mal schauen, was für uns drin ist 😃.

>> Jenacup, Teil 4

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Jenacup Tag 4

von Martin Knops

Trotz des Dämpfers am 3. Wertungstag lag ich immer noch auf Platz 5. Der ganze Wettbewerb machte unheimlich viel Spass. Gutes Wetter, schöner Platz, Klasse-Organisations-Team und sportlich lief es unterm Strich trotz des mäßigen dritten Fluges bislang hervorragend. Auch der Folgetag versprach, wieder toll zu werden. Viel Wind, aber auch gute Thermik, klar gezeichnet durch schönste Cumuluswolken. Um so größer war die Ernüchterung, als die Sportleitung die laufenden Starts der offenen Klasse abbrach und den Tag für alle neutralisierte. Der Seitenwind war einfach zu stark, ein Start sah halsbrecherischer aus als der vorherige und so war die Entscheidung leider konsequent. Somit stand erstmal das Alternativprogramm im Kalender. Ich nutzte die freie Zeit, um mir auf dem Golfplatz den Wind um die Nase wehen zu lassen und abends ging’s ins Kino. „Top Gun“, was sonst.

Der folgende Mittwoch erinnerte zunächst verdächtig an den ersten Wertungstag. Geschlossene Wolkendecke, Warten im Grid auf das angekündigte, gute Wetter. Das lag nordwestlich von uns in Lauerstellung. Von Langenfeld aus waren einige schon seit 10 Uhr morgens in der Luft und hatten längst Hunderte Kilometer auf der Uhr, als wir immer noch nach dem ersten Sonnenstrahl am Horizont Ausschau hielten und ständig die aktuellsten Satellitenbilder checkten. Um 14 Uhr ging es endlich in die Luft. Auf dem Zettel stand mal wieder eine AAT.

Zunächst sollte es gegen den Wind nach Nordwesten gehen, dann nach Osten über den Harz und von dort zurück nach Jena; 3:15 h Mindestwertungszeit. Über die genaue Streckenführung hatte ich mir nach dem Briefing intensiv Gedanken gemacht. Alles lief darauf hinaus, schon den ersten Wendesektor maximal nach Nordwesten auszufliegen. In dieser Richtung würde das Wetter mit jedem Kilometer besser werden. Vermutlich würde man Wolkenstrassen nutzen können und so auch gegen den Wind zügig vorankommen. Hinzu kam noch ein weiterer Aspekt, von dem ich insgeheim hoffte, dass ihn nicht jeder erkennen würde: Wer zu früh die erste Wende setzt, der wird bei den zu erwartenden hohen Schnittgeschwindigkeiten Schwierigkeiten haben, ausreichend weit zu fliegen und die 3:15 h Mindestwertungszeit zu erreichen. Der zweite Wende-Sektor und der kleine dritte Sektor südlich Jena boten hierfür einfach zu wenig Spielraum. Und wer verfrüht nach Hause kommt, der verschenkt wertvolle Punkte. Die geflogenen Kilometer werden zur Ermittlung der Schnittgeschwindigkeit nämlich auch dann durch die Mindestwertungszeit geteilt, wenn man effektiv kürzer geflogen ist.

Ich rechnete optimistisch mit 130 km/h Schnittgeschwindigkeit und folglich 420 km Strecke, die ich fliegen musste. Mein Plan war: südlich am Harz vorbei, das Weserbergland entlang bis an den Luftraum von Hannover. Alles genau gegen den Wind. Nach der Wende die gleiche Spur zurück und den richtigen Moment für den Absprung hinüber zum Harz finden. Nach Osten bis zum südlichsten Rand des zweiten Wendezylinders. Dann nach Hause bzw. zuvor noch den Pflichtsektor südlich Jena ankratzen, den die Wettbewertbsleitung eingefügt hatte, damit sich alle für die Landung von der „richtigen“ Seite dem Flugplatz nähern.

Das Landeverfahren bei so einem Wettbewerb ist einen kleinen Exkurs wert. Für Piloten wie für Beobachter ist es durchaus spektakulär, wenn innerhalb kürzester Zeit Dutzende Flugzeuge am Flugplatz einfallen. „Zuhause“ ist man gewohnt, dass man als anfliegendes Flugzeug den Flugplatz für sich hat. An Grossflughäfen wie Frankfurt beeindruckt die Perlenschnur, an der die landenden Flieger aufgereiht sind. Was macht man aber, wenn sich das halbe Wettbewerbsfeld gleichzeitig dem Platz nähert?

Die passende Infrastruktur, das richtige Regelwerk, aber auch Schwarmintelligenz, Disziplin und Selbstorganisation sind hier gefragt.

  • Zutat eins: Ein Platz, der breit genug ist, um Parallellandungungen zu erlauben. Zwei, besser drei Flugzeuge nebeneinander sollten passen.
  • Zutat zwei: Ein Flugplatz, der lang genug ist, um sicheres Landen mehrerer Flugzeuge mit minimalem Abstand zu ermöglichen. Jeder landet so weit wie möglich durch; bis zum Flugplatzende oder bis zum vorher gelandeten Flugzeug. Alles mit Sicherheitsabstand, versteht sich.
  • Zutat drei: Direktanflug aller Landenden! Anflug der Position und klassische Landeeinteilung strengstens verboten!
  • Zutat vier: Eine Schar umsichtiger und guter Piloten, die nicht zu Hektik und Panikattacken neigen 😃. Gleiches gilt übrigens auch für den Sportleiter am Boden, der nur sehr bedingt koordinieren kann und doch viel Verantwortung auf seinen Schultern trägt.
  • Zutat 5: Zielkreis in ausreichendem Abstand vom Flugplatz, in den mit einer Höhe eingeflogen werden muss, die Spielraum für die Landeeinteilung lässt. Damit verhindert man erfolgreich extrem knappe Anflüge.
  • Zutat 6: eine fleißige und hellwache Bodencrew, die die gelandeten Flugzeuge schnell und umsichtig aus der Landebahn schafft.

Zurück zu meiner Streckenplanung. Diese hatte eine entscheidende Schwäche: sollte ich nach der ersten Wende nicht schnell genug sein, so gäbe es praktisch keine Möglichkeit, die Strecke zu verkürzen. Unvermeidliches Ergebnis wäre eine deutlich zu lange Flugzeit im Antlitz des nahenden Thermikendes. Um es kurz zu machen: mein Plan ging geradezu beängstigend perfekt auf. Abflug kurz vor 15 Uhr, Flugzeit exakt 3:15, 422 km mit 130 km/h, belohnt mit Tagesplatz 2 und einer Verbesserung auf Gesamtplatz 3. Wow! Ganz so geschmeidig, wie sich das alles anhört, lief es unterwegs aber doch nicht. Im ersten Aufwind nach dem Abflug traf ich Bruno Gantenbrink mit seiner Nimeta und Uwe Förster in der EB29DR. Zwei der imposantesten Flieger, denen man in der Luft begegnen kann. 31 Meter und maximal schlanke 28 Meter Spannweite. Es ist einfach majestätisch, wie diese beiden Langohren ihre Kreise ziehen oder im gestreckten Galopp voranpreschen. Ich genoss diesen Anblick für die nächsten 100 km oder knapp 45 min, die wir gemeinsam gegen den Wind die Cumulusreihungen absurften. Ich zugegebener Maßen meist in der von den Kollegen wenig geschätzten „hinten links oben“ Position. Wir hatten keinen Funkkontakt und ich versuchte mit meinem vermeintlich unterlegenen „Stummelflieger“, den beiden Langohren zu folgen. Dieser direkte Vergleich zeigte mir endgültig, dass ich mit der JS1 das perfekte Flugzeug unter dem Hintern hatte; zumindest für die in Jena durchgängig vorherrschenden guten Wetterbedingungen. Ein Nachteil im Gleiten ließ sich beim besten Willen nicht erkennen. Im Gegenteil: den Vorteil des Hinterherfliegenden, der zu jeder Zeit sieht, wer der beiden Vorausfliegenden besser steigt bzw. weniger stark sinkt, konnte ich nutzen, um immer der höchste von uns dreien zu sein. „Hinten links oben“ eben.

Schließlich wurde es mir doch zu peinlich und ich gab noch etwas mehr Gas, zog an den beiden vorbei und hatte sie wenig später für den Rest des Tages verloren, da sie einer weiter östlich verlaufenden Wolkenstrasse folgten. Ich dagegen folgte weiter den im Wind ausgerichteten Höhenzügen östlich der Weser und wendete kurz vor dem Luftraum Hannover. 180 km gegen den Wind in 1:25 h. Alles im Plan, alles perfekt. Leider hatte ich damit den entspanntesten Teil des Fluges schon hinter mir. Anstatt im Delphinstil die Wolkenstrassen entlang zu surfen, war nun mehrmaliges, tieferes Abgleiten durch starkes Fallen angesagt. Zum Glück gelang der Einstieg in den Südharz letztlich problemlos. Der entscheidende Bart stand genau an der erwarteten Stelle und obwohl dieser nicht ganz die erhoffte Stärke hatte, nahm ich jeden Meter mit. Zu unwirtlich, zu unlandbar und schlicht und einfach verdammt hoch ist der Harz im weiteren Verlauf der Flugroute. Verdammt weitläufig zudem! Die vom Fichtensterben der letzten Jahre massiv gezeichnete Hochfläche nimmt kein Ende und so war es auch in der folgenden halben Stunde mein vorrangiges Ziel, immer schön hoch zu bleiben. Dies ging leider etwas zu Lasten der Geschwindigkeit. War ich auf dem ersten Schenkel noch eindeutig der Schnellste im gesamten Feld, so verlor ich auf der zweiten Etappe Richtung Osten deutlich auf den späteren Tagessieger Conrad Hartter in der zweiten JS1. Conrad flog den nördlichen Harzrand entlang. Hier gab es offensichtlich einen leichten Luveffekt, den er nutzen konnte, während ich im Gegenzug durchs Lee des Brockens flog. Diesen Effekt hatte ich nicht auf der Liste gehabt und bei der Streckenwahl nicht berücksichtigt! Der Ärger hierüber hielt sich aber in Grenzen. Platz 2 mit kleinem Rückstand auf den Tagessieger und deutlichem Vorsprung auf die anderen Konkurrenten, beide JS1 vorne. Daran könnte ich mich gewöhnen, so durfte es ruhig weitergehen 😃.

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Jenacup Tag 3

von Martin Knops

Wie sagte ich noch: Ungemach droht an jeder Ecke. Womit wir bei Tag 3 wären.

Der Tag begann unschuldig mit bestem Wetter, aber am frühen Nachmittag sollte von Nordwesten dichte Bewölkung aufziehen. Es würde also ein Wettlauf gegen die Uhr werden. Um das fliegbare Wetter möglichst lange nutzen zu können, sollte es im Uhrzeigersinn um Leipzig herum gehen, 450 km. Laut Wettbewerbsleitung war dies eine absolute Premiere. Angeblich war kein Mensch jeweils auf die Idee gekommen, so zu fliegen, da der Korridor zwischen Dresden und Leipzig thermisch als extrem schlecht bekannt ist. Heute sollte dies aber anders sein. Nun gut, wenn der Meteorologe meint…

Ich bin früh abgeflogen. Alleine von Vorne das Rennen gewinnen, so der Plan. Angesichts der Wetterprognose sicher kein Fehler. Und zunächst lief es auch richtig gut. Gegen den strammen Nordwind bin ich unter dem westlichen Leipziger Luftraum durchgetaucht, habe nach 100 km an der 1. Wende einen starken Aufwind gezogen und den Fläming entlang Richtung Osten sah es traumhaft aus, während im Westen schon die aufziehende hohe Bewölkung zu erkennen war.

Leider gelang es mir auf dem langen Schenkel nach Osten nicht, unter den wunderbar anzusehenden Cumulusfladen wirklich starke Aufwinde zu finden. Zwar ging es problemlos und auch durchaus zügig voran, aber mich beschlich das sichere Gefühl, dass mein Vorsprung vor der Konkurrenz ständig schmolz. Zum ersten Mal begann ich, einen Teampartner zu vermissen. Zu Zweit hätten wir die 3-Meter-Bärte mit Sicherheit gefunden, an denen ich nun schon wiederholt vorbeigeflogen war.

Wie ich später erfuhr, verfolgten einige meinen Kampf um den Tagessieg live im Internet. Dort kann man mittlerweile in Echtzeit mitfiebern und hat alle Informationen, die der Pilot im Cockpit selbst zu gerne hätte. Position der Konkurrenten, deren Steigwerte, Vorfluggeschwindigkeiten… Manch professionelle Crew funkt diese Daten kontinuierlich an ihren Piloten, verschickt WhatsApp-Nachrichten etc. Nun ja, es geht auch ohne. Manches möchte ich mitten im Rennen auch gar nicht wissen. Was ist hilfreich, was lenkt nur ab von der Herausforderung, selbst die Aufgabe optimal zu fliegen? In jedem Fall drückten mir einige die Daumen und fieberten mit, ähnlich wie mit einem Ausreißer bei der Tour de France. Ein schöner Vergleich. Und leider ging es mir auch genau wie den meisten dieser Ausreißer. Den ganzen Tag kämpft man bis zur Erschöpfung, um dann kurz vor dem Ziel vom Feld überrollt zu werden. Es hätte aber auch durchaus gut gehen können. Dann wäre ich nicht der tragische, sondern der strahlende Held dieses Tages gewesen.

Doch der Reihe nach. Direkt hinter der Wende Lübbenau an der Autobahn zwischen Berlin und Dresden, hatte ich in einem schönen Aufwind Zeit, mir über die Taktik für die verbleibenden 180 km Gedanken zu machen. Was eben noch als starker Seitenwind nervte, schob nun Richtung Heimat. Es war also auf jeden Fall richtig gewesen, erst hinter der Wende zu kurbeln und einige Aufwinde davor stehen zu lassen. Leider gab es aber auch schlechte Nachrichten. Die abschirmende Bewölkung drückte nun doch massiv rein. Vermutlich würde mir nur ein weiterer guter Aufwind auf dem Nachhause-Weg vergönnt sein. Dieser würde aber noch nicht für den Endanflug reichen. Die Höhe hierfür würde ich mir mühsam in zunehmend abbauender Thermik erarbeiten müssen – hoffentlich erfolgreich. Der einzig tröstliche Gedanke war, dass es der Konkurrenz hinter mir kaum besser gehen würde – eher schlechter. Es war auf jeden Fall richtig gewesen, früh abzufliegen.

Ergebnis all dieser Überlegungen war fortan ein eher verhaltener Flugstil. Langsamer vorfliegen, mäßige Thermik, die ich eben noch im Geradeausflug durchflogen hätte, kurbeln; einfach, weil die Aussichten auf Kurs bescheiden waren und voraus noch schlechtere Steigwerte zu erwarten waren. Kurz vor dem Pflichtwendepunkt Colditz, 80 km vor dem Ziel, schaltete ich endgültig auf “Überlebensmodus” um. Ich brauchte noch einige hundert Meter unter den Tragflächen, um nach Hause zu kommen, einen Bart, der mich auf Maximalhöhe tragen sollte, “egal”, mit welchen Steigwerten.

Wie sich zeigen sollte, war ich mit dieser Herangehensweise viel zu defensiv unterwegs. Aber der Reihe nach: Schöne Thermikwolken gab es längst nicht mehr. Wohin sollte ich fliegen? Wo gab es die besten Chancen auf den rettenden Aufwind? Deutlich nördlich vom Kurs, über den Braunkohle-Tagebauten standen unter einer schon massiven Abschirmung noch einige Flusen, die ich als Thermikboten deutete. Würde es da noch hoch gehen? Falls ja: würde der dortige Aufwind aktiv bleiben bis ich die Wolken erreichte? Weiter südlich strahlte die Sonne noch recht ungestört ein. Hier war es aber komplett blau, hier gab es keine sichtbaren Anzeichen von Thermik.

Ich entschied mich zusammen mit Conrad Hartter, der in der zweiten JS1 mittlerweile von hinten aufgeschlossen hatte, für die nördliche Variante. Ein Team aus zwei ASW 22, ebenfalls von hinten kommend, bevorzugte dagegen selbstbewusst den Weg ins Blaue. Mein eigentlicher Fehler war nun, dass ich nicht konsequent zu den Flusen vorflog, sondern stattdessen jeden Lupfer mitnahm. Hier ein Suchkreis, dort zehn Runden in wirklich schwachem Steigen, weiter erst, wenn ein längeres Verbleiben ganz offensichtlich sinnlos wurde. Ich hatte einfach die Hose voll, fürchtete, dass meine Flusen nicht funktionieren würden, dass ich dahinter unter der immer dickeren, geschlossenen Bewölkung keinen Aufwind mehr finden könnte. Mir fehlte der berühmte Plan B und allein auf Plan A wollte ich mich nicht verlassen.

Als ich schließlich doch an den Flusen ankam, überraschten diese mich mit über 2 m/s Steigen. Ich war erleichtert und frustriert zugleich. Warum bin ich Hornochse nicht direkt hierhin geflogen? Hätte, wäre, wenn… Zu allem Überfluss kreiste ein weiterer von hinten aufschliessender Pulk hinter mir an der Wende Colditz in 3,5 m/s ein – das erzählten mir die Internet-Follower nach der Landung. Dieser Hammerbart stand da einfach so, aus dem Nichts. Grrrr! Die Welt kann so ungerecht sein 😕.

Zu meiner Verteidigung muss allerdings auch erwähnt werden, dass andere im Endanflug noch viel mehr Zeit verloren haben als ich. So ist das oben angesprochene ASW 22-Pärchen mit seiner Entscheidung, ins Blaue zu fliegen, gar nicht glücklich geworden. Auch sie haben auf der Suche nach einem Endanflugbart beim „Angstkreisen“ viel Zeit verloren und erst spät und tief einen brauchbaren Aufwind gefunden.

Nach dem Stress der letzten Stunde hatte ich mir eigentlich einen entspannten Endanflug verdient. Aber auch der war mir an diesem Tag nicht vergönnt. Ich hatte erwartet, durch tote Luft zu fliegen und erwischte stattdessen eine unglaublich schlechte Spur. Ich musste so sehr das Gas rausnehmen, dass Conrad, der ein wenig weiter nördlich flog, mir auf den verbleibenden Kilometern mehr als 5 Minuten abnehmen konnte. Wenn es nicht läuft, dann läuft es nicht…

Tages-Rangliste Jenacup

Als ich schließlich als Tageszwölfter, 26 min langsamer als der Tagessieger (und immer noch mit 115 km/h Schnittgeschwindigkeit) in Minimalhöhe und mit Minimal-Geschwindigkeit über die Ziellinie schlich, fiel alle Anspannung von mir ab. Ich war fix und fertig und offensichtlich nicht mehr voll konzentriert.

Erst im Endanflug auf die Asphaltpiste fiel mir auf, dass ich das Fahrwerk noch nicht ausgefahren hatte. Das wäre der krönende Abschluss eines ohnehin schon bescheidenen Tages gewesen! Fortsetzung folgt…

>> Rückblick, Bericht / Teil 1

>> Rückblick, Bericht / Teil 2

Jenacup Tag 2

von Martin Knops

Das tolle Feedback zu meinem letzten Post hat mich natürlich motiviert, weiter zu schreiben Ich hoffe, es gefällt Euch auch diesmal 😃.

Der 1. Tag des Jenacup 2022, meines ersten Wettbewerbs nach 14 Jahren, war trotz zwischenzeitlicher Selbstzweifel wunderbar gelaufen. Zweiter Platz! Ich sammelte etwas verfrühte Glückwünsche aus dem Freundeskreis ein, genoss ein Feierabendbier und den Blick auf die Tageswertung. Diese war natürlich nur eine Momentaufnahme. Eine ganze Woche lag noch vor uns. Aber immerhin: der Einstand war mehr als gelungen und ich hatte mich nicht blamiert 😃. Nicht, dass ich das befürchtet hätte.

Und doch ist die Sorge, mäßig abzuschneiden und sich entsprechend erklären zu müssen, für einige ein Grund, nicht an Wettbewerben teilzunehmen. Kein Mensch ist komplett uneitel und wer im persönlichen Umfeld und im eigenen Verein auch ohne Wettbewerbserfolge als Toppilot gilt, der kann eigentlich nur verlieren, wenn er sich dem direkten Vergleich stellt. Dieses Denken ist verbreiteter, als man glaubt. Niemand würde das natürlich von sich zugeben, aber ich habe es schon öfter beobachtet. Nicht umsonst gibt es auch den Spruch, dass der Pilot Wettbewerbe gewinnt und das Flugzeug diese verliert.

Mit meiner alten LS6 wäre ich gerne gegen Ventus 2 und 3, ASW27 und ASG29 in der Rennklasse geflogen. Ich hätte mir durchaus gute Chancen ausgerechnet, aber wenn ich am Ende des Feldes gelandet wäre, hätte es auch eine einfache, wasserdichte Erklärung gegeben: Mit dem alten Hobel hatte ich schlicht und einfach keine Chance gegen die Flieger der neuesten Generation! Mit meiner JS1 konnte ich auf diese Ausrede schon mal nicht setzen. Zwar wurde ich von einigen im Vorfeld gefragt, warum ich mit meinem 21 Meter Stummelflügler denn gegen die Spannweitenriesen in der Offenen Klasse anträte, aber wer sich auskennt, der weiß sehr wohl, dass die JS1 neben der EB29R aktuell DAS Flugzeug in der Offenen Klasse ist.

Hierzu lohnt sich (noch) ein kleiner Exkurs:
Ähnlich wie es im Segelsport verschiedene Bootsklassen gibt, so werden auch Segelflug-Wettbewerbe in unterschiedlichen Klassen ausgetragen. „Königsklasse“ ist die Offene Klasse, in der es keine Bauvorgaben gibt. Lediglich das maximale Abfluggewicht ist auf 850 kg begrenzt. Über viele Jahrzehnte gab es einen einfachen Maßstab für den technischen Fortschritt im Segelflugzeugbau: Die Spannweite der Offenen Klasse. Neue Werkstoffe, erst glasfaserverstärkter Kunststoff, dann die Einführung der Kohlenstoff-Fasern ermöglichten immer längere und gleichzeitig immer dünnere und schlankere Flügel. Je länger und schlanker die Flügel, desto besser das Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand, desto besser die Gleitzahl. Seit mehr als 30 Jahren gleiten die Segler der offenen Klasse aus 1000m Höhe mehr als 60 km weit. Gleitzahl 60: Traumhaft. Die Rekordspannweite markiert seit nunmehr 20 Jahren die „ETA“ mit knapp 31m und einer Gleitzahl von 70.

Diese enormen Spannweiten bringen aber auch Nachteile mit sich. Nicht nur beim Auf- und Abbauen und beim Handling am Boden sind diese Riesenflieger unhandlich; auch in der Luft sind sie nur schwer „um die Ecke“ zu bewegen. Die Wendigkeit ist im Vergleich zu kleineren Fliegern deutlich eingeschränkt. Und auf diese Wendigkeit kommt es durchaus an, will man enge Aufwinde optimal nutzen. Diese Zusammenhänge allein vermochten es allerdings nicht, das Spannweiten-Wachstum in der Offenen Klasse zu stoppen. Aber da gibt es noch einen weiteren Aspekt: die Flächenbelastung. Diese Kennzahl setzt das Abfluggewicht ins Verhältnis mit der Flügelfläche (kg/m2).

Intuitiv wird wohl jeder denken, dass ein Segelflugzeug möglichst leicht sein sollte, um optimal von der Thermik in die Höhe getragen zu werden. Und so verwundert es zu sehen, dass die Piloten an einem guten Flugtag Wasser tanken, um schwerer zu werden. Oft sogar, um möglichst schwer zu werden. Dies scheint zunächst widersinnig und tatsächlich steigen diese schweren Flugzeuge in Aufwinden schlechter als leichtere.

Des Rätsels Lösung liegt im Geradeausflug zwischen den Aufwinden. Hier gilt es, möglichst schnell, aber logischerweise auch möglichst hoch den nächsten Aufwind zu erreichen. Dummerweise steigt aber der Widerstand mit zunehmender Geschwindigkeit überproportional an. Das Flugzeug sinkt schneller, die Gleitzahl wird schlechter. Aus Gleitzahl 60 bei 100 km/h wird so beispielsweise Gleitzahl 28 bei 200 km/h. Man verliert also mehr als doppelt so viel Höhe auf der gleichen Strecke. Offensichtlich ein Optimierungsproblem: wie schnell fliege ich vor? Schnell kann schnell langsam sein (mir gefällt dieser Satz 😃) oder gar zur Aussenlandung führen, wenn der erwartete starke Aufwind nicht gefunden wird.

Ein schwereres Flugzeug, eins mit höherer Flächenbelastung sinkt nun bei gleicher Geschwindigkeit langsamer, da es mehr kinetische Energie hat. Die Gleitzahl bei 200 km/h Vorfluggeschwindigkeit liegt nun bspw. bei 40 statt bei 28 mit dem leichteren Flugzeug. Ist die Thermik stark genug, so wiegt das den Nachteil im Steigen mehr als auf. Zumal dieser Nachteil mit den aerodynamischen Innovationen der letzten 30 Jahre sukzessive immer kleiner geworden ist. Auch maximal schwere Flugzeuge lassen sich heute dank neuer, auftriebsstarker Profile problemlos in der Thermik steuern und steigen immer noch sehr gut.

Was hat dies alles mit der Spannweite zu tun? Die Spannweitenriesen kommen aufgrund der Gewichtslimitierung von 850 kg einfach nicht auf ausreichend hohe Flächenbelastungen, um bei gutem Wetter überlegen zu sein. Dies gilt zumindest für die weit verbreiteten Nimbus 4, ASW 22 BL und auch den oben bereits erwähnten Rekordflieger ETA.

Die JS1 ist mit ihren nur 21m Spannweite kleiner und agiler, kommt dennoch auf eine Gleitzahl über 60 und ist im Schnellflug eindeutig überlegen, nicht zuletzt dank einer im Vergleich zur ASW 22 BL 20% höheren maximalen Flächenbelastung. Mit diesen Eigenschaften hat die JS1 in den letzten Jahren für einige Furore gesorgt. Als noch etwas besser gilt lediglich die EB 29 R. Diese hat 28m Spannweite, 7m mehr als die JS1 und sogar mehr als die „alten“ Spannweitenriesen Nimbus 4 und ASW 22. Dabei ist der Flügel aber extrem schlank und hat damit eine sehr kleine Fläche. Dies ermöglicht hohe Flächenbelastungen, die sonst nur die JS1 erreicht. Somit gibt es keine Nachteile im Schnellflug, durch die höhere Streckung und die große Spannweite aber Vorteile im Steigen und bei niedrigeren Vorfluggeschwindigkeiten.

Zurück zum Jenacup:
Tag zwei begann mit herrlichem Sonnenschein aber auch mit einem Schock. Ein Teilnehmer meldete sich mit Corona ab. Tags zuvor hatte ich beim Briefing noch neben ihm gesessen und entsprechend beschlich mich ein leicht mulmiges Gefühl – einschließlich erster Erkältungs-Symptome. Das hätte mir jetzt gerade noch gefehlt.

Bessere Nachrichten gab es vom Meteorologen: Hammerwetter!
Auf dem Zettel standen 625 km. Erst 100 km nach Westen quer über den Thüringer Wald, dann fast 300 km nach Süden bis Zwiesel im Bayrischen Wald und von dort entlang der Tschechischen Grenze zurück nach Jena. Wow! Ein wenig Respekt hatte ich schon vor solch einer Strecke. Start um 12, Abflug frühestens eine Dreiviertelstunde später. Macht einen 100er Schnitt für eine Ankunft um 19 Uhr. Machbar, aber ohne viel Spielraum für Fehler – dachte ich.

Was dann folgte war schlicht atemberaubend, berauschend, fantastisch. Abflug Viertel vor eins, Ankunft nach 625 km exakt 4:36 h später um 17:23, 136 km/h im Schnitt. Wow! Alles „alleine“, ohne Teampartner, ohne Pulk, ohne Thermikbojen. Es rannte, es lief! Auf dem zweiten Schenkel hinunter in den Bayrischen Wald bin ich gefühlt nur geradeaus geflogen! „Offiziell“ lag der Kurbelanteil bei 10 %, die mittlere Gleitzahl bei 105, die mittlere Vorfluggeschwindigkeit bei 170 km/h über den gesamten Flug. Und bei alldem habe ich auf dem letzten Schenkel durch schlechte Kurswahl sogar noch 10 min liegen lassen. Wow, wow, wow! Gereicht hat all das für Tagesplatz 5 und Gesamtplatz 1!

Eine Wertung zum Einrahmen, ein Tag wie im Traum.

Jenacup – Tag 1

Von Martin Knops.

14 lange Jahre bin ich keine Wettbewerbe geflogen.

Der Grund war keinesfalls ein negatives Erlebnis, sondern schlicht und einfach Zeitmangel. Sechs Wochen Urlaub im Jahr sind nicht wenig, aber mit verschiedenen Familienaktivitäten ist das schnell verplant. Genau eine Woche war typischerweise fürs Fliegen reserviert und diese „wertvolle“ Woche habe ich immer lieber in den französischen Alpen als potentiell im deutschen Regen verbracht. Mit dem neuen Flieger juckte es mich aber irgendwie zwischen den Fingern. Ich hatte richtig Lust, wieder ins Wettbewerbsgeschehen einzusteigen und so meldete ich mich im Winter kurzentschlossen für den Jenacup an.

Der Startplatz ist gut gelegen zwischen Thüringer Wald und Erzgebirge, das Teilnehmer-Feld war gespickt mit einigen Toppiloten wie Bruno Gantenbrink und Alexander Müller. So versprach es, eine tolle Woche zu werden. Und um das Wetter musste man sich im Jahr 2022 bekanntlich keine Sorgen machen. Das würde schon passen. An Selbstvertrauen fehlt es mir nicht, aber ein abgebrühter Profi war ich nach 14 Jahren Abstinenz auch nicht mehr. Auf dem Flugplatz in Jena war ich nie gestartet, den Wettbewerbsraum kannte ich nur teilweise und der ganze Ablauf von Aufgaben-Pprogrammierung bis Dokumenten-Kontrolle war mir nicht mehr vertraut.

Mit etwas Vorlauf vor dem Start der Rennen am Samstag (23.7.) anzukommen, wäre also schön gewesen. Allerdings flog mein Sohn am Freitag Vormittag für ein halbes Jahr in die USA und Mittwoch hatte meine Tochter Geburtstag. War wohl nichts mit früh ankommen… Oder doch? – Ich konnte mir Montag und Dienstag freischaufeln, reiste am Montag an, baute alles auf, flog Dienstag (am wohl heißesten Tag des Jahres) flotte 600 km und fuhr am selben Abend wieder 500 km zurück nach Hause. – Klingt nach Stress, gab mir aber genau die Sicherheit, die ich brauchte: alle Systeme funktionieren, Platz bekannt, Fluggebiet bekannt, Ausrichterteam vor Ort vertraut…

Am 1. Wertungstag war dann erstmal Warten angesagt. Eine zähe Hochnebeldecke unterband zunächst jeden Gedanken ans Fliegen, aber unser Meteorologe blieb optimistisch. Ab 14 Uhr spätestens würde die Sonne vom azurblauen Himmel strahlen. Abwarten.

Aus 14 Uhr wurde 15 Uhr; die ersten behaupteten, sie hätten schon die Sonne gesehen… aber langsam lief uns die Zeit davon. Doppelsitzer- und 18m Klasse wurden neutralisiert, aber die 20 Offene-Klasse-Flieger wurden tatsächlich um halb vier noch gestartet. Auf dem Zettel stand eine 2 Stunden AAT. Für alle Nicht-Experten: Hierbei geht es darum, über mindestens 2 Stunden Flugzeit eine möglichst hohe Schnitt-Geschwindigkeit zu erzielen. Die Geschwindigkeit wird allerdings nur gewertet, wenn man auch wieder nach Hause kommt und auf dem Weg zwei vorgegebene Zylinder mit (im konkreten Fall) 50 km Durchmesser angekratzt hat.

AAT-Aufgaben haben gegenüber einer klassischen Racingaufgabe, die zwischen Startlinie und Ziel um vorgegebene virtuelle Bojen führt, einige Vorteile. Die Piloten können die Wendepunkte und damit die Strecke individuell wählen und so z.B. lokale Schauer und Gewitter sicher umfliegen. Gute Sache. Allerdings wird das Leben der Piloten damit nicht einfacher. Zu allen anderen Herausforderungen kommt nun noch die Aufgabe der Streckenplanung: welcher Weg verspricht unter den gegebenen meteorologischen und orografischen Randbedingungen die schnellsten Schnitt-Geschwindigkeiten? Entsprechende Entscheidungen sind im Flug ständig zu hinterfragen und anzupassen. Wie komplex diese Aufgabe ist, sollte sich direkt an diesem ersten Tag für einige sehr schmerzhaft zeigen – doch dazu später mehr.

Der Abflug erfolgte schließlich um 16:30 Richtung Thüringer Wald. Zunächst waren alle Maschinen recht eng beisammen. Echte Pulks gab es nicht, aber in der klaren Luft konnte man sich jederzeit einen guten Überblick über das Teilnehmerfeld verschaffen und man fand auch immer den einen oder anderen Kollegen im nächsten Aufwind wieder.

So war auch unschwer zu erkennen, dass die meisten Wettbewerber schon vor dem Hauptkamm des Thüringer Waldes Richtung Norden abdrehten, um auf dem kürzestmöglichem Weg den zweiten Wendezylinder ins Visier zu nehmen. Die Logik dahinter: angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit sollte man möglichst genau die 2 Stunden Mindestflugzeit einhalten und keinesfalls deutlich länger fliegen, da man dann unweigerlich in die absterbende Abendthermik gelangen würde. Also galt es, nur knapp in den ersten Zylinder einzufliegen und dann die zweite Wende so zu wählen, dass man pünktlich nach 2 Stunden nach Hause kommt.

Alle drehten also früh nach Norden ab. Alle bis auf Einen.

Ich war tief und der dringend benötigte Anschlussbart lockte – so war ich überzeugt – auf der sonnenbeschienenen Westseite des Hauptkamms – also hieß es für mich: weiter nach Westen! Dies passte zunächst sogar zu meiner ursprünglichen Flugplanung. Eins sprach nämlich eindeutig gegen ein (zu) frühes Abdrehen nach Norden: Der für uns gesperrte Luftraum um den Erfurter Flughafen, der sich bei dieser Streckenwahl wie ein überdimensionaler Schokoriegel quer in den Weg stellte! Hatten die anderen dies wirklich nicht bedacht? Klar, man konnte den Luftraum unterfliegen, man konnte ihn auch umfliegen, aber ideal schien mir beides nicht.

So flog ich zunächst positiv gestimmt weiter. Ich war mittlerweile so tief gesunken, dass sich der Thüringer Wald als veritables Gebirge vor mir aufbaute. Dies schreckte mich allerdings wenig. Über den Grat würde ich sicher kommen und der sonnenbeschienene Hang auf der anderen Seite musste einfach Thermik bringen! Sollte das nicht der Fall sein, so würde ich der Hanglinie weiter folgend nach Nordwesten in tieferes Gelände fliegen und irgendwo auf dem Weg wieder Anschluss finden. Dieser Plan B musste zum Glück nicht aktiviert werden. Tatsächlich fand sich an der vorgesehenen Stelle ein wunderbarer Aufwind. Also alles in Butter – für den Moment!

Leider droht Ungemach hinter jeder Ecke – und gerade, wenn man sich „im Flow“ fühlt, gilt es, achtsam zu sein. Während ich mich kreisend zügig der Wolkenuntergrenze näherte, musste ich den weiteren Flugweg ausknobeln. Abdrehen nach Norden oder nochmal 20 km nach Westen „unter die schöne Wolke“, die dort lasziv lockte? Ich erlag der Versuchung der Schönheit und hätte mir schon wenig später in den Hintern gebissen, wenn dieser für meine Zähne nur erreichbar gewesen wäre.

Zwar enttäuschte die Wolke nicht, doch der Wiedereinstieg in den Thüringer Wald erwies sich als knifflig. Ich fand einfach keinen guten Aufwind, sah gleichzeitig ein paar deutlich nach mir abgeflogene Nachzügler in galaktischer Höhe unter den Wolken gen Norden schießen und ließ mich so dazu hinreißen, ihnen zu folgen und einen mäßigen Aufwind nach dem anderen „stehen zu lassen“. Es musste sich doch einfach irgendwo ein richtiger Hammer finden lassen! Nur mit diesem würde es mir gelingen, halbwegs wieder zu den Konkurrenten aufzuschließen!

Leider näherte ich mich so unaufhaltsam dem nördlichen Rand des Thüringer Waldes und damit dem Ende der vielversprechenden Thermikwolken. Es ist zwar schön, im Wettbewerb nur starke Aufwinde kurbeln zu wollen. Nur das macht schnell. Entscheidend ist aber immer die Aussicht nach vorne und nicht der Blick zurück! Ich hätte einfach schon deutlich früher die Priorität darauf legen müssen, im thermikträchtigen Mittelgebirge maximale Höhe zu gewinnen! Stattdessen glitt ich jetzt weit unterhalb der Basis ins Ungewisse. Statt schöner Cumuluswolken waren in Flugrichtung nur noch vereinzelte weiße Fetzen zu sehen. Spätestens jetzt wurde offensichtlich, dass ich an diesem Tag im abbauenden Wetter die Steigwerte, die ich eben noch stehengelassen hatte, nie wiedersehen würde. Stattdessen musste ich nun ums Nachhausekommen kämpfen, schwächere Bärte annehmen und Wasser schmeißen.

Ich hatte mich verzockt.

Ich war viel zu spät dran, der Umweg nach Westen war ein Riesenfehler gewesen, so ein Sch… In so einer Situation fällt es schwer, die negativen Gedanken abzuschütteln und wieder positiv nach vorne zu schauen. Jetzt galt es wirklich, ums Nachhausekommen zu kämpfen! Als ich schließlich um 19 Uhr nach 2:30 glücklich und erschöpft über die Ziellinie schlich, war ich mir ziemlich sicher, nur mäßig abgeschnitten zu haben. Allerdings zeigte sich schnell, dass es den anderen auch nicht besser ergangen war. Einige hatten sich sogar Luftraumverletzungen eingehandelt, was zu einer virtuellen Aussenlandung führt. Ein ganzer Pulk war auf dem Weg zur zweiten Wende mit dem querliegenden „Schokoriegel“ in Konflikt geraten und in den Erfurter Luftraum eingeflogen.

So schlecht lag ich also doch nicht mit meinem Flugweg. Trotz der Umwege hatte ich tatsächlich den zweitschnellsten Schnitt erflogen. Ein wenig stolz war ich schon: Zweiter Platz direkt hinter Alexander Müller. Nicht schlecht nach 14 Jahren Abstinenz 😃.