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Flugfeld Altenburg-Nobitz schuldenfrei

Projekt „Industrie-Flughafen“: Udo Scheunig hat Dienst auf dem Tower. Gerade hat er die Anfrage eines Hubschrauber-Piloten beantwortet: Ja, ein Anflug sei möglich, obwohl auf dem Flugplatzgelände in Nobitz gerade gebaut wird. Denn der Airport will als „Industrie-Flughafen“ neu durchstarten. Als Exerzierplatz war das Gelände im Leinawald südöstlich von Altenburg schon zu Kaisers Zeiten bekannt. 1913 wurde dort eine Fliegerstation eröffnet. Statt einer befestigten Start- und Landebahn gab es damals nur eine große Grasfläche. Befestigte Pisten, Flugzeughallen, Werkstätten und Militärunterkünfte wurden bei Nobitz erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gebaut. Noch vor der offiziellen Kapitulation Nazi-Deutschlands besetzen amerikanische Truppen im April 1945 den Flugplatz, dann übernahmen nach Kriegsende die Sowjets das Kommando. Sie ließen den Platz mehrfach ausbauen und erweitern. 1969 wurde die Start- und Landebahn auf 2.500 nutzbare Meter verlängert.

Ironie des Schicksals: Aufwind als Zivil-Flughafen sorgte für Finanznot
„Der Beton wird nicht besser, nach gut 50 Jahren“. Frank Hartmann sagt es und zeigt auf Löcher am Rande der Piste. Der Flugplatzchef ist froh, endlich ein besonders ramponiertes Stück der Start- und Landebahn erneuern zu können. Daran war lange nicht zu denken. Denn der Flughafen musste jahrelang Schulden abstottern. Angehäuft hatten sie sich ausgerechte in den Zeiten, als die zivile Nutzung sogar international für gute Schlagzeilen sorgte: Nach ersten Versuchen mit Urlaubs-Charter-Flügen gelang es, einen irischen Billig-Flug-Anbieter für den Flugplatz zu begeistern. Linienflüge nach London, später auch ins spanische Girona und ins schottische Edinburgh – dafür floss viel Steuergeld in neue Terminals, in Abfertigungsanlagen und Sicherheitstechnik. Bis 2011 Ryanair sein Engagement in Ostthüringen beendete. Ein Traum zerplatzte. Viel schlimmer aber war, was die Inventur danach offenbarte: „Wir hatten weit über eine Million Euro Verbindlichkeiten, als ich angefangen habe. Größtenteils Bankverbindlichkeiten“, erinnert sich Frank Hartmann. Der Rechtsanwalt aus Leipzig stieg vor sechs Jahren ein als neuer Geschäftsführer der FAN, der Flugplatz Altenburg Nobitz GmbH.

Der Versuch, neu durchzustarten
Das Wort „Industrie-Flughafen“ steht für den Versuch, den alten Flugplatz neu zu erfinden. Sparen war angesagt. Von zeitweise 80 Beschäftigten vor zehn Jahren sind heute nur noch ein Dutzend übrig. Denn: Ein Schuldenabbau geht nur, wenn nicht weiter öffentliches Geld in wenig gewinnträchtige Projekte fließe. Da waren sich Hartmann und die Flugplatzgesellschafter von Anfang an einig. Und deshalb unterstützen die Zuschussgeber – der Landkreis, die Stadt Altenburg und die Gemeinde Nobitz – den Weg, den Flugplatz ganz anders zu vermarkten. 2020 ist es erstmals so, dass alle Räume in den Terminals vermietet sind. Schon zuvor waren Mieteinnahmen auf den Außenflächen organisiert worden.

Stück um Stück mutiert das Flugplatz-Areal zu einer Art Gewerbegebiet – aber es wird auch noch geflogen. Darauf hatte der Landrat des Altenburger Landes gedrungen. Ganz konkret, als die Idee gepuscht wurde, am Flugplatz ein Drohnen-Flug-Zentrum zu etablieren, machte Landrat Uwe Melzer im MDR THÜRINEN JOURNAL klar: Alles sei gut, solange Nobitz das bleibe, was es seit über 100 Jahren immer war – ein Flugplatz.

Schuldenabbau mit Geschäftsflug-Kunden und ein bisschen Glück
Das Drohnen-Projekt hat sich für Veranstaltungen am Platz eingemietet. Eine Solaranlage bringt Flächenmieten ein. Regelmäßig finden im Gelände Tests für autonomes Fahren statt. Und 2020 hat Volkswagen erneut Stellflächen angemietet, um Fahrzeuge vor dem Verkauf zwischenzuparken. Hinzu kommt, dass nach einem Gerichtsurteil Ryanair einen Teil von früher gezahlten Zuschüsse zurückzahlen musste. „Das sind besondere Glücksumstände, die uns durch dieses schwierige Jahr besonders gut haben durchkommen lassen“, sagt Geschäftsführer Hartmann bei einem kleinen MDR-Interview auf dem Tower. Und es gebe wieder bis zu 10.000 Starts und Landungen im Jahr. Dafür sorgen viele kleinere Maschinen: Flugschule, Rundflüge, Foto- und Filmflüge, Polizeihubschrauber, Rettungsflüge und Organtransporte, Flüge der Fallschirmspringer und anderer Luftsportler. Und es gibt mittlerweile über 60 Unternehmen in Westsachsen und Ostthüringen als Geschäftsflieger Kunden auf dem Flugplatz. Sie kommen aus der Auto- über die Textil- bis zur Papier-Branche. Noch einmal schauen Scheunig und Hartmann vom Tower aus rüber zum Baubereich. 500-Meter Start- und Landebahn erneuern – endlich ist es möglich geworden. „Wir können das nur leisten, weil wir in diesem Jahr die entsprechenden Einnahmen hatten, um den Eigenanteil zu finanzieren. Ja, das kostet schon eine Stange Geld – ungefähr eine Dreiviertel Million“, rechnet Frank Hartmann vor. Trotzdem aber werde der Flugplatz zum Jahresende erstmals wieder schuldenfrei sein. Sagt der Geschäftsführer. Quelle: ‚MDR‚.