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Hangflug an der Porta Westfalica

Autor Martin Knops

Mittlerweile ist es November, die Saison längst vorbei, alles Equipment über den Winter eingemottet, der Termin für die Jahreswartung in der Werkstatt gebucht. Morgens geht es im Dunkeln aus dem Haus und abends im Dunkeln aus dem Büro. Was für eine traurige Zeit! Einziger Lichtblick ist die Aussicht auf Skifahren im Februar, aber das ist noch unendlich lange hin.

Einige Segelflieger entfliehen dieser Tristesse in südliche Gefilde: Australien, Neuseeland, vor allem Namibia und Südafrika. Neidvoll verfolgen wir Daheim-Gebliebenen die dortigen Flüge: ein Tausender nach dem anderen, garniert mit eindrucksvollen Fotos und begeisterten Berichten. Warum nur habe ich nicht das Geld für ein derartiges Erlebnis gespart, den raren Urlaub hierfür geplant und mich rechtzeitig um einen Cockpitplatz gekümmert? Nächstes Jahr! Ne, klappt auch schon wieder nicht. Aber übernächstes Jahr bestimmt! Dabei gibt es durchaus „low-Budget-Alternativen“ für all diejenigen, die ein halbes Jahr fliegerischer Abstinenz schwer ertragen. Wellenflug in den Alpen, am Riesengebirge, entlang der Pyrenäen oder noch naheliegender: Hangflug an der Porta!

Aber auch hierzu hatte ich mich in all den Jahren nie aufraffen können. Natürlich gilt es, die Wetterentwicklung zu verfolgen, den richtigen Tag, das richtige Wetterfenster abzupassen. Woher weiß ich, ob tatsächlich Flugbetrieb stattfindet? Bin ich da überhaupt willkommen? Was, wenn der Wind dann doch 20 Grad aus der falschen Richtung kommt? Was, wenn der frontale Regen zwei Stunden eher als angekündigt einsetzt? Man muss einfach den inneren Schweinehund überwinden und den Hintern vom Sofa bewegen – beziehungsweise aus dem Bett! Der Wecker klingelt um 4:30 am frühen Samstagmorgen, pünktlich um Fünf rollten wir vom Hof. Wir? Mein 16 jähriger Sohn nahm tatsächlich auf dem Beifahrersitz Platz. Er hat neuerdings eine Freundin und nimmt die Mitfahrgelegenheit gerne wahr – es muss wahre Liebe sein! So habe ich Hilfe beim Anhängen des Fliegers. Danach Sohnemann absetzen und ab auf die Autobahn Richtung Porta. Dort herrscht bereits reges Treiben. Schon das Aufbauen macht Spaß. Die Atmosphäre erinnert mich an Hammertage mitten in der Saison.

Und dann geht es los: Aus dem F-Schlepp direkt an den Hang, der sich über 70 km die Weser entlang erstreckt. Zunächst fliege ich 30 km nach Westen. Fühlt sich super an. Mit gut 150 km/h schwebe ich knapp über die Wipfel, ohne einen einzigen Kreis, immer geradeaus. Dann Kehrtwende, den gleichen Weg wieder zurück, kurz den Wanderern am Kaiser-Wilhelm-Denkmal winken, Sicherheitsabstand zum Fernsehturm halten und weiter Richtung Osten. Hier ist die Bergkette etwas strukturierter. Dennoch bleibt das Fliegen sehr unproblematisch und trotz der immer niedrigen Flughöhe vollkommen entspannend. Bis zum Süntel, dem östlichen Ende des „Porta Hanges“, gibt es eigentlich keine einzige Lücke, die man überspringen müsste. Gemütlich gleite ich dahin, genieße die fantastische Landschaft, die ich bislang nur aus wesentlich größeren Höhen betrachten durfte. Beim ersten Turn drehe ich am Süntel um, aber schon da reift in mir der Plan, es nicht hierbei zu belassen, sondern beim nächsten „Rutsch“ den Sprung rüber zum Ith zu wagen. Es juckt mir einfach in den Fingern, soviel Nervenkitzel muss sein 🙂

Gedacht, getan… wobei es dann doch arg spannend wird. Die für den Sprung empfohlenen 600 m MSL erreiche ich nur knapp (andere empfehlen wohl nicht ohne Grund 800 m) und von dem Wind aus 170 Grad wird der Ith fast hangparallel angeblasen. Geht trotzdem, aber es ist nichts für schwache Nerven. Auf dem Rückweg dann das gleiche Problem. Statt direkt wieder an den Süntel zu fliegen, zieht es mich in jugendlicher Unbekümmertheit Richtung Norden zum Deister. Ortskundige wären wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen und schließlich muss auch ich einsehen, dass ich mich in eine Sackgasse manövriert habe. Habe dann kurz den Jet gezündet, um gegen den Wind wieder zum „richtigen“ Hang vorzufliegen. Insgesamt war es ein toller Tag. Hat sehr viel Spaß gemacht und war den Aufwand wert!

Danke auch an das Team am Flugplatz Porta Westfalia. Sehr entspannt, hilfsbereit, unkompliziert! Kann man öfter (und das nächste Mal besser) machen!

-> Link zum Flug.

Im eisigen Westwind ans Matterhorn

Einen solchen Start ins neue Jahr wünscht sich manche/r Segelflieger/in. Schon am dritten Tag des Jahres und bei winterlich-eisigen Bedingungen im Hangwind aus den Ostschweizer Voralpen in etwas mehr als fünf Stunden scheinbar mühelos im starken, präfrontalen Westwind das Matterhorn im südlichen Wallis zu erreichen. Finden Sie heraus, wie dieser aussergewöhnliche Flug gelingen konnte und wer im Cockpit sass.

Text: Ernst Willi, Bilder: Christian Furrer, Gerhard Wesp.


Einflug auf der Ostseite des Mattertales. Diese Region ist besonders in den unteren Höhenbändern
(< 3’000 m ü.M.) sehr turbulent.

Streckenfuchs an Bord

Beim Flug vom 3. Januar 2022 fällt die Zusammensetzung der Besatzung auf. Einerseits sitzt hinten im Duo Discus ein Jungpilot am Steuerknüppel, der zwar eine grosse Flugerfahrung aufweist, aber im Gleitschirmfliegen. Auf dem vorderen Sitzplatz steuert Streckenfluchs Gerhard Wesp den Duo Discus mit feiner Hand den einigermassen im Wind stehenden Kreten und Graten entlang immer weiter nach Südosten, bis vor der Nase des Duo der Matterhorn-Gipfel erscheint. Nach dem Höhe tanken an der Ostseite vom Mattertal und Vorbeiflug an der Dufourspitze hüllte sich das Matterhorn leider in Wolken und die Duo-Besatzung konnte den Gipfel nicht erreichen.

Gerhard Wesp hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Langstreckenflüge in den südamerikanischen Anden, aber auch in den europäischen Alpen realisiert und gilt als versierter Föhnfuchs, der sich systematisch das know how über eine Flugregion aufbaut. Am Vortag des Fluges hat er im aufbauendem Windfeld die Hang- und Wellenflug-Möglichkeiten über der Südost- und Zentralschweiz bis ins Engelberger-Tal erkundet.

Verhältnisse erkannt

Der Flug vom Vortag hat geholfen, die Wetterverhältnisse des Folgetages einzuschätzen und überhaupt einen Start zu wagen. Anderseits war das Ziel Zermatt auch nicht von Beginn weg auf der „Speisekarte“, es hat sich während des Fluges ergeben. Gerhard Wesp sagt dazu, dass sie eher ungeplant ins Wallis «gefallen» seien. Eigentlich hätte er gehofft, die Welle von Andermatt Richtung Domodossola halten zu können. Dafür wäre aber vermutlich mehr Geduld und mehr Höhe notwendig gewesen. Fraglich sei auch gewesen, eine Freigabe unter der Luftstrasse «A9» zu bekommen.

Topographie und Möglichkeiten genutzt

Die beiden Piloten haben die sich abzeichnenden Verhältnisse geschickt genutzt und sind den nach Nordwesten ausgerichteten Hängen und Graten der Glarner-, Urner- und Walliser Alpen gefolgt. Dabei mussten Sie neben teilweise starken Turbulenzen, etwa im Mattertal, auch zähe Tiefpunkte überwinden und sich z.B. am «Bättlihorn» im Wallis mit Geduld aus tiefen Flughöhen wieder „ausgraben“.

Flugdaten:

Wetter-Informationen:


Der Bodenwind am 3. Januar auf 925 hPa. Quelle: Meteociel.

Sieben Fragen an Co- und Jungpilot Christian Furrer

1. Wie habt Ihr Euch auf dem Winterflug ans Matterhorn im Cockpit als Crew organisiert?

Während ich die eher ruhigen Phasen des Fluges, wie den Schlepp, die langen Gleitpassagen und die „schönen“ Aufwinde übernommen habe, hat Gerhard den Duo in den teilweise sehr turbulenten Schlüsselstellen zum Höhengewinn gebracht. Ich habe im hinteren Sitz die Windwerte verschiedener Windstationen per Mobilephone studiert und mich mit Gerhard zum Flugweg beraten.

2. Welche Faktoren waren für diesen besonderen Flug wichtig?

  • Am 3. Januar einen Schlepppiloten zu finden (Dankeschön Paul Kläger!)
  • Den Wind richtig einzuschätzen und in den Lees gegen den Wind genügend schnell zu fliegen, um nicht zuviel Höhe zu vernichten.
  • Gute Ausweich-Alternativen zu haben und hoch zu fliegen (das Goms ist im Winter nicht landbar)
  • Die Freigaben für den Luftraum «Charly» im Mattertal und beim Heimflug durch die militärische TMA von Meiringen zu bekommen.
  • Sich genügend warm anzuziehen (Skyboots sind super)
  • Gerhard zu vertrauen

3. Du bist ursprünglich über das Gleitschirm-Fliegen zum Segelflug gekommen – was magst Du an Deiner „neuen“ Sportart?

  • Die unglaubliche Gleitflug-Leistung und die hohe Geschwindigkeit verglichen mit jenen eines Gleitschirms
  • Die Klapp-Resistenz in Turbulenzen
  • Einen «richtigen» Flieger zu pilotieren
  • Bei Wetterverhältnissen zu fliegen, an denen man nicht dran denkt, den Gleitschirm auszupacken
  • Ohne Motor noch weiter zu fliegen als mit dem Gleitschirm

4. Du hast Dich als Jungpilot in kurzer Zeit nahtlos in einen grossen Verein integriert. Was hast Du dafür getan?

Ich habe an möglichst allen Events, die in unserem Club stattgefunden haben, teilgenommen und mich auch bei den Fronarbeiten und dem Winterdienst an den Fliegern eingesetzt. So kam ich schnell im Vereinsleben zurecht und habe viele Leute kennengelernt.

5. Hast Du Tips für Jungpiloten, um den Zugang an know how und Streckenfüchse hinzubekommen?

  • Ich habe schon während der Ausbildung versucht, bei vielen Piloten in unserem Verein Tips zu holen und konnte schon vor meiner Piloten-Lizenz interessante Flüge mit erfahrenen Piloten machen. Wenn Ihr Fragen habt, geht zu euren Fluglehrern, Streckencracks, Technikprofis… irgendjemand hilft immer.
  • Ich bin eigentlich immer auf offene Ohren gestossen. Ich helfe mit, wo ich kann und mir wird auch geholfen…

6. Was wünscht Du Dir als Jungpilot von einem Verein?

Von einem Verein wünsche ich mir, dass die Jungpiloten gut integriert werden und dass es spezielle Events für neue Piloten gibt. Bei uns in der SG Lägern gibt es etwa den Glidercup, bei dem wenig erfahrene Piloten mit erfahrenen Fliegern Streckenfliegen. Der Event findet ein paarmal im Jahr statt, wobei man auch bei eigentlich schlechtem Wetter noch zum fliegen kommt und sieht, was möglich ist.

7. Wie kannst Du Dein Berufsleben organisieren, um oft gute Tage für das Segelfliegen zu erwischen?

Ich habe das Glück, einen guten Arbeitgeber zu haben, bei dem ich mir die Arbeit sehr gut selber einteilen kann. Ich habe selten fixe Termine und kann so sehr kurzfristig freinehmen.


Christian Furrer persönlich

Vorname: Christian
Name: Furrer
Beruf: Maschinenmechaniker
Arbeitsort: ETH, Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich
Zivilstand: ledig

Flugerfahrung:

  • 1998: Fallschirmbrevet, mit 230 Absprünge in 4 Jahren, dann aufgehört wegen Gleitschirmfliegen.
  • 2005: Gleitschirmbrevet SHV, seit da unzählige Flüge und Flugstunden. 80-100h Airtime im Jahr mit Reisen in viele Länder, von Türkei nach Südafrika, Malawi, Marokko, Kolumbien und vielen Orten in Europa. Personal Best: 193km in fast 10 Std. Airtime in der Ostschweiz. Im Jahr 2009 habe ich die Tandemlizenz gemacht und konnte schon einige Spaziergänger fürs Fliegen mit dem Schirm begeistern.
  • April 2021: Segelfluglizenz, bis jetzt mit 55 Starts und 84 Std. Airtime als PIC nach der Prüfung.
  • Interessen ausserhalb des Segelfliegens:
    Gleitschirmfliegen, Mountainbiken, Split-Boarding, Reisen

Aufregende Hangflug-Tage für Giessener Segelflieger

Die Segelflieger des Flugsportvereins (FSV) Gießen haben die Windsaison eingeläutet. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ermöglichten ihnen die Hänge der Mittelgebirge spektakuläre Flüge. Die Thermiksaison endet für die Gießener Segelflieger mit der schwächer werdenden Sonne in der Regel Ende September oder Anfang Oktober. Aber damit ist nicht Schluss, denn die aufkommenden Herbst- und Winterstürme bieten ab Oktober bis ins kommende Frühjahr ganz besondere Flugerlebnisse. Nicht nur in den Alpen, sondern auch in den Mittelgebirgen werde das schnelle Fliegen an lang gezogenen Gebirgshängen durch den nach oben abgelenkten, starken Wind möglich, vermeldet der Flugsportverein (FSV) Gießen. Einer dieser Hänge ist der Ith bei Hameln (südlich von Hannover) und die Verlängerung im angrenzenden Wesergebirge bis nach Porta Westfalica. Bei starkem Südwestwind ist dieser circa 70 Kilometer lange Hangzug ein beliebtes Ausflugsziel für Segelflieger aus ganz Deutschland. Der FSV Gießen nutzte diese Wetterlage nun für Übungsflüge am Ith. Dabei wurden auch gleich einige Flugschüler in diese besondere Technik des Segelfliegens eingewiesen. Beim Hangflug muss die Flugzeugnase sehr stark in den Wind gedreht werden, um nicht mit dem Wind vom Hang abgetrieben zu werden. Das Flugzeug fliegt also nicht mehr geradeaus, sondern seitlich gedreht nach vorne. Dabei gilt es, die beste Aufwindlinie entlang des Hangs zu finden und auszufliegen. Bei Windgeschwindigkeiten zwischen 40 und 75 Stundenkilometern sei das mitunter eine recht turbulente Angelegenheit, die auch erfahrene Piloten herausfordern kann. Von den beiden 15-jährigen Pilotenanwärterinnen Kirstin Kittel und Leandra Becherer wäre das jedoch sehr gut gemeistert worden. Erschwerend kommt die hohe Flugverkehrsdichte am Ith hinzu. Nicht selten muss man einer ganzen Reihe anderer Segelflugzeuge ausweichen, die dem eigenen Flugzeug auf unterschiedlichen Höhen entgegenkommen. Das erfordert stundenlange Konzentration. Mehr Informationen im Originalbericht des ‚Giessener Anzeigers‚.