Einmal den Niederrhein von oben sehen: Das dachte sich auch Reporterin Janine Zydeck. So hat sie ihren ersten Segelflug erlebt – trotz Höhenangst.
Noch ist es ruhig auf dem Segelflugplatz in Krefeld, lange wird es aber nicht so bleiben. Die ersten Flieger stehen schon auf der Wiese bereit und werden nach und nach Richtung Startbahn transportiert. Die Piloten machen sich bereits fertig. Sie begutachten noch einmal die Flieger und legen ihren Fallschirm an, bevor sie es sich im Sitz bequem machen und ihre Runden über den Niederrhein drehen.
Als ich die Segelflugzeuge sehe, kommen bei mir erste Zweifel auf. Worauf habe ich mich bloß eingelassen? Die Flieger sind kleiner, als ich gedacht habe. An einen Rückzieher ist aber nicht zu denken. Ich stelle mich trotz meiner Höhenangst der Herausforderung, so zumindest der Plan. Thomas Wiehle erwartet mich bereits. Er ist selbst Mitglied im Verein für Segelflug in Krefeld und fliegt, seitdem er ein Kind ist. Mit sieben Jahren hat ihn sein Vater das erste Mal mitgenommen.
Er kann sich an seinen ersten Flug noch gut erinnern. „Mein Vater hat mich hinten drin sitzen lassen. Ich weiß noch, dass ich beim Windenstart gedacht habe, ich muss sterben“, erzählt Wiehle. „Als wir in der Luft waren, bin ich dem Fliegen aber total verfallen.“ Ihm wurde schnell klar, dass er das Fliegen lernen möchte. „Für mich war es der Horror, sieben Jahre lang warten zu müssen, bis ich hinters Steuer konnte.“
8’700 Starts
Ein Segelflugzeug darf man nämlich erst im Alter von 14 Jahren alleine fliegen – nach entsprechender Ausbildung. Ich fühle mich sicher bei Thomas Wiehle. Schon mehr als 8700 Mal ist er in die Luft gestiegen, etwa 7100 Flugstunden, so schätzt er, hat er schon hinter sich. Zudem bildet er Flugschüler aus. Was soll also schon schiefgehen?
Während er mir erklärt, wie so ein Segelflugzeug überhaupt fliegen kann, beruhige ich mich etwas. Auf physikalische Gesetze sollte man sich schließlich verlassen können. Das Wetter sei ideal, denn: Die Sonne heize den Boden auf, der wiederum die darüberliegende Luft aufwärmt. Diese steige dann nach oben, da sie sich ausdehnt. „Bei der Ausdehnung geht Energie verloren, wodurch die Luft abkühlt“, so der Segelflieger. Dabei wird im Idealfall das Kondensationsniveau erreicht und es bilden sich Quellwolken, auch Cumuluswolken genannt. Diese Aufwinde können die Piloten nutzen und mit ihren Seglern in der „Thermik“ nach oben zu steigen.
Es wird ernst
Reporterin Janine Zydeck steigt trotz Höhenangst ins Segelflugzeug. Ich werde samt Segler auf die Starbahn geschoben, bevor das Seil, das uns mit der Propellermaschine verbindet, befestigt wird. Nun nimmt auch Wiehle im Sitz hinter meinem Platz. „Keine Sorge“, sagt er. „Den Segelflieger kann ich von hier komplett steuern.“ Ich atme noch einmal tief durch. Wiehle versichert mir, dass wir jederzeit landen können, sollte ich runter wollen. Beruhigend. Und schon geht es los.
Es geht 500 Meter hoch
Erst jetzt wird mir bewusst, dass es kein zurück mehr gibt. Ich schließe die Augen, der Start ist für mich immer am schlimmsten. Es ruckelt, da wir in kleinere Turbulenzen geraten. Doch nichts, das der Segelflieger nicht unter Kontrolle hätte. Es sei auch völlig normal, versichert er mir. Und dann kommt der Moment, der für mich am furchterregendsten ist. Wir haben unsere Flughöhe erreicht – etwa 500 Meter. Das Seil wird ausgeklinkt.
Mein Puls schießt in die Höhe, doch völlig unbegründet. Als wir uns von der Propellermaschine gelöst haben, bemerke ich, dass der Flug deutlich ruhiger ist. Keinerlei Turbulenzen. Ich öffne meine Augen und der Anblick, der sich mir bietet, ist atemberaubend. All meine Angst ist auf einmal hier oben, unter den Wolken, verflogen. Ich fühle mich sicher und genieße es, den Niederrhein von oben zu sehen. Ich habe eine klare Sicht über Krefeld, kann den Golfplatz von Neukirchen-Vluyn entdecken und sehe sogar den Rhein und den Düsseldorfer Fernsehturm. Mir wird bewusst: Das ist ein Moment, den ich nie wieder vergessen werde.
Wiehle begibt sich umgehend auf die Suche nach der Thermik, damit wir wieder Aufwind bekommen. Gesucht wird unter den Wolken. Wie Greifvögel, Kraniche oder Störche fliegen wir dazu stetig im Kreis. Eine Runde nach der anderen. Bis zu 700 Meter Höhe erreichen wir so. Danach geht es wieder in den Gleitflug. Ich kann die Segel-Flugzeuge anderer Piloten sehen, die über uns oder in einiger Entfernung fliegen und entdecke den Segelflugplatz.
Nachdem wir etwas Höhe verloren haben – wir befinden uns nun etwa auf 400 Metern – sucht der Fluglehrer erneut nach Aufwinden und steuert den Flieger wieder im Kreis. Nach der siebten Runde bemerke ich jedoch, dass mein Magen das nicht so gut verträgt. Ich bitte Wiehle also darum, wieder gerade zu fliegen. „Das ist völlig normal. Auf deinen Körper wirken Kräfte, die er nicht gewohnt ist“, so der Pilot.
Nach etwa 30 Minuten geht es für uns runter. Normalerweise fliegt der Segelflieger deutlich länger, sein Rekord liegt bei knapp elf Stunden. Mir reicht es aber vorerst. Die Landung bereitet mir keinerlei Sorgen. Ich verspüre nur Stolz, denn: Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals in ein Segelflugzeug steigen werde. Mich meiner Angst gestellt zu haben – die völlig unbegründet war – fühlt sich unfassbar gut an.
Als wir auf dem Boden aufsetzen ruckelt es kurz, bis wir mit leichtem bremsen zum Stehen kommen. Thomas Wiehle öffnet die Kabinenhaube und hilft mir, aus dem Segelflugzeug auszusteigen. Mir wird klar: Ich kann seine Faszination für das Fliegen verstehen. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis, das zu den schönsten in meinem Leben zählt. Mein Fazit ist also: Ja, man kann mit Höhenangst einen Segelflug machen. Es kostet Überwindung, aber es lohnt sich! Quelle: ‘nrz.de‘.