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Streit um Flugplatz Worms

Worms und Bobenheim-Roxheim (Rhein-Pfalz-Kreis) liegen sich in der Haaren. Es geht um die Lärmbelastung durch den Wormser Flugplatz für die Nachbargemeinde. Jetzt steht eine Enteignung im Raum.

Der Flugplatz Worms liegt ganz im Süden der Stadt, im Prinzip vor den Toren der Gemeinde Bobenheim-Roxheim. Jährlich gibt es rund 50.000 Flugbewegungen. Hier starten und landen Motorflugzeuge, Hubschrauber, Segelflugzeuge und Ultraleicht-Flieger. Viel zu viele, finden die Menschen in Bobenheim-Roxheim. Die Lärmbelästigung sei so nicht mehr zu ertragen. Deswegen möchte die Gemeinde, dass die Stadt Worms den Fluglärm verringert. Darüber sind die Verantwortlichen schon seit Längerem im Gespräch.

Sorge um Arbeitsplätze am Flugplatz
Allerdings ist die Stadt Worms als alleiniger Gesellschafter der Flugbetriebs GmbH Worms-Frankenthal-Ludwigshafen nur zu begrenzten Zugeständnissen bereit. Sie sieht den Betrieb des städtischen Flugplatzes in Gefahr und damit auch die 50 Arbeitsplätze dort.

Bobenheim-Roxheim hat zwei Grundstücke, die Worms will
Der Streit entzündet sich aktuell an zwei Grundstücken, die der städtische Betreiber des Flughafens gepachtet hat. Sie gehören der Gemeinde Bobenheim-Roxheim. Diese will sie jedoch nicht mehr weiter an den Wormser Flugplatz verpachten. Die Flughafen-Verantwortlichen sagen jedoch, man benötige die Grundstücke, sonst könne man den Flugplatzbetrieb nicht aufrechterhalten.

Worms will Bobenheim-Roxheim enteignen
Die Stadt Worms hat jetzt angekündigt, bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd ein Enteignungsverfahren für die zwei Grundstücke in die Wege zu leiten. Voraussichtlich im September werde dieses eingereicht werden. Sie beruft sich dabei auf das Luftverkehrsgesetz. Außerdem gehe es um Rechtssicherheit, so die Verantwortlichen. Denn der Flughafen soll früher oder später an einen privaten Investor verkauft werden. Er schreibt seit 2005 durchgehend rote Zahlen. Im Falle einer Enteignung würden die Grundstücke direkt der Flugplatz-GmbH Worms übertragen werden, so die Stadt Worms. Die Gemeinde Bobenheim-Roxheim würde im Gegenzug entschädigt werden.

Der Bürgermeister von Bobenheim-Roxheim Michael Müller (SPD) zeigte sich verwundert über diesen Schritt der Stadt Worms. Vor Wochen habe man noch gut miteinander geredet, als es darum gegangen sei, den Fluglärm am Wormser Flugplatz zu verringern. Müller kündigte an, sich mit einem Anwalt über das weitere Vorgehen zu besprechen. Quelle: ‚SWR‚.

Wie die Lausitz fliegen lernt

Birgit Zuchold, Bürgermeisterin von Welzow, will EU-Löschflugzeuge auf dem Flugplatz ihrer Stadt starten lassen. Ein kühner Plan. Zu kühn, finden Kritiker. Der Flughafen Welzow liegt an diesem Wintervormittag still inmitten der Landschaft. Nur ein Motorbrummen ist zu hören. Ein Privatflugzeug macht sich gerade gemächlich auf den Weg zum Startpunkt. Am Eingang des Flugplatzes stehen einige Männer. Sie grüßen freundlich, als Birgit Zuchold aus dem Auto steigt. Die SPD-Bürgermeisterin mit dem schicken schwarzen Kurzhaarschnitt kennt hier jeder.

Nach einem kurzen freundlichen Gespräch steigt Birgit Zuchold wieder ins Auto. Es darf den Eingang passieren und bis zum Kontrollturm direkt auf dem Platz weiterfahren. Der Privatflieger hebt ab, als die Bürgermeistern gerade die Außentreppe hochsteigt. Auch mit dem Sicherheitsangestellten im Turm hält sie ein Schwätzchen. Während das kleine Flugzeug über dem Platz an Höhe gewinnt, zeigt sie mit der rechten Hand über das Gelände. Ungefähr 500 Hektar groß ist die Anlage. Den Flugplatz gibt es seit den 1920er-Jahren. Zwei Jahre lang wurden hier sogar Passierflüge durchgeführt. Doch damit war schon 1930 Schluss. Zu DDR-Zeiten wurde das Gelände von der Sowjetunion als Militärflugplatz genutzt. Seit der Wende starten und landen hier meist Segelflugzeuge oder eben kleine Privatmaschinen wie jene, die gerade am Horizont verschwindet. Ein kleiner Provinzflugplatz, den außerhalb des Landkreises kaum jemand kennt.

Doch wenn es nach Birgit Zuchold geht, dann hat der Flugplatz Welzow seine große Zeit noch vor sich. Dann sollen hier demnächst nicht nur kleine Geschäfts- und Sportflieger landen, sondern Löschflugzeuge im Dienste der Europäischen Union. Es ist ein ehrgeiziger Plan, doch Birgit Zuchold hat überraschend viele Unterstützer dafür. Und einen noch überraschenderen Gegner. Vor allem aber könnte sich in Welzow zeigen, ob und wie der Strukturwandel in der Lausitz gelingen kann.

Der Klimawandel als Standortfaktor
Die Bürgermeisterin steht jetzt auf dem Treppenabsatz und schaut in die Himmelsrichtung, in der die kleine Maschine verschwunden ist. Der sandfarbene modische Hosenanzug, den sie trägt, ist eigentlich zu dünn für diesen Termin. Es ist kalt hier oben. Nicht ganz leicht, sich in diesem Moment die heißen und trockenen Sommer in der Lausitz vorzustellen. Birgit Zuchold hat sie, diese Gabe, mit Fantasie nach vorn zu schauen. Und die braucht sie auch für das Projekt, das die kleine Stadt in eine Zukunft nach der Braunkohle führen soll. „Auf was kann man sich in dieser Region verlassen?“, fragt die 54-jährige Kommunalpolitikerin, und man fragt sich kurz, ob sie wohl ihre Parteifreunde oder Amtskollegen meint. Dann gibt sie die Antwort selbst: „Auf die kalten, trockenen Winter folgen heiße und trockene Sommer. Fast jedes Jahr werden sie noch heißer und trockener.“

Der Klimawandel ist ein wichtiger Faktor in den Plänen der Bürgermeisterin, die ihre Stadt auf die Zeit nach der Braunkohle vorbereiten muss. Es geht um den Plan, hier in Welzow ein europäisches Brand- und Katastrophenschutzzentrum einzurichten. Die Europäische Union hat nach der Erfahrung mit den großen Waldbränden und anderen Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren beschlossen, ein EU-weites Rettungsnetz aufzubauen. Es heißt rescEU und ist ein Plan zur Stärkung des Katastrophenschutzes in den Mitgliedsländern. Seit 2018 wird darüber gesprochen, im Februar hat das EU-Parlament rescEU offiziell beschlossen. Gemeinsam will man Kapazitäten aufbauen, es geht um Feldlazarette, Notärzteteams und Waldbrandbekämpfungsflugzeuge. Unter anderem will die EU nördlich der Alpen einen Stützpunkt für den Brand- und Katastrophenschutz einrichten. Und hier kommt Welzow ins Spiel.

Die Lausitz-Stadt hat einen unschätzbaren Vorteil: Der Flugplatz ist voll funktionsfähig, mit Start- und Landerechten ausgestattet und hat eine einsatzbereite Beleuchtung, die Starts und Landungen auch nach Sonnenuntergang ermöglicht. Es gibt eine Tankanlage für die verschiedensten Flugzeugtreibstoffe. Und es gibt den Sedlitzer See direkt neben dem Flughafengelände. Entstanden aus dem Tagebau, ist er das größte künstliche Gewässer Brandenburgs. Auf ihm können auch große Wasserflugzeuge starten und landen. „Welzow ist der ideale Standort für ein europäisches Katastrophen-Sschutzzentrum“, sagt Birgit Zuchold. Das sehen auf Bundesebene und auch bei der EU viele Experten und Entscheidungsträger genauso.

Der zuständige EU-Kommissar war schon vor Ort
Der frühere Präsident des Technischen Hilfswerks, Albrecht Broemme, etwa. Er ist einer der weltweit führenden Experten für den Katastrophenschutz und in Berlin gerade dabei, die Impfungen gegen Corona zu organisieren. Doch wenn es um Welzow geht, nimmt er sich die Zeit für eine Lobeshymne. „Das ist geradezu ein Diamant für den Katastrophenschutz“, sagt er. Der Standort sei ideal. „Was mich aber besonders beeindruckt, ist, dass auch die Bevölkerung voll und ganz hinter dem Projekt steht.“ Broemme kennt das Projekt seit mehreren Jahren. Im September 2019 war er gemeinsam mit dem damaligen EU-Kommissar für Krisenschutz, Christos Stylianides, in Welzow. Man sprach dabei nicht nur über die geplante Löschstaffel, sondern auch über begleitende Forschung.

Stylianides kam damals auf Einladung von Christian Ehler. Dieser sitzt für die CDU im europäischen Parlament und befürwortet das Projekt ebenfalls. Es gebe gar nicht so viele zugelassene Landeplätze, die infrage kommen, sage er. Vorbild für das Projekt, das in Welzow realisiert werden könnte, ist das Katstrophenschutzzentrum im französischen Nimes. Dort kamen mit dem Projekt auch eine Reihe von Wirtschaftsbetrieben in die Region und mit ihnen Hunderte Arbeitsplätze – genau das, was Welzow dringend benötigt, wenn der Braunkohle-Abbau spätestens zum Jahr 2038 Geschichte sein wird. Es gibt auch schon eine positive wirtschaftswissenschaftliche Analyse der BTU Cottbus-Senftenberg. Und aus dem Bundesinnenministerium kamen positive Signale. Besser kann es für ein Infrastrukturprojekt gar nicht laufen.

Vielleicht ist es aber auch zu gut gelaufen. Es gibt einige Politiker und politische Beamte in Brandenburg, die der Meinung sind, dass Birgit Zuchold nicht ganz so sehr aufs Gaspedal treten sollte. Offiziell sagen möchte das natürlich keiner, doch im vertraulichen Gespräch geben einige Gesprächspartner durchaus zu, dass die forsche Art an höherer Ebene auf, nun ja, eine gewisse Reserviertheit tritt. Eine Bürgermeisterin, die für ihre kleine Stadt ein großes Ding an Land ziehen will? Das will man sich erst einmal genauer anschauen. Und so tritt ausgerechnet die Brandenburger Landesregierung auf die Bremse. „Man schreit dort nicht gerade hurra“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Roick. Er selbst unterstützt das Projekt. Doch er hat Verständnis dafür, dass nicht alle das so sehen.

Die Landesregierung blieb bisher untätig
Nach bisherigem Stand sieht die Rechnung so aus, dass 90 Prozent der Investitionen und im Anschluss 75 Prozent der Betriebskosten des Katastrophenschutzzentrums von der Europäischen Union übernommen werden würden. Es ist die Finanzierungslücke, die nicht nur, aber vor allem im Finanzministerium in Potsdam für Stirnrunzeln sorgt. Man hat das Gefühl, dass die Landesregierung das vermeintliche Problem aussitzen will. Im Sommer schon wurde sie vom Landtag mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. Unternommen hat sie in dieser Hinsicht bis heute: nichts.

Christian Ehler findet, dass man sich in Brandenburg gerade eine Riesenchance entgehen lässt. Bei den Finanzen habe die Bundesregierung bereits Entgegenkommen signalisiert. „Das Bundesland könnte auf europäische Fördermittel im hohen Millionenbereich zugreifen“, sagt er. „Dass es schon bei der Prüfung zögert, darüber bin ich sehr erstaunt.“ Schon gibt es erste Konkurrenten zum Standort Welzow, in Schleswig-Holstein ist man interessiert und auch in Sachsen. Die Landesregierung muss sich bewegen, sonst ist die Chance vertan.

Birgit Zuchold will dazu nur wenig sagen. Sie weiß, dass man ihr vorwirft, zu viel zu drängeln. Aber es muss für Welzow nach der Braunkohle weitergehen. „Wir sind die Stadt, die am meisten vom Strukturwandel betroffen ist“, sagt sie. Sie war daher eines der ersten Mitglieder in der sogenannten Lausitzrunde. Das ist ein kommunales Bündnis, das seit vier Jahren die Interessen der Menschen vor Ort im anstehenden Strukturwandel vertritt. Es geht auch darum, dass von den Milliarden, die für den Strukturwandel vorgesehen sind, nicht nur die Oberzentren und großen Städte in Brandenburg profitieren. Da muss Birgit Zuchold dann als Kleinstadt-Bürgermeisterin eben auch ein bisschen trommeln. Sie sitzt jetzt wieder im Auto und dirigiert den Fahrer zum sogenannten Welzower Fenster. Das ist ein Aussichtspunkt in der Landschaft, direkt am Ortsende: So weit das Auge reicht, erstreckt sich ein riesiges Tagebaugebiet. Hier werden noch immer bis zu 20 Millionen Tonnen im Jahr gefördert. Der Tagebau frisst sich weiter heran an die Stadt. Sie lebt von ihm und wird gleichermaßen vom ihm bedroht. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Denn wenn das sogenannte Teilfeld II im Tagebau Welzow Süd realisiert würde, müsste der Ortsteil Proschim weichen. Die Einwohner müssten umgesiedelt werden. Vermutlich würden sie die Stadt ganz verlassen. Noch aber hat sich die Besitzerin des Tagebaus, die Leag, nicht dazu geäußert, ob die Pläne überhaupt verwirklicht werden, wo doch der komplette Kohleausstieg beschlossen worden ist.

Das ist das andere Problem von Birgit Zuchold. Sie kämpft für die Zukunft einer verunsicherten Stadt. Die Proschimer hoffen und warten. „Wenn die Leute zu mir kommen und fragen, ob sie sich eine neue Küche kaufen sollen, sage ich immer: Macht das. Lebt jetzt und verschiebt es nicht auf später“, sagt Birgit Zuchold. Quelle: Christine Dankbar in der ‚Berliner Zeitung‚.