Neue Daten von Bewegungssensoren enthüllen, wie die riesigen Vögel in der Luft bleiben. Mit einem Gewicht von bis zu 15 Kilogramm fliegt der Andenkondor bis zu fünf Stunden ununterbrochen, ohne mit den Flügeln zu schlagen. Wie schafft das ein so schwerer Vogel? Ein internationales Forscherteam, darunter eine Wissenschaftlerin, die inzwischen am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz/Radolfzell arbeitet, hat Bewegungsdaten der Kondore gesammelt. Diese zeigen, dass die Vögel in aufsteigenden Luftströmungen segeln und sich so stundenlang in der Luft halten können. Nur während ein Prozent der Flugzeit schlagen sie aktiv mit den Flügeln.
Emily Shepard und Hannah Williams von der Universität Swansea und Sergio Lambertucci in Argentinien haben für ihre Studie Andenkondore mit Hightech-Bewegungssensoren ausgestattet. Diese zeichnen jeden Flügelschlag und jede Drehung und Wendung im Flug auf. Das Team wollte mehr darüber herausfinden, wie die Fluganstrengungen der Vögel je nach Umweltbedingungen variieren. Ihre Ergebnisse belegen, dass sich die größten flugfähigen Vögel der Erde während des Fluges nicht auf ihren Flügelschlag verlassen. Stattdessen nutzen sie die Luftströmungen, um sich stundenlang in der Luft zu halten. Nur ein Prozent seiner Flugzeit schlägt der Kondor mit den Flügeln. Die Forscher stellten darüber hinaus fest, dass mehr als 75 Prozent der Flügelschläge während des Starts stattfinden. Einmal in der Luft, können die Vögel über lange Zeiträume unter den verschiedensten Wind- und Thermikbedingungen segeln. Einer der untersuchten Kondore ist beispielsweise fünf Stunden ohne Flügelschlag geflogen und hat dabei rund 172 Kilometer zurückgelegt.
„Segelfliegende Vögel fliegen bei Wetterbedingungen, bei denen sie mit einem absoluten Minimum an Bewegung in der Luft bleiben können. Vor allem beim Start müssen sie aber auf extrem energieaufwendige Schlagflüge umstellen“, sagt Hannah Williams, die während ihrer Zeit an der Swansea University an der Forschung beteiligt war und jetzt als Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung arbeitet. Die richtige Entscheidung, wann und wo ein Tier landet und wann es die Strömung wechselt, ist daher von entscheidender Bedeutung, denn die Starts nach unnötigen Landungen erhöhen die Gesamtflugkosten erheblich.
Emily Shepard vom Swansea Lab for Animal Movement erklärt: „Die Strecken zwischen Gebieten mit schwacher Thermik sind für die Kondore besonders heikel: Wenn sie das Ende der Gleitflüge zwischen den Thermiken erreicht haben, müssen sie stark mit den Flügeln schlagen, um wieder Höhe zu gewinnen.“ Thermik kann sich wie eine Lavalampe verhalten, in der regelmäßig Blasen warmer Luft vom Boden aufsteigen. „Die Kondore müssen daher nicht nur den richtigen Ort einer Thermik finden, sondern auch zur richtigen Zeit dort ankommen, wenn sie eine ungewollte Landung vermeiden wollen“, fügt Sergio Lambertucci hinzu.
Hannah Williams will nun den Entscheidungsprozess von Kondoren während des Fluges weiter untersuchen und herausfinden, wie die Vögel die unsichtbaren Luftströme lokalisieren können, die ein absolutes Minimum an Bewegungskosten ermöglichen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass Segler wie die Kondore den Flug anderer Tiere beobachten und so eine Art Strömungskarte ihrer Umgebung erstellen. „Können sie mit Hilfe einer solchen Karte energiesparende Flugrouten finden und entscheiden, wann und wohin sie fliegen sollten?“, fragt Williams.
Quelle: ‚Max-Planck-Gesellschaft‚. Bild: Alvaro Moya Riffo.