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Buch über Fliegen auf der Wasserkuppe bis 1945

„Die Wasserkuppe ist in Fulda so bekannt wie Schwartenmagen und der Dom“, sie sei „das Woodstock des Segelflugs“ und „das Wacken der Flugpioniere“, ein Ort, an dem deutsche und europäische Fluggeschichte geschrieben worden sei. Sie sei aber auch ein NS-Täterort. Deshalb müsse man die Geschichte der Wasserkuppe in ihren verschiedenen Schichtungen freilegen. So begrüßte Dr. Alexander Jehn, der Direktor der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) die Gäste bei der Vorstellung des Buchs „Volk, flieg du wieder“ von Pauline Bietau. Um dieses Kompliment gleich vorneweg zu schicken: Das Buch ist didaktisch exzellent aufgebaut, mit knackig-kurzen Kapiteln, verdichteten Zusammenfassungen, Kurz-Biografien und ganzseitig abgedruckten Zitaten. Mit anderen Worten – das Buch ist bei aller historischen Genauigkeit und Tiefe extrem zugänglich.

Der Titel des Buchs ist der Gedenktafel am Fliegerdenkmal entnommen: „Wir toten Flieger bleiben Sieger durch uns allein. Volk, flieg du wieder, und du wirst Sieger durch dich allein.“ Ein Satz, der heute unerträglich ist, genauso seine revisionistische Haltung, die in den 1920-er Jahren weit verbreitet war. Warum er dennoch für dieses Buch gewählt wurde, erschließt sich mir nicht, zumal ja auch Wulf Bleys von nationalsozialistischem Gedankengut durchtränkte Geschichte der deutschen Luftfahrt so hieß. Und nein, da hilft es wenig, den Titel in Anführungszeichen zu setzen.

Ort technologischer Faszination
Auf der Wasserkuppe wird zwar seit 1911 geflogen, ihr „Impact“ allerdings stammt weniger aus diesen frühen Jahren als aus der Zeit des Dritten Reichs. Das hängt mit der durchorchestrierten Instrumentalisierung der Flug- und Technikbegeisterung zusammen, mit der das NS-Regime darauf abzielte, junge Menschen für die Fliegerei zu gewinnen. Sie tat das mit Schriften, Büchern, Plakaten, Wettbewerben und Filmen. Der Aspekt Verführung und Verführbarkeit spielt deshalb auch eine ganz besondere Rolle in diesem Buch.

Pauline Bietau wies daraufhin, dass Technik auch heute große Anziehungskraft besitzt. Zwar ist das Fliegen im 21. Jahrhundert selbstverständlich geworden, neue Technologien wie KI, Gentechnik oder Biotechnologie sind es aber nicht. All dies seien Technologien, die „das Potential haben, unser Zusammenleben zu revolutionieren. Sie eröffnen damit auch – wie das Fliegen in den 1920er und 1930er Jahren – Karrieremöglichkeiten für talentierte Forscher und Entwickler“, heißt es in der Einleitung des Buchs. So ist die Geschichte der Wasserkuppe auch die Geschichte der Unwägbarkeiten neuer Technologien, deren Auswirkungen gerade am Anfang nicht einschätzbar sind. Und die für eine offene, demokratische Gesellschaft Fluch und Segen zugleich sein können.

Ort ideologischen Missbrauchs
Die Geschichte der Wasserkuppe kann man auch als die des ideologischen Missbrauchs erzählen. Der Indoktrination entging hier niemand, das zeigt das Leistungsbuch eines auf der Wasserkuppe fliegerisch ausgebildeten Jungen. Neben fliegerischen Kenntnissen und sportlichen Normen war eine weltanschauliche Prüfung vorgeschrieben, in der vom Leben des Führers bis zu Rasse-Ideologie, NS-Parteiprogramm und deutschem Liedgut abgefragt wurde, was ein „Pimpf“ oder „Hitlerjunge“ zu wissen hatte. Nur dann gab’s die begehrten Abzeichen. In der in martialischer Überwältigungsarchitektur erbauten Ehrenhalle der Flieger wird ein Kenotaph für Otto Lilienthal (1848 bis 1896) gezeigt, darauf dessen vorgeblich letzte Worte „Opfer müssen gebracht werden“. Dahinter liegt das Löschwasserbecken, das auch als Schwimmbad genutzt werden konnte und für junge Menschen damals viel Anziehungskraft hatte. Hier sieht man den Mix aus Sport, Drill, Wettkampf und ideologischer Zurichtung besonders schön.

Ort der Mahnung und Erinnerung
Von 1945 bis 1998 überwachten von der Wasserkuppe aus vor allem amerikanische Luftwaffeneinheiten den Luftraum des Warschauer Pakts. Zeitweilig taten hier bis zu 800 Soldaten Dienst und trugen damit maßgeblich zur Sicherung des Friedens in Europa bei. Übrigens wurden auch die „Rosinenbomber“ während der Berlinblockade von der Wasserkuppe aus geleitet! Seit Ende des Kalten Kriegs hat die Wasserkuppe keine militärische Bedeutung mehr, heute steht ihre touristische Erschließung im Fokus. Die aber soll das historische Erbe weder verschleiern noch vergessen machen. Diese Epoche ist nicht Gegenstand des Buchs, verdiente aber eine eigenständige Darstellung.

Der ‚Berg der Flieger‘ ist ein gutes Beispiel für die Ambiguitätstoleranz, die wir in zunehmend als komplexer empfundenen Zeiten brauchen. Die Geschichte der Wasserkuppe ist keine von fliegenden Helden und Technik-Superfreaks, sondern eine von begeisterungsfähigen, aber eben auch verführbaren Menschen. Das macht die Ambivalenz dieses Ortes und der Menschen, die ihn geprägt haben, aus. Das auszuhalten ist eine gute Schulung in Demokratieverständnis. Quelle: ‚Jutta Hamberger in den Osthessen-News‚.

Saisonabschluss auf dem „Berg der Flieger“

Es ist immer wieder ein eindrucksvolles Bild, wenn auf der Wasserkuppe – dem „Berg der Flieger“ – bei traumhafter Kulisse zahlreiche Leichtflugzeuge abheben. Von Anfang März bis Ende Oktober ist auf dem höchsten Berg Hessens so einiges los. Auch in diesem Jahr bot die Saison den zahlreichen Hobbypiloten wieder beste Bedingungen.

Es ist ein milder Samstagmorgen, als ich mich auf den Weg zur Wasserkuppe mache. Heute geht es für mich hoch hinaus. Und die Wetterbedingungen könnten wohl besser nicht sein. Vor Ort treffe ich auf Jan Odenwald vom Verein Rhönflug Fulda. Bereits seit über 24 Jahren treibt es den Hobbypiloten in luftige Höhen. Heute soll es für uns mit der Scheibe SF 25 Falke, einem zweisitzigen Motorsegler, bis zu 2.000 Meter hoch hinausgehen – ein einzigartiges Erlebnis. Auch Gerhard Klink, erster Vorsitzende des Vereins liebt es, über den Wolken unterwegs zu sein.

Lange „Gutwetterphase“ in 2022
Auf die Segelflugsaison 2022 blicken beide mit jeder Menge tollen Erinnerungen zurück. „Alles, was in der Coronazeit flachgefallen ist, konnte in diesem Jahr wieder durchgeführt werden“ zieht Jan Odenwald von Rhönflug Fulda Bilanz. „Dazu zählen beispielsweise das Schweden-Fliegerlager im Mai, an dem wir mit sechs Flugzeugen teilnehmen konnten, unser Youngtimertreffen im August, sowie zwei Schnupperkurse. Bemerkenswert war die lange ‚Gutwetterphase‘. Wir konnten ab Juni bis Ende August so gut wie jedes Wochenende fliegen – trotz der Wärme sogar lange und auch streckenmäßig weite Flüge“, betont der langjährige Hobbypilot, der bereits von klein auf mit dem Segelflug vertraut ist.

Im Oktober erhielt der Verein Besuch von seinen schwedischen Freunden. „In recht herbstlichen Bedingungen mit viel Wind konnten wir mit ihnen in der ‚Leewelle‘ der hohen Rhön fliegen – eine Wetterlage, die sich selten bei uns einstellt und mit starkem konstanten Wind aus Süd einhergeht, sodass sich diese ‚Leewelle‘ bilden kann, in der man stundenlang fliegen kann und sehr konstantes Steigen in große Höhen vorfindet“, erklärt Odenwald.

Für Nachwuchs ist gesorgt
Im Rahmen von jährlichen Schnupperkursen wird Interessenten ein erster Einblick in die Segelfliegerei ermöglicht. Drei neue Flugschüler hat der Verein dadurch in diesem Jahr hinzugewonnen. Eine von ihnen ist Mathilda Wehner aus Künzell-Engelhelms. „Fliegen hatte für mich schon immer eine gewisse Faszination. Ich hatte vom Schnupperkurs tatsächlich über OSTHESSEN|NEWS erfahren und mich direkt angemeldet“, erzählt die 18-jährige Flugschülerin.

Im Juli dieses Jahres hat Wehner schließlich mit ihrem Flugschein begonnen. Im nächsten Jahr steht für die junge Pilotin dann der erste Alleinflug an. „Das ist schon unglaublich aufregend, ich bin sehr gespannt, wie das werden wird. Jedoch bekommt man mit der Zeit auch Routine beim Fliegen. Im Endeffekt ist das dann nichts mehr anders als Autofahren. Von daher bin ich da recht optimistisch.“ Auch von Familie und Freunden erntet Wehner immer erstaunte Blicke. Schließlich ist Segelfliegen ein wirklich besonderes Hobby.

„Der Berg der Flieger“
Schon vor über 100 Jahren hat sich die Wasserkuppe als „Berg der Flieger“ einen Namen gemacht. Der höchste Berg Hessens ist für die Fliegerwelt von großer geschichtlicher Bedeutung. „Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde hier der Segelflug erfunden“, erklärt Odenwald. Der höchste Berg Hessens gilt deshalb als „Wiege des Segelflugs“ und ist für Flieger aus aller Welt ein beliebtes Pilgerziel. Vor über 100 Jahren entdeckten einige Fluginteressierte die besonderen Chancen des Bergmassivs. Bei guten Wetterbedingungen war es möglich, bis in Tal zu gleiten.

Der Traum vom schwerelosen Segeln
Mutige Flugpioniere begannen also, die Luftströme zu nutzen, um sich den Traum vom Fliegen zu erfüllen. Zwischen 1911 und 1914 wurden zahlreiche Gleitflüge durchgeführt – für damalige Zeiten eine große Sensation. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Segelfliegerei in 1952 wieder aufgenommen. Man entdeckte das thermische Fliegen, also sich durch aufsteigende Luft in die Höhe treiben zu lassen, für sich und stellte fest: Wer mithilfe der Thermik richtig Höhe gewinnt, kann mit der Kraft des Windes stundenlang gleiten.

Heutzutage finden pro Jahr rund 20.000 Starts und Landungen statt, die von zehntausenden Gästen interessiert verfolgt werden. Nirgendwo sonst ist man der Welt des Segelflugs so nahe wie auf der Wasserkuppe. Denn hier hat einst alles begonnen und der Traum vom schwerelosen Segeln wurde Wirklichkeit. Quelle: ‚Osthessen-News‚.