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Rasche Annäherung unterschätzt

Am Sonntag, 13. Februar 2022 herrschte auf dem Flugplatz Locarno wolkenloser Himmel und eine Sichtweite von über 10 km. Die Platzverkehrsleitstelle war nicht besetzt und die Kontrollzone war nicht aktiv. Es fand ziviler Flugbetrieb statt, dazu gehörte unter anderem Fallschirmsprungbetrieb, Flugschul-Betrieb mit mehreren identisch aussehenden Flugzeugen in der Platzrunde sowie diverse Flugzeuge, die den Flugplatz Locarno an- oder von ihm abflogen bzw. die Region überflogen.

Verlauf des schweren Vorfalls

Um 10:00 Uhr trafen sich der Flugschüler und der Fluglehrer, um mit dem als HB-KGG eingetragenen Motorflugzeug Sonaca S201 mehrere Platzrunden mit Aufsetzen und Durchstarten (touch-and-go) durchzuführen.

Um 10:30 Uhr begab sich der Pilot des Motorflugzeuges Mooney M20R, eingetragen als N521FH, in Begleitung einer Passagierin zum Flugzeug, um den auf 11:00 Uhr geplanten Rückflug nach Grenchen anzutreten. Nach Abschluss der Flugvorbereitung meldete der Flugschüler der HB-KGG um 10:51 Uhr auf der Platzfrequenz, dass er zum Roll-Haltepunkt der Piste 26R rolle. Um 11:00 Uhr rief der Pilot der N521FH erstmals auf der Platzfrequenz auf und meldete «taxi to holding point runway 06», rollte in der Folge jedoch zum Rollhaltepunkt der Piste 26R.

Wenige Sekunden später meldete der Flugschüler, dass er mit der HB-KGG auf die Piste 26R rolle und starte. Der Flugschüler und der Fluglehrer absolvierten im Anschluss die erste Platz-runde mit der HB-KGG. Der Flugschüler setzte im Gegenanflug sowie im Endanflug entsprechende Blindübermittlungen (blind calls) auf der Platzfrequenz ab. Als sich die HB-KGG im Endanflug auf die Piste 26R befand, habe der Fluglehrer das andere Flugzeug von der Haltebucht zum Rollhalt der Piste 26R rollen sehen.

Der Pilot der N521FH meldete auf der Platzfrequenz: «N521FH holding point for runway 06R, enter traffic, lining up and taking off behind via Whiskey.» Er beabsichtigte also, hinter dem Flugzeug im Endanflug auf die Piste 26R zu rollen, zu starten und danach den Ausflugspunkt Whiskey (W) anzusteuern.

Die HB-KGG ging nach dem touch-and-go in einen erneuten Steigflug über und folgte dem publizierten Flugweg für die Platzrunde der Piste 26R. Diese sah nach dem Überfliegen des Seeufers eine Rechtskurve vor, bevor entweder in einer langgezogenen Linkskurve in den Gegenanflug eingeflogen oder die Platzrunde verlassen wird.

Ungefähr eine Minute nach dem Aufsetzen der HB-KGG rollte der Pilot der N521FH auf die Piste 26R und leitete den Startlauf ein. Im Verlauf des Anfangsteigfluges zur vorausfliegenden HB-KGG aufschliessend, beobachtete der Pilot der N521FH die vor und rechts von ihm fliegende Sonaca und behielt den Steigflug sowie den Steuerkurs nach dem Überfliegen des Seeufers bei. Da er nicht wusste, wann die Sonaca in einer Linkskurve in den Gegenanflug drehen würde, habe er sich entschieden, nicht zum rund 4 NM südwestlich des Flugplatzes gelegenen Ausflugspunktes Whiskey (W) zu fliegen. Er habe beabsichtigt, im Moment der erwarteten Linkskurve eine Rechtskurve einzuleiten, um an der Sonaca mit genügendem Abstand vorbeizufliegen.

Der Flugschüler und der Fluglehrer an Bord der HB-KGG entdeckten die links überholende Mooney im Steigflug nur wenige Sekunden vor der gefährlichen Annäherung und verringerten den Steigflug. Nachdem der Pilot der N521FH noch kurz zuvor eine leichte Rechtskurve wie geplant eingeleitet hatte, kreuzten sich die beiden Motorflugzeuge in der Folge in einem Abstand von 160 m horizontal und 20 m vertikal. Der Fluglehrer in der HB-KGG schätzte den Abstand auf 5 bis 10 m. Die beiden Flugzeuge setzen ihren Flug an dem Bestimmungsort ohne nennenswerte Ereignisse fort.

Analyse und Schlussfolgerung

Die Sichtverhältnisse waren gut und hatten keinen Einfluss auf die Entstehung der gefährlichen Annäherung; ebensowenig die vom Piloten der N521FH zweimal falsch gemeldete Piste, da beide Piloten Sichtkontakt zum jeweils anderen Motorflugzeug hatten.

Der Pilot der N521FH beabsichtigte, den Abflug in südwestlicher Richtung über den Wegpunkt Whiskey durchzuführen, folgte dabei jedoch nicht der Abflugroute, welche nach dem Überfliegen des Seeufers eine Rechtskurve gefolgt von einer langgezogenen Linkskurve in Richtung Whiskey vorsieht. Mit der deutlich langsamer fliegenden HB-KGG vor sich, behielt er den Steuerkurs im Anfangsteigflug bei und verkürzte damit den Flugweg bzw. erhöhte die Annäherung an die Sonaca.

Die horizontale bzw. vertikale Distanz im Moment der geringsten Annäherung lässt die Anmerkung zu, dass der Pilot der schneller fliegenden Mooney die rasche Annäherung an das vorausfliegende Flugzeug unterschätzte. Mit der voraus fliegenden Sonaca über längere Zeit im Blickfeld war die Situation für den Piloten der N521FH vermeintlich kontrolliert, wohingegen die Besatzung der HB-KGG die links überholende Mooney im Steigflug nur wenige Sekunden vor der gefährlichen Annäherung erblickte.

Damit erklärt sich, weshalb der Abstand zwischen den beiden Motorflugzeugen von den Piloten unterschiedlich wahrgenommen wurde. Quelle: ‚Schweizerische Sicherheits-Untersuchungsstelle‘.

Beinahe-Kollision: 12 m horizontal, 21 m vertikal.

Verlauf
Die Piper flog auf direktem Weg zum Gebirgslandeplatz Clariden-Hüfifirn (LSVD) und näherte sich diesem von Osten. Auf der Ostseite des Hüfipasses machte die Besatzung eine Stelle aus, die ihr für eine Landung geeignet erschien, und drehte in eine zu dieser Stelle passenden Platzrunde ein. Um 10:42 Uhr, genau eine Minute vor der Fastkollision, befand sich die Piper auf 10 240 ft AMSL5 im Gegenanflug zur gewählten Landestelle mit der Absicht, diese zu Rekognoszierungszwecken noch einmal zu überfliegen.

Die Robin flog auf dem Rückflug vom Matterhorn über Andermatt und Amsteg ins Maderanertal ein, um von dort über den Hüfipass zum Flugplatz Mollis zurückzukehren. Um 10:42 Uhr, genau eine Minute vor der Fastkollision, befand sie sich auf einer Höhe von 10 430 ft AMSL über dem unteren Teil des Hüfifirns (vgl. roter Pfeil in Abbildung 1) und bewegte sich direkt in Richtung des vor ihr liegenden und auf 9652 ft AMSL gelegenen Hüfipasses. Nach dem Überflug des Hüfipasses leitete die Robin einen Sinkflug ein. Sie näherte sich sodann mit einer Geschwindigkeit über Grund von rund 150 kt der Piper an, die sich nach einer Linkskurve mit einer Geschwindigkeit von 78 kt im Queranflug auf die gewählte Landestelle befand. Um 10:43 Uhr kam es 2 km östlich des Hüfipasses zur Fastkollision. Der Abstand zwischen den beiden Flugzeugen betrug dabei noch 12 m horizontal und 21 m vertikal. Im Anschluss setzten beide Flugbesatzungen ihre Flüge wie geplant fort. Die Piper landete um 10:50 Uhr an der vorgesehenen Stelle auf dem Gebirgslandeplatz Clariden-Hüfifirn, und die Robin um 11:01 Uhr auf der Piste 01 des Flugplatzes Mollis.

Feststellungen
Die Fastkollision ereignete sich auf einer Höhe von 10 100 ft AMSL, entsprechend 450 ft über der Höhe des Hüfipasses und 2850 ft über Grund in einem Luftraum der Klasse E, in dem die Besatzungen nach dem Prinzip «sehen und ausweichen» (see and avoid) selbst für das Einhalten eines genügenden Abstands zu anderen Luftfahrzeugen verantwortlich sind. Beide Flugbesatzungen kannten den Gebirgslandeplatz Clariden-Hüfifirn (LSVD) und waren hörbereit auf der Gebirgsfrequenz 130.355 MHz, die als «Frequenz zu besonderer Verwendung» den Gebirgslandeplätzen der Schweiz zugeordnet ist. Blindübermittlungen der jeweils anderen Flugbesatzung nahmen sie nicht wahr.

Schlussfolgerungen
Die Fastkollision ist darauf zurückzuführen, dass die Besatzungen der beiden Flugzeuge das jeweils andere Flugzeug nicht visuell erkannten. Die von der Besatzung der Robin HB-KLZ getroffene Wahl von Flugweg und Geschwindigkeit zum Überflug eines Gebirgslandeplatzes bei Flugbetrieb trug zur Entstehung der Fastkollision bei. Quelle / vollständiger Untersuchungsbericht: ‚SUST‚.