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Glider Cup – 4. Tag, 21. Juni 2025

Autor: Harry Groenert

Wenn Segelflug auf die Alpen trifft oder: wie man mit neun Piloten, ein paar Cumuluswolken und einer Portion Thermikglück einen unvergesslichen Flugtag zaubert.

Der Start: 9 Piloten, 1 Mission, unendlich viele Möglichkeiten

Was braucht man für einen perfekten Segelflug-Wettkampftag? Richtig: neun mutige Piloten (acht davon im kuscheligen Doppelsitzer, einer solo im schicken Discus 2b), ein paar vielversprechende Cumuli und den unbändigen Willen, der Thermik zu zeigen, wer das Sagen hat.

Der erste Start erfolgte um 10:44 Uhr – nicht zu früh, nicht zu spät, sondern genau richtig für das, was Meteorologen als „zügige Thermikentwicklung“ bezeichnen. Der letzte Pilot hob um 12:44 Uhr ab und es zeigte sich, dass es die Thermik ernst meint. Perfekte Bedingungen für eine 2-Stunden-Freeflight-Aufgabe im Sprint-Format. Das ist der Modus, bei dem WeGlide automatisch die besten 120 Minuten mit dem höchsten Durchschnittstempo heraussucht. Clever, oder? Es gibt keine klassischen Wendepunkte, man kann einfach fliegen, was das Zeug hält.

Zwei Flugstile, zwei Welten

Einige unserer Piloten entschieden sich für die bewährte Strategie „in der zu Nähe bleiben, auch wenn’s unfreiwillig ist“. Diese Gruppe drehte tapfer ihre Runden rund um den Walensee. Nicht etwa, weil sie die Aussicht so besonders schätzten – obwohl diese wirklich traumhaft war -, sondern weil sich die Thermik bei den Churfirsten einfach nicht so recht zeigen wollte wie erhofft.

Besonders die Spätstarter hatten es schwer. Während die frühen Vögel schon in der warmen Luft badeten, kämpften sie noch um jeden Meter Höhe. Das Ergebnis: Sicherheit geht vor. Alle sind heil gelandet, und das ist bekanntlich die wichtigste Regel im Segelflug.

Unterengadin, wir kommen

Die zweite Gruppe hatte offenbar beim Frühstück Mut-Müesli gegessen und stürzte sich kopfüber in die alpine Abenteuerzone. Ziel: Unterengadin – Diese Helden flogen vorbei an Samedan (wo andere Urlaub machen), über den beeindruckenden Ofenpass – eine echte Alpen-Wasserscheide und definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst -, über Zernez und durch den Nationalpark.

Der Ofenpass wurde dabei zu einem der absoluten Höhenfenster des Tages und zum perfekten Beweis dafür, dass man mit einem Segelflugzeug spektakuläre Aussichten geniessen kann. Alpiner geht es kaum!

Die Zahlen: Wenn Zentimeter über Sieg entscheiden

Jetzt wird’s spannend: Die Top 5 lagen so eng beieinander, dass man schon fast ein Mikroskop brauchte, um die Unterschiede zu erkennen. Ganze dreieinhalb Punkte trennten die Spitzengruppe – das ist segelflugmässig praktisch ein Fotofinish.

Die geflogenen Sprintdistanzen bewegten sich zwischen 171 und 182 Kilometern bei Geschwindigkeiten von 88.4 bis 91.3 km/h. Das zeigt: Manchmal entscheidet wirklich ein halber Punkt über Sieg oder Niederlage.

Das Finale: Gewitter, Grill und glückliche Gesichter

Was für ein Tag! Hitze nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft – im wahrsten Sinn des Wortes. Ein grosser Dank geht an alle Organisatoren, meinen geduldigen Lehrmeister auf dem hinteren Sitz und natürlich an den DMSt-Index, der uns den Sieg beschert hat. Manchmal braucht man eben auch ein bisschen Glück.

Aber das Schöne am Segelfliegen ist, dass das Ergebnis gar nicht das Wichtigste ist. Als die Gewittergefahr zunahm, haben wir klug entschieden, den Tag rechtzeitig zu beenden. So blieb Zeit für das eigentliche Highlight: ein Grillfest mit zufriedenen Gesichtern und spannenden Fluggeschichten.

Für mich persönlich war das Lernen der grösste Gewinn. Gerade beim Gebirgsflug bleibt es immer spannend: Die Berge verzeihen keine Nachlässigkeit, belohnen aber taktisches und kluges Fliegen mit unvergesslichen Erlebnissen. Und es gilt für mich, dass es noch viel zu lernen gibt.

Ein besonderer Dank geht an unsere zwei Grillmeister – ohne Euch wäre der Tag nur halb so schön gewesen. Denn was nützt der beste Segelflug, wenn man danach nicht bei Bratwurst und kühlen Getränken darüber fachsimpeln kann?

Mitmachen lohnt sich

Mein Tipp an alle Neueinsteiger und Noch-nicht-Mitmacher: Traut Euch zum nächsten Glider Cup in Schänis. Ihr lernt nicht nur jede Menge über Segelfliegen, Wetter und Taktik, sondern erlebt auch eine fantastische Gemeinschaft.

In diesem Sinn: Bis zum nächsten Mal in der Luft – hoffentlich mit noch mehr mutigen Piloten, die sich trauen, die Alpen unsicher zu machen.

Von den Gletschern zum Lavendel

Der folgende Bericht wurde zwar vor 23 Jahren verfasst, dennoch ist er auch heute noch „nicht aus der Zeit gefallen“.

Tag 1: Der Blick nach Süden vom 18. Juni 2002 verheißt Sommer: Über dem Tösstal (Zürcher Oberland) steigen Frieder Wolfart und Simon Leutenegger im Doppelschlepp auf – geistig schon jenseits des Alpenkamms, wo erste Cumuli in abgeschiedenen Hochtälern locken. Am Gufelstock im Glarnerland finden sie erste Thermik, steigen auf 3’300 Meter – der Traum, von Winterthur bis ins südfranzösische Vinon zu fliegen, scheint greifbar.

Matterhorn, vor dem Sprung – Fotos von Frieder Wolfart

Die Route führt über Flims und das Engadin zum Gornergrat – dort, auf über 4’000 Meter, fällt um 16:30 Uhr die Entscheidung: weiter Richtung Süden, das Matterhorn zur Linken bzw. Rechten umrundend – als symbolischer Meilenstein auf dem Weg in die Provence.

Nach dem Sprung, Richtung Aostatal: Die Wetteroptik lässt keine Wünsche offen

Im Aostatal, über den Gletschern von Rhêmes und Val d’Isère, verdichten sich die Aufwinde. Spätestens über dem Serre-Ponçon und der Dormillouse stellt sich das Gefühl ein: der Flug trägt. Ein schnelles Geradeausfliegen über die typischen Brisenaufwinde der Haute-Provence bringt Frieder und Simon zügig nach Süden. Um 19:45 Uhr landen beide in Vinon – begleitet vom Duft von Thymian und dem letzten Licht über dem Luberon. Die Gletscherluft weicht Zikadengesang und provenzalischer Kulinarik.

Um 18:45 Uhr: Einflug an der Dormillousse in die berühmteste Rennstrecke der Südalpen
Das ist der Querschnitt durch den Schluss des Fluges mit der Steigphase im Geradeausflug an der Krete des Chemin, der letzten Thermik südlich der Trois Evêchés und dem sagenhaften Endanflug über 80 km.
Flugweg nach Vinon (SeeYou): Dienstag, 18.Juni 2002, Pilot: Simon Leutenegger, Flugzeugtyp: DG-303

Tag 2: Zurück mit der Thermik

Der Morgen vom 19.Juni 2002 in Vinon ist warm, die Thermik verhalten – doch erste Cumulus über dem Plateau von Valensole bringen ab 12:30 Uhr den Durchbruch. Wieder starten Frieder und Simon als Erste. Bereits sechs Minuten später steigen sie mit 2–3 m/s in die Höhe – diesmal führt der Weg durch die Coupe, über den Lucy und das Tête d’Amont, mit 5 m Steigen auf 4000 Meter – zurück zum Aostatal.

Tag 2: die Einstiegskante des Coupe

Im Gegensatz zum Vortag wählen sie nun den direkten Weg ins Wallis. Der Himmel bleibt gut gelaunt, nur über dem Berner Oberland kündigen sich Gewitter an. Am Oberalp wird das Steigen zur Geduldsprobe, aber schließlich reicht es doch für einen sicheren Endanflug.

Auf dem Rückweg über der Schöllenen

Um 18:20 Uhr landen die beiden wieder in Winterthur – reich an Eindrücken, erfüllt von einem Flug, der Hochgebirge und Mittelmeer auf poetische Weise verband.

Im Osten die Gewitter, im Westen die Sonne. Dem Rückflug von Vinon nach Winterthur steht nichts mehr im Wege.