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fs 35 – der 155-PS-Diesel-Motorschlepp-Segler der Akaflieg Stuttgart

Für jeden Flugverein ist es praktisch, ein Schleppflugzeug zu haben, um neben dem Windenstart mit sehr geringen Schlepphöhen auch die Möglichkeit zu haben, aus größerer Höhe zu starten, um sich mehr Zeit zum Thermiksuchen zu verschaffen, sich langes Hochkurbeln bei schlechter Thermik zu ersparen oder Kunstflug durchzuführen. Da in der Akaflieg Stuttgart schon etliche Segelflugzeuge gebaut wurden, wagen wir uns an eine neue Herausforderung: Ein Motorgflugzeug. Doch zuerst galt es, die Schwerpunkte des Projekts festzulegen und die Anforderungen zu definieren:
Die Zielvorgabe: Es gilt, einen Flieger zu bauen, der gut steigen, schnell absteigen und damit kostengünstig schleppen kann. Doch schnell stellt sich die Frage nach der Umsetzung: Wie kommen wir mit einem einfachen Entwurf zum Erfolg?

-> Projekt-Fortschritt.

Erste Überlegungen standen im Raum: Welche Parameter an einem Flugzeug beeinflussen das Steigen? Auf welche Weise und wie stark? Wie steige ich schnell ab? Und wie wird der Flug der Schleppmaschine für den Segelflieger hinten dran möglichst billig?

Mit diesen Fragen im Kopf konnten wir mit der Auslegung beginnen. Da dies keine Aufgabe ist, die man eben schnell auf einem Blatt Papier erledigt, wurden die Aufgaben aufgeteilt und die Ergebnisse immer wieder zusammengetragen und diskutiert. Der Zufall meint es gut mit uns: Zu Beginn der Auslegung hatten wir eine stattliche Anzahl Mitglieder, welche in der Lage waren, diverse Gebiete der Auslegung abzudecken. Konstruktionsdaten-Handbuch, Flügel-Aerodynamik, Profil, Struktur, Rumpf, Flugmechanik und Leistungsabschätzung waren als Aufgaben für die höheren Semester reserviert. Die restlichen Teilprojekte wie Urmodellbau, Formenbau, Formen fräsen, und weitere kleinere Aufgabengebiete wurden an die Jungaktiven vergeben. Und schon konnte jeder einzelne loslegen: Doch nicht jeder blieb still in seiner Ecke hocken und knobelte über seiner Aufgabe, sondern Diskutieren, Teamarbeit und das Zusammentragen von Ergebnissen stand auf der Tagesordnung, denn alle Teilgebiete hängen zusammen: Beispielsweise kann man kein Urmodell bauen, wenn man nicht weiss, wie der Flügel und der Rumpf überhaupt aussehen sollen; wer die Lasten auf den Flügel nicht kennt, kann diesem keine Form geben; wer nicht weiß, wie die Komponenten des Fliegers zusammenwirken, kann nicht sagen, welche Leistung der Flieger erbringen wird.

Nach dem Zusammentragen der Ergebnisse stand folgender Vorentwurf:
Die fs35 ist ein zweisitziges Motorflugzeug mit einem MTOW vom 850 kg. Das Augenmerk liegt auf dem Gewicht, da dieses einen gravierenden Einfluss auf die Steigleistung hat. Weiter ist der Flügel auf „Steigen“ ausgelegt und für „Absteigen“ zu dimensionieren. Die Ausführung als Doppelsitzer in Side-by-Side Anordnung beruht auf den Anforderungen der Akaflieg: Es besteht die Notwendigkeit, Piloten auf dieses Flugzeug einweisen zu können. Das Cockpit ist simpel gestaltet und die Bedienung des Fliegers ist einfach. Der Tank ist relativ groß, da im Schleppbetrieb durch ständiges Auf- und Absteigen mit einem zusätzlichen Segelflieger hinten dran viel Treibstoff benötigt wird.

Zusammenfassend kann man festhalten: Die fs35 ist ein leichtes, leicht zu fliegendes Flugzeug mit relativ großer Flügelfläche und einem eher dicken Profil. Ein Flieger, der optimal auf die Anforderungen im Schleppbetrieb eines Vereins ausgelegt ist. Quelle: ‚Akaflieg Stuttgart‚.

fs36 FlyByWire

Als die fs35 in unserer Werkstatt immer weniger wie eine Baustelle und mehr nach einem Flugzeug aussah, fingen wir an uns zu überlegen, was wir denn als nächstes Projekt angehen wollen. Als 2017 der Aufruf kam, man könne beim Luftfahrt-Forschungsprogramm (LuFo) des BMWK (Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, damals noch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) vielversprechende Anträge auf Förderung stellen, wurden zwei Ideen aus unseren Brainstorming-Projektbesprechungen, welche viel Anklang gefunden hatten, in Anträge übersetzt. Der eine Antrag mit dem Namen fs36-Velo befasst sich mit einer elastischen Flügelvorderkante, einer spaltfreien Hochauftriebshilfe für Segelflugzeuge. Der andere Antrag für die fs36 FlyByWire befasst sich mit der Erprobung elektrischer Steuermethoden im Segelflugzeug.

Beide Anträge wurden genehmigt. Da wir als Akaflieg aber nicht beide Projekte stemmen können, was wir auch dem Projektträger Luftfahrtforschung (PT-LF) kommunizierten, entschieden wir uns nach langen Überlegungen und einer Machbarkeitsstudie, den LuFo-Antrag fs36 FlyByWire in unser nächstes Projekt mit einfließen zu lassen. Genauer umfasst der Antrag die Auslegung und den Bau des Demonstrators einer FlyByWire-Steuerung im Segelflugzeug, bei dem die Steuerflächen alleinig über elektromechanische Aktuatoren angesteuert werden. Wir als Akaflieg entwerfen und bauen dazu ein speziell auf die FlyByWire-Steuerung ausgelegtes Flugzeug und arbeiten dabei mit dem Institut für Luftfahrtsysteme der Universität Stuttgart (ILS) zusammen, welches das FlyByWire-System beisteuert (Computer und Software).

Warum FlyByWire?
Doch warum sollte man in ein Segelflugzeug ein FlyByWire-System einbauen, das passt doch nicht zum Sport des Segelflugs. Dem ist jedoch nicht so. Zunächst planen wir die einfache Simulation einer mechanischen Steuerung, was uns die Erprobung der Flugeigenschaften des neuen Flugzeugs möglichst einfach machen sollte.

Dem Thema Sicherheit ist im Segelflug die wichtigste Rolle zugeschrieben. Nach Auswertungen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) resultierten 49% der tödlichen Unfälle zwischen 1996 und 2009 aus einer unkontrollierten Fluglage. Zur Vermeidung dieser Unfälle könnte man im nächsten Schritt in die fs36 relativ einfach eine Stall Protection oder sogar eine komplette Envelope Protection implementieren. Weiterhin ist es möglich durch noch weitere Automatisierung eine Flugbahnsteuerung in das System zu integrieren, die Vorteile wie Kollisionsvermeidung oder Luftraumvermeidung mit sich bringt.

Neben der Erhöhung der Sicherheit ermöglicht ein FlyByWire-System auch eine Verbesserung der Flugleistungen. Durch kleine Aktuatoren und Kabel, welche die mechanische Steuerung ersetzen, eröffnen sich neue Wege in der Gestaltungsfreiheit. So lassen sich mehr Ruderflächen mit beliebigen Ansteuerungen einsetzen ohne einen hochkomplexen Mischer entwerfen zu müssen. Wenn man noch weiter denkt, lassen sich durch Flugbereichseingrenzungen oder aktive Flatterdämpfung Strukturen entlasten, was zu einer Erhöhung des Leichtbaupotentials führen könnte.

Da wir als Studierende ein so anspruchsvolles Projekt schwer alleine stemmen können, haben wir uns das ILS der Uni Stuttgart als LuFo-Projektpartner gesichert. Dort wurden schon Erfahrungen gesammelt und in einem anderen Projekt eine sicherheitskritische Avionikplattform in eine DA42 eingebaut. So steuert das ILS auch bei uns das selbstentwickelte Computersystem bei, welches die Flugsteuerung beinhaltet, und konfiguriert es speziell nach unseren Anforderungen.

Vom fs34 – „Revival“…
Wir standen nun immer noch vor der Frage, was für ein Flugzeug wir als Demonstrator für das elektrische Flugsteuerungssystem bauen wollen. Für uns als ambitionierte angehende Ingenieure war schnell klar, ein Serienflugzeug umzurüsten und den Sicherheitsvorteil aufzuzeigen reicht uns nicht aus. Nur ein Flugzeugkonzept, dass auch den Leistungsvorteil einer FlyByWire-Steuerung aufzeigt, wird für uns der Rolle eines Demonstrators gerecht. Also erinnerten wir uns an ein früheres Projekt und holten die Pläne der bisher nicht verwirklichten fs34 aus unseren Schubladen.

… bis zur fs36
Wie die fs34 soll nun auch die fs36 mit einer Wortmann-Klappe ausgestattet werden. Das Flugzeug ist dafür ausgelegt bei ausgefahrener Klappe mit anderen Flugzeugen zu kreisen, um dann im Schnellflug den geringeren Widerstand der eingefahrenen Flächenklappe zu nutzen. Mit dem Wissen über die lange Projektlaufzeit der fs35 im Hinterkopf, haben wir uns vorgenommen, das nächste Projekt deutlich schneller zu verwirklichen. Um dies zu erreichen, wollen wir uns auf unsere Innovationen beschränken und haben uns entschieden, einen Serienrumpf verwenden. Einen weiteren Beitrag dazu soll der Einsatz von modernen Fertigungsmethoden vor Ort liefern. Aktuell befindet sich die fs36 in der Vorauslegung. Dabei kümmern wir uns gerade um die aerodynamische und strukturelle Auslegung des Flügels, die Einbauten in den Rumpf und sammeln neue Erfahrungen bei ersten Bauversuchen. Quelle: ‚Akaflieg Stuttgart‚.