SchänisSoaring-Skitouren-Weekend 2013. Teil 1.

Pulverschnee bis über beide Ohren
Samstag, 9. Februar: Piz Malèr

Die Anreise ins Vorder-Rheintal nehme ich diesmal aufgrund der grossen Schneemengen, die in den letzten Tagen gefallen sind, mit etwas gemischten Gefühlen in Angriff. Draussen im Garten liegen inzwischen wieder 120 cm Schnee – für Touren abseits gesicherter Pisten eine ungemütliche Situation. Wenn wir diesmal nicht einen versierten Bergführer dabei hätten, wäre ich vermutlich lieber zuhause in der sicheren Stube geblieben. So vertraue ich aber auf die mir von früheren Tourenwochen bekannte Berufserfahrung von Frigg und seine Pulverschnee-Nase, die noch immer gefahrenfreie Schwünge ermöglicht hat, wenn sich andere längst nicht mehr vor die Türe trauen oder wenn die Verhältnisse kaum fahrbar sind.

So fährt man auch mit 65 Jahren noch rassig durch den Pulver: Frigg zeigt, wie man’s richtig macht. (Foto: Peter Schmid.)

Stormrider.
Bis auf zwei heftige Grippefälle in letzter Minute sind alle angereist. Wir sind mit zehn TeilnehmerInnen dieses Jahr eine stolze Skitouren-Gruppe. Der Samstagmorgen erwartet uns mit lockerem Schneegestöber und einer wolkenverhangenen Nordseite und etwas aufgelockerter Sicht dank des Nordwind-Lee-Effektes auf der Südseite der Surselva. Auch die Schneemengen und die Exposition der Hänge ist auf dieser Talseite idealer. Die ersten Höhenmeter gewinnen wir ganz nach dem Motto von SchänisSoaring ‚meh abäfahrä als ufälaufä‘ und ‚jakeihöchiverlüürä‘ mit einer Kraftwerk-Seilbahn. Bis dahin geht also alles bestens.

Oben pfeift uns aber schon bei der Bergstation gehörig der Wind um die Nase. Zu den ca. zehn Minus-Graden kommen noch etwa 40 km/h Nordwind dazu. Äsischsauchalt! Entsprechend ungemütlich ist der Aufstieg über einen exponierten Grat. Erst, als wir diesen weiter oben am Berg verlassen und in Muldenlagen weiter aufsteigen, kann die Anorak-Kapuze zeitweise abgelegt werden. Mein Mikroklima in den vielen Kleiderschichten schwingt wieder etwas ins Gleichgewicht zurück. Vor mir läuft Monika. Am Hinterende ihrer Skier (die kann ich bei der Gelegenheit natürlich ausführlich studieren), steht ‚Stormrider‘ geschrieben. Treffender kann an diesem Tag ein Tourenski kaum heissen…

Spitzkehren-Technik.
Frigg geht ein konstantes Tempo, die Kräfte erlauben sogar eine kleine Serie Spitzkehren ‚à la Matzlenstock‘. Holger wirbelt dabei mit seinen langen Beinen dermassen schnell um die Wenden, dass man gar nicht mehr mitbekommt, welch ausgefeilte Technik in so einer Spitzkehre stecken kann oder muss, wenn man kürzere Beine hat.

Noch mehr Skitechnik ist bei der kurzen Abfahrt vom Grat in eine windgeschützere Muldenlage gefragt. Mit mehr oder weniger Eleganz und Telemark-Technik rutschen oder fahren wir mit angeklebten Fellen einen Hang hinunter. Dabei gehen – was dem gepflegten Segelflieger in der Seele wehtut – etwa 50 Höhenmeter verloren. Dafür ist nun der Aufsteig leichter, der Wind ist weg, teilweise lässt sich inzwischen die Sonne blicken und zaubert eine herrliche Winterlandschaft hervor. Nach insgesamt etwa 2.5 Std. und etwa 1’100 Höhenmetern Aufstieg erreichen wir eine Mulde vor dem Piz Malèr, unserem heutigen Ziel.

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Frigg balanciert behende über den Gipfelgrat des Piz Malèr.
(Foto: Beat Straub)

‚Hillary-Step‘.
Dort errichten wir ein vorgeschobenes Basislager mit Frühstücksplatz. Zeit für’s obligatorische Fleisch-Chäsli. Etwas weiter oben unter dem Einstieg über den Gipfelgrat deponieren wir die Skier und Frigg motoret mit einer kleinen Gruppe Unentwegter bis zu dem Hüften im Pulverschnee steckend wie ein Raupenfahrzeug den steilen Grat hinauf. Sowas habe ich schon längere Zeit nicht mehr gemacht. An den ungehinderten Tiefblick auf alle Seiten muss ich mich erst ein paar Minuten lang gewöhnen. Es lohnt sich aber. Auf dem schmalen Gipfelgrat präsentieren sich die Surselva und die Tessiner Alpen von der schönsten Seite. Eine richtig schöne, verzuckerte Winterlandschaft!

Nach dem altersbedingt etwas gschtabigen Abstieg über den Grat machen wir uns gemeinsam mit den am ‚Frühstücksplatz‘ Wartenden auf die Abfahrt – den nächsten Höhepunkt des Tages.

Champaign Powder.

Frigg ist eine aufrecht gehende Garantie für Bergerlebnisse, die lange in Erinnerung bleiben. Er führt uns an diesem Tag, in der in der ganzen Region erhebliche Lawinengefahr herrscht, über endlose Pulverschnee-Hänge zurück ins Tal, ohne dass irgendwo in der Schneedecke ein ‚Wumpf‘ zu hören gewesen wäre. So geniessen wir den anfangs Knie-, später Oberschenkel-hohen Pulverschnee und lassen uns die Eiskristalle um die Nase stieben.

Vrille im Short-Final und ein Maxloch.

Ganz ohne Spezial-Einlagen geht es aber natürlich auch heute nicht ins Tal. Als ‚Besenwagen‘ will ich in elegantem Schwung vor versammelter Gemeinde einfahren. Gelingt selten. Auch heute natürlich nicht. Im Short-Final erwischt es mich dann aber bös. Eine tiefe Schneemulde übersehe ich komplett und bleibe darin stecken. Die Ski-Bindung findet, das sei zuviel und löst aus. Was zu einem sofortigen Überschlag und fahrwerksloser Landung auf der Nase führt. Für den Spott brauche ich danach nicht zu sorgen. Der Pulver schmilzt an der Halskrause langsam und läuft eiskalt den Rücken hinunter.

Auch Max erwischt es auf den letzten Kilometern noch gehörig. Bei der Querung eines der vielen Bachläufe und Wäldchens gerät er auf der Gegenseite einer Mulde in anfangs leichte, Sekunden später in völlig überhängende Schieflage. Der hoch liegende Schwerpunkt (Rucksack) tut seine Pflicht und stürzt ihn – in eine ca. drei Meter tiefe Geländemulde voller Pulverschnee. Übel – da braucht man fast ein Dreibein, um aus den bodenlosen Triebschnee-Ansammlungen wieder hochzukommen. Mit vereinten Kräften schaffen wir aber den Rest des Heimweges auch noch.

Japanische Schnee-Affen.

Einer der Gründe für die Wahl des Hotels ist der von der unserer verwöhnten Skitouren-Gruppe in den letzten Jahren als unverzichtbar eingestufte Outdoor-Pool (notfalls werden auch Jacuzzis goutiert). So sitzen wir nach kurzem Schönheitsschlaf später abwechslungsweise in der Sauna und lassen unsere müden Beine im warmen Poolwasser auftauen. Den Kopf soweit wie möglich in der warmen Flüssigkeit haltend, gefriert nach einer Weile der menschliche Zentralrechner und setzt Schnee und Eis an (führt zu gefrorenen Kopfhaaren, bei allen, die noch welche haben). Ein Bild für Götter. Wie die japanischen Schnee-Affen sitzen wir im warmen Pool und lassen es uns gut gehen.

Wir sind uns einig. Die Investition in einen professionellen Guide lohnt sich. Heute sind noch nicht einmal die sturmerprobten Urnerbödeler, deren Tourengruppe ebenfalls in ‚unserem‘ Hotel haust und für ihre tollen Unternehmungen bekannt ist, weit abseits der regulären Pisten unterwegs gewesen. Wir hingegen haben ein unvergesslich schönes und vor allem sicheres Pulverschnee-Erlebnis gehabt.

Ein herrliches Berg-Erlebnis geht beim gemeinsamen Käse- und Fleischfondue zu Ende. Morgen soll das Wetter nach einer eiskalten Nacht aufklaren und verspricht noch mehr alpine Abenteuer.

Technisches:

Tourenkarten vom Samstag. Piz Malèr.

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