Rundflug mit der „Breezer“ der Antersberger Segelflieger

Geräuschlos kreisen sie von Aßling bis über die Alpen: Die Segelflieger des FC Condor Antersberg genießen die Freiheit, über den Dingen zu schweben. Mit einem neuen Flugzeug beleben sie ihre Vereinsarbeit. Neugierige sind willkommen, auch und besonders Jugendliche. Vorsicht: Flugsucht ist ansteckend. evor Bernhard Brandl durchstartet, tönt seine Stimme aus den Kopfhörermuscheln. „Die Physik ist für alle Flieger gleich“, flunkert er, während seine Finger den Gashebel der knallroten Breezer B400-6 umspielen, Rufzeichen D-MOUL. Dann schwillt das Motorbrummen zu einem Grollen an. Die Propellerschraube vor der Windschutzscheibe verschwimmt zum Schemen, als das Flugzeug auf der Startpiste des Fliegerclub Condor in Antersberg bei Aßling Fahrt aufnimmt. „Gras ist ein bisschen buckliger als Asphalt, aber viel schöner“, sagt der Pilot.

Die physikalischen Gesetze gelten für jedes Flugzeug. Je kleiner die Maschine, desto echter fühlen sie sich an. Das Leichtflugzeug beschleunigt fast wie ein Zug auf Schienen über die Wiese, gelegentliche Rumpler eingeschlossen. Bis Felder und Bäume unter der Breezer davon gleiten. Der tief liegende Wolkenkranz, der wegen der Inversions-Wetterlage rund um den Flugplatz die Sicht vernebelt, gibt den Blick auf den Wendelstein und die Alpenkette rund ums Inntal frei. „Schau, wie schön das ist!“, ruft Brandl, beruflich Kfz-Sachverständiger.

FC Condor Antersberg: Mit dem Segelflugzeug über die Alpen
Der 53-jährige Grafinger fliegt in seiner Freizeit als einer von rund zehn Schlepppiloten beim Fliegerclub Condor Antersberg. Von der Rollbahn, die südlich von Aßling genau hälftig auf der Landkreisgrenze zu Rosenheim liegt, gibt er den Segelfliegern des Vereins – acht solche gehören zum eigenen Flugpark – Starthilfe. So schaffen sie es bei guter Thermik über die Alpen bis in den italienischen Luftraum und zurück. Oder sie tummeln sich in den Aufwinden zwischen Berchtesgadener und Garmischer Land. Seit mehr als 50 Jahren kreisen die Antersberger Segelflieger, vorzugsweise wochenends bei schönem Wetter, über der Region. „Dann hängen die Flieger hier überall in der Luft“, sagt Schlepppilot Brandl, der selbstverständlich auch einen Segelflugschein hat. Zündholzgroß zieht das Hamberger Windrad am Seitenfenster vorbei. „Deswegen ist Fliegen mein Hobby“, sagt der Pilot über den Ausblick aus der Vogelperspektive.

Hobbyflieger müssen helfen
Auf dem Boden geblieben ist Jannis Gernhold. Der 24-jährige Student für Luft- und Raumfahrttechnik übernimmt am Funkgerät die vorgeschriebene Funktion als Flugleiter. „Kein gemeldeter Verkehr“, hat er Brandl zugefunkt, bevor dieser starten durfte. Beim nächsten Flug des jungen Münchners könnte es sein, dass der wieder gelandete Schlepppilot den Funker macht. Bei einem Hobbyverein wie dem FC Condor Antersberg sind sie aufs Zusammenhelfen angewiesen. „Damit du ein Segelflugzeug in die Luft bringst, brauchst du mindestens drei Leute“, sagt Jannis Gernhold.

Mit 15 Jahren hat den Münchner die Sucht nach dem Segeln über Wald und Flur gepackt, da hat er angefangen. „Du kannst mit der Natur fliegen“, sagt er über den Unterschied zum Motorflug. Und erzählt von stundenlangen Touren zwischen den Alpengipfeln, immer wieder emporgetragen von der Thermik, warmen, vom Boden kommenden Aufwinden. „Das ist Freiheit“, sagt der 24-Jährige.

Fliegen ist vor dem Autoführerschein möglich
Eine Freiheit übrigens, die schon lange vor dem Autoführerschein zu haben ist. Lossegeln darf man bei den Antersbergern schon im Teenager-Alter. Mit 14 sind erste Alleinflüge, mit 16 der Flugschein möglich. Inzwischen ist Gernhold Jugendleiter bei den Antersberger Segelfliegern. Acht Nachwuchsflieger zwischen 14 und 26 sind beim Verein mit seinen gut 65 Aktiven. Mehr wären jederzeit willkommen. Freiheit ist etwas, das der ganze Verein gerade zurückgewonnen hat. Die rote Breezer, mit der Brandl gerade über Aßling kreist, ist das neue Schleppflugzeug des FC Condor. Mit gut 70 Litern Sprit haben sie es von der niederländischen Grenze nach Oberbayern geflogen, erzählen die Antersberger. Leiser und spritsparender und damit unterm Strich umweltfreundlicher sei das Fliegen jetzt.

„Als Flieger brauchst du immer einen Plan B“ – Sicherheit geht vor
Das vorige Flugzeug, eine gelbe Zlin Aviation Savage, Rufzeichen D-MTUN, war dem Piloten im vergangenen Sommer bei einem Notfall-Training kurz nach dem Start über den Flügel abgekippt und bruchgelandet – Fluglehrer und Pilot haben sich mittlerweile von ihren Verletzungen erholt und fliegen beide wieder, betonen die Antersberger. Noch so ein Punkt, den Jannis Gernhold ans Segelfliegen vergibt. Die Sicherheit. „Was du nicht hast, kann dir nicht ausfallen“, sagt er über den Propellerantrieb. Deswegen sprechen die Segelflugpiloten betont nicht von einer Notlandung, sondern von einer Außenlandung, wenn sie unterwegs nicht genug Aufwind finden und etwa auf einem Feld niedergehen müssen – vergangenes Jahr landete eine Dachauer Pilotin (31) auf dem Weg nach Antersberg deshalb bei Berganger, unverletzt und ohne Schaden am Flugzeug und am Acker.

„Wenn wir fliegen würden wie bei Top Gun…“
Die Seilverbindung zwischen dem Schleppflugzeug oder der Motor-Seilwinde, die einem Segelflieger genug Schwung für eine Runde über die Region gibt, ist mit mehreren Sollbruchstellen versehen. Dazu trägt jeder einen Fallschirm. „Du brauchst als Flieger immer einen Plan B“, sagt Brandl, den das Klischee von den tollkühnen Männern in ihren Fliegenden Kisten nervt. „Wenn wir alle so fliegen würden wie bei Top Gun, dann gäbe es von uns nicht mehr viele“, sagt er.

Maulwurfshügel auf dem Rollfeld: Auch darum kümmert sich jemand
Unterwegs zurück Richtung Flugfeld, ruckelt und holpert die rote Breezer plötzlich über einem Waldstück. Ganz normal, sagt der Pilot. Ein Hauch von Thermik umspielt den Motorflieger – genau das, was die Segler zum Aufsteigen brauchen. Die Landung verläuft da fast sanfter als der Anflug. Das liegt auch an Segelfluglehrer Daniel Krapichler (28) aus Bruckmühl. Er ist beruflich Landwirt und hat gegen die Maulwurfshügel auf der rund 1000 Meter langen Graspiste mit Egge und Walze ganze Arbeit geleistet. „Wir sind keine kommerzielle Flugschule“, sagt er darüber, dass sich jeder einbringt, so gut er kann. „Bei uns läuft das kameradschaftlich.“ Und mit den Arbeitsstunden, die die Vereinsmitglieder bei der Flugzeugwartung und an Flugtagen leisteten, sei der Segelflugschein billiger als der Autoführerschein, ergänzt Pilot Brandl.

Als er aus dem Cockpit klettert, steht der nächste Pilot schon auf dem Rollfeld – zurzeit will jeder mit der neuen, knallroten Breezer fliegen. Apropos mitfliegen: Eine Wiederbelebung des überregional beliebten Flugzeugfestes, das zuletzt vor rund zehn Jahren stattfand, ist derzeit nicht geplant. Das 50-jährige Jubiläum hat der Verein kürzlich eher still und intern gefeiert. Große öffentliche Veranstaltungen seien für den Verein derzeit schwer zu stemmen. Neugierige aber jederzeit willkommen. Quelle: ‚Merkur.de‚ und ‚FC Condor Antersberg‚.

Kommentar verfassen