Projekt zur elektronischen Kollisionsvermeidung im unteren Luftraum

In Europa gibt es bisher bezüglich elektronischer Unterstützung zur Vermeidung von Kollisionen zwischen den verschiedensten Luftverkehrsteilnehmern noch keine klare Regelung. In den USA ist man da weiter: Wer alle Lufträume weiter nutzen will, braucht ADS-B: Entweder basierend auf Mode S oder auf UAT. Die ursprüngliche Absicht, EASA-weit ADS-B im Mode S-Band für alle und in allen Höhen einzuführen, kam nicht voran. Einerseits wird wohl zu Recht eine Überlastung des Radar-Frequenz-Bands befürchtet, wenn dort alles was fliegt sendet und empfängt, andererseits gilt es Rücksicht auf die begrenzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derjenigen zu nehmen, die sich vornehmlich in den unteren Flughöhen bewegen.

Wäre es nicht wünschenswert, alle Teilnehmer am Luftverkehr mit Daten zur Kollisionsvermeidung, mit Wetter und AIS-Daten zu versorgen? Der Schlüssel dazu könnte ein Mobilfunkband sein. Informationen würden nicht nur zwischen Verkehrsteilnehmern und Bodenstationen, sondern auch zwischen allen Teilnehmern gegenseitig ausgetauscht werden können. Weltweit wird ein solches Konzept als „Integrated Communication Navigation Surveillance“ oder „iCNS“ bezeichnet.

Ein EU-finanziertes Projekt hatte als Ziel den Datenaustausch über moderne Mobilfunk-Netze zu testen, speziell für die Verwendung in der Allgemeinen Luftfahrt, im Luftsport, für Drohnen und Air Taxis. Besonders wichtig wird das Thema, weil diese Verkehrssegmente nicht in getrennten, sondern in gemeinsam genutzten Lufträumen operieren sollen, dem sog. U-Space.

Eine weltweite Ausschreibung zum Projekt hatte Anfang 2021 ein Team von Firmen und „Stake Holders“ gewonnen:

  • Honeywell Brünn als Projekt-Leitung und für die Avionik in den Luftfahrzeugen
  • Nokia Stuttgart für den Aufbau und Test-Betrieb von 5GMobilfunk Bodenstationen
  • die Technischen Universitäten Istanbul und Eskisehir für Ausstattung und Betrieb von Drohnen und die Organisation von Meßflügen in einem teilweise militärisch kontrollierten Luftraum am Flughafen Eskisehir (LTBY) und die Kommunikation nach außen
  • SARP Air, ein Hubschrauber-Betreiber am Flugplatz LTBY
  • Eurocontrol Brüssel für die internationale und weltweite Koordination (Näheres)
  • und last, but not least, AOPA-Germany als Vertreter der Luftraumnutzer.

Das Projekt wurde auf den Namen „Future All Aviation CNS Technology“, Kurzname „FACT“, getauft. Viele Einzelheiten zum Projekt-Team finden sich auf der Homepage des Projekts.

Ausführung und Resultate:
Das Team begann seine Arbeiten Mitte 2021. Zeitgleich startete die AOPA-Germany die Mitarbeit in einem vom Auftraggeber geforderten „Advisory Committee“. Zugleich mit dem Projekt-Start begannen, unvorhersehbar in allen Heimatländern der Team-Mitglieder, diverse Arbeits-Einschränkungen bedingt durch die Corona-Pandemie. Physische Projekt-Meetings mussten durch Online-Konferenzen ersetzt werden. Dennoch wurde das Messprogramm vor Ende 2022 abgeschlossen. Dazu wurde das öffentliche 4G-Mobilfunknetz in der Umgebung des Flugplatzes LTBY benutzt. Die Messflüge wurden nur mit provisorischen Funk-Antennen durchgeführt, da andernfalls aufwendige technischen Abnahmen für Änderungen an Luftfahrzeugen hätten durchgeführt werden müssen. Die aufgenommenen Meßdaten in Testflügen zeigen völlig ausreichende Qualität der Daten für ein zukünftgiges „iCNS“ hinsichtlich Durchsatz, Fehlerrate und Latenz. Nicht gelöst ist die bislang unzureichende Abdeckung der Mobilfunknetze speziell in der Höhe. Ohne Gegenmaßnahmen zur Stabilisierung des Netzes in der Höhe kommt es zu Verbindungsausfällen, die für sicherheitskritische Anwendungen problematisch sind. Ungeklärt ist, wer die enormen Kosten für den notwendigen Netzausbau tragen könnte. Hoffnungsvoll stimmt wiederum die Möglichkeit, dass beispielsweise jeder Drachenflieger nur mit einer speziellen App auf seinem privaten 5G-Handy sich in ein zukünftiges iCNS-System einloggen könnte. Stromverbrauch, Gewicht und Kosten von unter 50 € für einen 5G-Router in einer Drohne oder einem GA-Flugzeug sollten zumutbar sein, sind sie doch als Massenprodukte sehr günstig im Vergleich zu FLARM oder gar Avionik für das Radar-Band.

Ausblick
In Koordination mit verwandten und weiter gehenden Projekten auf diesem Gebiet sollten die fehlenden Informationen und Betriebserfahrungen erarbeitet werden um auf dieser Basis kurzfristig ein realistisches iCNS Programm für Europa erstellen zu können. Quelle: ‚AOPA Germany / Dr. Klaus-Peter Sternemann‚.

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