Blick ins Massif des Ecrins. Foto: Hans Reis.

Nachlese zu „Sommer 2020 in der Provence“

von Hans Reis

Das Jahr 2020 wird wohl jedem Segelflugpiloten noch lange in Erinnerung bleiben. Corona – vor einem Jahr noch kaum denkbar – hat vieles, aber nicht alles verändert. Rückblickend kann man vielleicht sogar sagen: Wir hatten zumindest für die Sommermonate Juli/August noch «Glück im Unglück». So gingen die Grenzen nach Frankreich, zumindest aus der Schweiz, am 15. Juni wieder auf, und Frankreich hatte in den erwähnten Monaten noch eher tiefe, erst gegen Ende August wieder allmählich steigende Fallzahlen. Das führte dazu, dass Teile Frankreichs im September zum Risikogebiet erklärt wurden, darunter auch die Côte d’Azur, weite Teile der Provence, die Agglomeration Paris u.a.m.

Schauerzellen Richtung Mercantour. Foto: Hans Reis.

Wetterglück

Glück hatten wir auch mit dem Wetter: Juli und August waren trockene, heisse Monate mit oftmals guten, sogar sehr guten Segelflugbedingungen, die sich auch im OLC niederschlugen. Es gab aber auch sehr stabile Tage, die das Wegkommen an der Serre de Montdenier oder das Überqueren des Plateau Valensole nicht einfach machten. Sogar Gilles Navas, bezüglich Streckenflüge kein Unbekannter, beobachteten wir einmal, wie er die Serre «polierte», nicht wegkam, dann über des Flugplatzgelände von Puimoisson flog, nicht um zu landen, sondern, um über der Piste seinen Motor zu „zünden“. Um die Schwierigkeit des Plateau Valensole zu umgehen, fliegt er meist sehr früh motorisiert bis an die Ostseite der Serre, wo er dann seine Rekordflüge startet. Er bringt es fertig, manchmal minutengenau auf die letztmögliche Landezeit Vinon anzufliegen, von weitem erkennbar an seinem blinkenden Flash am Flugzeug.

A propos Hitze: Der heisseste Tag in Vinon war der 1. August mit 41° C. An vielen Tagen zeigte das Thermometer dort zwischen 35 und 37° C. Wer die ersten drei Juliwochen in Puimoisson und anschliessend bis Ende August in Vinon war, erlebte erstmals am letzten August-Wochenende richtig Regen. Sonst gab es ganz vereinzelt nur wenige Tropfen. Entsprechend präsentierte sich auch die Landschaft. Wohl gab es Gewitter, meist aber in den Bergen.

Ein Blick in die Statistik „Flugplatz OLC-Plus 2020“ zeigt per Ende September 2020, dass Puimoisson nach Bitterwasser auf dem zweiten Platz liegt und zwar mit 527’322,92 Punkten, 541’162,93 km, von 184 Piloten mit 1’144 Flügen geflogen. Vinon figuriert auf Platz 13 mit 236’637,64 Punkten, 245 398,7 km, 81 Piloten und 569 Flügen.

St.Auban folgt auf Platz 15 mit 223’385,4 Punkten, 232’546,16 km, 131 Piloten und 759 Flügen. Mit grossem Abstand figuriert dann Fayence auf Platz 42 mit 128’857,75 Punkten, 140’674,71 km, 46 Piloten und 524 Flügen.

Die Schutzmaske: allgegenwärtiges und unvergessliches «Accessoire» im Sommer 2020. Foto: Hans Reis.

Finanzielle Einbussen wegen Covid-19

Covid-19 hinterliess natürlich auf den Flugplätzen finanzielle Spuren, nicht nur in Frankreich. Bis ca. Mitte Mai waren Puimoisson und Vinon geschlossen, wie auch viele andere Flugplätze in verschiedenen Ländern. Nach der Wiedereröffnung zögerten Piloten, ihre Segelflugferien in der Provence zu verbringen. In Vinon fehlten beispielsweise die Gruppen aus Birrfeld oder Beromünster komplett, andere waren weniger zahlreich vertreten als in früheren Jahren. Anfangs Juli seien in Puimoisson normalerweise etwa 43 Flugzeuge stationiert, dieses Jahr die Hälfte, sagte Alfred Spindelberger. Ab dem zweiten Juliwochenende war Puimoisson dann aber ziemlich vollbesetzt. Auch Noël Faucheux, Präsident der Association Aéronautique Verdon Alpilles (AAVA) in Vinon, ist mit der Belegung und vor allem der Anzahl Starts in den Monaten Juli/August recht zufrieden. Die Frequenzen waren höher als ursprünglich erwartet. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass – Stand Ende August – in den Kassen beider Flugplätze wichtige Einnahmen fehlen. Alfred Spindelberger beziffert die entgangenen Einnahmen für Puimoisson mit EUR 80’000.-. Für Vinon sind es EUR 200’000.-, wie der Präsident bereits Mitte Juli sagte und Ende August in einem Gespräch nochmals bestätigte. 

Aufgabenteilung mit Konsequenzen    

In Puimoisson fanden Audits verschiedener Institutionen statt. Sie stellten dem Flugplatz ein sehr gutes Zeugnis aus. Es war sogar von einem der «bestgeführten Segelflugplätze Frankreichs» die Rede. In Puimoisson ist die Halterin und Betreiberin des Flugplatzes das Centre de Vol à Voile de Puimoisson  (CVVP) eine SARL, d.h. eine Société à responsabilité limitée, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit eigener Rechtspersönlichkeit, analog der GmbH in Deutschland, Luxemburg oder der Schweiz. Zuständig für den ganzen Flugbetrieb ist der in Frankreich eingetragene Verein Association de Vol à Voile Puiplaneur. Alfred Spindelberger formuliert die Aufgabenteilung zwischen den beiden Institutionen bildlich so: «Alles, was sich 1 mm und mehr über dem Boden abspielt, gehört in die Zuständigkeit des Vereins, insbesondere der Schleppbetrieb». Würde das die SARL tun, wäre es gewerblich und mit grossen Auflagen verbunden. So dürften nur Berufspiloten schleppen. Es bräuchte zudem eine spezielle Infrastruktur mit einem «safety officer» und vieles mehr. Das ist der Grund, weshalb auf praktisch allen Segelflugplätzen Frankreichs Vereine für den eigentlichen Flugbetrieb verantwortlich sind. In Vinon ist es die Association Aéronautique Verdon Alpilles (AAVA).

Im Gegensatz zu den umliegenden Vereinen, die meist auch auf kostenlos zur Verfügung gestelltem Gelände fliegen, muss das CVVP in Puimoisson  für den Flugplatz erheblich Pacht bezahlen und in den Preisen ist auch die französische Mehrwertsteuer von 20% enthalten.  

Für die SARL als Halterin und Betreiberin des Flugplatzes bestehen auch am Boden strenge Auflagen, deren Erfüllung immer wieder ins Geld geht. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen. Puimoisson musste eben einen neuen Wassertank für das Feuerlöschen bauen. Er befindet sich oberhalb der sanitären Anlagen Richtung Rollweg. Vorschrift: mindestens 20 m und maximal 200 m vom brandgefährdetsten Objekt entfernt. Dieses Objekt ist der Hangar. Die Kosten des neuen Tanks beliefen sich auf knapp EUR 40’000.-. Der Tank muss zudem von Sand umgeben sein, damit ihn Steine nicht beschädigen können. Die Kosten allein für den Sand betrugen EUR 7’000.-.

4. Juli, 21:36 Uhr: Aufgang des Monds im Osten…
und gleichzeitiger Sonnenuntergang im Westen. Fotos: Hans Reis.

Zweites Beispiel: In der Gegend von Puimoisson ist Grillieren zwischen Mitte Juni und September grundsätzlich verboten. Warum? Diese Gegend gehört zu den brandgefährdetsten Gebieten Frankreichs, was erstaunen mag. Der Grund sind die Lavendelfelder. Diese brennen sehr leicht, wegen der ätherischen Öle des Lavendels. Marcel, ein Einheimischer, sagte: «Diese brennen wie Zunder.» Puimoisson brauchte eine Spezialbewilligung für den Grill, dem auch ein «Dach» als Schutz gegen wegfliegende Gluten vorgeschrieben wurde. Es muss zudem immer ein Wasserschlauch in der Nähe sein. Nur so kann das wöchentlich Barbecue am Montag stattfinden. Der Flugplatz von Puimoisson liegt im «Parc naturel régional du Verdon» in einer Zone, die mit «Natura 2000» klassifiziert ist.

«Natura 2000» ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der EU, das seit 1992 nach den Massgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG, kurz FFH-Richtlinie) errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. In das Schutzgebietsnetz werden auch die gemäss der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) ausgewiesenen Gebiete integriert. Das Natura-2000-Netzwerk umfasste 2013 mehr als 18 % der Landfläche und mehr als 7 % der Meeresfläche der EU. Nicht dazu gehören hingegen die französischen und niederländischen Überseegebiete der EU.

Unterschiedliche Auflagen auch für Schwimmbäder

Der Unterschied der Auflagen zwischen der SARL (GmbH) und einem Verein zeigt sich auch beim Betrieb eines Schwimmbads. In Puimoisson war dies in diesen Sommermonaten nicht in Betrieb, was sehr schade war und teilweise auch heftig kritisiert wurde. Der Grund: Es seien technische Gründe, d.h. veraltete Anlagen, die nur mit grossem Aufwand auflagengerecht wiederhergestellt werden könnten. Ein weiterer Grund für das geschlossene Schwimmbad in Puimoisson war gemäss Alfred Spindelberger auch die Schwierigkeit, die Corona-Bestimmungen einzuhalten. Das Schwimmbad war bereits im Jahr 2009 schon einmal für die Gäste des CVVP gesperrt.

In Vinon pflegte und betreute in den Sommermonaten die Gastpilotin Aniko Molnar das Schwimmbad, und ihr tägliches Engagement zeigte sich im Resultat. Es war kaum je so sauber und gepflegt wie 2020. Ihr gebührt ein grosser Dank, war es bei den eingangs erwähnten Temperaturen doch eine Wohltat, sich dort abkühlen zu können und für die notwenige Bewegung zu sorgen. Etliche Piloten benützten die Erfrischung regelmässig vor ihrem Flug. 

Interessant ist die Frage, wer ein Schwimmbad betreibt, sind damit doch grosse Unterschiede bei den zu erfüllenden Auflagen verbunden. Betreibt dieses ein Verein, wie das in Vinon der Fall ist, dann sind die Auflagen weniger streng – weil «privat genutzt» –, als bei einer SARL, was «gewerbliche Nutzung» impliziert. So erfolgt bei einem «Vereinsbad» keine amtliche Kontrolle der Wasserqualität. Es gibt keine speziellen Vorschriften wie Rettungsring am Bassinrand oder ein rotes Nottelefon im Schwimmbadbereich mit direkter Verbindung zu den Sapeurs pompiers, auch keine spezielle Instruktion einer Person für lebensrettende Massnahmen u.a.m.

Es ist derselbe Unterschied wie beim Flugbetrieb: Ist ein Verein dafür verantwortlich, gilt es als privat; eine Nutzung durch eine Firma aber als gewerblich – mit den entsprechenden Auflagen. Genauso verhält es sich mit Vereins-Gaststätten im Vergleich zu öffentlichen Restaurants.

Für Verwirrung sorgte in Puimoisson im Juli eine ungelöste Versicherungsfrage, was dazu führte, dass an einem Tag keine Starts erfolgen durften. Das Problem konnte aber rasch gelöst und der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden. Klar deklariert und von den zuständigen Behörden auch kontrolliert wird der Funkverkehr in Puimoisson. Primär hat er in Englisch zu erfolgen. Französisch ist auch möglich, aber auf gar keinen Fall Deutsch. Weil die meisten Piloten eher des Englischen als des Französischen mächtig sind, hat Englisch klar Priorität und wird auch entsprechend praktiziert. In Vinon erfolgt der Funkverkehr mehrheitlich in Französisch, ist aber jederzeit auch in Englisch möglich.

Zufahrtstrasse Puimoisson als Dauerthema

Zu reden gibt in Puimoisson auch immer wieder der Zustand der Zufahrtstrasse zum Flugplatz. Interessant war in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit dem neugewählten Bürgermeister (Maire) von Puimoisson, den Alfred Spindelberger zur Besichtigung des Flugplatzes zum Nachtessen eingeladen hatte, zusammen mit seiner Gattin. Das Ganze ist nebst einer Kosten- und Beteiligungsfrage auch eine Frage der Vorschriften. So meinte der Gemeindepräsident zur Frage der Asphaltierung, sie hätten diesbezüglich sehr strenge Auflagen. Würde irgendwo eine Naturstrasse neu asphaltiert, müsste an einem anderen Ort die gleiche Fläche Hartbelag rückgebaut werden. Man will damit offenbar eine Asphaltierung/Zubetonierung der Landschaft verhindern.       

Erfreuliche Unfallbilanz

Im Unterschied zu früheren Jahren präsentiert sich die Unfallbilanz für den Sommer 2020 recht positiv. In den beiden Monaten Juli und August ist «nur» von zwei schweren Segelflugunfällen im Berichtsgebiet die Rede.  

Der An-, Vorbei- und Überflug des Monte Viso ist immer wieder faszinierend. Foto: Hans Reis.

Am Nachmittag des 5. August verunglückte ein Doppelsitzer in der Region Parmelan bei Annecy. Erste Berichte deuteten darauf hin, dass das Flugzeug mit dem Seil des Lastenseilbahn zur Parmelan-Hütte kollidiert ist. Es stürzte in den Wald ab. Die beiden an Bord befindlichen Personen im Alter von 60 und 61 Jahren wurden schwer verletzt, konnten von der Feuerwehr vor Ort medizinisch versorgt und auf dem Luftweg in das Krankenhaus von Annecy geflogen werden. Eine Untersuchung des Unfalls ist eingeleitet. Quelle: «Le Dauphiné».

Am Dienstag, 18. August kam ein 58jähriger Segelflugpilot bei Angles ums Leben. Das Flugzeug stürzte in einer schwer zugänglichen, steilen und bewaldeten Bergregion im Verdon-Tal zwischen den Gemeinden Angles und Saint-André-les-Alpes ab. Das Segelflugzeug befand sich an der «Crête du Petit Grau» in einer Höhe von gut 1200 m/M. Der Pilot, Eigentümer des Flugzeugs, war in Fayence gestartet und in Nizza zu Hause. Er starb noch vor dem Eintreffen der Feuerwehrleute und Retter des Zuges der Hochgebirgsgendarmerie (PGHM) von Jausiers. Die Staatsanwaltschaft von Digne-les-Bains leitete eine gerichtliche Untersuchung ein, um die Ursachen des Absturzes zu ermitteln. Quellen: «La Provence» und «Les pelotons de gendarmerie de haute montagne, Jausiers, PGHM».

Von diesem Unfall wurde auch am Briefing in Vinon berichtet, und es zeigte sich einmal mehr, wie nach einem Unfall immer wieder Falschinformationen/Spekulationen ins Kraut schiessen. Zuerst hiess es, der Pilot sei 61, deutscher Nationalität, und er sei mit einem Discus verunglückt. Im Internet war dann zu lesen, es sei ein Ventus, auf dem er noch wenig Flugerfahrung gehabt habe, und er sei beim Hangflug mit dem Gelände kollidiert… Was effektiv war, wird die Untersuchung zu Tage fördern. 

Moustiers ist auch abends einen Ausflug wert.

Bereits ist es herbstlich und schon bald folgt der Winter. Wie verhält es sich eigentlich mit diesen Flugplätzen im Winter? Dürfte man dort landen und starten, auch wenn sie «verwaist» sind? Grundsätzlich gilt: Wenn der Windsack hängt und kein Notam publiziert ist, kann (in Frankreich) auf einem Flugplatz ohne Betrieb zu jeder Jahreszeit gelandet und gestartet werden. Passiert aber ein Schaden, z.B. wegen eines Defekts an einer Piste, etwa wegen eines Lochs in einer Graspiste oder einem Rollweg – gegraben von Wildschweinen –, dann haftet der Betreiber des Flugplatzes. Und das könnte ins Geld gehen, wenn z.B. ein landendes Flugzeug mit dem Bugrad in ein solches Loch gerät und das Bugrad einknickt. Deshalb: Windsack weg, Notam publizieren. Dann entfällt dieses Risiko für die Verantwortlichen. Eine Ausnahme gilt für Puimoisson: Dort dürfen Motorflugzeuge grundsätzlich nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Direction générale de l’Aviation civile (DGAC) in Aix-en-Provence landen.

Wie nach der Heimkehr zu erfahren war, hat sich zum Saisonende in Puimoisson bei der Stelle des Chefpiloten eine personelle Veränderung ergeben.

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